Zum Inhalt der Seite

Delilah – Die Liebe einer Wölfin

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

6. Kapitel

Wie lange sie bereits wach dalag, Deans Atem auf ihrer Brust spürte, der im Schlaf seine Stirn an ihren Hals geschmiegt und einen Arm um ihre Taille geschlungen hatte, wusste sie nicht. Lange hatte sie James’ leises Schnarchen nahe an ihrem Ohr gelauscht, dessen Arme sie so vollkommen umschlungen hielten, dass sie sich wie in einem menschlichen Kokon gehüllt vorkam. Beschützend und mehr als nur einfach angenehm.

Delilah wollte nicht, dass es endete.

Im verzweifelten Versuch das Unausweichliche noch etwas hinauszuschieben, hatte sie damit begonnen, Deans Nacken sanft zu kraulen und obwohl er sich bei ihrer ersten Berührung nur noch enger an sie gedrückt hatte, war er doch nicht wach geworden.

Delilah wusste nicht, ob sie das gut oder schlecht finden sollte. Es hätte ihre Entscheidung vielleicht noch beeinflusst. Doch beide Männer schliefen einen tief erschöpften Schlaf, der nicht ihr allein gebührte, wie sie wohl wusste, aber das machte es nur noch schwerer.

Sie hatten ihr das Leben gerettet. Sie hatten ihr diese Nacht gerettet, in der sie sich ohne die Leidenschaft der beiden Brüder unbefriedigt auf dem Bett hin und her geworfen hätte – vollkommen ihren Hormonen ausgeliefert.

Doch in ihrem Körper war es ruhig, auch wenn es da noch die eine oder andere Stelle gab, die dumpf vor sich hin pochte und sich meldete, sobald sie auch nur einen Muskel rührte. Das war es also nicht, was sie noch in diesem Bett hielt. Es waren diese beiden Männer an ihrer Seite.

Nachdenklich drückte Delilah ihre Nase in Deans fingerlanges Haar, schloss die Augen und sog in tiefen Atemzügen seinen unvergleichlichen Duft ein.

Sein eigener Geruch war immer noch stark, aber inzwischen durchzogen von ihrer eigenen Witterung, was ihr unerklärlicherweise ein tiefes Gefühl der Befriedigung gab. Zeigte es doch, mit wem er diese Nacht verbracht hatte und sie war sich fast sicher, bei James würde es ihr nicht anders ergehen.

Es war schon seltsam, dass sie die beiden rein äußerlich betrachtet, keinen Augenblick lang auseinanderhalten könnte, sahen sie doch so absolut gleich aus. Selbst ihr Haarschnitt war identisch. Aber dank ihrer feinen Nase konnte sie die Brüder sogar mit geschlossenen Augen voneinander unterscheiden und sie war sich fast sicher, dass ihr auch ein einziger Kuss die Person dahinter verraten würde.

Sehr viel mehr als das wusste sie nicht über die Brüder. Weder wie alt sie nun wirklich waren, noch was sie für gewöhnlich taten, wenn sie nicht gerade einer Frau das Leben schwer machten oder es retteten.

Das war vielleicht auch gut so.

Delilah wollte sich die Illusion dieser Nacht bewahren und unter einer besonders guten Erfahrung in ihren Erinnerungen abspeichern. Mehr stand ihr nicht zu und mehr konnte sie auch gar nicht zulassen.

Sie musste gehen, und zwar möglichst bald. Noch bevor die Zwillinge aufwachten und unangenehme Fragen gestellt wurden, die sie nicht beantworten wollte. Oder bevor man sie hochkant rausschmiss, was sie aber irgendwie von den Brüdern nicht erwarten würde. So schätzte Delilah sie nicht ein, aber sie wollte sich auch nicht vom Gegenteil überzeugen lassen, also schob sie Dean schließlich schweren Herzens langsam Stück für Stück von sich weg, bis er sie von selbst losließ und sich auf die andere Seite drehte, um das Kissen unter seinem Kopf zu umschlingen und mit einem tiefen Seufzer weiter zu schlafen.

Überrascht hielt Delilah noch einmal in James’ Armen inne, während sie Deans bloßen Nacken anstarrte.

Es war ihr bisher noch gar nicht aufgefallen, aber er hatte sich in Form eines Tribals mit zusätzlicher Verzierung den Anfangsbuchstaben seines Namens in den Nacken stechen lassen. Das D war nicht schwer zu erkennen und würde sicherlich sogar bei genauerem Hinsehen unter einem Hemdkragen hervorschauen.

Delilah fragte sich, warum er sich dieses Tattoo hat machen lassen, doch das würde eine der Fragen bleiben, die sie wohl nie beantwortet bekommen würde. Auch wenn sie es gerne gewusst hätte.

Sich der knappen Zeit bewusst, die ihr noch bis zum Morgengrauen blieb, obwohl durch die geschlossenen Rollos und Vorhänge auch jetzt noch nichts von draußen hindurchdrang, nahm sie James’ Arm von ihrer Taille und schob auch sein Bein zurück, das sich mit ihren verhakt hatte, ehe sie vollkommen aus seiner Umarmung schlüpfen konnte.

Er brummte unwillig und bewegte sich im Schlaf, als würde er sie suchen. Schnell drückte sie ihm eines der Zierkissen in die Arme, das er fest an sich presste und schließlich sein Gesicht darin vergrub.

Ihre Nerven flatterten, während sie darauf wartete, dass er wieder still wurde und sein leises Schnarchen, das mehr einem lauten Atmen glich, erneut erklang. Erst dann wagte sie es, sich auch von dem dünnen Bettlaken zu befreien und es über die Brüder zu ziehen, ehe sie es endlich aus dem Bett schaffte.

Ihre Beine waren zittrig und sie konnte nun deutlich die Hinterlassenschaften der beiden Männer zwischen ihren Schenkeln spüren, weshalb sie es riskieren würde, sich vor ihrem Verschwinden noch schnell zu waschen.

Leise stahl sie sich ins Badezimmer und drückte lautlos die Tür hinter sich zu.

Wenn Werwölfe auch nur halb so gute Ohren hatten wie sie, dann würde sie sehr leise sein müssen, um die Brüder nicht zu wecken. Sollten sie allerdings auch einen ebenso tiefen Schlaf haben, müsste sie sich nicht allzu große Sorgen machen.

Delilah ließ es am Ende einfach darauf ankommen, indem sie sich in die Badewanne hockte und mit wohltuend warmem Wasser gründlich abbrauste.

Während sie sich abtrocknete, konnte sie immer noch die Witterung der beiden Brüder auf ihrer Haut wahrnehmen, die selbst dem Wasser standgehalten hatte.

Ein Lächeln lag auf ihrem Gesicht, als sie sich frische Unterwäsche überstreifte und dann nach einer Jeans und einem Stricktop griff, um sich fertig anzuziehen. Auf Make-up konnte sie im Augenblick verzichten, obwohl sie zumindest die noch immer leicht verblassenden bunten Stellen um ihr Auge herum gründlich abdeckte.

Der Rest ihrer Sachen war schnell eingepackt, da sie nicht viel in der kurzen Anwesenheit in diesem Hotel benutzt hatte.

Das ausgeliehene Schlabbershirt und die Shorts, die einem der Brüder gehören mussten, legte sie zusammengefaltet auf den Waschtisch. Doch kaum, dass sie mit der Reisetasche zur Tür gehen wollte, drehte sie sich noch mal herum und nahm die Kleidungsstücke an sich. Sie hatte nichts so Gemütliches, und obwohl das für ihre Verhältnisse wirklich erbärmlich war, wollte sie doch auch irgendwie etwas von den Brüdern behalten. Einfach so zur Erinnerung.

Vorsichtig steckte sie ihren Kopf ins andere Zimmer und versicherte sich gründlich davon, dass die Zwillinge noch tief und fest schliefen. Erst dann schlich sie sich durchs Zimmer zur Tür und stellte dort lautlos ihre Tasche ab.

Delilah hatte wieder ihre Ballerinas an, weshalb sie keinen Laut machte, als sie zu dem großen Bett hinüberschlich und davor in die Hocke ging.

Hätte Dean in diesem Augenblick die Augen geöffnet, er hätte sie direkt angesehen, doch er tat es nicht und sie ließ ihn nicht aus den Augen, um sicherzugehen, dass das auch weiterhin so blieb, während sie nach seiner Hose fasste und die Taschen durchwühlte, bis sie endlich fand, was sie suchte.

Sein Portemonnaie war aus dunklem Leder und von der vielen Benutzung ganz weich. Es hatte ein paar undefinierbare schwarze Flecken an der Außenseite, die leicht chemisch rochen. Allerdings konnte sie den Geruch nicht deutlich zuordnen und Delilah hatte auch nicht die Zeit dafür, sich damit eingehend zu beschäftigen. Stattdessen klappte sie die Geldbörse auseinander, und obwohl sie es eigentlich auf etwas Bargeld abgesehen hatte – was ihr schon jetzt ein unerwartet schlechtes Gewissen bescherte – konnte sie doch nicht anders und zog seinen Führerschein so weit heraus, dass sie seinen vollständigen Namen lesen konnte – Dean McKenzie

Er war gerade mal vor knapp zwei Monaten 23 Jahre alt geworden.

Scheiße.

Die Brüder waren also tatsächlich noch so blutjung, wie sie die beiden eingeschätzt hatte. Okay, sie war zwar nur vier Jahre älter, aber gerade in dieser Phase des Lebens machte das doch noch einen Unterschied aus. So empfand Delilah es zumindest.

Nachdenklich schob sie den Führerschein wieder zurück und hob das Portemonnaie näher an ihr Gesicht heran, um besser sehen zu können. Da war ein Bild – sie konnte nicht sagen, ob darauf Dean oder James zu sehen war – auf jeden Fall stand einer der beiden vor so einer Art Werkstatt und grinste breit in die Kamera. Während über dessen Hinterkopf eine fremde Hand emporragte und mit gespreizten Zeige- und Mittelfingern Hasenöhrchen in die Höhe hielt. Das Bild war offensichtlich nur die Hälfte eines ganzen und genau dort abgeschnitten, wo dem Betrachter gezeigt worden wäre, wessen Hand das war, die da diese lustige Geste machte.

Delilah betrachtete dieses Bild und den darauf gezeigten Mann lange, ehe eine leichte Bewegung auf dem Bett sie hochschrecken ließ.

Vollkommen erstarrt wartete sie darauf, dass Dean aufwachen und sie so sehen würde, doch er drehte sich lediglich wieder auf den Rücken und schlief weiter.

Mit rasendem Herzen nahm sich Delilah, was sie wollte und steckte die Brieftasche wieder feinsäuberlich zurück in Deans Gesäßtasche.

Obwohl sie ihr Glück schon viel zu sehr überstrapaziert hatte, schlich Delilah um das Bett herum, um auch in James’ Hosentasche zu wühlen. Sein Portemonnaie unterschied sich rein äußerlich nur von der Farbe her von dem seines Bruders und er hatte in einer Schlaufe eine kleine Kette eingehakt, die mit der Jeanshose verbunden war. Der Inhalt war so ziemlich gleich, bis auf die Tatsache, dass das enthaltene Foto nun die andere Hälfte des Bildes zeigte. Auch wenn die Darstellung sich nicht wirklich unterschied. Auch hinter diesem Hinterkopf wurde eine Hand mit Hasenöhrchen hochgehalten und das breite Grinsen war identisch mit dem seines Bruders.

Es brachte Delilah zum Lächeln, ehe sie auch James’ Geldbörse zurücksteckte und sich erhob. Verblüfft verharrte sie mitten in der Bewegung, ehe sie sich ein Stück über das Bett beugte, so dass sie James’ Nacken besser sehen konnte.

Tatsächlich!

Auch er hatte das gleiche Tattoo wie sein Bruder, nur mit dem Unterschied, dass es ein verschnörkeltes J war.

Ob die beiden das zur leichteren Unterscheidung gemacht hatten? Immerhin hatte keiner von ihnen ein Muttermal im Gesicht, so dass man daran vielleicht einen Unterschied hätte erkennen können, wie sie es schon ab und an mal bei einem anderen Zwillingspärchen gesehen hatte.

Auch diese Frage blieb unbeantwortet, denn sie musste jetzt wirklich dringend gehen. Inzwischen hatten die ersten Vögel bereits zu singen begonnen und zumindest von Dean wusste sie, dass er kein Langschläfer war.

Eilig hastete Delilah zu ihren Sachen und legte den Riemen ihrer Reisetasche über ihre gesunde Schulter, ehe sie leise die Tür öffnete und noch einen letzten Blick zurück auf das riesige Bett warf.

Sie würde diese beiden Männer ehrlich vermissen.

Dann ging sie.
 

Delilah atmete erst auf, als sie in einem Bus sitzend die Stadt hinter sich gelassen hatte. Wohin genau die Reise ging, wusste sie nicht. Sie wusste nur, dass sie lange genug in dieser Stadt gewesen war und es nun an der Zeit wurde, weiterzuziehen. Außerdem war so die Wahrscheinlichkeit geringer, den beiden Brüdern wieder über den Weg zu laufen. Ein Gedanke, der sich zwiespältig äußerte, denn einerseits wollte sie sofort zurück und sich noch ein bisschen an die beiden kuscheln, vielleicht auch ein ausgelassenes Frühstück mit ihnen genießen und danach noch ein paar weitere Zärtlichkeiten austauschen ...

Doch andererseits könnte alles nach dieser Nacht genauso gut in einem Alptraum enden. Sie hatte es schon mehrmals erlebt, dass sie im Schutze der Nacht wie im siebten Himmel geschwebt und sich dabei sogar ein bisschen in den Mann verliebt hatte. Morgens war sie dann wachgelegen, hatte Luftschlösser gebaut und von einem wesentlich ruhigeren Leben geträumt, in dem sie nicht von Ort zu Ort und von Bett zu Bett ziehen musste, nur um irgendwie mit Gelegenheitsjobs über die Runden zu kommen.

Und wenn dann auch ihr Bettgefährte wach geworden war und sie eigentlich schon an ein gemütliches Frühstück zu zweit im Bett gedacht hatte, verkehrte sich ihr Glück ins Gegenteil. Denn sie war schon mehrmals kühl und distanziert zur Tür hinausgebeten worden. Manchmal sogar noch mit einem Geldschein, den man ihr in die Hand gedrückt hatte und somit noch deutlicher den Status klar machte, den sie in dieser Nacht eingenommen hatte.

Delilah mochte ja Vieles sein, aber sie war keine Prostituierte.

Ihre Kleidung mochte ja dagegen sprechen, aber sie selbst entschied, mit wem sie es tat und wann. Niemand sonst!

Von diesen Gedanken betrübt, lehnte sie ihren Kopf an das kühle Glas der Fensterscheibe und starrte in die vorbeiziehende Landschaft hinaus.

Sie dachte wieder an Dean und James.

Was die beiden ihr vermittelt hatten, war so anders gewesen, als diese grässlichen Erinnerungen und genau deshalb hatte sie gehen müssen. Um diesen zerbrechlichen Traum nicht zu zerstören.

Langsam tasteten ihre Finger über die Tasche ihrer Jeans, wo sie den Inhalt der beiden Brieftaschen sorgfältig hineingesteckt hatte.

Vorsichtig zog sie die beiden Bildhälften heraus und hielt sie so aneinander, dass sie endlich ein Ganzes ergaben.

Wieder musste sie lächeln. Die beide strahlten geradezu vor Lebensfreude. Kein Wunder, dass den Zwillingen immer ein lockerer Spruch auf der Zunge lag. Sie schienen ihre Zufriedenheit mit Löffeln gefressen zu haben und sie waren nicht geizig damit. Das hatten sie Delilah sehr stark spüren lassen.

Vielleicht, in einer weit entfernten Zukunft, schaffte sie es eines Tages, ebenso offen und locker mit der Welt umzugehen, wie sie es taten.

Aber es würde hart werden, denn Delilah sah ein, dass sie endlich etwas in ihrem Leben ändern musste. Erst die Tatsache, dass sie beinahe gestorben wäre, hatte ihr ihr verschwenderisches Tun deutlich gemacht.

Delilah warf noch einen Blick auf das Foto, ehe sie die beiden Teile wieder sicher verstaute.

Sie würde es wenigstens versuchen.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (0)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.

Noch keine Kommentare



Zurück