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Delilah – Die Liebe einer Wölfin

von

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55. Kapitel

„Es tut mir so wahnsinnig leid! Das war total unprofessionell und es wird garantiert nie wieder vorkommen. Kannst du mir verzeihen?“

Delilah machte einen Schritt zur Seite, um an der riesigen Pralinenschachtel vorbei und in Hollys Gesicht sehen zu können. Die ältere Frau lächelte entschuldigend und wirkte ehrlich geknickt, so dass Delilah ihr sofort verziehen hätte, wenn es denn etwas zu verzeihen gäbe.

„Nur unter einer Bedingung“, meinte sie dennoch gespielt ernst.

Hollys Lächeln wurde leicht angespannt. „Ja?“

„Du kommst rein und wirst meine Hebamme.“ Breit grinsend machte Delilah Platz und öffnete die Tür noch weiter, um der Einladung mehr Nachdruck zu verleihen.

Sichtlich erleichtert sackte Holly in sich zusammen, ehe sie sich noch einmal die Schuhe an der Türmatte abstreifte und hereinkam.

„Danke, dass du mir das von gestern nicht übel nimmst und natürlich werde ich deine Hebamme. Das stand für mich schon fest, bevor ich deinen leckeren Apfelkuchen verschlungen habe.“

Holly nahm die große Pralinenschachtel in die andere Hand und öffnete ihren fabelhaften Mantel, doch bevor sie ihn sich abstreifte, hielt sie Delilah noch einmal die Schokolade hin. „Ich meine, vorausgesetzt dass du mich wirklich als deine Hebamme haben möchtest und die Schokolade hier darfst du ruhig als kleinen Bestechungsversuch ansehen.“

„Danke, aber das wäre wirklich nicht nötig gewesen. Selbst wenn du nicht die einzige Hebamme wärst, die sich mit mir abgeben will, hätte ich sofort auf der Stelle dich gewählt.“

„Ich versteh immer noch nicht, was meine Kolleginnen gegen dich haben, aber das ist dann ja wohl deren Problem.“ Holly zwinkerte ihr verschwörerisch zu und Delilah nahm ihr die Pralinen ab, damit sie sich endlich Mantel und Schuhe ausziehen konnte.

„Und das wegen gestern, tut mir wirklich ehrlich leid. Aber Eli zu sehen, hat mich einfach total überrascht. Ich dachte, er hätte das Haus hier schon längst aufgegeben und würde irgendwo in der Weltgeschichte herumstreifen. Zum Glück hab ich gleich am Anfang erfahren, dass sein Vater schon seit Jahren tot ist, sonst hätte ich mir zweimal überlegt, hierher zu kommen.“

Delilah musste ihre Neugier stark zügeln, während sie Holly ins Wohnzimmer führte und ihren Worten lauschte.

„Der Kerl muss ziemlich unangenehm gewesen sein, was ich so gehört habe“, meinte sie vorsichtig und legte die Schokolade neben das angerichtete Teeservice auf dem gläsernen Couchtisch. „Ich habe übrigens heiße Schokolade gemacht. Du kannst aber auch gerne Kaffee oder Tee haben, wenn dir das lieber ist.“

„Nein, danke. Heiße Schokolade klingt perfekt und unangenehm ist noch viel zu nett ausgedrückt.“ Holly setzte sich auf Deans Seite der Couch und Delilah schenkte ihr aus der Thermoskanne etwas von dem herrlich duftenden Getränk ein. Sie selber kuschelte sich mit einer Tasse in der Hand in James' Ecke.

„Nick McKenzie war ein riesiges Arschloch und Tyrann. Möge er auf ewig in der Hölle schmoren.“

Beinahe hätte Delilah sich bei der Offenheit die Holly an den Tag legte, verschluckt. Aber sie hätte es vermutlich nicht besser ausdrücken können, wusste sie ja, dass Elijahs Vater alles andere als ein Heiliger gewesen war und das konnte sie allein anhand der wenigen Dinge feststellen, die sie gehört hatte. Bestimmt war das längst nicht alles gewesen.

„Amen, Schwester.“

Das brachte Holly wieder zum Lächeln.

„Entschuldige meine Neugierde, aber wie lange haben du und Elijah euch nicht mehr gesehen?“ Delilah ließ die andere Frau keine Sekunde aus den Augen, während sie einen großen Schluck von ihrem Getränk nahm. Es war faszinierend mit anzusehen, wie alleine die Erwähnung von Elijahs Namen etwas in Hollys Augen zum Strahlen brachte.

„Ungefähr dreißig Jahre.“

„Wow. Das ist eine verflucht lange Zeit.“

Mein Gott, da war ich noch nicht einmal auf der Welt!

„Ja, das ist es wirklich. Ich hätte ihn auch fast nicht erkannt, aber unsere Nasen lügen nicht und sein Geruch hat sich in all der Zeit nicht verändert. Kaum zu glauben, dass er schon zwei erwachsene Söhne hat. Die Zeit vergeht einfach viel zu schnell.“

„Das tut sie wirklich.“ Delilah strich sich nachdenklich über ihren riesigen Bauch und konnte kaum glauben, dass die Schwangerschaft schon fast wieder vorbei war. Es fühlte sich an, als wäre es erst gestern gewesen, als sie auf die Teststreifen gepinkelt hatte.

Andererseits vermisste sie die Zeit danach nicht wirklich. Erst jetzt, wo so etwas wie Ruhe und Harmonie in ihre Beziehung mit den Zwillingen eingekehrt war, konnte sie das Leben wirklich genießen und vor allem auch die Schwangerschaft mit all ihren guten, wie auch weniger angenehmen Seiten.

„Und wie ist das so gleich zwei Gefährten auf einmal zu haben?“

„Anstrengend“, kam es spontan über Delilahs Lippen, noch ehe sie richtig darüber nachgedacht hatte. Also versuchte sie, diese doch eher negative Aussage gleich wieder zu berichtigen.

„Ich meine, ich liebe die beiden wie wahnsinnig. Ich würde keinen von ihnen je wieder hergeben und sie bemühen sich wirklich, dass diese Beziehung funktioniert, aber als der ausgleichende Teil dieser Dreiecksbeziehung, kann das manchmal schon ein bisschen viel werden.“

„Kann ich mir vorstellen. Ich meine, Werwölfe können ganz schön dominant sein, wenn es um ihre Partnerinnen geht. Umso faszinierender ist es, dass sie scheinbar damit klarkommen, dich mit dem jeweils anderen zu teilen.“

„Es hat auch ein paar Mal ganz schön gekracht, bis wir die Sache im Griff hatten.“ Delilah entkam ein schweres Seufzen, als sie an die Prügeleien dachte. Dagegen waren die kleinen Streitigkeiten die ab und an noch zwischen den Brüdern entstanden regelrecht harmlos. Wenigstens war sie nicht immer der Auslöser. Inzwischen war sie schon dahinter gekommen, dass sich die Brüder auch so ab und zu gerne in die Haare kriegten. Das musste nicht immer einen triftigen Grund haben, sondern schien einfach ein Teil ihrer Beziehung zueinander zu sein. Aber bis ihr das klargeworden war, hatte Delilah deswegen bereits die ein oder andere Krise geschoben.

„Ich denke bzw. hoffe, dass wir das Schlimmste inzwischen hinter uns haben. Vielleicht wird es auch besser, wenn das Baby da ist und die beiden nicht mehr so auf mich allein fixiert sind.“

„Bestimmt. Im Augenblick bist du einfach der Mittelpunkt, auf den sich all ihre Instinkte und Triebe konzentrieren. Schließlich trägst du ihr Kind im Leib, was ihre Beschützerrolle noch einmal in ein ganz anderes Licht rückt. Da würde jeder männliche Werwolf die Krise bekommen, wenn ihm ein Konkurrent ins Gehege kommt.“

Völlig wie aus heiterem Himmel musste Delilah mit den Tränen kämpfen, weshalb sie es damit zu vertuschen versuchte, dass sie Holly und sich noch etwas heiße Schokolade nachschenkte und dann auch noch die Pralinenschachtel öffnete.

Aber bevor sie nach einer Schoko-Trüffel-Kugel greifen konnte, musste sie ihre Serviette schnappen und sich die Wangen abtupfen.

„Tut mir leid. Diese verdammten Hormone machen mich fertig.“ Wenn es doch nur das wäre.

„Ist schon in Ordnung. Das ist ganz normal.“

Aus Hollys Mund hörte es sich wirklich so an, als wäre es keine große Sache. Genauso wenig wie ihre Beziehung zu zwei Brüdern. Alles völlig normal.

Noch mehr Tränen flossen und Delilah entkam sogar ein leises Schluchzen. Ihr war das alles so unsagbar peinlich, dass sie am liebsten aufgesprungen wäre, um sich im Badezimmer einzuschließen. Aber ihren Gast einfach so sitzen zu lassen, konnte sie dann doch nicht.

Zu Delilahs großer Überraschung nahm Holly ihr die Tasse ab, bevor die Ältere sie in eine warme Umarmung zog.

Spätestens als sie sich entspannte und die fremde Berührung ohne Probleme zulassen konnte, wusste sie, dass sie die richtige Entscheidung getroffen hatte, was die Sache mit der Hebamme anging. Delilah hätte keine bessere bekommen können.

Nach ein paar Minuten in dieser herrlich duftenden Umarmung, die dafür geschaffen schien, jede Sorge im Nu verschwinden zu lassen, zog Delilah sich langsam wieder zurück, schnäuzte sich gründlich die Nase und lächelte beschämt.

„Entschuldige den Gefühlsausbruch, aber du nimmst das mit den Zwillingen und mir einfach so leicht, als wäre es das Normalste der Welt. Außerdem habe ich bisher mit niemandem so offen darüber sprechen können. Das ist einfach eine ziemliche Erleichterung für mich.“

Das war es tatsächlich und Delilah hatte bisher nicht einmal geahnt, wie gerne sie mit einer anderen Frau über ihre Sorgen und Ängste gesprochen hätte. Die drei McKenzies halfen ihr zwar, wo sie nur konnten, aber da es sie betraf, gab es Hunderte von Dingen, die sie mit ihnen einfach nicht besprechen konnte. Allein deshalb schon, weil sie Männer waren. Die tickten von Natur aus einfach anders als Frauen.

„Das ist völlig okay. Dafür bin ich ja da und natürlich bleibt alles, was du mir anvertraust unter uns. Hab also keine Scheu offen mit mir darüber zu reden, was dich bedrückt oder wenn du irgendwelche Fragen hast, die du dich nicht zu fragen traust. Ich bin wirklich nur schwer zu schockieren.“

Hollys aufmunterndes Lächeln half mehr, als die frische Serviette, die sie Delilah reichte, dennoch nahm sie beides dankend an.

„Dass du nur schwer zu schockieren bist, glaube ich dir aufs Wort. Allein wer sich Elijah McKenzie einfach so an den Hals wirft, muss aus einem ziemlich harten Holz geschnitzt sein. Ich hätte mich das in tausend Jahren nicht getraut.“

Hollys Lächeln wurde daraufhin so breit, dass sie beinahe ihre eigenen Ohren hätte verspeisen können. „Tja, was soll ich sagen. Der Mann hat einfach was!“

„Dem kann ich nur zustimmen. Schoko-Trüffel gefällig?“

„Immer her damit. Von Schokolade und Männern kann man schließlich nie genug haben.“

Nun musste auch Delilah breit grinsen. „Selbst für den Fall, dass ich mich wiederhole: Amen, Schwester.“

Sie mussten beide lachen.
 

„Und das ist das persönliche Reich der Zwillinge.“ Delilah blieb vor einer festverschlossenen Tür stehen, an der ein übertrieben großes Schild hing mit der Aufschrift: Zutritt verboten.

„Keine Ahnung, was die beiden da drin immer treiben. Vielleicht so eine Art Männerhort, wo Frauen keinen Zutritt haben. Auf jeden Fall war das Deans ehemaliges Schlafzimmer, bevor er seine Klamotten in das von James untergebracht hat und dann mit seinem Bruder zusammen zu mir gezogen ist.“

Zudem war dieses Zimmer immer wieder ein Grund, um mit den beiden einen waschechten Streit vom Zaun zu brechen. Sie alle wussten, dass es das einzige freie Zimmer im Haus war und sie dort das Baby unterbringen würden, aber anstatt endlich mal auszumisten und sozusagen das 'Nest' vorzubereiten, beharrten die Brüder einstimmig darauf, dass bis zur Geburt noch genug Zeit bliebe und alles rechtzeitig fertig sein würde. Bis dahin jedoch weigerten sie sich, das Zimmer zu räumen.

Wie oft sie Delilah damit schon zur Weißglut getrieben hatten, konnte sie schon gar nicht mehr zählen, und da es für das Baby nicht gut war, sich ständig so zu ärgern, ließ sie es schließlich irgendwann bleiben. Immerhin hatten sie schon ein rollbares Babybettchen, das in einer Ecke im Schlafzimmer stand und der voll ausgestattete Wickeltisch war in ihrem Bad untergebracht. Das Nötigste war also vorhanden, sollten die Zwillinge in letzter Sekunde doch nicht rechtzeitig fertig werden.

Um sich wieder auf andere Gedanken zu bringen, führte Delilah die neugierige Holly über den Flur zur nächsten Tür. „Das hier wird dir gefallen. James' Zimmer haben wir zu einem übergroßen Kleiderschrank umfunktioniert, weil wir in unserem Schlafzimmer niemals die Klamotten von drei Erwachsenen hätten unterbringen können.“

Betont schwungvoll öffnete Delilah die Tür und schaltete das Licht an.

„Wow.“ Holly betrat mit großen Augen den geräumigen Raum und sah sich aufmerksam um.

Delilah folgte ihr.

Sie selbst war total gerne hier, weil es alles gab, was ein Frauenherz höher schlagen ließ und dennoch nicht zu feminin war, um ihre beiden Gefährten abzuschrecken.

Ihre Jungs hatten James' ehemaliges Schlafzimmer völlig leer geräumt und dafür riesige zum Teil verspiegelte Schränke aus dunklem Holz an den Wänden entlang aufgestellt. In der Mitte stand auf einem großen anthrazitfarbenen Teppich eine mit weißem Leder gepolsterte Bank, die breit genug war, um darauf herrlich unanständigen Sex zu haben.

Delilah hatte es selbst ausprobiert. Mehrmals.

Gegenüber der Tür zwischen den beiden Fenstern stand ihr Heiligtum. Ein aus dem gleichen Holz wie die Schränke geschnitzter Frisiertisch, auf dem ein rundum beleuchteter Spiegel thronte. Dort konnte sie alles unterbringen, was sie als Frau eben so brauchte.

Zwar schminkte sie sich nicht mehr allzu oft, aber wenn sie es tat, dann machte es gleich umso mehr Spaß.

Links und rechts vom Tisch gehörte ihr jeweils das erste Drittel der Schränke, während sich den Rest davon die Zwillinge teilten.

Dean zu ihrer Linken und James zu ihrer Rechten.

Als Delilah den Raum durchschritt, um Holly die Schiebeelemente der Schränke besser demonstrieren zu können, versanken ihre nackten Fußsohlen in dem flauschigen Teppich.

In den Schränken selbst herrschte im jeden Regal und auf jeder Kleiderstange penible Ordnung, wobei Delilah gestehen musste, manchmal nicht so ordentlich zu sein, wie ihre beiden Männer. Was für sie aber ein guter Ansporn war, um sich nicht einfach gehen zu lassen.

In den unteren Regalfächern standen ihre Schuhe in Reih und Glied, wobei Delilahs persönliche Kollektion bei weitem nicht so groß war, wie die der Zwillinge. Aber für Schuhe hatte sie noch nie allzu viel übrig gehabt. Ebenso wenig wie für Handtaschen, was wenigstens Platz sparte.

„Man kann die Spiegeltüren ineinanderschieben, wenn man von mehreren Seiten Zugriff braucht, oder alle auseinander, um den Schrank vollständig zu schließen.“ Was wirklich sehr interessant sein konnte, wenn man gerade auf der Bank Sex hatte und sich von allen Seiten dabei zuschauen wollte. Dean war davon nicht sehr begeistert, aber James hatte es großen Spaß gemacht. Ihr ebenfalls.

„Da kann man richtig neidisch werden. Sogar die Schubladen sind indirekt beleuchtet!“ Holly kam gar nicht mehr aus dem Staunen heraus.

„Ja, ich kann’s auch immer noch nicht ganz fassen, was die beiden da angeschleppt haben. Wenn ich nach der Einrichtung ihrer Zimmer gegangen wäre, hätte ich ihnen so viel Geschmack gar nicht zugetraut.“

„Sie sind definitiv keine Junggesellen mehr.“

„Ja, zum Glück.“ Delilah schob die Schranktür wieder zu und ließ noch einmal einen beinahe wehmütigen Blick über ihre Frisierkomode schweifen.

Das Einzige, was sie an diesem Raum wirklich störte, war die Tatsache, dass sie nichts dazu hatte beitragen können.

Dabei besaß sie inzwischen Geld, das sie selbst verdiente, aber die Brüder wollten es einfach nicht annehmen. Also sparte sie jeden Cent für ihr Baby. Wäre Elijah nicht gewesen, hätte sie nicht einmal das tun können.

Er war an sie herangetreten, nachdem er mitbekommen hatte, wie sie neben ihren Recherchen im Internet immer wieder von sich aus bei ein paar Kleinigkeiten in der Werkstatt aushalf.

Seinem Vorschlag, ob sie nicht Lust hätte, das ganze Betätigungsfeld in seinem Büro zu lernen und später dann auch zu übernehmen, hatte sie sofort zugestimmt.

Zwar würde sie ein paar Wochen vor und auch einige Zeit nach der Geburt ausfallen, aber bis es so weit war, konnte sie sich noch richtig einarbeiten und wurde sogar dafür bezahlt.

Krankenversichert war sie zudem auch noch.

Gott, manchmal konnte Delilah ihr Glück gar nicht fassen.

Bevor sie deshalb allerdings schon wieder in Tränen ausbrechen konnte, führte sie Holly zur letzten Station auf ihrer Tour durchs Haus.

„Und jetzt halt dich fest. Ich schwöre, so ein riesiges Bett hast du noch nie gesehen.“ Klar übertrieb Delilah. Bestimmt gab es noch sehr viel größere Spielwiesen für Erwachsene, aber für ihre Verhältnisse, war das Teil einfach gigantisch.

„Ha, so was will ich auch!“ Holly stürzte sich geradezu auf das riesige Himmelbett mit den dicken Holzpfeilern, dem massiven Bettrahmen und den zarten Leinenvorhängen in Weiß.

Wissend fuhr sie mit einem Schmunzeln über ein paar der Kratzer, die bereits an jedem Pfosten zu sehen waren.

Ja, Delilah und ihre beiden Männer hatten das Bett inzwischen gründlich eingeweiht. Zwar nicht alle drei zur gleichen Zeit, obwohl es dafür ausreichend Platz bot, aber so weit waren sie dann doch noch nicht in ihrer Beziehung.

Zu dritt Sex zu haben, war nur deshalb möglich gewesen, weil sie sich damals nahezu fremd gewesen waren, jetzt mit all den intensiven Gefühlen war das sehr viel schwieriger. Noch viel zu oft kam die Eifersucht bei einem der beiden hoch, wenn sie sich in seiner Nähe mit dem anderen etwas zu innig beschäftigte, aber Übung machte bekanntlich den Meister. Wer weiß, vielleicht kam irgendwann der Tag, an dem sie sich ganz ohne Stress zu dritt durch die Laken wühlten.

„Langsam begreife ich wirklich, was du mit anstrengend gemeint hast. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ist, sich um zwei Männer zu kümmern. Mich hat schon mein Mann ganz schön auf Trap gehalten und er gehörte eher zu der ruhigeren Sorte.“

„Ja, manchmal ist das schon ganz schön kräftezehrend.“ Delilah ging zu dem Kinderbettchen hinüber und streichelte zärtlich über das helle Holz. Es fühlte sich unglaublich weich unter ihren Fingern an, so dass sie keine Angst haben musste, das Baby könnte sich vielleicht an irgendeinem Holzsplitter verletzen.

„Aber andererseits ist es auch ein unglaublich schönes Gefühl, von zwei Männern umsorgt und verwöhnt zu werden. Das macht jede Anstrengung wieder wett.“ Vor allem war es das Gefühl der Geborgenheit, was sie so sehr an den Zwillingen liebte.

Früher war sie immer auf sich alleine gestellt gewesen, hatte sich daher auch nur auf sich selbst verlassen können. Aber jetzt waren da gleich zwei Personen, die um ihr Wohl besorgt waren; die sie glücklich machen und sie zum Lachen bringen wollten.

„Es tut mir leid, dass du deinen Mann verloren hast. Das muss unglaublich schmerzhaft für dich gewesen sein.“ Delilah konnte sich nicht einmal vorstellen, wie es für sie sein würde, auch nur einen der Brüder zu verlieren.

„Es ist auch jetzt noch schmerzhaft, aber mit der Zeit beginnt man den Verlust leichter zu ertragen und man erinnert sich immer öfter an die schönen Momente zurück und ist dankbar, dass man sie überhaupt erleben durfte.“ Holly trat neben sie an das Kinderbett heran und berührte ebenfalls das fein geschliffene Holz.

„Kinder sind ein Segen. Meine Tochter hat mir sehr bei meiner Trauer geholfen, obwohl es sie genauso hart erwischt hat, ihren Vater zu verlieren. Manchmal habe ich das Gefühl, dass sie sehr viel stärker ist, als ich ihr zutraue.“

„Das hat sie dann bestimmt von ihrer Mutter.“

Holly lächelte sanft. „Vielleicht.“

Die beiden Frauen standen noch eine Weile in trautem Schweigen beisammen, ehe sie beschlossen, wieder ins Wohnzimmer zu gehen und alles für die erste Geburtsvorbereitungsstunde herzurichten, da die Zwillinge bald mit ihrer Arbeit fertig sein würden.

Holly brauchte dabei nicht lange, um festzustellen, dass Delilahs Internetrecherchen sehr akribisch und vor allem vollständig gewesen waren. Es gab so gut wie nichts, was sie nicht schon wusste, auch wenn sie geradezu an Hollys Lippen hing, wenn es um die kleinen Tipps ging, die man eben nicht so einfach aus dem World Wide Web erhalten konnte.

Auf jeden Fall blieb es spannend, vor allem da die Zwillinge dafür noch umso mehr zu lernen hatten.
 

***
 

Wieder hallte der durchdringende Schmerzensschrei einer Frau durchs ganze Haus und Delilah, deren Nerven ohnehin schon ziemlich angespannt waren, da der Geburtstermin des Kindes in rasendem Tempo näher rückte, musste für einen Moment die Augen schließen, um sich zu sammeln.

Es war Sonntag, knapp eine Woche vor Weihnachten und die Zwillinge hatten jedes Recht ihr wohlverdientes Wochenende so zu gestalten, wie sie es wollten. Aber dass sie sich ausgerechnet in einer der besinnlichsten Zeiten des Jahres Horrorfilme ansehen mussten, war einfach nur makaber. Trotzdem sagte Delilah nichts dazu, sondern zog stattdessen umständlich die staubige Kiste über den Boden des Dachbodens zur Luke hin, wo bereits ein paar kleinere Kartons standen und darauf warteten, durchgesehen zu werden.

Irgendwo zwischen ausrangierten Trainingsgeräten, alten Klamotten und kaputten Spielsachen musste doch der Weihnachtsschmuck zu finden sein. Immerhin hatte Elijah behauptet, der Karton sei sogar beschriftet. Was aber natürlich nicht viel brachte, wenn darauf eine Staubschicht lag, mit der man eine ganze Wüste hätte auffüllen können.

Glücklicherweise schien sie mit diesem letzten Karton den Jackpot geknackt zu haben. Denn nachdem Delilah mit einem der ausrangierten T-Shirts den Staub abgewischt hatte, konnte sie den feinsäuberlichen Schriftzug lesen, nachdem sie schon die ganze Zeit Ausschau gehalten hatte.

Elijahs Handschrift war es nicht und auch für die Zwillinge war der Schwung der Buchstaben viel zu weiblich. Vielleicht das Werk ihrer Mutter?

Es war ein seltsames Gefühl nach all den Monaten, die sie hier nun schon lebte, auch einmal auf einen Beweis für eine weibliche Hand in diesem Haushalt zu stoßen, der bis dahin jahrelang nur von Männern geführt worden war.

Delilah schob die anderen Kartons, die sie nicht mehr brauchen konnte, ein Stück von der Dachbodenöffnung weg und ließ nur den stehen, auf den sie es abgesehen hatte. Danach mühte sie sich im Schneckentempo die schmalen Stufen hinunter, die sie wieder in den Flur im ersten Stock bringen würden. Zum Glück sah ihr dabei niemand zu, denn derjenige hätte sich vermutlich vor Lachen nicht mehr eingekriegt.

Es war kaum zu glauben, dass ihr Bauch in den nächsten Wochen immer noch ein bisschen wachsen würde, dabei war die riesige Kugel, die sie bereits vor sich herschob scheinbar groß genug, um ein ganzes Rudel von Kindern darin zu beherbergen. Natürlich war das nur Delilahs gefühlte Meinung dazu. In Wirklichkeit war alles so, wie es sein sollte und nur der Umstand, dass sie selbst eher von zarter Gestalt war, führt dazu, dass ihr Bauch dadurch umso größer wirkte.

Wieder mit den Füßen auf sicherem Boden angelangt, musste sie erst einmal verschnaufen und wartete dann eine Pause zwischen den Schreien ab, die erneut zu ihr hochgetragen wurden.

„Ich könnte hier bitte mal ein bisschen Hilfe gebrauchen!“, rief sie hoffentlich laut genug nach unten. Gespannt lauschte sie, was sich im Wohnzimmer daraufhin tat.

Nur ein paar Herzschläge später kam auch schon Dean die Treppe hochgelaufen. Dem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, war er erleichtert, ihr helfen zu können und sollte sie sich dass nicht nur einbilden, dann war er sogar leicht grün um die Nase rum.

„Alles in Ordnung bei dir?“ Delilah nahm seine Hand und sah ihn besorgt an.

„Klar. Alles okay.“ Er drückte ihre Hand und schenkte ihr ein munteres Lächeln. „Was kann ich für dich tun?“

Immer noch etwas skeptisch zog Delilah ihn näher an sich heran, bis sein Bauch gegen ihren stieß, und hob die Hände an sein Gesicht.

„Zuerst einmal kannst du mich küssen. Das letzte Mal ist schon wieder viel zu lange her.“

Eine Stunde war wirklich eine Ewigkeit, fand zumindest Delilah.

Dean schien der gleichen Meinung zu sein, denn er verschwendete keine unnötige Zeit, bevor er über ihre Lippen herfiel.

Gott, diesen Mann zu küssen war jedes Mal wie eine Offenbarung. Vor allem da er sie nicht nur mit seinem Mund küsste, sondern auch seinen ganzen Körper dabei miteinbezog, bis ihr regelrecht schwindelig davon wurde, dass er sie so auf Hochtouren brachte.

Nur weil Delilah schon seit Wochen keinen Sex mehr hatte, hieß das noch lange nicht, dass ihre Libido Winterschlaf machte. Ganz im Gegenteil. Sie war wie ein hungriges Tier, das sich auch mit kleinen Bissen zufriedengab, selbst wenn das große Fressgelage weiterhin ausblieb.

So kam es, dass Delilah schließlich schwer atmend den Kuss beendete und Dean mit sich in den Schrankraum zog, wo sie ihn auf die lederne Bank drängte und sich mit einiger Mühe zwischen seinen Beinen in den flauschigen Teppich kniete, bevor sich ihre fliegenden Finger über seine Hose hermachten.

Zehn Minuten später waren Deans Wangen rosig, als er mit dem Karton in der Hand neben Delilah das Wohnzimmer betrat.

„Mann D, du hast das Beste verpasst. Soll ich noch mal zurückspulen?“ James lugte über die Lehne der Couch zu ihnen herüber und runzelte nur kurz die Stirn, als er die Situation erfasste. Denn wenn schon Deans zufriedenes Grinsen sie nicht verraten hatte, dann doch der eindeutige Geruch ihrer Erregung.

Während Dean den Karton auf den Esstisch abstellte und was davon faselte, dass er nicht unbedingt so scharf darauf sei, die verpasste Szene zu sehen, kam Delilah auf James zu, schlang die Arme um seinen Hals und küsste zärtlich seinen Nacken.

Das besänftigte ihn sofort, gerade weil sie ihm ebenfalls schon oft genug ihre Spontanität bewiesen und ihm dadurch nie einen Grund zur Klage gegeben hatte. Was das anging, wurden die Eifersuchtsanfälle immer seltener, solange keiner der Brüder direkt in eine derartige Situation platzte, wie sie gerade im Schrankraum stattgefunden hatte.

„Was hast du eigentlich die ganze Zeit auf dem Dachboden getrieben?“, wollte er dann auch schon neugierig wissen, ohne weiter auf die Sache zwischen seinem Bruder und ihr einzugehen.

Delilah strubbelte ihm noch ein letztes Mal durch die Haare und richtete sich dann freudestrahlend auf. „Ich habe den Weihnachtsschmuck gesucht und auch gefunden. Das heißt, ich kann endlich mit dem Dekorieren anfangen.“

„Willst du das wirklich machen?“ Dean kam zu ihnen herüber und sah ein bisschen skeptisch aus. „Ich meine, erst die ganze Arbeit das Zeug herzurichten, nur damit es ein paar Wochen später wieder weggeräumt wird. Ist doch irgendwie sinnlos, oder?“

„Nichts an Weihnachten ist sinnlos. Ich meine, seit ihr nicht wenigstens ein bisschen in Stimmung? Ihr könnt doch nicht ernsthaft solche Weihnachtsmuffel sein.“

Dean zuckte nur mit den Schultern, so dass Delilah es bei James versuchte.

„Erzähl mir nicht, dass dich der Duft von frischgebackenen Keksen, der durchs ganze Haus weht, kaltlässt.“

Statt ihr zu antworten, sah er seinen Bruder hilfesuchend an.

Das war doch einfach nicht zu fassen.

Die Arme in die Hüften gestemmt sah Delilah die beiden ernst an. „Eines muss euch beiden klar sein. Nur weil ihr nichts von Weihnachten haltet, heißt das noch lange nicht, dass wir hier mit der alten McKenzie-Tradition weitermachen wie bisher. Schließlich wird hier nächstes Jahr ein kleines Kind durchs Haus laufen, das voll und ganz in den Genuss dieser besinnlichen Zeit kommen soll.“

Was das anging, würde Delilah wirklich alles dafür tun, dass wenigstens ihr Baby eine schöne Kindheit hatte und sorglos aufwachsen konnte.

Aber natürlich war es trotzdem nicht fair, die Zwillinge deshalb jetzt schon so anzumachen, also nahm sie die Schärfe aus ihren Worten und kuschelte sich stattdessen an Deans Seite.

„Tut mir leid, dass ich mich so aufrege, aber wenn ihr wüsstet, wie ich in meiner Kindheit Weihnachten feiern musste, würdet ihr es vielleicht besser verstehen.“

„Dann erzähl's uns, Deli.“ Dean legte einen Arm um sie und streichelte ihr sanft über den Babybauch.

„Ja, genau. Gib dir einen Ruck. Wir wissen, dass du nicht gerne über deine Vergangenheit redest, aber du kannst dir sicher sein, dass wir immer für dich da sind, egal was passiert.“ James richtete sich weiter auf, um zärtlich ihr Gesicht berühren zu können. „Du kannst es uns also ruhig sagen, wenn dich was bekümmert.“

Delilah schmiegte sich zutiefst gerührt in seine warme Hand und blinzelte ein paar Tränen weg, bevor sie sich tatsächlich einen Ruck gab.

„Also gut.“ Sie nahm James' Hand und gab ihm einen Kuss auf den Handrücken, bevor sie ihre Finger mit seinen verschlang und auf diese Weise festhielt.

„Ihr wisst noch, dass ich bei Adoptiveltern aufgewachsen bin?“

Die Brüder nickten synchron.

„Na ja, um ehrlich zu sein, die Leute waren fast schon so etwas wie religiöse Fanatiker. Total konservativ und altmodisch. Bei denen dauerte die Fastenzeit nicht nur vierzig Tage, sondern ein ganzes Leben. Dazu war es ein Muss jeden Sonntag und zu den christlichen Feiertagen in die Kirche zu gehen. Natürlich auch an Weihnachten und dagegen hätte auch gar nichts gesprochen, aber weder gab es Geschenke, noch ist das Haus dekoriert worden. Das einzige Zugeständnis an dieses Fest war ein Stück Fleisch auf dem Teller. Ansonsten hieß es auf den Knien zu rutschen und um Vergebung zu beten.“

„Oh Mann“, kam es von Dean.

„Das ist echt hart“, bestätigte James.

Delilah zuckte nur mit den Schultern. So war das eben gewesen und daran ließ sich im Nachhinein auch nichts mehr ändern.

„Vielleicht versteht ihr jetzt, warum ich mir das alles wünsche. Immerhin ist das auch unser erstes gemeinsames Weihnachten.“ Und das gehörte eigentlich noch sehr viel mehr gewürdigt. Immerhin hatten sie großes Glück, dass sie sich so hatten einigen können. Es hätte schließlich auch in einem Drama enden können.

„Scheiße, Deli. Du willst ein festliches Weihnachten? Dann sollst du es verdammt noch mal auch kriegen, oder D?“

„Korrekt Mann.“

Die Brüder klatschten sich ab und als hätte man in ihnen einen Schalter umgelegt, wurden sie auf einmal richtig geschäftig.

„D du besorgst schon mal die Musik und hilfst Deli beim Dekorieren und ich schau nach, ob wir alle Zutaten für Kekse im Haus haben, ansonsten fahr ich los und besorg alles.“

„Alles klar.“

Nacheinander gaben ihr die Brüder einen Kuss und legten dann auch schon los, während Delilah es immer noch nicht so recht glauben konnte, dass sie ihr zuliebe ihre ganze Einstellung zu Weihnachten über den Haufen warfen.

Doch bereits zehn Minuten später hallten Weihnachtslieder durchs ganze Haus, James war unterwegs, um noch ein paar Kleinigkeiten zu besorgen und Dean half ihr tatkräftig beim Dekorieren. Besser gesagt machte eigentlich er die ganze Arbeit, während Delilah ihm sagte, wo sie was wie hin haben wollte, so dass sie ihm nur bei den wirklich leichten Sachen zur Hand ging.

Als ihnen das Dekozeug ausging, stieg Dean sogar noch einmal auf den Dachboden, um nachzusehen, ob Delilah vielleicht etwas übersehen hatte. Dabei telefonierte er mit James, um noch weitere Bestellungen aufzugeben.

Delilah hatte inzwischen mehrere Rezeptbücher aufgeschlagen, um sich schon einmal ein paar Keksvarianten herauszusuchen. Sie hatte noch nie Kekse gebacken, fand das alles also besonders aufregend, da ihr Backen an sich sehr viel Spaß machte. Dabei fiel ihr Blick auf den künstlichen Mistelzweig, den sie auf dem Esstisch hatten liegen lassen, da sie noch nicht so recht gewusst hatten, wo sie ihn hinhängen sollten. Doch einer plötzlichen Eingebung folgend, nahm sie die kleine Stehleiter zur Hand, die Dean im Flur hatte stehen lassen, und schob sie direkt unter den Durchgang zum Wohnzimmer.

Ihr war es bisher nicht aufgefallen, aber direkt in der Mitte des dicken Holzbalkens war ein kleiner Metallhaken angebracht worden.

Einfach perfekt.

Wie immer ihre kleine Größe verfluchend, stieg Delilah vorsichtig eine Sprosse nach der anderen hoch und reckte sich dabei immer wieder, aber der Haken schien kaum näher zu kommen.

Ein kalter Luftstoß traf sie, als die Haustür plötzlich weit aufschwang und James hereinkam. Als er sie sah, ließ er sofort die prall gefüllten Einkaufstüten fallen.

„Wow. Süße. Stopp!“

Noch bevor sie protestieren konnte, hatte er sie schon unter den Armen gegriffen und wie ein kleines Kind wieder sicher auf ihre Füße gestellt.

„Hochschwangere Frauen und eine Leiter vertragen sich nicht. Lass mich das für dich machen.“

„Okay. Danke, J.“ Delilah watschelte zur Haustür hinüber, um sie zu schließen, während James leichtfüßig die Leiter erklomm und den Mistelzweig für sie aufhängte.

Sie hatte recht gehabt. Der Platz schien wie geschaffen dafür zu sein.

„Sieht gut aus.“

Da konnte Delilah ihm nur zustimmen „Bleib da stehen. Ich will den Mistelzweig gleich mal ausprobieren.“

Sein spitzbübisches Grinsen war einfach Gold wert, während er die Leiter aus dem Weg schob, um ihnen Platz zu machen. Aber der Kuss, der darauf folgte, war noch um Einiges besser.

„Langsam fängt diese Weihnachtssache an, mir richtig Spaß zu machen“, nuschelte er gegen ihre Lippen, bevor James den Mistelzweig noch ein paar weitere Male ausgiebig erprobte.

Erst als Dean die Treppe herunter kam und sich der verwaisten Einkaufstüten annahm, konnten sie sich wieder voneinander lösen.

Doch bevor er an ihr vorbei gehen konnte, packte sie ihn am Kragen seines T-Shirts und drückte auch ihm einen dicken Kuss auf die Lippen. „Und hast du noch ein paar Sachen gefunden?“

Zu dritt gingen sie in die Küche und Dean schwang sich auf einen der Barhocker, während James ihr dabei half, die Lebensmittel wegzuräumen.

„Leider nein. Aber dafür sollten wir ernsthaft erwägen, einmal den Dachboden aufzuräumen. Ich hab sogar deine alte Actionfiguren-Sammlung gefunden, J.“

„Hey, klasse. Schmeiß die bloß nicht weg. Immerhin könnte sie sich noch mal als nützlich erweisen, wie du sehr wohl weißt.“ James warf seinem Bruder einen langen Blick zu, den Delilah geflissentlich ignorierte.

„Okay, aber von deinen alten Pornoheften könntest du dich jetzt schon mal langsam trennen“, stichelte Dean weiter und wurde dafür mit einem Päckchen Nüsse beworfen.

„Idiot.“

„Du mich auch Brüderchen.“

„Hey, schmeißt die Hefte bloß nicht weg. Vielleicht können wir uns da noch Anregungen holen.“

Daraufhin starrten die Brüder sie an, als hätte sie sich gerade vor ihnen völlig entblättert und brachten sie damit noch breiter zum Grinsen. „Was? Falls euch Filme lieber sind, hab ich auch nichts dagegen. Ich richte mich da ganz nach euch.“

Dean musste schlucken. „Oookay. Du meinst das ernst. Wow.“

Das brachte James zum Lachen „Deli, du bist einfach der Hammer. Und sobald Dean sich wieder eingekriegt hat, kommen wir auf jeden Fall einmal auf dein Angebot mit den Filmen zurück.“

„Gerne.“ Delilah zwinkerte ihm kokett zu.

„Apropos Filme. D, willst du dir nicht doch noch den Film zu Ende anschauen, während ich mich mit Deli um die Kekse kümmere?“

Es sah so aus, als ob sich Dean lieber von einem Zahnarzt eine Spritze geben lassen würde, als das zu tun, aber seltsamerweise blockte er nicht sofort ab.

„Ach komm schon, J“, versuchte Delilah daher einzulenken, um Dean zu Hilfe zu kommen. „Reicht es nicht, wenn ich bei deiner Vorliebe für Horrorfilme mitmache? Du weißt doch genau, dass diese ganzen blutigen Szenen nicht unbedingt Deans Geschmack sind.“

„Horrorfilme?“ James sah sie völlig verständnislos an. „D und ich haben damit angefangen, uns die Filme anzusehen, die Holly für uns dagelassen hat. Du weißt schon, die über die Geburt und welche Vorgänge dabei ablaufen. Immerhin dauert es bei dir nicht mehr lange und besser, wir wissen vorher bescheid, was da auf uns zukommt, als dass es uns dann eiskalt erwischt.“

„Oh.“ Mehr fiel ihr dazu nicht ein. Das machte sie dann doch etwas sprachlos.

Natürlich hatte Delilah gesehen, wie aufmerksam die beiden die Geburtsvorbereitungsstunden verfolgten und dass sie in den praktischen Übungen auch tatkräftig mitmachten, aber so viel Einsatz hätte sie von ihren Männern dann doch nicht erwartet.

Erfreulicherweise stellte Delilah fest, dass die Zwillinge sie immer wieder äußerst positiv überraschten.

„Kann ich wenigstens den Ton ausmachen?“, fragte Dean hoffnungsvoll an seinen Bruder gewandt.

„Klar. In dem Film wird sowieso nicht sehr viel erklärt, da geht’s mehr darum, wie so eine Hausgeburt aussieht.“

„Okay. Na dann.“ Nicht besonders glücklich rutschte Dean vom Barhocker und warf sich auf die Couch.

Irgendwie tat er Delilah leid, und wenn es nicht so wichtig wäre, hätte sie ihn niemals dazu gezwungen, so etwas anzusehen. Aber andererseits wäre es nicht gut, wenn er dann einfach neben ihr umkippte, sobald bei ihr die Geburt losging. Im Gegenteil, sie würde jede nur erdenkliche Unterstützung brauchen, denn allein der Gedanke daran, dass sie das Kind hier im Haus und nicht in Youngs Klinik zur Welt bringen würde, machte ihr eine Scheißangst.

Es war nicht so, dass sie nicht auch die zweite Möglichkeit gehabt hätte, aber sie wollte es nicht riskieren, bei dem Wetter auf der Hälfte der Strecke im Schnee stecken zu bleiben, wenn es nicht ein absoluter Notfall war. Außerdem war der Weg verflucht weit und sie bekam das Baby dann doch lieber in einem warmen Heim, als mitten im Nirgendwo in einem Auto.

Zum Glück gab es dann auch noch Holly. Die Frau war wirklich ein Segen und das nicht nur für Delilah.

Man musste zwar schon sehr genau hinschauen, um die subtilen Veränderungen bei Elijah sehen zu können, aber sie waren definitiv da und das schon nach einer Woche, in der Holly beinahe täglich bei ihnen vorbei geschaut hatte, da sie momentan keine weitere werdende Mutter betreute.

Irgendwie wirkte allein schon Elijahs Ausstrahlung nicht mehr so verschlossen und unterkühlt, wie es sonst meistens der Fall war. Er redete auch mehr bei den Mahlzeiten und dann ging es nicht nur um die Werkstatt, sondern eher um das allgegenwärtige Babythema. Was aber auch daran lag, dass ihre Jungs ihren Vater mit Fragen regelrecht löcherten, immerhin hatte der sie praktisch alleine großgezogen.

Allein Elijahs großes Wissen beruhigte Delilah enorm. Zumindest einer in der Familie konnte mit Sicherheit sagen, was auf sie zu kam und wenn alle Stricke reißen sollten, dann wäre er auch noch da, um ihnen zu zeigen, was ein Baby brauchte und wie man mit ihm umging.

„Hast du dir schon überlegt, mit welchen Keksen du anfangen willst?“

James' Frage riss sie aus ihren Gedanken und Delilah versuchte sich wieder auf die aufgeschlagenen Kochbücher zu konzentrieren, die vor ihr ausgebreitet auf dem Tresen lagen.

„Keine Ahnung. Ich würde sagen, wir fangen erst einmal mit etwas Leichtem an und arbeiten uns dann zu den komplexeren Keksen vor.“

„Guter Plan. So machen wir’s.“

Delilah verbrachte mit James zusammen den ganzen Nachmittag damit, Kekse zu backen, sie zu verzieren, ihn mit kleinen Naschereien zu füttern und von ihm gefüttert zu werden, während Dean recht bald verschwunden war, nachdem er tapfer den Film zu Ende geschaut hatte.

Irgendwann lagen dann auch die letzten Kekse zum Auskühlen auf einem Gitter, und obwohl es wirklich großen Spaß gemacht hatte, sie zu backen, war Delilah doch völlig erschöpft und ihr Rücken brachte sie beinahe um. Weshalb James sie schließlich auch nach oben schickte, damit sie sich ausruhen konnte, während er sich um das schmutzige Geschirr kümmerte.

Kaum dass ihr Gesicht mit ihrem Kissen in Kontakt kam, war sie auch schon eingeschlafen.
 

Es war die besondere Mischung aus vielen verschiedenen Düften, die sie schließlich einige Zeit später wieder aufweckte. Zum einen lag immer noch der intensive Geruch der Kekse in der Luft genau so, wie Delilah es sich gewünscht hatte, aber darunter mischte sich auch noch die Note nach frischen Tannennadeln und ... chinesischem Essen?

Verwirrt über die Informationen, die ihr ihre feine Nase zutrug, bewegte Delilah sich mühsam aus dem Bett, zupfte kurz ihre inzwischen schulterlangen Haare zurecht und machte sich dann auf den Weg nach unten.

Je weiter sie kam, umso größer wurden ihre Augen.

Jemand hatte das Treppengeländer mit Tannenzweigen, roten Bändern und goldenen Glöckchen geschmückt. Zusätzlich zu dem kleinen Türkranz, den sie mit Dean aufgehängt hatte, war das Glas von innen mit weißen Sternen beklebt, die aussahen, als wären sie aus wattigem Schnee.

In der Ecke daneben, wo sich eigentlich immer ein Schirmständer befunden hatte, stand nun eine große gläserne Laterne, mit einer weißen Votivkerze, die ein sanftes goldenes Licht verbreitete.

Auf dem kleinen Flurtisch stand eine rote Kunststoffschale, die ebenfalls mit Tannenzweigen, goldenen Weihnachtskugeln, getrockneten Orangenscheiben und Zimtstangen verziert war und der ein angenehmer Duft entströmte.

Je mehr Delilah sich umsah, umso wilder begann ihr Herz zu pochen.

Die Dekoration, die sie mit Dean angebracht hatte, war selbst in ihrer Schlichtheit schon schön anzusehen gewesen, aber das hier übertraf sie bei weitem noch. Vor allem die vielen Tannenzweige machten den größten Unterschied von allem aus.

Als Delilah schließlich ins Wohnzimmer kam, liefen ihr bereits die ersten Tränen der Rührung über die Wangen und dabei sollte es noch lange nicht bleiben.

Auch hier war die Dekoration ein Traum.

Delilah schlang die Arme um sich, während ihre Augen über jedes noch so kleine, liebevolle Detail wanderten.

Der Esszimmertisch war dekoriert mit einem Deckchen in Rot und Gold, das über die gesamte Länge verlief. In der Mitte darauf stand eine weitere kunstvoll dekorierte Schale. Über die Vorhangstangen dahinter an den Fenstern verliefen ebenfalls rote und goldene Bänder, an denen weihnachtlicher Schmuck befestigt war.

Der Raum war auch hier erfüllt vom satten Geruch der Tannenzweige, die sich irgendwie auf die ein oder andere Art im Raum breitgemacht hatten, dabei aber weder überladen noch deplatziert wirkten.

Erst nachdem sie jeden noch so kleinen Eindruck in sich aufgesaugt hatte, konnte Delilah sich auf die drei Männer konzentrieren, die in der Küche standen und sich um ein paar weiße Pappschachteln stritten, auf denen in roten Zeichen irgendetwas auf Chinesisch stand. Besser gesagt stritten sich die beiden Brüder, während Elijah seelenruhig eine der Schachtel an sich nahm und den Inhalt in eine weiße Schüssel leerte, bevor er ihre Anwesenheit bemerkte.

„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte er sie deutlich besorgt, womit er wahrscheinlich auf den Sturzbach anspielte, der ihre Wangen hinab lief.

Verlegen versuchte Delilah sie sich wegzuwischen, aber das machte die Sache nur noch schlimmer.

Von einer Sekunde auf die andere war der Streit der Zwillinge beendet und sie nahmen sie beschützend in ihre Arme, streichelten ihr über den Rücken und das Haar und wollten wissen, was mit ihr los sei, aber eigentlich könnten sie sich das doch denken, oder nicht?

Delilah schmiegte sich eng gegen James' Brust, während sie Deans Hände auf ihrem Bauch festhielt und den Tränen endgültig freien Lauf ließ.

Nur mit Müh und Not brachte sie die einzigen Worte heraus, die ihr aufgewühltes Gefühlsleben letztendlich ganz gut beschrieben.

„Gott, ich liebe euch so wahnsinnig ...“



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Physalis
2016-04-12T12:44:45+00:00 12.04.2016 14:44
Durch einen anderen Fanfic, von dir, bin ich auf diese Story aufmerksam geworden. Da der andere nur wenige Kapitel hatte, mir dein Schreibstil aber so dermaßen gut gefallen hat, bin ich dann hier gelandet. Und ich bereue es kein bisschen!
Der Anfang hat mich bereits total gefesselt! Wenn die Story keinen mitreißenden Start hat verliere ich meist das Interesse.
Hier konnte ich nicht mehr aufhören!
Lustigerweise bin ich mit einem Zwilling zusammen XD. Er findet die "Handlung" allerdings nicht so prickelnd und er quittiert es auch immer mit einer hochgezogenen Augenbraue wenn er mitbekommt wie ich weiter lese ;) .
Als sie dann schwanger war und ihr Baby fast verloren hätte sind bei mir alle Dämmerung gebrochen. Ich habe so mitgefühlt. 2014 haben wir nämlich 2 Babys verloren. .. Bei der zweiten Fehlgeburt war es sogar knapp für mich... Ihre Gedanken, wo sie dachte sie hätte es verloren, kann ich mehr als nachvollziehen.
Spätestens dort konnte ich das Handy, wenn Zeit dafür war, nicht mehr aus der Hand legen. Da unser dritter Anlauf ein Erfolg war und wir nun eine kleine gesunde Tochter haben sollte ich die kurzen Nächte zum schlafen nutzen... theoretisch... Meine deutlichen Augenringe zeigen jedoch das ich sie anders genutzt habe. Ich freue mich auf die weiteren Kapitel :)
Abschließend kann ich nur sagen das ich mich anderen Kommentaren nur anschließen kann. Ich würde ebenfalls Geld für deine Werke bezahlen und bevor ich mich hier weiter mit meiner Begeisterung überschlagen hör ich besser auf XD und überlasse das Schreiben dir. Bitte! *so gespannt ist*
Antwort von:  Darklover
13.04.2016 00:20
Hi Physalis!

Zuerst einmal mein herzliches Beileid zu deinem Verlust. Ich habe selber ja keine Kinder, kann mir also nicht mal im Ansatz vorstellen, wie schmerzlich so eine Situation sein muss, von daher bin ich froh, dass es wenigstens beim dritten Mal geklappt hat und hoffe, dass es dir und deiner kleinen Familie auch weiterhin gut geht.

Allerdings sind mir damals beim Schreiben auch öfter die Tränen gekommen, einfach weil ich mich immer stark in meine Charaktere hineinversetze, alles möglichst genau recherchiere, um dann so wahrheitsgetreu schreiben zu können, wie möglich. Das zieht dann bei mir natürlich nicht spurlos vorbei.

Aber schmunzeln musste ich, als ich gelesen hab, du wärst auch mit einem Zwilling zusammen. War ja klar, dass er nicht begeistert von der 'Handlung' ist. Hätte mich auch sehr stark gewundert. Die Story ist schließlich von einer Frau für Frauen und der weiblichen Fantasie sollte man ja dann doch auch freien Lauf lassen dürfen. ;)

Außerdem finde ich es bewundernswert, wie du so eine lange Geschichte auf dem Handy lesen kannst. Kein Wunder, dass du Augenringe hast, das muss wahnsinnig anstrengend sein. Ich hoffe, du wurdest wenigstens gut unterhalten. :)

Danke auf jeden Fall, dass du die Mühe auf dich genommen hast, um mir einen Kommentar dazulassen. Ich habe mich wirklich total gefreut und auch das Grinsen eine sehr lange Zeit nicht mehr aus dem Gesicht bekommen. Das macht total gute Laune.
Ich freue mich übrigens auch, dass du meine andere Geschichte favorisiert hast. Sie ist noch ganz frisch und sozusagen mein 'Baby', um das ich mich in nächster Zeit noch sehr intensiv kümmern werde, sobald ich diese Story hier abgeschlossen habe.

Ich hoffe auf jeden Fall, dass du jetzt wieder mehr Schlaf findest, da ich dann ja doch nicht so schnell mit dem Schreiben bin.

Alles Gute an dich und deine Family.

Darklover
Von:  Dragonie
2016-04-11T08:56:21+00:00 11.04.2016 10:56
Ooooh, da kommen einem mitunter fast die Tränen... Du hast die perfekte Mischung gefunden, die einen Delilahs Liebe und Gefühle nachempfinden lässt.
Und es ist einfach ein Genuss zu lesen, wie sie ihre Familie auf Trab bringt, sich über das Ungeborene freut und Gedanken macht und ganz besonders, wie sie die Festtagsdekorationen begutachtet.

Schmunzler waren das Ex-Schlafzimmer und - natürlich - der Mistelzweig-Teil. ;)
Holly scheint eine sehr sanfte, aber durchaus schlagkräftige Figur mit hochwertigen Muttereigenschaften zu sein...
Ich finde es faszinierend, wie Du die Duftwelt beschreibst. Man kann es selbst als Leser buchstäblich riechen... <3

Vielen Dank für ein weiteres, senstationelles Kapitel (wenngleich mir bei dem "durchdringenden Schrei" auch zuerst HORRORFILM und erst etwas später >Geburtsvorbereitung< durch den Kopf schoßen.) <3
Antwort von:  Darklover
13.04.2016 00:07
Hey meine Liebe!

Tut mir ganz ganz doll leid, dass ich bisher noch nicht dazu gekommen bin, dir zu schreiben. Es geht bei mir wie immer drunter und drüber, mit Höhen und Tiefen, aber ich denke, das kennst du ja selbst. ;)

Aber auf jeden Fall wollte ich mich unbedingt für deine Lieben Worte bedanken und auch dass du mir deine Gedanken zu der Geschichte mitgeteilt hast. Es ist immer interessant, was die Leute bei den verschiedenen Szenen denken, aber es kommt eher selten vor, dass sie so detailiert darauf eingehen. Also dafür auch noch mal einen Extra-Dank.^__^

Ich hoffe, es geht dir gut und wenn nicht, darfst du dir gerne bei mir das Herz ausschütten.

Fühl dich ganz dolle geknuddelt.

Deine Darky


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