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Shinigami Haken Kyoukai desu - Shinigami Dispatch Society

von

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Vertrauen muss man sich verdienen

Die ganze Mensa starrte ihn an.

Es war so still, dass man eine Stecknadel fallen hören konnte. Aber das Einzige Geräusch war das schmatzende Geräusch des Puddings, der aus seinen Haaren auf den Tisch tropfte, während die Farbe des Saftes sich in sein Hemd getränkt hatte. Einzelne Spaghetti klebten auf seiner Brust und im Gesicht, während die warme Tomatensoße über sein Hemd lief und eine rote Spur hinterließ.

Sein Atem ging langsam und gleichmäßig. Es kostete ihn viel Mühe, während sein Herz alles andere als ruhig schlug. Sein Herz schlug, als hätte er einen Marathonlauf hinter sich.

Langsam hob er seinen Arm und pflückte einzelne Nudeln aus seinen Haaren und von seinem Hemd.

Was für eine Schweinerei!

Dabei hatte er sich gefreut, sie wieder zu sehen, auch wenn er es nicht so offen zeigen konnte, wie er es gehabt hätte. Am liebsten hätte er sie sofort in den Arm genommen, anstatt so abweisend und kühl zu sein.

Ronald gab sich aber damit zufrieden, dass sie am Leben war und seine Abwesenheit gut überstanden zu haben. Sein Herz hatte sogar einen kleinen Hüpfer gemacht und seine Hände waren ein wenig feucht geworden.

Er hatte nicht erwartet, dass die Symptome so deutlich wären und es ihn so viel Mühe kostete, sie nicht breit anzugrinsen.

Aber was meinte Carry mit „neue beste Freundin“?

Da konnte doch etwas nicht stimmen. Zuerst verbreitete sie Gerüchte und dann befreundete sie sich mit Lily?

Er pickte eine weitere Nudel aus seinem Haar, die sich zu allem Übel auch noch in seinem Ohr kitzelte.

Ronald warf einen Blick zur Tür.

Lily war komplett verschwunden und ihr Freund Nakatsu ebenfalls.

Wut stieg in ihm auf und am liebsten hätte er sich selbst eine Ohrfeige für sein mieses Verhalten gegeben. Wahrscheinlich würden seine Freunde das nach holen, in dem sie ihm eine Standpauke hielten. Aber er konnte ihr nicht in die Augen sehen. Er durfte es nicht. Immerhin hatte er strikte Anweisungen von William!

Würden sie es verstehen? Würde Lily es verstehen, wenn er wieder mit ihr reden durfte?

Die Tomatensoße hatte eine leichte Kruste gebildet und sich wunderbar in den Stoff gesaugt. Von dem Orangensaft wollte er gar nicht erst reden. Sein ganzes Hemd klebte davon. Der Pudding gab dem Gesamtbild noch den letzten Schliff, als ob er nicht schon genug Flecken auf seiner Kleidung hatte.

Ronald seufzte.

Eine Dusche war nach dieser Aktion unausweichlich, wenn er nicht für den Rest des Tages wie ein komplettes Mittagsmenü aussehen und riechen wollte.

„Was ist hier eigentlich das Problem?“, fragte er genervt von dem Geruch, der ihm in die Nase stieg.

Natürlich hatte er Lilys Worte verstanden und verstand auch, dass sie sauer auf ihn war, aber er verstand nicht, was sie alles durchgemacht haben soll. Er brauchte dringend Informationen zu dem, was während seiner Abwesenheit passiert war.

Das Geschirr klapperte, als Grelle es zusammen räumte. Der Shinigami gab ein abfälliges Schnauben von sich.

„Als ob du das nicht wüsstest“, sagte er und seine Stimme klang nicht wie sonst so fröhlich und aufgedreht.

Verwirrt betrachtete Ronald seinen älteren Kollegen und warf einen Blick zu Alan, der ihn jedoch nur wütend ansah. Er schien wenig begeistert, dass er zurück war.

Eric sah ihn gar nicht erst an.

Ein Stuhl wurde gerückt und erfüllte die Stille der Mensa.

„Mr. Knox, gut, dass Sie wieder da sind! Lily gehört mal wieder von ihren ordentlich zur Brust genommen!“

Ronald drehte den Kopf schlagartig herum. Ein wenig Pudding fiel heraus, zusammen mit einer Nudel, die er übersehen hatte.

Kayden grinste ihn anzüglich und abfällig an.

Neben Ronald stand Eric langsam auf und alles an ihm war angespannt. Er machte sich sofort auf seinem Stuhl um einiges kleiner. Mit dem Lehrling wollte er jetzt nicht tauschen.

„Kayden!“, donnerte Erics Stimme durch die Mensa. „Auf ein Wort in mein Büro!“

Eric verließ den Platz und ging direkt auf seinen Lehrling zu. Sein Griff war fest um seinen Kragen und er zog ihn mit sich aus der Mensa.

An der Stimme und Haltung von Eric konnte Ronald schließen, dass er diese Worte in letzter Zeit öfters verwendet hatte.

Es verwunderte ihn ein wenig. Eric war dafür bekannt seine Lehrlinge unter Kontrolle zu haben. Er war streng, aber gerecht.

„Was ist hier los? Sind die Lehrlinge komplett verrückt?“, fragte er laut grummelnd und sah dabei zu Grelle und Alan, die als Einzige noch mit am Tisch waren.

Grelle machte bereits den Mund auf, doch Alan unterbrach ihn. Er funkelte Ronald wütend an.

So hatte er den Shinigami selten erlebt. Es musste wirklich ernst sein, was passiert war, dass der sonst so ruhige Alan wütend wurde.

„Lass uns nach Feierabend in meinem Zimmer ein Gespräch führen, Ronald. Hier ist nicht der passende Ort und du solltest duschen gehen.“

Ronald nickte stumm, viel zu verwirrt von Alans dominanz.

Vorsichtig drehte er den Kopf und musste feststellen, dass die ganze Mensa noch immer zu ihrem Tisch herüber schaute. Die anderen Shinigami versuchten jedes Wort und jede Reaktion mit zu verfolgen.

Kein Wunder, wenn Alan nicht jetzt mit ihm reden wollte, sondern lieber später unter vier Augen oder acht Augen, wenn Eric und Grelle mit dabei wären.

Grelle stand auf und verließ ohne Abschiedsworte die Mensa. Er warf Ronald lediglich einen abfälligen Blick zu, während er Alan nur zunickte.

Kam es Ronald nur so vor oder war das eine stumme Kommunikation gewesen, dass Alan vielleicht mit ihm schon mal ein paar Worte reden sollte? Doch seine Frage sollte nicht lange unbeantwortet bleiben.

„Ronald, es ist viel passiert“, begann Alan mit harter Stimme und räumte das Geschirr zusammen. „Es hat Miss McNeil hart getroffen, dass du einfach so gegangen bist ohne etwas zu sagen oder zu erklären. Viel härter als sie es vielleicht offen zeigt. Ich glaube, nur Mr. Shinamoto weiß, wie es ihr wirklich geht.“

Das konnte er sich bereits denken, nachdem sie ihn so angeschrien hatte. Aber er schwieg und hörte Alan weiter zu, während er sich innerlich schlecht fühlte.

Was hatte er nur getan? Er wollte doch nicht, dass es ihr schlecht ging. Erst recht nicht seinetwegen!

„Du solltest dich wirklich mal aufklären lassen, was alles passiert ist, ehe du einfach so zurück kommst und versuchst wieder einen auf Freund zu machen, als wäre nichts passiert.“ Alan sprach ruhig, doch die Wut in seinen Worten war deutlich zu hören und fühlte sich wie ein Peitschenhieb an.

Ohne weiter ein Wort an ihn zu richten, verließ auch Alan die Mensa und Ronald saß nun alleine am Tisch. Vor sich lag das Chaos vom Mittagessen.

Sein Hunger hatte sich gerade von ihm verabschiedet.

Ein langer und gedehnter Seufzer entfuhr ihm. Er musste ein Gähnen unterdrücken. Nicht, weil ihn all das kalt ließ, sondern weil die Zeitumstellung anstrengend war. Um diese Uhrzeit hatte er bei den Mönchen bereits geschlafen. Die Umstellung war das Schlimmste.

Langsam stand er auf und pflückte sich ein paar Nudeln vom Schoß, die dort gelandet waren. Auch dieses Stück Kleidung hatte die Soße nicht verschont.

Er grummelte und machte sich nicht erst die Mühe mit der Serviette darüber zu wischen.

Das Geschirr und den ganzen Soßenrest würde eine Küchenkraft schon sauber machen. Alles, was Ronald Knox in diesem Moment wollte, war auf sein Zimmer zu gehen und zu duschen, damit er nicht mehr wie ein Mittagsmenü roch.

Die Mensa war beängstigend ruhig und er konnte die unzähligen Blicke auf sich spüren.

Vorsichtig warf er einen Blick zu William T. Spears.

Wie immer saß sein ehemaliger Mentor alleine am Tisch und aß sein Mittagessen. Er warf Ronald nur einen kalten Blick zu, den er nicht deuten konnte. War er einfach nur distanziert wie immer oder hatte er alles vermasselt?

Er verließ die Mensa und ging den Flur entlang, wo er von den Kollegen gemustert wurde, die nicht mit in der Mensa gesessen hatten.

Ronald suchte sich einen leeren Flur im Geschoss, wo die Büros lagen und lehnte sich gegen die Wand. Mit der Hand strich er sich ein paar Haare nach hinten und konnte spüren, wie der Pudding seine Haare verklebt hatten.

Die Mittagspause war fast vorbei und dann würde selbst diese abgelegene Flur wieder voller Shinigami sein.

Ronald zuckte mit einem Mal zusammen und hörte, wie sich eine Tür öffnete und Stimmen deutlich wurden.

Er war nicht ganz so alleine wie er gedacht hatte.

Das Schluchzen eines Mädchens war zu hören und nur wenige Augenblicke trat Lily McNeil aus dem Büro heraus.

Ihr Gesicht war gerötet und sie schien noch vor wenigen Momenten ausgiebig geweint zu haben.

Besorgt sah er zu ihr.

War es für sie wirklich so schlimm gewesen, dass er sie ignoriert hatte? Oder hatte Carry wieder ihre Finger im Spiel?

Langsam macht er zwei Schritte auf sie zu.

Was sollte er sagen? Sollte er vielleicht doch mit ihr reden und alles erklären und wieder für sie da sein?

Bisher hatte sie ihn nicht bemerkt.

Ronald konnte also auch einfach gehen und so tun als hätte er nichts gesehen.

Aber das konnte er nicht.

Er konnte nicht zu ihr gehen, aber er konnte den Anblick auch nicht ertragen.

Ronald rang mit sich und seinen Gefühlen.

Seine Hand ballte sich zur Faust und er trat einen weiteren Schritt auf sie zu.

Weitere Stimmen wurden hörbar.

„Du brauchst keine Angst zu haben. Es wird sicherlich alles gut werden und nur halb so schlimm.“ Nakatsu trat aus dem Büro und legte einen Arm um sie.

Unweigerlich murrte Ronald und seine Nägel gruben sich in seine Handflächen bis es schmerzte.

Er trat weitere Schritte auf Lily zu. Bald war er bei ihr und konnte statt Nakatsus seinen Arm um sie legen.

Nakatsu wandte den Kopf und erblickte Ronald.

Sofort blieb er stehen und der Lehrling warf ihm einen kühlen und wütenden Blick zu, als hätte er vor, Lily ein Messer in den Rücken zu stoßen.

„Wir sind ja bei Ihnen“, sagte Alan und tauchte neben ihr im Flur auf.

„Es wird schon gut gehen. Unsere Aussagen werden Ihnen auf jeden Fall helfen“, meinte Eric und klopfte ihr aufmuntert auf die Schulter.

„Wir werden alle dabei sein. Du bist also nicht alleine.“ Grelle trat als letzter aus dem Büro und schloss es sorgfältig ab.

„Lil, das schaffst du schon. Ich kann zwar nicht dabei sein, aber ich drücke dir trotzdem die Daumen.“

Alan seufzte. „Tut mir leid, dass Sie nicht mitkönnen. Aber das Gericht wird die Aussage eines Lehrlings nicht viel Gewicht schenken. Aus dem Grund sind wir ja auch vorgeladen worden, damit Miss McNeils Worte mehr Gewicht bekommen.“

„Das hat Spears gut eingefädelt. Er wird auch da sein und aussagen.“

„Nicht zu vergessen diesen schnuckligen Arzt, der den Medizinbericht vorlegt.“

Gericht? Vorladung? War heute tatsächlich Lilys Anhörung?

Ronald musterte sie.

Seine Schülerin sah blass aus und wirkte, als würde sie sich gleich übergeben müssen.

Hatte Grelle sie nicht darauf vorbereitet?

Natürlich zeigte Spears den Schülern nicht bei der Rundführung das Gericht. Es lag auch außerhalb des Shinigami Dispatch Society Gelände, aber früher oder später musste jeder Shinigami dorthin. Alleine deshalb, wenn es darum ging Rechenschaft über die Arbeit abzuliefern.

Aber unter diesen Umständen das Gericht kennen zu lernen, wenn man zu Unrecht beschuldigt wurde, war wirklich keine schöne Sache.

Wer würde überhaupt dort sitzen?

Das Gremium oder sogar das Gremium und der Rat der Shinigami? Nur der Rat der Shinigami?

Das Gremium bestand aus den Abteilungsleitern, dessen Vorsitz immer der Shinigami hatte, der die Abteilung zur Entsendung der Todesgötter leitete. In diesem Fall führte William des Gremiums.

Der Rat bestand aus fünf Mitgliedern, die die ganze Society leiteten und die kaum jemand zu Gesicht bekamen. Niemand wusste, was sie genau taten.

Selbst Ronald hatte sie noch nie zu Gesicht bekommen.

Er konnte verstehen, dass Lily nervös war und zu gerne hätte er sie darauf vorbereitet, was auf sie zukam.

„Ich begleite dich noch bis zum Ausgang. Dann muss ich zu meinem Mentor zurück“, sagte Nakatsu und die kleine Gruppe setzte sich in Bewegung.

Es war seine letzte Chance etwas zu sagen.

Er hatte das Gefühl ein Ziegelstein würde in seinem Magen liegen.

„Wartet!“, rief er über den Flur und lief auf die Gruppe zu.

Alan, Eric, Grelle, Nakatsu und Lily verstummten in ihrem Gespräch und drehten sich zu ihm herum.

„Was wollen Sie?“, fragte Nakatsu wütend.

Ronald schluckte schwer. Sein Mund war trocken geworden, so dass er ein Kratzen im Hals verspürte.

„Ich wünschen Ihnen viel Glück“, krächzte er hervor und blickte Lily an, die ihn nur kalt ansah. Wenn ihr Blick töten könnte, wäre er auf der Stelle qualvoll in Flammen aufgegangen und gestorben. „Wie fühlen Sie sich?“

„Das geht dich glaub ich gar nichts an, Ronald“, antwortete Grelle und zog Lily weiter.

Nakatsu folgte ihnen.

„Alan, komm. Wir sind spät dran und dürfen nicht zu spät kommen.“ Eric war schon ein paar Schritte vorgegangen und hielt kurz wieder inne als er gemerkt hatte, dass Alan ihm nicht folgte.

Alan nickte ihm zu und wandte sich an Ronald.

„Ronald, du hast dich in der Mensa aufgeführt wie ein Eisklotz und jetzt kommst du an und wünscht ihr Glück.“ Alan schüttelte den Kopf. „Ich sagte dir schon in der Mensa, dass viel passiert ist und du nicht einfach so wieder auf guten Mentor und Freund machen kannst.“

„Was soll ich deiner Meinung nach dann tun?“

„Lass uns nachher das Gespräch führen. Du weißt dann mehr und kannst dir dann Gedanken dazu machen. Miss McNeil ist im Moment nicht in der Lage sich mit dir auseinander zu setzten. Sie hat heute ihre Anhörung und dein Erscheinen hat ihr wirklich den Rest gegeben. Aber wir reden später und geh vorher duschen. Ich muss jetzt gehen. Bis später.“

Alan wartete auf keine Antwort von Ronald, sondern drehte sich einfach um und ging wie die Anderen zu der Anhörung.

Ronald knurrte genervt und trat wie ein Kind mit dem Fuß auf.

Wie sollte er alles wieder in Ordnung bringen, wenn ihm Niemand etwas sagte?

Er war vollkommen Ahnungslos.

Wütend murrte er und ging genervt von dem Tag zurück in sein Zimmer.

Auf dem Weg dorthin wurde er wieder von Kollegen gemustert. Sie tuschelten hinter vorgehaltener Hand.

Er betrat das Wohngebäude und war froh, dass dort Niemand war. Anstatt den Fahrstuhl zu nehmen, ging er lieber die Treppe hoch.

Bei den Mönchen hatte er gelernt, dass ein wenig Bewegung gut tat, um den Kopf von Gedanken zu befreien.

Zum Glück hatte sich Niemand während seiner Abwesenheit in seinem Zimmer zu schaffen gemacht und der Shinigami, der dort als Gast genächtigt hatte, hatte alles ordentlich wieder verlassen.

Der Geruch des Essens in seiner Kleidung und Haaren hatte sich bereits in seiner Nase festgesetzt und so ungern Ronald es zugab, Alan hatte recht. Er brauchte dringend eine Dusche. Es war ihm unangenehm, diesen Geruch zu verbreiten.

Gewürze als Parfüm zu haben war nicht so lustig, wie es klang. Es war widerlich und Ronald musste sich schütteln vor ekel.

Was war nur passiert während er bei den Mönchen war?

Am liebsten wäre er jetzt auf der Stelle zu Spears gegangen und hätte sich aufklären lassen, aber dieser war sicherlich bei der Anhörung. Er konnte es kaum abwarten, das Gespräch mit den Anderen zu führen, auch wenn es nicht positiv sein würde. Aber nur so, konnte er erfahren, was geschehen war.

Langsam bereute Ronald seine Entscheidung.

Er hatte sich doch nur für die Abreise entschieden, um sie zu schützen. Es war offensichtlich ein riesen großer Fehler gewesen.

Es lief gar nichts so, wie er es gedacht hatte.

Eigentlich hätte er es sich schon in der Nacht denken können bei seiner Ankunft.

Ohne Begrüßung hatte William ihm seinen Zimmerschlüssel in die Hand gedrückt und als er nachgefragt hatte, ob alles in Ordnung sei, hatte sein ehemaliger Mentor nur abweisend reagiert. William hatte gesagt, er hätte keine Zeit dafür und würde in den nächsten Tagen auf ihn zukommen, wenn es um seine Anhörung ging.

Auch Alan, Eric und Grelle hatten ihn nicht gerade wie einen Freund begrüßt. Es war eher als hätte er ein Schwerverbrechen begangen.

Ronald kam bei seiner Zimmertür an und davor lag ein dicker Briefumschlag.

Die Verwaltung des Gebäudes verteilte die Post und musste sie dort abgelegt haben.

Er bückte sich und hob den Umschlag auf, der schwer in seiner Hand wog. Ronald drehte ihn in seiner Hand und erkannte das Wachssiegel der Shinigami darauf. Es war das offizielle Zeichen des Gerichtes.

Das Siegel war golden und in der Mitte war ein I, das links und rechts von zwei Halbkreisen umgeben war. Darunter befand sich eine kleine Waagschale.

Er schloss die Tür auf und ging in sein Zimmer hinein. Sofort schloss er die Tür und riss brach das Siegel auf.

Ronald las den Brief sorgfältig durch. Er las ihn erneut und dann wieder.

Mit jedem mal lesen, rutschte sein Herz tiefer in die Hose und sein Gehirn wollte nur mühsam die Worte begreifen.

Ronald legte den Brief auf den Tisch.

Sein Kopf fühlte sich taub an, als wäre er in Watte gepackt und Informationen sickerten nur langsam durch.

Eine Tatsache hatte sich in sein Bewusstsein gebohrt, wie ein giftiger Pfeil.

Wenigstens wusste er Bescheid, warum er wieder zurückkommen sollte.

In dem Brief stand, dass die Untersuchung während seiner Abwesenheit gemacht worden war und dass durch die vielen Gerüchte kein eindeutiges Ergebnis erzielt wurde. Die schwere der Gerüchte und die Beschuldigung, dass er vielleicht doch etwas mit Lily gehabt hatte, ließ keinen anderen Beschluss zu als ihn von seiner Arbeit zu suspendieren und zu verweisen bis die Angelegenheit vor dem Gericht geklärt und kein Gerücht mehr in der Society sei. Seine Death Scythe war bereits bei seiner Abreise eingezogen worden.

Seine Anhörung war in drei Tagen am Nachmittag angesetzt worden.

Das Gericht hatte also beschlossen ihn von der Arbeit zu suspendieren. Seine Abwesenheit hatte also nicht geholfen, um genau das zu verhindern. Ronald hatte verhindern wollen, dass es so weit kam, dass das Gericht ihn suspendierte und es eine Anhörung gab. Er wollte mit seiner Abwesenheit verhindern, dass mehr Gerüchte entstanden und Lily schützen. Aber alles war eingetroffen, war er zu verhindern versucht hatte. Nichts lief so, wie er es geplant und gehofft hatte.

Wenn die Anhörung auch noch schief lief, würden sie ihn als Shinigami des Dienstes verwaisen und wohlmöglich auch der Welt.

Ronald setzte sie Brille ab und fuhr sich über die Augen.

Duschen.

Das war es, was er dringend brauchte. Nicht nur, um das Essen von sich zu spülen, sondern auch, um die negativen Gedanken, die mit dem Brief gekommen waren.

Nach der Dusche würde er sich sicherlich besser fühlen. Danach sah die Welt bestimmt besser aus. Außerdem wollte er keinen unnötigen Dreck in seinem Apartment verteilen.

Ronald zog seine Sachen aus und warf sie direkt in einen Müllsack.

Die Flecken würden nicht mehr raus gehen.

Sein Blick ging zum Fenster und er sah hinaus.

Er konnte das aufragende Gebäude der Society erblicken und die vielen Shinigami, die dort ein und ausgingen, wie fleißige Ameisen.

Nakatsu verließ gerade das Gebäude. Ein Mann in einer dunklen Kutte und langen grauen Haaren zog ihn hinter sich her. Er schien es eilig zu haben und Nakatsu wirkte verwirrt.

Wer war das denn?

Ronald hatte ihn noch nie gesehen und er sah nicht aus wie jemand aus der Society.

Aber er wäre nicht in das Gebäude gekommen, würde man ihn nicht kennen.

Er zog die Schultern hoch und ging ins Bad, um endlich zu duschen.

Seine Haare mussten mehrfach durchgespült werden bis auch der letzte Rest Pudding und Soße draußen war und er sich nicht mehr wie ein Mittagessen fühlte. Der Geruch wollte auch nicht so wirklich aus seiner Nase weichen, weshalb er auch mehrfach zum Duschgel griff und sich damit einschäumte.

Er trocknete sich ab und ging zurück in sein Wohnzimmer.

Ronald hatte sich während seines Exils an die Stille gewöhnt, aber jetzt, wo er wieder zu Hause war, machte sie ihn verrückt.

Vor sich auf dem Tisch lag der Brief vom Gericht.

Sicher waren Alan, Eric und Grelle noch nicht zurück von der Anhörung.

Er hatte also noch viel Zeit.

Was sollte er tun?

Er durfte nicht arbeiten und Ronald hatte absolut keine Lust zu Carrys Party zu gehen.

Hatten die drei vielleicht mit ihrer Aussage genug Gewicht, damit alles wieder ins Lot kam? Gab es also eine Chance, dass er wieder arbeiten durfte?

Ein kleiner Hoffnungsschimmer flammte in Ronalds Brust auf, der jedoch gleich von Panik im Keim erstickt wurde. Was wäre, wenn sie davon erfuhren, was ihm während seines Exils klar geworden war?

Dann hatte er mit Schlimmeren zu rechnen als nur einer Suspendierung.

Seine Gedanken rasten.

Er konnte es leugnen, aber dann bestand die Gefahr, dass sie in sein Lebensbuch lesen würden. Dort würden sie die Wahrheit erfahren.

Aber wenn er mit Lily aus der Society flog, war es egal. Er konnte offen zu seinen Gefühlen stehen. Er war ja dann nicht mehr ihr Mentor.

Ronald wusste aber, dass Lily ihn dann hassen würde und ihm war es wichtig, dass sie glücklich war.

Außerdem hatte William schon wesentlich schlimmeres in der Society wieder eingerenkt.

Ronald spitzte die Ohren, um eventuell die Stimmen von Alan oder Eric zu hören. Vielleicht konnte er ja ihre Ankunft hören.

Aber Ronald war kein geduldiger Mensch. Er konnte nicht einfach still dasitzen und auf die Rückkehr der Anderen warten. Ruhig gesessen hatte er in den letzten zwei Wochen genug. Seine Gedanken machten ihn wahnsinnig.

Er brauchte dringend eine Ablenkung.

Ein Spaziergang über das Gelände oder ein wenig Training würde ihm sicherlich gut tun. Vielleicht sollte er auch ein paar Bahnen schwimmen gehen.

Ronald stand von seinem Sofa auf und schob den Brief in seine Hosentasche. Er durfte nicht vergessen ihn den Anderen zu zeigen oder mit William sogar darüber zu sprechen.

Im Flur brannte Licht und er ging die Treppen schnell hinunter.

Am letzten Treppenabsatz konnte er sehen, dass sich jemand dem Wohngebäude näherte. Die Schatten zeichneten sich unförmig auf dem Boden und der Wand ab. Sie wurden größer und größer bis er Stimmen hören konnte.

Er ging ungestört weiter.

Es waren nur zwei Kollegen, die ihre Schicht beendeten und die er nur vom Sehen kannte. Ihre Namen kannte er nicht, da er noch nie etwas mit ihnen zu tun gehabt hatte. Er glaubte sogar, sie arbeiteten in der Verwaltungsabteilung für die Todeslisten. Oder war es die Brillenabteilung?

Ronald wusste es beim Besten Willen nicht. Er wusste nur, sie arbeiteten nicht in seiner Abteilung.

„Ronald!“, sagte einer der Beiden in einem freundschaftlichen Ton, obwohl sie nie ein Wort gewechselt hatten. „Man, was haben wir dich vermisst!“

Der Kleinere von Beiden klopfte ihm auf die Schulter und grinste ihn an.

Ronald war irritiert. Was wollten die Beiden von ihm?

Er musterte beide Kollegen genauer.

Der Erste von ihnen, der ihn angesprochen hatte, war etwas größer vom Körperbau und hatte braun gebrannte Haut, während seine Haare weißblond waren und einen starken Kontrast bildeten. Der Andere war fast so groß wie er selbst und hatte einige Sommersprossen im Gesicht und flammend rotes Haar.

„Wo bist du gewesen, Mann?“, fragte der Rothaarige.

„Ich wüsste nicht, was euch das angeht. Ich kenne euch nicht!“ Ronald wollte weiter gehen, wurde aber an der Schulter festgehalten und umgedreht, so dass er den Beiden wieder gegenüber stand.

„Wo willst du hin? Wir wollen uns doch nur mit dir unterhalten.“, sagte der braungebrannte Mann.

„Lasst mich in Ruhe!“, sagte er leise gepresst. Was wollten diese Typen von ihm?

„Bleib doch hier. Wir haben doch nichts Böses vor.“ Der Rothaarige legte einen Arm um seine Schultern.

Genervt schüttelte er den Arm von sich ab.

Hinter sich hörte er weitere Schritte und die Beiden begrüßten die Neulinge.

Ronald drehte sich herum.

Es waren wieder Kollegen, die definitiv nicht in seiner Abteilung waren.

Jetzt waren sie zu fünft.

Sie hatten ihn eingekreist und er hatte keine Möglichkeit mehr zu entkommen.

Die Gruppe gab sich gegenseitig ein High Five zur Begrüßung.

„Sag mal, Alter, stimmt das wirklich mit dir und der süßen Schnalle aus der Ausbildungsgruppe?“ Einer der Neulinge hatte ihn angesprochen.

„Ich hoffe, die Kleine sieht ohne Klamotten genauso heiß aus, wie mit!“, rief der Rothaarige dazwischen.

Ronald presste seinen Kiefer aufeinander und ballte die Hand zur Faust. Was ging hier vor sich?

„Sie hat ja heute ihre Anhörung, so viel man gehört hat. Vielleicht kann ich sie ja danach trösten. Was denkst du, Knox?“ Das war der braungebrannte Mann.

„Dein Trösten kennt man doch. Ihre Sachen sind schneller vom Leib als man bis drei zählen kann.“ Einer der Männer seufzte sehnsüchtig auf. „Diese blonden Haare. Mich würde interessieren, ob es Naturblond ist!“

„Natürlich ist es das!“, rief Ronald erzürnt und mit rotem Gesicht. Doch schon im nächsten Moment schlug er sich die Hand auf den Mund, als hätte er ein Schimpfwort gesagt.

Die Männer grinsten ihn listig an und Ronald hätte sich am liebsten für seine Aussage selbst geohrfeigt.

„Du hast es also gesehen? Du hast diese Stelle gesehen?

Ronald schüttelte den Kopf. Was war er nur für ein Idiot? Er hatte ihnen direkt zugespielt und es war egal, was er jetzt sagen würde. So schnell kam er da nicht mehr heraus. Natürlich hatte Lilys Intimstelle nicht gesehen. Aber er war sich sicher, dass sie nicht gefärbt waren.

„Ich würde sie ja am liebsten mal durchkneten.“, seufzte ein anderer.

„Am liebsten ihre Titten, Alter!“ Der Weißblonde lachte und gab seinem Gegenüber ein High Five. Er wurde aber schnell wieder ernst und beugte sich zu Ronald herunter, der versuchte die Sprüche auszublenden.

So musste sich also seine Schülerin in den letzten zwei Wochen gefühlt haben. Nur das ihr die Angebote direkt gemacht wurden und sie sogar angefasst worden war.

Er schluckte hart und sah zu Boden, während sich sein Gesicht Rot färbte.

„Mal im Vertrauen, Knox. Wie ist die kleine Schnalle so? Ist sie gut im Bett?“

„Woher soll ich das wissen?“, fragte er bemüht ruhig.

„Ach komm. Uns kannst du es erzählen“, sagte der Weißblonde. „Wie ist ihre Haut denn so? Samtig weich oder schon ganz rau und kratzig wie eine alte Matratze? Nach was riecht sie denn so? Frisch und jung oder wie alter Backfisch?“

Ronald ballte die Hand fester zu Faust. Er wollte nichts sagen. Er wollte diesen Kerlen nichts von Lily preisgeben. Weder ihren Geruch noch wie sich ihre Haut anfühlte. Es war ja schon schlimm genug, dass er es überhaupt wusste.

Sein Herz schlug schnell, wenn er an diese Dinge dachte. Solche Kerle waren es nicht wert, dass sie etwas über sie wussten. Er würde ihnen nichts verraten!

„Denkst du oft an sie? Denkst du an sie, wenn du es selbst machst? Also ich tu es!“, sagte der Shinigami. „Ich würde ja so gerne mit dir tauschen und jeden Tag unanständige Dinge mit ihr tun. Ich würde sie vor mich knien lassen und dann…“

Der Rest des Satzes konnte der Shinigami nicht mehr aussprechen.

Ronalds Faust hatte ihn genau ins Gesicht getroffen.

Der Shinigami hielt sich schmerzhaft die Wange.

„Lasst eure Finger von meiner Schülerin! Wenn ich erfahren, dass ihr sie angefasst habt, könnt ihr euch auf was gefasst machen! Ihr werdet sie in Ruhe lassen!“, schrie er und sah jeden in der Runde wütend an. Er verkniff es sich seine anderen Gedanken laut auszusprechen. Es viel ihm verdammt schwer sich zurück zu halten, dass niemand seine Lily anfassen sollte. Seine Atmung ging schwer und kräftig. „Das gilt für euch alle!“

„Ronald, was ist hier los?“, fragte plötzlich jemand und Ronald erkannte erleichtert, dass es sich um Eric handelte.

„Nichts“, presste er hervor und sah die kleine Gruppe wütend an.

Eric hob eine Augenbraue und musterte die Anderen, die zustimmend nickten und die Treppe nach oben gingen.

„Wie war die Anhörung?“, fragte Ronald als er sich sicher war, dass die Shinigami fort waren.

„Ganz gut“, antwortete Alan, der neben Eric stand. „Ein Ergebnis steht aber noch nicht fest. Erst nach deiner Anhörung.“

Grelle trat neben den Beiden. „Ich weiß nicht, wie ihr zwei Schnuckelchen das seht, aber ich bin dafür, wir reden mal mit unserem Ronald.“

„Wo ist Lily?“, fragte Ronald.

„Bei Nakatsu. Sie kommt später, aber erstmal reden wir untereinander.“

Er nickte und folgte seinen Freunden in den Fahrstuhl.

Schweigend fuhren sie nach oben.

Ronald behagte die Stille ganz und gar nicht. Er hatte das Gefühl, eine Katastrophe steuerte auf ihn zu.

Alle waren angespannt und ernst. Viel zu ernst. So hatte Ronald seine Freunde noch nie gesehen.

Es hatte sich so viel in den letzten zwei Wochen verändert.

Der Fahrstuhl hielt an und alle stiegen aus. Sie gingen direkt auf Alans Zimmer zu, der die Tür aufschloss.

Eric setzte sich sofort auf einen Sessel, während sich Grelle auf das Sofa setzte und die Beine überschlug.

Ronald wusste nicht genau, ob er sich setzen oder lieber stehen sollte. Er entschied sich fürs sitzen und nahm den zweiten Sessel ein. Alan ließ sich neben Grelle nieder.

Ronald atmete tief ein. Die Stille war beängstigend.

„Könntet ihr mir nun endlich erklären, was hier genau los ist? Ich habe einen Brief vom Gericht erhalten und die Typen eben haben ganz komisches Zeug über Li…ich meine Miss McNeil geredet.“ Ronald sah jeden einzelnen an. Keiner schien seinen beinahe Versprecher mitbekommen zu haben oder sie überhörtes und es interessierte sie einfach nicht.

Alan seufzte laut auf und sah zu Eric und Grelle.

„Du bist vor zwei Wochen einfach so abgehauen, Ronald“, begann er. „Die Gerüchte hatten schon sehr weit die Runde gemacht. Direkt am ersten Tag. Du und Miss McNeil habt es nicht mitbekommen. Deine Schülerin sagte uns, ihr seid in der Bibliothek und danach im Schwimmbad gewesen. Du bist gegangen ohne etwas zu wiederlegen. Es war wie ein Schuldeingeständnis, dass da was Wahres dran wäre. Die Gerüchteküche war am Brodel wie noch nie! Bei mir im Büro sind sogar schon Leute reingekommen und haben gefragt, ob das mit euch beiden stimmt. Selbst bei Eric haben sie nicht halt gemacht!“

„Was genau sind das für Gerüchte?“, fragte Ronald. Er hatte durch die Männer von eben einen kleinen Einblick bekommen, wollte es aber auch von seinen Freunden bestätigt wissen.

„Ihr hättet miteinander geschlafen“, antwortete Eric. „Nicht nur einmal. Die Gerüchte sagen auch, sie täte das nur, um eine bessere Note zu bekommen.“

„Das ist doch völliger Unsinn! Das stimmt nicht!“, platzte Ronald heraus. „Ich hatte sie nur einmal im Arm. Sie hatte schlecht geträumt und da hab ich sie getröstet. Mehr war da nicht! Ich würde doch nicht mit meiner Schülerin…und dann erst recht nicht, wegen besserer Noten!“

„Das wissen wir doch alles“, sagte Grelle und winkte ab.

„Wir wissen, was du getan hast. In den letzten zwei Wochen haben wir so viel Zeit mit deiner Schülerin verbracht, dass wir wissen, dass du alles nur gut mit ihr meintest und nie was getan hast, was über das Schüler-Mentor-Verhältnis geht.“

„Aber die anderen Shinigami und die anderen Lehrlinge sehen das anders“, fügte Eric an. „Wie Alan bereits sagte, dein Weggang, war wie ein Geständnis. Mr. Shinamoto wird aus der Klasse ausgeschlossen, weil er zu deiner Schülerin steht. Aber der Junge kann sie nicht immer auf Schritt und Tritt begleiten und wir können es auch nicht immer.“

„Die Kleine ist fertig mit der Welt und mit sich auch. Es ist ein Wunder, dass sie noch hier ist. Dabei war sie schon fast soweit die Society zu verlassen.“ Grelle sprach kühl und vermied es Ronald anzusehen.

„Wieso das?“, fragte er. Sein Herz klopfte und seine Hände waren feucht. Es war also alles schlimmer als erwartet.

„Das wissen wir nicht genau“, antwortete Alan und sah auf den Tisch, als würde es ihn schmerzen Ronald anzusehen. „Ich hatte sie in mein Zimmer genommen. Die Frauen hatten sie aus dem Gemeinschaftsbad geschlossen und sie hatte nur ein Handtuch um. Eric besorgte ihr ihre Kleidung wieder und nachdem sie sich beruhigt hatte, ging sie auch. Mr. Shinamoto erzählte, dass sie einen Termin bei William hatte und danach nur aufgelöst ins Zimmer gekommen war. Miss McNeil nahm nur ihre Jacke mit und lief aus der Society. Wir haben sie alle in gesucht. Sie war bei einem Freund und blieb dort die ganze Nacht.“

„Was ist bei William passiert?“ Ronald wollte wissen, was geschehen war, dass seine Schülerin sogar die Society verlassen wollte.

„Als ich in das Zimmer von meinem William kam, lag sie in seinem Bett und er saß daneben. Sie schien den Tränen nahe zu sein und um Fassung zu ringen. Lily sagte zwar, dass ihr nur schwindlig gewesen sei, aber…“

„Aber wirklich glauben, tut ihr das nicht“, beende Ronald den Satz.

Alle drei nickten.

„Verstehe. Unternimmt William denn nichts?“

„Spears hat schon Vorträge in der Klasse gehalten, dass dein Weggehen, eine interne Sache sei und nichts mit den Gerüchten zu tun hätte. Er hat sogar mehrere Stunden damit zugebracht Vorträge über Mobbing zu halten und alle ermahnt, damit aufzuhören. Aber es bringt nichts. Selbst das Untersuchungskomitee konnte durch die vielen Gerüchte nichts daran ändern. Sie haben die ganze Klasse befragt und auch das nähere Umfeld von euch beiden, also uns. Wir haben heute vor dem Gericht unsere Aussage gemacht, dass zwischen euch nichts ist. Was denkst du, wie viele Gespräche ich schon mit Kayden hatte? Ich habe mir schon den Mund fusselig geredet und so langsam gehen mir die Ideen für Strafarbeiten aus.“ Eric änderte seine Position im Sessel und machte es sich ein wenig bequemer.

„Wie konntest du einfach gehen ohne etwas richtig zu stellen?“, fragte nun Grelle wütend und sprach die Frage aus, die alle auf der Zunge brannte.

„Ich hatte meine Anweisung von Spears.“

„Anweisungen!“, schnaubte Grelle verächtlich und warf seine langen roten Haare zurück. „Du weißt gar nicht, was du dem armen Mädchen damit angetan hast!“

„Ja, Anweisungen!“, gab Ronald wütend zurück. Wieso war er der Buhmann? Er hatte doch nichts Schlimmes tun wollen. Interessierte es Niemanden, was seine Absicht war? „Ich hätte gerne die Gerüchte aus der Welt geräumt! Ich hätte alles dafür getan, aber Spears rief mich am selben Nachmittag, wo sie entstanden sind in sein Büro und sagte, es ist so schlimm, dass er mich von meiner Arbeit abziehen muss. Er stellte mich vor die Wahl. Entweder ich unterschreibe meine Kündigung und werde damit aus der Society geworfen, genauso wie Miss McNeil oder ich gehe solange in die Menschenwelt bis der Antrag auf eine Untersuchung und das Untersuchungskomitee ein Ergebnis vorliegen hat. Hätte ich die Kündigung unterschrieben, wäre es, als würde ich für etwas Büßen, was nicht stimmt. So konnte Miss McNeil wenigstens die Ausbildung weiter machen und die Untersuchung würde herausfinden, dass alles nur eine große Lüge ist! Ich konnte doch nicht wissen, dass es so schlimm wird! Ich dachte, ich tu was Gutes! Was hättet ihr getan?“

Alan, Eric und Grelle sahen sich an. Sie schienen zu begreifen und zu verstehen, wieso er so gehandelt hatte.

„Wir hätten nicht anders gehandelt“, sagte Alan leise.

„Wieso hast du ihr dann nicht bei deinem Weggang erklärt, was los ist?“, fragte Grelle. Seine Stimme war noch immer kalt und abfällig.

„Spears hatte mich angewiesen zu Niemandem etwas zu sagen und jeglichen Kontakt zu ihr zu meiden. Ich sollte ihr lediglich mitteilen, dass ich nicht mehr ihr Mentor sei und wer ihr Neuer wäre. Die Anweisung gilt immer noch. Deshalb hab ich auch nichts zu ihr beim Mittagessen gesagt. Glaubt mir, ich würde es gerne tun, aber Spears…Ihr kennt ihn doch! Was denkt ihr, wie es mir dabei erging. Ich hätte es gerne anders geregelt, aber es ging nicht! Liebend gerne hätte ich ihr all das erspart. An dem Abend wäre ich gerne zurückgegangen und hätte sie getröstet. Natürlich ist mir klar, wie schlecht sie sich deswegen fühlt und was es für einen Eindruck macht.“

„Du wurdest wenigstens nicht schikaniert. Lily hat mehr blaue Flecken am Körper als Haut. Sie ist so oft belästigt worden und vor zwei Tagen hatte Mr. Shinamoto sie aus dem Schwimmbecken holen müssen, weil sie fast ertrunken wäre.“

„Hast du mit ihr den Schwimmunterricht nicht weiter geführt?“, fragte er erschrocken.

„Wir wussten nicht einmal, dass sie Angst vor Wasser hat“, sagte Eric.

Ronald ballte die Hand zur Faust. Er hatte als Mentor komplett versagt. Selbst wenn die Verhandlung positiv ausging, würde er seine Stelle als Mentor verlieren.

Es war beängstigend ruhig und Ronald schluckte schwer.

„Was soll ich tun? In drei Tagen ist meine Anhörung…“

„Wissen wir. Wir sind wieder als Zeugen geladen worden“, sagte Grelle abschätzig.

„Aber wir können dir nicht helfen, Ronald. Du musst für dich selbst entscheiden, was richtig ist“, sagte Eric.

„Ich rate dir mit Miss McNeil zu reden. Stell die Sache richtig bevor du deine Anhörung hast. Es wäre ziemlich wichtig für euch beide.“

„Aber, Alan, William hat klar und deutlich gesagt…“

„Ist es dir so wichtig, was William verlangt? Was ist dir wichtig? Ist dir deine Schülerin wichtiger als Williams Anweisung oder willst du lieber den braven Wauwau spielen?“, unterbrach Alan ihn.

Ronald nickte und seufzte gequält auf. Langsam erhob er sich und ging zum Fenster und sah hinaus. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren und versuchte das Gespräch mit der Anweisung und seinen Gedanken und Gefühlen überein zu führen.

Eric und Grelle verabschiedeten sich und legten ihm beide vorher noch aufmunternd die Hand auf die Schulter.

Es tat gut zu wissen, dass sie ihn noch nicht ganz aufgegeben hatten.

Nachdem die Beiden gegangen waren, war er mit Alan alleine.

„Ronald“, begann er und legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Ich weiß, dass alles ist nicht leicht. Aber wenn du wieder ihr Mentor werden willst, dann musst du dir ihr vertrauen wieder verdienen.“

Er nickte geistesabwesend. „Ja, ich weiß. Vertrauen muss man sich verdienen.“

„Oder willst du nicht mehr ihr Mentor sein?“

Ronald schwieg und ließ sich mit der Antwort Zeit. Es war alles so kompliziert. Auf der einen Seite wollte er ihr Mentor sein, aber auf der anderen Seite, wäre es einfacher für seine Gefühle, wenn er es nicht wäre.

„Ich weiß es nicht…“, sagte er leise nach einigen Momenten der Stille.

„Warum nicht?“, fragte Alan und sah ihn besorgt an.

„Weil…“ Er zögerte. Er konnte Alan nicht die Wahrheit sagen. „…Ich habe in der Arbeit versagt. Ich bin dem nicht gewachsen. Es ist besser, wenn die Arbeit jemand anderes macht.“

Alan verzog das Gesicht. „Ist das alles? Bisher hast du deine Arbeit gut gemacht und nur weil Carry ein paar Gerüchte streut gibst du auf? Ronald, es ist doch nicht so, dass du wirklich was für Miss McNeil fühlst, oder?“

Ronald sah seinen Freund an und hob eine Augenbraue. Er seufzte tief.

„Oh. Mein. Gott“, stieß Alan leise hervor. „Ronald, das ist nicht wahr, oder?“

„Alan, bitte…“, begann er und machte eine Geste mit den Händen, dass er sich beruhigen sollte. „Das glaubst du doch nicht selbst, oder? Warum sollte ich was für sie empfinden?“

„Ach du liebes bisschen“, stieß er hervor und sein Kiefer klappte nach unten. Alan ignorierte seine Worte und sah ihn geschockt an. „Weißt du, was das bedeutet? Du kannst nicht ihr Mentor sein!“

„Alan…“, setzte Ronald an, wurde aber wieder unterbrochen.

„Es steht in deinem Lebensbuch!“

„Alan…“

„Wenn William davon erfährt…Oh mein Gott…“

„Alan, denkst du etwa, ich habe mir nicht den Kopf darüber zerbrochen?“

„Wenn das Gericht das rauskriegt bist du geliefert!“

„Ich weiß.“

„Aber du willst ihr Mentor sein? Trotz dessen, was…“ Alan machte eine Bewegung mit der Hand und ließ den Rest des Satzes unausgesprochen.

Er nickte.

„Miss McNeil möchte dich auch als Mentor zurück. Aber es könnte ein Problem werden.“

„Ich weiß und ich wäre sehr froh, wenn du darüber kein Aufsehen machst und es für dich behältst. Also, beruhige dich, Alan! Lass das alles mein Problem sein. Bei den Mönchen habe ich eine gute Beruhigungstechnik gelernt und wenn ich die anwende, kann ich mich sicherlich ganz normal ihr gegenüber verhalten. Vielleicht ist das auch nur eine geistige Umnachtung und hat keinerlei Bedeutung. Vielleicht legt sich das auch von selbst. Also behalte es für dich! Ich kann nicht gebrauchen, dass darüber auch noch Gerüchte in Umlauf gelangen.“

„Du meinst so normal, wie heute in der Mensa?“ Skeptisch zog der kleinere Shinigami eine Augenbraue hoch.

„Das war nur wegen Williams Anweisung. Kann ich also auf dein Schweigen zählen? Es darf niemand erfahren!“

Alan nickte und atmete tief ein und aus, um sich zu beruhigen. „Natürlich.“

Ronald nickte zustimmend. „Danke. Dann werde ich mal gehen und mir das Vertrauen wieder verdienen.“

„Viel Erfolg“, war Alans leise Antwort.

Mit schnellen Schritten verließ Ronald das Apartment und lehnte sich draußen gegen die Tür. Er sah zu Boden und betrachtete seine weißen Schuhe, die in dem Licht ein wenig glänzten.

Alans Frage schwirrte ihm im Kopf herum.

Konnte er sich wirklich sicher sein, dass er etwas für sie fühlte? War das, was er in seinem Exil gedacht hatte, vielleicht nur Sehnsucht nach zu Hause gewesen und es stimmte gar nicht? Hatte er sich vielleicht geirrt? Was genau fühlte er eigentlich und wie konnte er sich sicher werden? Bei den Mönchen schien ihm alles ganz klar gewesen, doch jetzt, wo er wieder zu Hause war, war er sich nicht mehr sicher.

Ronald fuhr sich mit der Hand durch die Haare.

Laute Stimmen rissen ihn aus seinen Gedanken und Ronald lehnte sich von der Tür ab.

Am Ende des Flures, direkt vor seiner Zimmertür, standen Lily und Kayden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Akai_Hana
2013-09-07T15:08:11+00:00 07.09.2013 17:08
Wie putzig alle sind ^^~
Ich mein Alan und Eric sind für Lily, so gesehen, wie zwei große Brüder und Grell, wie eine große Schwester ^w^
Da man ihn als Bruder nicht wirklich bezeichnen kann >.>"
Nakatsu ist ein super Kumpel ^^~
Und ist der Dialog zwischen Ronald und Alan irgendwie lustig xD
Alan ist grad so in in sein Gerede drin, dass Ron nur schwer zu Wort kommt |D
Von:  AkaiOkami
2013-09-04T13:34:11+00:00 04.09.2013 15:34
Ich hab voll den lachanfall gekriegt als ich die Konversation zwischen Ronald und Alan gelesen hab XD
Antwort von:  Frigg
04.09.2013 15:35
wieso das?


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