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Shinigami Haken Kyoukai desu - Shinigami Dispatch Society

von

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Die Einweisung

Wenn die Ausbildungsgruppe gedacht hatte, dass die Führung nach der Brillenabteilung vorbei war, dann hatte sie sich gewaltig geirrt. Es gab noch ein paar Abteilungen, die sie nicht gesehen hatten, zu denen sie jetzt William T. Spears führte.

Der Vormittag war schon fast vorbei, stellte Lily mit einem Blick auf die Uhr fest. Sie erinnerte sich an Williams Worte, dass dieser Ronald Knox um zwei Uhr bei der Akademie sein sollte. Die logische Schlussfolgerung war also, dass diese Führung bald zu Ende sein würde.

Die kleine Ausbildungsgruppe stand mitten in der warmen Mittagssonne, die durch die großen Glasfenster noch verstärkt wurde. Kleine Schweißperlen rannen den Lehrlingen über die Stirn, während William oder Grelle kein Zeichen von Erschöpfung oder Hitze zeigten.

Lily war froh, als William mit der Gruppe ins Treppenhaus ging, wo es schön angenehm kühl war und keine Sonne schien. Er führte sie von der letzten, oberen Abteilung wieder hinunter in das Erdgeschoss.

Dort war es noch wärmer und stickiger. Die Luft schien geradezu zum Schneiden dick zu sein. Doch anstatt sie nach draußen zu führen, ging William T. Spears einen Korridor entlang. Der Flur lag gegenüber dem anderen Gang, den Lily heute früh gegangen war.

In diesem Gang gab es keine Türen oder Fenster und er führte geradewegs in einen anderen Teil der Society.

„Ähm…Mr. Spears, wo führen Sie uns hin?“, fragte jemand aus der Gruppe. Lily konnte sein Gesicht nicht sehen. Er stand weiter vorne und hatte rötliches Haar.

William wandte sich nicht um, sondern ging zielstrebig weiter. „In eine wichtige Abteilung“, gab er lediglich zur Antwort.

Lily schaute William irritiert an, aber nicht nur sie war verwirrt. Was gab es denn, außer der Brillenabteilung, noch für eine andere, wichtige Abteilung?

Doch die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Die kleine Gruppe erreichte das Ende des Korridors und ging durch eine große, hölzerne Flügeltür.

Was sie dann sahen, verschlug ihnen allen die Sprache.

Die Abteilung war riesig und voller Bücher. Alle hatten die gleiche Farbe, den gleichen Einbandrücken und die gleiche Schrift für den Titel. Jedoch waren sie alle unterschiedlich dick. Die Regale für die Bücher waren Meter hoch und an jedem standen Leitern.

Lily konnte einige Shinigami sehen, welche Bücher von Wägen, die bis oben hin mit solchen voll waren, einsortierten.

Die Regale erstreckten sich bis zum Dach, das aus Glas bestand und die Sonne herein schienen ließ.

In den verschiedenen Ecken gab es kleine Tische, Stühle und Sofas.

„Dies hier ist die Abteilung der Lebensbücher“, erklang die kalte Stimme von William, „Hier wird jedes Leben haargenau dokumentiert und aufbewahrt. In diesen Büchern steht alles über einen Menschen drin. Von seiner Geburt bis zum Tod. Hier befinden sich alle Bücher der Menschen, die einst gelebt haben und die jetzt gerade leben. Wird ein neues Menschenleben geboren, wird auch ein neues Buch angelegt. Erst nach etwa eintausend Jahren werden die Bücher vernichtet. So ist immer genügend Platz für Nachkommende vorhanden. Diese Abteilung erstreckt sich in dem gesamten hinteren Teil der Society. Dies hier ist er älteste Gebäudeteil unserer Gesellschaft.“

„Wie werden denn die Leben dokumentiert und woher weiß man, wann ein neues Buch angelegt werden muss? Woran erkennt man denn an den Büchern, dass jemand bereits tot ist? Werden auch Shinigami hier aufgelistet?“, wagte jemand zu fragen.

William schenkte ihm nur einen kurzen Blick.

„Die Registratur verwaltet die Seelen, wie ich vorhin erklärt habe. Jede Seele wird wiedergeboren und die Registratur bestimmt, wann und wo. Demnach werden auch hierfür Listen ausgeteilt und die Bücher angelegt. Natürlich sind hier auch die Lebensbücher eines jeden Shinigami. Die dafür vorgesehene Lebensbuchabteilung ist jedoch wesentlich kleiner als die der Menschen.“

Er ging zu einem Bücherwagen und nahm ein sehr mageres Buch aus dem Stapel. Der Einband war dunkelbraun und ledrig. Die Schrift hatte einen gold-gelben Ton, welcher stark an die Farbe von Honig erinnerte.

„Hier haben wir ein gutes Beispiel. Dies ist das Buch für ein neues Leben. Es enthält am Anfang nur eine Seite. Doch es wird sich sehr schnell mit weiteren Seiten füllen. Wir verwenden dazu einen speziellen magischen Zauber. So müssen die Bücher nicht immer mit der Hand geschrieben werden. Der Einband wird sich, durch den Zauber, den Seiten anpassen und mitwachsen.“

Er legte das Lebensbuch zurück auf den Bücherwagen und zog ein sehr dickes Werk hervor. Auch dieser Einband war ledrig und dunkelbraun. Jedoch war die Schriftfarbe weiß. Die Seiten waren vergilbt und staubig.

„An diesem Exemplar kann man sehr schön den Unterschied erkennen. Der Titel wird nach dem Tod des Menschen weiß. Daran können wir immer erkennen, ob der Mensch noch am Leben oder bereits tot ist.“ Auch dieses Buch legte er wieder auf den Bücherwagen. „Diese Abteilung steht jedem Shinigami zur Verfügung. Man muss sich nur vorher hier anmelden und mitteilen, dass man in den Büchern lesen möchte. Es wird dokumentiert, wie lange und welcher Shinigami hier in der Abteilung war. Die Bücher dürfen jederzeit gelesen werden, aber diese Abteilung niemals verlassen! Diese Bände sind wertvoll und dürfen niemals verloren gehen. Verstanden?“ Der Blick mit dem William T. Spears die Gruppe musterte, hätte töten können.

Zum Glück starben Shinigami nicht so leicht. Die meisten starben an Altersschwäche nach mehreren Jahrhunderten. Die andere, aber sehr unwahrscheinliche Art sein Leben abzutreten, wäre durch eine Death Scythe.

Die Gruppe nickte einstimmig als Zeichen, dass sie verstanden hatten.

„Gut. Dann folgen Sie mir bitte. Wir werden die Society jetzt verlassen. Ich werde Ihnen nun das nächste Gebäude zeigen.“

Natürlich ging William T. Spears den Weg, den sie gekommen waren und führte sie hinaus.

Lily seufzte leise, als sie die frische Luft auf ihrer Haut spürte und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Es war außerhalb des Gebäudes wesentlich angenehmer. Die Sonne schien zwar immer noch mit all ihrer Kraft, doch der kühle Wind machte die Sache erträglicher.

William führte sie aus dem Gelände der Shinigami Dispatch Society heraus und folgte einer breiten Baumallee zu einem der großen Nachbargebäude.

Das Anwesen war fast so groß wie die Society und es sah genauso aus, doch wenn man genauer hinsah, erkannte man, dass es um ein paar Meter kleiner war. Es war aber nicht minder beeindruckend.

Gegen jegliche Erwartungen blieben sie draußen vor dem Gebäude stehen.

„Das Gebäude hinter mir ist die große Bibliothek. Sie hat jetzt gerade geschlossen“, erklärte William, „In diesem Bauwerk finden Sie sämtliches Wissen. Angefangen von der Geschichte der Menschen, der Geschichte der Glaubensvorstellung, das Leben der Menschen, über Dämonen, Engel bis zu magischen Zaubern und unserer Arbeit. Die Bücher hier dürfen selbstverständlich auch ausgeliehen werden. Sie müssen sich dazu lediglich einen Bibliotheksausweis ausstellen lassen. Formulare dazu gibt es am Empfangsschalter im Gebäude. Die Öffnungszeiten stehen auf der Tür. Kommen wir nun zu unserem letzten Teil der Führung. Die Akademie.“

Lily seufzte innerlich vor Erleichterung auf. Die Führung war zum Glück bald vorbei. Sie wollte einfach nur noch das Jackett ausziehen und in der Mensa zum Mittag essen. Ihr Magen knurrte schon leise vor sich hin.

Spears führte sie die breite Allee weiter, um das Bibliotheksanwesen herum und zu einem weiteren Gebäude. Es war diesmal nicht ganz so eindrucksvoll wie die anderen Beiden zuvor. Es hatte die gleiche Fassade wie die Society und die Bibliothek, jedoch nur sechs Stockwerke.

William öffnete die Tür und die Gruppe trat ein.

„Das hier ist die Akademie. Hier werden Sie Ihren theoretischen Unterricht absolvieren und auch ihr Training. Die Stundenpläne werde ich nachher austeilen.“ Er wandte sich zu einer großen Tür. Ein paar Stufen führten hinunter. „Dahinter befindet sich die Trainingshalle. Es gibt auch ein Gelände draußen. Am Anfang Ihres Semesters werden Sie hier üben. Später werden die Stunden nach draußen verlegt. Dann werden die Übungen mit der Anfängersense, die Sie erhalten haben, fortgeführt. Sie werden also in nächster Zeit nicht mit der Death Scythe arbeiten und können diese derweil auf Ihrem Zimmer lassen. Es wird Ihnen dann gesagt, sobald Sie sie benötigen. Aber gehen wir weiter.“ William ging in die erste Etage.

Der Flur war recht klein und übersichtlich. Es gab auch nicht allzu viele Türen. Drei Stück insgesamt.

„Hier befinden sich die Biologiesäle. In diesen Räumen werden Sie alles über die Welt der Menschen, deren Ökosystem und der Anatomie und Fortpflanzung erfahren. Gehen wir weiter in die oberen Etagen. Dort befinden sich die einfachen Klassenräume. In der fünften Etage sind die Lehrerzimmer. Die Räume sind nach Etagen nummeriert. Ich führe Sie jetzt in Ihr Klassenzimmer.“

William ging in die nächste Etage und schloss eine kleine Tür auf. Er schritt voran und legte sein Notizbuch und seine Mappe auf das Pult. Die kleine Gruppe folgte ihm und blieb unsicher in dem Raum stehen.

Grelle gesellte sich zu William ans Pult.

Der Klassenraum war groß und geräumig. Es roch nach Kreidestaub, Papier, Büchern und altem Holz. Die Luft war warm und etwas stickig. Hinter dem Lehrerpult war eine große Schiefertafel. Es gab mehrere Sitzreihen, die alle so ausgerichtet waren, dass man ohne Probleme einen guten Blick auf den Lehrer hatte.

„Setzen Sie sich. Aber bitte verteilen Sie sich gut in den vorderen Reihen. Ich will nicht alle hinten sitzen sehen“, sagte William laut und deutlich, während er seine Unterlagen sortierte.

Grelle hatte sich einen Stuhl herangezogen und es sich darauf bequem gemacht.

Die kleine Gruppe begann sich etwas aufzulösen und jeder suchte sich einen guten Sitz.

Lily nahm einen Sitzplatz in der Mitte der Reihen. Er war nicht zu weit vom Lehrerpult entfernt und auch nicht zu nah am Fenster.

Als alle einen Sitzplatz gefunden hatten und es wieder totenstill war, sah William T. Spears von seinen Unterlagen auf. Er hatte eine Klemmmappe in der Hand.

„Ich werde jetzt jeden einzelnen von Ihnen aufrufen und mir Ihren Sitzplatz notieren. Wenn Sie das nächste Mal hier sind, haben Sie an diesem Platz zu sitzen. Stehen Sie bitte auf, wenn Sie Ihren Namen hören. Es geht nach dem Alphabet und zwar der Nachnamen nach.“ William schob seine Brille höher und sein Blick wanderte zu der Liste vor sich. „Ackland, Dylan.“

„Hier!“ Ein Junge war aufgesprungen. Sein Gesicht war blass und voller Sommersprossen. Das Haar hatte einen roten Bronzeton.

Es folgte eine kurze Notiz ehe sich der Junge wieder setzen konnte und der Nächste aufgerufen wurde.

„Adams, Oliver.“

„Hier!“

„Bloomfield, Kayden.“

„Anwesend.“

„Burton, Rayan.“

So wurde die Liste alphabetisch fortgeführt. Jedes Mal, nachdem die genannte Person aufgestanden war, machte sich William T. Spears eine Notiz und rief den Nächsten auf. Es war nicht mehr weit bis zu ihrem Nachnamen. Lily wurde schon ganz flau im Magen. Bisher war es niemandem aufgefallen, dass sie als einzige Frau dabei war. Sicherlich lag es daran, dass ein paar Jungs in der Klasse ebenfalls lange Haare hatten und die Uniformen sich ähnelten, zumindest am Oberkörper.

„,McGowen, Liam.“

„Hier!“

„McNeil…“ William unterbrach sich.

Lily konnte deutlich auf seiner Stirn sehen, wie sich diese in Falten legte und die Augen das Blatt kritisch ansahen. Er glaubte also auch, es läge ein Fehler vor.

Es half ihrem Magen nicht minder sich weiter zu beruhigen. Im Gegenteil. Wenn es möglich war, wurde ihr sogar noch übler.

„McNeil, Lily.“ William T. Spears sah sich in dem Saal genau um.

„Anwesend.“ Lily stand von ihrem Stuhl auf und sah geradewegs William an, der sie mehr als unmissverständlich musterte. Deutlich spürte sie nun auch die Blicke ihrer Ausbildungskollegen.

Auch sah nun Grelle zu ihr herüber. Er hatte die ganze Zeit über geschwiegen und sich wieder seinen Nägeln und deren Pflege zugewandt.

„Ach, da bist du ja!“, trällerte er fröhlich und grinste ihr zu, „Ich habe dich überhaupt nicht gesehen und dachte schon, du wärst in einer anderen Gruppe oder es läge doch ein Fehler vor und du bist gar nicht in dieser Ausbildungsgruppe!“

William warf einen kurzen Seitenblick zu Grelle und schob sich wieder die Brille höher.

„Sie kennen sich?“, fragte er kühl.

Lily nickte schüchtern. Es störte sie nicht, dass Grelle sie einfach so duzte. „Ja, wir sind uns heute zufällig über den Weg gelaufen und zusammengeprallt.“

William ließ von der Namensliste und der Sitzplatzordnung ab. Er ging um das Pult herum und schlug das Notizbuch auf. Seine Augen wanderten über die Namensliste.

„McNeil, Lily…“, murmelte er laut genug, dass es alle hören konnten und sah sie dann wieder an, „Sie stehen tatsächlich mit auf der Ausbildungsliste. Jetzt erinnere ich mich auch, dass ich mit Ihrem Grundausbildungslehrer gesprochen, ihre Berichte zum Praktikum und die Beurteilungen dazu gelesen habe. Es liegt also kein Fehler vor. Sie gehören in diese Klasse.“

„Können Sie mir dann bitte erklären, wieso alle denken, dass es ein Fehler sei?“ Es war Lily nun langsam mehr als lästig, dass jeder so dachte.

William nickte. „Natürlich kann ich das. Es liegt an dem, was wir tun.“

Grelle kicherte leise und lehnte sich leicht auf Williams Schulter. „Was er damit sagen will, ist, dass Frauen das meist nie durchstehen.“

Lily sah William und Grelle verwirrt an.

William räusperte sich und trat zur Seite, um sich von Grelle los zu sagen.

„In der Vergangenheit zeigte sich deutlich, dass Frauen beim Einsammeln einer Seele viel emotionaler vorgehen als Männer. Sie hatten Probleme mit den Lebensaufzeichnungen. Sie ließen sich zu sehr von ihnen gefangen nehmen und wehrten sich nicht. So konnte die Seele entwischen. Viele gaben die Arbeit dann auf und machten lieber die Büroarbeit im Innendienst, verwalteten mit die Listen oder die Lebensaufzeichnungen. Sollten Sie Ihre Abschlussprüfung erreichen, woran ich keinerlei Zweifel habe, bin ich sicher, dass Sie es noch verstehen werden.“ William wandte sich nun wieder der Namensliste und der Sitzplatzordnung zu. Für ihn war das Gespräch beendet.

„Ich bin sicher, dass du stark genug dafür bist, Süße!“, munterte Grelle sie auf und klang dabei ernst. Er zwinkerte ihr fröhlich zu und nachdem er von William einen mahnenden Blick einfing, wandte er sich wieder seiner Nagelpflege zu.

Immerhin glaubte einer an sie.

William machte mit der Liste weiter. „Perlman, Nathan.“

„Hier!“

Es ging noch ein paar Namen so weiter. Die Liste war nicht mehr lang gewesen und William wandte sich wieder der Klasse zu. Er hatte einige Zettel in der Hand und reichte diese Grelle, damit dieser sich nützlich machen konnte.

„Sie erhalten jetzt Ihren Stundenplan, die benötigten Lehrbücher, ein Schreiben über die Regeln, ein Geländeplan und einen Plan über den Ausbildungsinhalt. Wenn etwas unklar ist, melden Sie sich. Ansonsten werden wir gleich nach oben gehen, in die fünfte Etage. Dort warten die vollwertigen Shinigami und Sie werden jemandem zugeteilt. Nach der Zuteilung haben Sie frei. Sie können sich die Abteilungen noch mal ansehen oder ins Wohngebäude gehen. Es steht Ihnen frei. Wo sich Ihre Apartments im Wohngebäude befinden, erfahren Sie am Empfangsschalter, an dem Sie auch Ihre Anfängersensen bekommen haben. Ihre Schlüssel erhalten Sie ebenfalls dort. Alles Weitere steht in den Schreiben, die Sie bekommen.“

Grelle verteilte die Pläne und Schreiben, während William die Bücher verteilte.

Es waren etwa fünf Seiten, die sie erhielten. Bücher waren es jedoch ein paar mehr. Zum Glück sah sie, dass sie nicht alle am Tag brauchte, sondern es gut über die Woche aufgeteilt war.

„Wir werden dann jetzt, wenn keine Fragen mehr sind, nach oben gehen. Benehmen Sie sich und seien Sie ruhig. Nehmen Sie auch direkt Ihre Lehrbücher mit.“

Es gab ein lautes Geräusch von raschelndem Papier, Scharren von Stühlen und Schritten.
 

Ronald Knox war außer sich vor Freude. Wenn er Glück hatte, würde er heute seinen ersten Lehrling bekommen! Inständig hoffte er es.

Er hechtete die Treppen der Akademie hoch. Sein Zeitplan war etwas durcheinander gekommen und nun war es kurz vor zwei Uhr. Hoffentlich war die Ausbildungsgruppe noch nicht oben! Er durfte einfach nicht zu spät sein, sonst würde William ihm niemals einen Lehrling an die Seite stellen.

Nur noch eine Etage.

Seine Lunge brannte und sein Atem ähnelte schon stark einem Keuchen. Wieso gab es in dieser Akademie keine Fahrstühle?! Kleine Schweißperlen rannen seine Stirn hinunter und er blieb keuchend vor der Tür stehen. Mit einer Hand stützte er sich an der Wand ab, die andere lag auf seinem Knie. Er atmete tief durch. Niemand sollte bemerken, wie abgehetzt er doch war. Als Ronald wieder einigermaßen Luft bekam, wischte er sich den Schweiß von der Stirn und lauschte an der Tür. Es war ein leises Murmeln zu hören. Er hatte also Glück.

Vorsichtig drückte Ronald den Türgriff nach unten und trat ein.

Sofort blieb er stehen, als alle Augen sich neugierig ihm zuwandten.

„Hallo“, murmelte er und sah sich um.

Es waren etwa zwanzig vollwerte Shinigami in dem Raum. Alle wirkten schon reifer und erfahrener. Sicherlich hatten sie bereits einige Lehrlinge gehabt. Doch wie sagte man so schön, irgendwann ist immer das erste Mal und jeder, in diesem Raum, hatte mal angefangen.

„Was ist? Sollen wir doch nicht hier warten?“, fragte ein Shinigami mit braun gebrannter Haut und roten Dreadlocks.

Ronald schüttelte verwirrt den Kopf. Er hielt ihn tatsächlich für einen Boten, der ihnen eine Nachricht überbringen sollte. „Nein. Ich warte auch hier.“

Die Augen wandten sich wieder von ihm ab und Ronald suchte sich einen freien Platz.

Als er sich gesetzt hatte, sah er sich erst einmal in Ruhe um. Der Raum war nicht besonders groß. In der Mitte des Raumes war Platz geschaffen worden. Dort würden gleich die Lehrlinge stehen.

Unter dem Fenster war eine Reihe von Stühlen für die vollwertigen Shinigami aufgestellt worden.

„Ronald, was machst du hier?“, fragte plötzlich eine männliche Stimme neben ihm.

Erschrocken fuhr der Angesprochene zusammen und sah in das Gesicht von Eric Slingby.

Eric Slingby war schon lange dabei. Er war groß gewachsen und hatte blonde Haare. Jedoch waren die Haare über seinem rechten Ohr schwarz und zu Rasta Zöpfen geflochten worden. An seinem Kinn hatte er einen kurzen Bart und in seinen Ohrenläppchen stecke jeweils ein kleiner Ohrring. Sein Hemd war immer bis zur Brust aufgeknöpft und die Krawatte hing ziemlich locker um seinen Hals. Die Brille hatte einen dünnen Rahmen und ovale Gläser, die, ganz leicht dunkel, getönt waren.

„Hallo, Eric“, grüßte Ronald zurück, „Ich habe vorhin William mit der Gruppe getroffen und ihn gefragt, ob er mir auch einen Lehrling zuteilt. Er sagte, er will sehen, was er tun kann und dass ich hier warten soll. Das ist alles.“

„Dann hoffen wir das Beste!“ Eric klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter.

Nur wenige Augenblicke später öffnete sich die Tür und die Gespräche verstummten.

Williams Auftritt war wie immer emotionslos und sachlich. Er führte die Gruppe in den Raum, wo sich die Lehrlinge, in einer Reihe, vor den Shinigami aufstellten.

Grelle bildete den Schluss und setzte sich auf einen freien Stuhl in der Ecke. William selbst blieb stehen.

„Wenn alle Shinigami nun versammelt sind, werde ich jetzt die Zuteilung vornehmen“, begann William und schritt die Reihe der Lehrlinge durch.

Ronald hatte nun endlich Gelegenheit, jeden Einzelnen zu begutachten. In der Gruppe war dies nicht möglich gewesen.

Die Augen waren von jedem gleich, grün-gelb. Jeder Shinigami, egal ob er ein Vollwertiger oder noch ein Lehrling war, hatte diese Augenfarbe. Alle hatten diese.

Alle Lehrlinge schauten unsicher und man merkte ihnen die Nervosität an. Ronald dachte an sein Lehrjahr zurück. Er hatte dort auch gestanden und sicherlich auch so nervös geguckt. Auch die Uniformen waren bei jedem gleich und hatten sich nicht verändert.

Jedoch fehlte diesen Lehrlingen das, was nur mit der Zeit kommen konnte.

Der Geruch, der jeder Shinigami irgendwann einmal bekommen würde. Es war ein Geruch, der nicht wahrgenommen wurde von Menschen. Nur Engel oder Dämonen und natürlich die Shinigami selbst, konnten ihn bemerken.

Dieser Duft beschrieb jeder anders und an jedem haftete er stärker oder schwächer an. Es war das Aroma des Todes. Jemand beschrieb diesen Duft einmal wie vergilbtes, brüchiges Papier, getrocknete Blumen oder Kräuter, welkes Herbstlaub und Asche. Es war einfach die Vergänglichkeit, die an ihnen haftete und nach wenigen Seelen automatisch zu einem gehörte. Er ließ sich auch durch noch so viel Parfüm oder Seife nicht entfernen.

Auch der Blick würde sich verändern. Er würde härter werden, wenn es darum ging, jemanden abzuholen.

Wichtig war jedoch in diesem Beruf niemals zu ernst zu werden und es zu nah an sich heran zu lassen, sonst verfiel man dem Wahnsinn. Es galt im inneren Einklang zu bleiben.

Plötzlich ertönte neben ihm ein Pfeifen. Ronald sah zu Eric herüber, dessen Blick auf einen der Lehrlinge fiel. Er kannte Eric und wusste auch um seine lockere Art. Dennoch hätte er nie gedacht, dass er bei etwas Wichtigem, wie diesem, anfangen würde zu pfeifen. Ronald sah Eric fragend an, auch die anderen Shinigami sahen zu ihm.

Eric deutete mit dem Kopf nach vorne und die Anderen folgten seinem Blick.

Wieso war es ihm nicht vorhin schon aufgefallen, als er die Gruppe getroffen hatte oder als sie sich eben vor ihnen aufgestellt hatten?

Direkt vor seiner Nase stand ein junges Mädchen in der Uniform. Seine Augen wanderten über ihren Körper.

Ihre Haare waren blond bis hellbraun. Es kam darauf an, wie die Sonne darauf fiel. Sie reichten ihr bis zu den Schultern. Ihre Augen waren, wie die der anderen Shinigami, grün-gelb. Ihre Wangen waren rot angelaufen. Es war ihr sichtlich unangenehm, dass Eric gepfiffen hatte und nun alle Augen auf sie, der einzigen Frau in der Gruppe, gerichtet waren. Sie biss sich auf die Unterlippe und hielt den Blick gesenkt. Ihr Gesicht war blass, blasser als sonst. Sie sah aus, als wäre ihr schlecht. Sicherlich lag es an der Nervosität.

Sie trug die Uniform der Shinigami. An ihrem Gürtel steckte die Anfängersense. Ihr Körperbau war normal. Er hatte noch restliche jugendliche Züge an sich, doch das würde die Zeit schon noch ausbessern und ihn erwachsener machen.

Er verstand nicht ganz, wieso Eric gepfiffen hatte. Dieses Mädchen war doch gar nicht sein Typ. Eric war zwar als Frauenheld verschrien, doch war sein Typ ganz klar. Es waren zierliche und erwachsene Frauen. Auch sein Typ war sie nicht. Sie war viel zu jung und ihr fehlten noch die nötigen Reize.

Plötzlich ertönte ein lautes Seufzen aus der Ecke. Es kam von Grelle.

„Jetzt macht nicht so ein Drama, dass eine Frau die Ausbildung machen will!“, stöhnte er und sah dabei die anderen mit wachsamen Augen an. Er ging grazil durch die Reihe auf das Mädchen zu und legte einen Arm um ihre Schulter. „Mein liebster William hat schon alles geprüft und es hat alles seine Richtigkeit. Also lasst sie in Ruhe. Sie ist doch schon nervös genug. Ich bin auch ziemlich sicher, dass sie nicht versagen wird.“ Er flüsterte ihr etwas ins Ohr und sie nickte daraufhin. Grelle ließ von ihr ab und gesellte sich zu William.

Ronald hätte zu gerne gewusst, was er ihr ins Ohr geflüstert hatte, doch das würde er sicherlich nie erfahren.

Nun richtete sich die Aufmerksamkeit der Shinigami wieder auf William. Alle warteten darauf, dass er Grelles Behauptung bejahen würde.

William Schritt die Reihe durch. „So ungern ich es auch sage, aber Mr. Grelle Sutcliffe hat Recht. Es hat alles seine Richtigkeit und ich wäre wirklich dankbar, sicherlich auch die junge Dame, wenn niemand darüber ein Aufsehen machen würde. Ich weiß, es ist ungewöhnlich, aber so sind die Dinge nun mal. Ich werde jetzt da weitermachen, wo ich aufgehört habe, bevor ich unterbrochen wurde.“

William ging die Namen der Lehrlinge durch und teilte jedem einen vollwertigen Shinigami zu, bis er zu dem Namen des Mädchens kam.

„McNeil, Lily...mhm…“ Er ging die Namensliste der vollwertigen Shinigami durch und urteilte nach ihren Leistungen, wer der richtige Lehrmeister sein könnte.

Es waren nicht mehr viele Lehrlinge übrig. Eric hatte seinen schon zugeteilt bekommen, ob Grelle jemanden bekommen würde, wusste er nicht, doch sicher war, dass William einen Lehrling bekam. Ronald drückte für sich selbst die Daumen, dass er jemanden bekommen würde.

„Ja, ja das dürfte gehen…“ William sprach mehr zu sich selbst als zu der Gruppe. „Ronald Knox, Sie werden der Mentor von Lily McNeil sein. Da es aber Ihr erster Lehrling ist, werde ich die Arbeit mit überwachen.“

Ronald sprang vor Freude auf und machte einen Luftsprung. Dass William seine Arbeit mit überwachen würde, störte ihn nicht im Geringsten. Er hatte einen Lehrling und dazu auch noch das einzige Mädchen der Gruppe! Wenn das mal kein toller Tag war. Interessant war es obendrein und er hoffte sehr, dass sie nicht zu viel rumjammern würde.

Sein Blick ging kurz zu ihr und merkte, wie sie ihn verwirrt ansah.

„Freut mich Sie kennen zu lernen“, sagte er schnell und reichte ihr die Hand. Der Händedruck war nicht allzu fest, aber für einen Lehrling, der gerade bloß gestellt worden und nervös war, fest genug. Sie würde sicherlich ein paar Probleme kriegen und sich unter den vielen Männern behaupten müssen. Doch er sah ihrem Blick an, dass sie es mit der Ausbildung ernst meinte.
 

Lily war einfach nur froh, als alles vorbei war und sie gehen durfte. Als sie dort vor den anderen Shinigami gestanden hatte, war ihr wieder so komisch geworden. Ihr Körper hatte das Gleiche gemacht, wie bei William am Morgen. Doch diesmal hatte es an jemand anderem gelegen. Diesmal hatte ihr Körper auf den Shinigami neben ihren Mentor Ronald Knox reagiert. Es war nicht ganz so schlimm gewesen wie bei William und es war auch nur halb so lang gewesen. Heute früh hatte es ein paar Minuten gedauert, eben waren es nur ein paar Sekunden gewesen. Was war nur los mit ihr? Lily dachte ein wenig darüber nach und hoffte, dass es sich von alleine lösen würde und nur durch die Nervosität kam.

William hatte noch ein paar abschließende Worte gesagt und erklärt, wo die Lehrlinge sich morgen, bei ihren Mentoren einfinden sollten.

Es war keine schwere Entscheidung, wo Lily als Erstes hinwollte, nachdem sie die Akademie verlassen hatte. Die Mensa! Ihr Magen hing bereits irgendwo an den Knien und sie war froh, dass er nicht während der Zuteilung geknurrt hatte.

Ihr Mentor war also Ronald Knox. Sie konnte den jungen Mann schwer einschätzen. Er hatte sie genauso beäugt wie die anderen. Hätte sein Sitznachbar nicht gepfiffen, wäre es nur halb so schlimm gewesen. Da war sie sich sicher. Lily merkte schon, dass sie es schwer haben würde.

Die Schilderung führte sie direkt zur Mensa.

Der Geruch von warmem Essen verteilte sich über den ganzen Flur und als sie die Mensa betrat, roch es sogar noch intensiver. Es war der Geruch von Braten, gekochtem Gemüse und Kuchen.

Die Kantine war groß und einladend. Die Wände waren weiß und die Fenster waren groß und ließen viel Sonnenlicht herein, so dass der Raum in ein warmes Gelb fiel. Die große Fensterfront ließ einen Blick auf den Garten der Wohnanlage zu.

An den Wänden waren Sitzecken angebracht. Ansonsten gab es bequeme Stühle. Auch gab es Stehtische.

Das Essenbuffet war riesig. Es herrschte ein großer Andrang. Lily nahm sich ein Tablett, legte ihre Bücher darauf und ging durch die verschiedenen Auslagen. Angefangen mit einfachen Broten und Brötchen, über Salate, warmen Speisen und Getränken.

Sie nahm sich einen Salat, ein Sandwich und einen grünen Tee. Schnell bezahlte sie das Essen und sah sich nach einer guten Sitzgelegenheit um.

Alle Tische waren belegt, auch die Stehtische waren fast voll. Unsicher sah sie sich um, als sie plötzlich jemanden ihre Namen rufen hörte.

Ihr Blick glitt durch die Kantine und fiel auf Ronald Knox, der an einem Ecktisch, mit zwei weiteren Shinigami, saß. Einen der Beiden erkannte sie wieder. Es war der Shinigami, der gepfiffen hatte, als er sie gesehen hatte. Den anderen Shinigami kannte sie nicht.

Ronald Knox winkte sie zu sich und Lily folgte der Aufforderung. Es wäre unhöflich gewesen, wenn sie es nicht getan hätte, doch machte sie der Gedanke nervös mit ihrem Mentor und zwei anderen, fremden Shinigami zu essen.

„Setzen Sie sich und essen Sie mit uns.“ Ronald zog einen Stuhl für sie heran und sie ließ sich darauf nieder.

„Miss McNeil, darf ich Ihnen Eric Slingby vorstellen? Eric kennen Sie sicherlich noch von eben.“ Ronald deutete auf den groß gewachsenen Shinigami.

Der als Eric Slingby vorgestellte Shinigami grinste sie lässig an. „Freut mich Ihre Bekanntschaft zu machen.“

Lily nahm seine Hand freundschaftlich an und nickte nur. Zum Glück blieb ihr Körper diesmal ruhig.

Ronald deutete auf den unbekannten Shinigami. „Das ist Alan Humphries. Alan ist im Innendienst tätig.“

Alan war zierlicher gebaut als Ronald oder Eric. Sein Blick war auch freundlich und nicht so kühl wie der von William. Alan hatte brünette, kurze Haare. Seine Brille war ein einfaches Modell mit dünnem Rahmen. Anstatt einer Krawatte trug er ein Bolotie, oder Cowboy-Krawatte wie manche sie auch nannten, mit einer silbernen Totenkopfbrosche.

Lily reichte auch diesem Shinigami ihre Hand. Kaum berührte sie ihn, fühlte es sich an wie ein Stromschlag, der sie durchfuhr. Innerlich stöhnte sie auf. Ihr Körper fing schon wieder an verrückt zu spielen. Es fing alles wieder an. Der Temperaturwechsel, die kleinen schwarzen Blitze, das Zusammenziehen des Herzens und das Gefühl ihn zu kennen.

Lily ließ sich nichts anmerken, denn es war genauso schnell wieder vorbei, wie es gekommen war. Es war merkwürdig. Nur bei diesen drei Shinigami überkam sie das Gefühl sie zu kennen und nur bei William hatte es etwas länger gedauert.

Lily war mehr als verwirrt, doch hoffte sie, dass es niemandem auffiel und man es auf ihre Nervosität schieben würde. Ein Blick in die Runde sagte ihr, dass keiner der drei etwas bemerkt hatte.

„Tut mir leid, dass ich eben gepfiffen habe“, sagte Eric plötzlich und nahm einen Bissen von seinem Braten, „Ich wollte Sie nicht in Verlegenheit bringen.“

„Warum…warum haben Sie dann überhaupt gepfiffen?“, fragte Lily nervös und sie wusste, dass ihr Gesicht rot war.

„Du hast gepfiffen?!“, fragte Alan empört dazwischen und Eric nickte schuldbewusst.

„Das lässt sich schwer erklären…“, sagte Eric auf ihre Frage hin und wandte sich wieder dem Essen zu.

Lily nickte nur und beließ es dabei. Immerhin hatte er sich entschuldigt.

„Haben Sie sich schon die Regeln durchgelesen, Miss McNeil?“

Lily sah auf zu Alan.

Er sah sie freundlich, aber neugierig an. Alan aß gerade von seinem Salat.

Lily schüttelte nur den Kopf. Ihr Herz klopfte. Sie war einfach zu nervös. „N…nein, noch nicht“, stammelte sie. Jetzt dachten sie sicherlich, dass sie auch noch sprachgestört sei. Das wurde ja immer schlimmer. Lily sah auf das Essen. Ihr Magen knurrte wirklich und verlangte nach Nahrungsaufnahme. Sie konnte ihn deutlich rebellieren hören. Doch sie wusste, sie würde vor Nervosität an ihrem Essen eher ersticken.

„Wollen Sie nichts essen?“, fragte Ronald Knox und sah sie wartend an, „Sie haben doch sicherlich Hunger, oder? Die Führung hat den ganzen Vormittag, Mittag und den halben Nachmittag gedauert. Als ich damals mit meiner Führung fertig war, hatte ich riesigen Hunger!“

Lily nickte nur und sah auf ihren Schoß. „Doch, aber…“

„Aber?“, hakte Eric nach.

„Ich bin zu nervös…“, stieß sie schnell hervor und lief, wenn es ging, noch röter an, als die drei Shinigami sie musterten.

Plötzlich fingen sie an zu lachen, was das Ganze nicht besser machte. Es war zum Glück kein gehässiges oder fieses Lachen. Es war ein amüsiertes und kurzes Lachen.

Alan klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. „Es gibt keinen Grund nervös zu sein! Wir beißen nicht.“

„Das ist zu niedlich, wenn die Lehrlinge nervös sind“, lachte Eric und trank einen Schluck aus seiner Flasche. Lily konnte nicht erkennen, was es für ein Getränk gewesen war.

Ronald sah sie besorgt an. „So schlimm? Ich dachte, dass sich die Nervosität gelegt hätte.“

Lily schüttelte nur den Kopf. Ihre Wangen brannten vor Wärme.

Alans Hand lag noch immer auf ihrer Schulter. „Hören Sie mir zu. Atmen Sie ein und aus. Tief ein und ausatmen.“

Lily sah Alan an und atmete ein und aus, so wie er es gesagt hatte.

„Besser?“, fragte er, nachdem sie die Übung gemacht hatte.

Lily schüttelte mit dem Kopf. Plötzlich erschien vor ihrem Gesicht eine Flasche.

„Hier. Trinken Sie einen Schluck davon. Vielleicht hilft das. Nur zu.“ Eric hielt ihr die Flasche hin und zwinkerte ihr aufmunternd zu.

Vorsichtig nahm Lily ihm die Flasche aus der Hand und trank einen vorsichtigen Schluck daraus. Sofort verzog sie das Gesicht und reichte die Flasche zurück an Eric. Noch bevor Eric sie greifen konnte, nahm Alan ihr die Flasche ab und las das Etikett, was Eric mit seiner Hand verborgen hatte.

„Bier?“, stieß er hervor und funkelte Eric böse an, „Du kannst ihr doch kein Bier geben! Erst recht nicht auf nüchternen Magen!“

„Bist du verrückt?! Wir wollen sie doch nicht noch aufs Zimmer tragen müssen! Wenn William das mitbekommt, dass ich zugelassen habe, dass sie Alkohol trinkt, bringt er mich um! Du weißt genau, dass er meine Arbeit überwachen wird!“

Eric sah entschuldigend und lässig in die Runde, nahm Alan die Flasche wieder aus der Hand und trank einen Schluck daraus. „Was regt ihr euch so auf? Es war doch nicht viel und seine Wirkung hat es nicht verfehlt.“

Alle sahen Lily an, die vom Sandwich abbiss und danach vom Salat aß.

„Der Geschmack war einfach zu eklig“, antwortete sie auf die fragenden Blicke und nahm den nächsten Bissen.

Danach verlief das Mittagessen nicht mehr ganz so angespannt für Lily und ihr Magen bedankte sich für die Speise, indem er aufhörte zu rumoren und sich beruhigte. Sie war zwar noch immer nervös, aber nicht mehr ganz so sehr, wie am Anfang.

Als Alan, Eric und Ronald wieder zurück an die Arbeit mussten, stand auch Lily auf und verabschiedete sich. Sie ging zur Rezeption und nannte der Frau ihren Namen und Anliegen. Es war diesmal eine andere Frau als am Morgen.

Diese Frau gab ihr einen kleinen Schlüsselbund mit zwei Schlüsseln daran und nannte ihr die Zimmernummer. Es war ein Apartment im neunten Stock, Zimmernummer dreiundneunzig.

Lily machte sich mit ihren Büchern auf den Weg dahin. In dem Schreiben, das sie bekommen hatte, hieß es, man würde ihre Habseligkeiten aus den Wohnhäusern der Grundausbildungsakademie hierher bringen. Ob diese wohl schon da sein würden?

Mit dem ersten Schlüssel schloss sie die Eingangstür auf. Der Fahrstuhl brachte sie schnell in den neunten Stock.

Der lange Flur war schlicht gehalten. Neben dem Fahrstuhl standen zwei Palmen und am Ende gab es einen Automaten mit Snacks und Getränken. Ansonsten gab es nichts Dekoratives. Auch das Zimmer war nicht schwer zu finden.

Lily schloss mit dem zweiten Schlüssel ihr Zimmer auf.

Das Zimmer war groß und geräumig. Es gab ein großes Ecksofa in der Mitte des Raumes und einen niedrigen Tisch dazu. Die Vorhänge an der Terrassentür reichten bis zum Boden und waren aus Baumwolle. Der Farbton war ein dunkles Weinrot. An der einen Zimmerwand standen mehrere Regale für ihre privaten Habseligkeiten und Bücher. Neben der Fenstertür, gab es noch ein kleines Fenster. Darunter stand ein geräumiger Schreibtisch.

Ein Bartresen trennte die kleine Küchennische vom Rest des Zimmers. Mit zwei Kochplatten, einem Spülbecken und Hängeschränken, war es wirklich nur eine kleine Küche.

Neugierig schaute Lily in die Schränke. Darin standen ein paar Gläser, Tassen, Teller und in einer Schublade fand sie Besteck. Ein kleiner Schrank mit Speisen war auch vorhanden.

Interessiert ging sie durch das Apartment. Ihre Habseligkeiten waren auch schon da. Es waren lediglich drei Koffer. Zwei mit ihren Kleidungsstücken und der andere mit ihren Büchern und Schulzeug.

Lily ging in den hinteren Teil der Wohnung, wo eine Tür war. Sie öffnete sie und spähte in den Raum dahinter hinein. Es war ein kleiner Schlafraum mit einem Doppelbett, Kleiderschrank und Nachttisch.

Sie verließ das Zimmer und ging in das daneben Liegende. Es war das Badezimmer. Dieser Raum war mit weisen Fliesen ausgelegt worden. Es gab eine Toilette, Waschbecken, Wandspiegel, einen kleinen Schrank und eine Dusche.

Neugierig öffnete Lily auch die Terrassentür und trat nach draußen. Ihre Nachbarn hatten alle eine kleine, eigene Terrasse. Sie fragte sich ja, wer neben ihr wohnte, doch das würde sie sicherlich noch früh genug herausfinden. Der Ausblick war jedoch einwandfrei. Sie hatte einen ungestörten Blick auf den angelegten Garten.

Nun, wo Lily alles gesehen hatte, macht sie sich an die Arbeit ihre Sachen unterzubringen und sich häuslich einzurichten. Danach kümmerte sie sich um die Unterlagen, die sie am Nachmittag bekommen hatte und las sich diese durch.

Es war auch eine kleine Hausordnung für das Wohngebäude dabei. Darin stand, dass es in der Waschküche Maschinen für die Wäsche gab und jeder selbst für seine Kleidung zuständig sei. Genug Maschinen seien vorhanden. Auch gab es, jeweils für Männer und Frauen, ein großes Gemeinschaftsbad. In jeder ungeraden Etage befanden sich diese. Dann gab es noch die üblichen Klauseln, wie keine Zerstörung der Einrichtung, Ordnung halten und viele andere.

Nachdem Lily die Hausordnung gelesen hatte, schaute sie sich ihre Schulbücher und ihren Stundenplan genauer an. Die Woche war so aufgeteilt, dass sie je zwei volle Tage Theorie im Akademiegebäude hatte und zwei volle Tage in der Society mit ihrem Mentor arbeitete. Ein Tag war aufgeteilt worden. Vormittags hatte sie Schule und am Nachmittag arbeitete sie. Lily stieß ein Gähnen aus. Ein Blick auf ihre Armbanduhr verriet, dass sie sich langsam fürs Bett fertig machen sollte.

Sie ging in das angrenzende Badezimmer, duschte und ging danach ins Schlafzimmer. Lily hatte das Bett frisch, mit ihrer Bettwäsche, bezogen und nun konnte sie es kaum erwarten, endlich darin einzuschlafen.

Müde kuschelte sie sich in die Decke ein und schloss die Augen. In Gedanken ging sie den Tag noch einmal durch. Er war wirklich ereignisreich gewesen. Sie gähnte verschlafen und nur kurze Zeit später war sie auch schon im Land der Träume.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  AkaiOkami
2013-09-03T15:08:42+00:00 03.09.2013 17:08
Ich find es ziemlich lustig dass sie alle bei ihrem Namen stocken und das für einen fehler halten XD Das kapitel hat mir auch sehr gut gefallen
Von:  DanteVale
2012-05-14T13:39:47+00:00 14.05.2012 15:39
das Kapitel ist sehr gut. Auch wenn ich wieder den ein oder anderen Abschnitt mehrmals lesen musste. Bin schon sehr auf das 3. Kapitel gespannt. Werde gleich weiterlesen.


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