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The darkest thrill

NaruSasu
von

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Between love and hate - I

Oktober
 

Mit jedem Mal, an dem Naruto über die Schwelle zu Sasukes Wohnung tritt, ändert sich ein bisschen was. Finstere Blicke sind nicht mehr ganz so finster, Gespräche werden länger und Sasuke achtet nur noch halb so sorgfältig darauf, zu jeder Zeit den größtmöglichen Abstand zu halten. Wobei das schon fast übertrieben ist, denn gerade scheint es ihn überhaupt nicht zu stören, dass seine Finger auf Narutos liegen, um einen verrutschten Akkord zu korrigieren, und er so nahe sitzt, dass man seinen Atem im Nacken spüren kann. Es fällt Naruto ein bisschen schwer, sich unter solchen Umständen zu konzentrieren.
 

"Schau, du darfst deine Hand nicht so biegen", seufzt Sasuke und hängt pro forma ein "Idiot" hintendran, um es nicht so nett klingen zu lassen, während er Narutos Finger unsanft in die richtige Form drückt. Aber es klappt nicht richtig und nach ein paar gescheiterten Versuchen gibt Sasuke auf und stößt Naruto von sich weg, jedoch nicht ohne ihn aufs Neue darauf hinzuweisen, wie talentlos und unfähig er ist.
 

"Ich hasse Barré-Akkorde, wer hat sich so einen Mist überhaupt ausgedacht?!", beschwert dieser sich und würde am liebsten die Gitarre zu Boden werfen, aber es ist nicht seine eigene und deshalb lehnt er sie nur vorsichtig gegen die nächstgelegene Wand. Grummelnd dreht er sich zu Sasuke zurück, aber der ist inzwischen aufgestanden und nimmt sich eine Flasche von dem Bier, das Naruto vor ein paar Tagen gekauft hat. Sasuke ist sogar freundlich genug, um ihm auch eins mitzubringen und das ist ein riesiger Fortschritt für seine sozialen Qualitäten, die bis vor wenigen Wochen noch nonexistent waren.
 

Manchmal, so zum Beispiel jetzt, wo sie nebeneinander auf dem Sofa sitzen, Bier trinken und schweigen, weil sie sich eigentlich nichts zu sagen haben, fragt sich Naruto, wieso er sich so viel Mühe macht, wieso es ausgerechnet Sasuke sein muss, der überhaupt nicht das ist, was sich Naruto unter einem halbwegs brauchbaren Freund vorstellt. Je mehr Zeit sie zusammen verbringen, desto deutlicher werden ihm die Unterschiede bewusst, die ab und zu beinahe unüberbrückbar scheinen. Aber trotzdem ist da etwas, das sie zusammentreibt, obwohl sie sich meistens eigentlich gar nicht ausstehen können.
 

"Hast du irgendwann nochmal vor, weiter zu üben?", murrt Sasuke von der Seite zu ihm herüber und Naruto sieht seinen Punkt, wirklich, aber das macht es auch nicht einfacher, ihn sympathisch zu finden. Doch eine Wahl hat er nicht, wenn er hier bleiben möchte, darum schnappt er sich wieder die Gitarre und versucht sich noch einmal an dem Bm Akkord, der einfach nicht richtig sitzen will. Sasuke ist sofort zur Stelle, um zu kritisieren und auf ihn herabzusehen, aber diesmal sind nur seine Worte hart und die Finger ganz sanft, mit denen er Narutos in Position rückt.
 

"Bleib so", nuschelt er, bevor er seine Hand wegnimmt, und als Naruto die Saiten durchstreicht, klingt der Akkord auf einmal—zwar nicht perfekt, aber gut genug, um ihn stolz zu machen auf seinen kleinen Fortschritt. Auch Sasukes Lippen haben sich zu so etwas wie einem Lächeln verzogen, obwohl man es fast nicht sehen kann. Und das ist einer der seltenen Momente, in denen Naruto Potential erkennt, die ihm bestätigen, dass er doch die richtige Entscheidung getroffen hat. Er hat so ein Gefühl bei Sasuke—vielleicht ist es nichts weiter, aber vielleicht wird dieser Junge sein Retter sein. Sein Ticket weg von einem eintönigen, routinierten Leben, das aus Schulden-Abbezahlen, gescheiterten Ehen und brillantem, verschwendeten Talent besteht.
 

Dafür muss er aber erst die Stunden voller Frustration und Wut auf Sasuke überstehen, die noch vor ihm liegen, bis er das Instrument beherrscht.
 

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November
 

"Was ist mit deinem Gesicht passiert?!", platzt es aus Naruto heraus, als ihm die Tür geöffnet wird von einem etwas mitgenommen wirkenden Sasuke. Er sieht eigentlich aus wie immer, wäre da nicht dieser große dunkle Fleck um sein Auge herum, der es unmöglich macht, irgendwo anders hinzuschauen. Naruto gibt sich auch gar keine Mühe, selbst als sich zwei dunkle Brauen darüber zusammenziehen und ihm zu verstehen geben, dass Sasuke nicht gerne angestarrt wird. Aber daran hätte er denken müssen, bevor er sich ein blaues Auge zuzieht, findet Naruto und rätselt im Stillen, ob es das Überbleibsel einer Schlägerei ist oder Sasuke vielleicht einfach nur ganz uncool gegen einen Pfosten gerannt ist. Das wird er zwar wahrscheinlich nie erfahren, wird nie eine vernünftige Antwort darauf bekommen, aber er versucht es trotzdem.
 

"Was hast du da gemacht?", fragt Naruto vorsichtig und streckt eine Hand nach Sasukes Auge aus. Der schwarzhaarige Mann weicht zurück, bevor Naruto auch nur in die Nähe seines Gesichts kommt, und öffnet die Tür ein bisschen weiter, um ihm stumm mitzuteilen, dass er einfach eintreten und keine Fragen stellen soll. Einen Moment zögert er, weiß nicht so recht, ob nun Mitgefühl oder Schadenfreude angebracht ist, denn Sasuke merkt man nichts an, aber das würde man vermutlich auch nicht, wenn gerade seine Mutter gestorben wäre. Also lässt Naruto seine Hand sinken und schiebt sie stattdessen in seine Hosentasche. Neugierig ist er aber schon, denn es ist nicht lange her, seit sie sich das letzte Mal gesehen haben (das ist es nie, dafür sorgt Naruto) und da hatte Sasuke noch lächerlich makellose Haut, ohne Blutergüsse oder sonstige Verletzungen. Er würde gerne den Mund aufmachen und sagen, was ihm durch den Kopf geht, aber er hält sich zurück, um Sasukes Willen und weil es ein bisschen wie Minesweeper spielen ist—er kann sich nie ganz sicher sein, wann er nur einen unangebrachten Kommentar vom Rauswurf entfernt ist.
 

Noch sieht Sasuke aber friedlich aus, jedenfalls für seine Verhältnisse, nicht wie eine tickende Bombe und auch nicht wie jemand, der in eine dunkle Gasse gezerrt und zusammengeschlagen wurde. Das ist ein bisschen beruhigend, findet Naruto und trottet hinter Sasuke in die Wohnung herein.
 

Die Gitarre bleibt heute in der Ecke stehen, denn Naruto hat es inzwischen geschafft, dass seine Anwesenheit auch akzeptiert wird, wenn er keinen konkreten Grund fürs Kommen hat. Ob Sasuke das wirklich gut findet, steht auf einem anderen Blatt, aber er hat zumindest aufgehört sich zu beschweren.
 

"Tut es noch weh?", fragt Naruto irgendwann nach längerem Schweigen und weil er seinen Blick immer noch nicht richtig abwenden kann. Sasuke zuckt nur kurz mit den Schultern und sieht dabei nicht so aus, als würde er gern näher darauf eingehen.
 

"Geht", ist deshalb die knappe Antwort, die wieder in zäher Stille mündet. Naruto ist ein paar Mal sehr versucht, sich darüber lustig zu machen, aber so stabil ist ihre Beziehung dann doch nicht, auch wenn er Sasuke in seinem Kopf schon lange unter 'Freund' abgeheftet hat—die Realität sagt ein bisschen was anderes, aber Realität ist überbewertet, findet Naruto, deshalb ignoriert er sie ja auch so gut es geht.
 

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Dezember
 

In der Stadt hängt schon überall Weihnachtsschmuck, Schaufenster sind festlich dekoriert und es bitten mehr Leute als sonst um Spenden für Kinderheime, Dritte-Welt-Länder oder andere gute Zwecke. In Sasukes Wohnung bekommt man von der Weihnachtsstimmung aber nichts mit, er scheint irgendwie immun dagegen zu sein, es gibt keine Kerzen, keine Plätzchen, nicht einmal weihnachtlichen Tee oder so. Das macht Naruto nichts aus, er kriegt auf dem Weg zu ihm schon die volle Dröhnung ab und außerdem wäre es gruselig, Sasuke beim Weihnachtsbaumschmücken zu sehen. Aber das alles ist nur schwer zu begreifen für jemanden, der Erinnerungen an glückliche Kindheitstage hat, in denen er schneeverweht vom Spielen draußen heimgekommen ist und seine Mutter ihm ein heißes Getränk in die Hand gedrückt hat oder er in aller Frühe am Weihnachtsmorgen aufgewacht ist und sich ins Wohnzimmer geschlichen hat, wo bunte Päckchen unter dem Christbaum lagen und das ganze Haus so magisch still war. Auch heute noch hat er eine Schwäche für Weihnachten; die frostigen Temperaturen und überheizten Räume, die Besinnlichkeit und die kleinen Wunder, die in der Adventszeit passieren, wenn Menschen über ihren Schatten springen und ein bisschen Nächstenliebe zeigen. Sasuke meint, das würden sich die Leute nur einreden, aber Sasuke ist ein hoffnungsloser Zyniker und Naruto weiß es besser.
 

Auch das Wetter scheint ein Problem mit weihnachtlicher Atmosphäre zu haben, denn es ist kaum kalt genug, dass Schnee fallen könnte, stattdessen ist es nass und matschig und immer schon fast dabei, dunkel zu werden, wenn sich Naruto auf den Weg zu Sasuke macht. Das drückt ein bisschen auf seine Stimmung, denn Naruto mag Sonne und Licht und alles, was fröhlich und hell ist. Die einzige Ausnahme davon sitzt nur ein paar Zentimeter von ihm entfernt und zappt durch das Nachmittagsfernsehen, allerdings nicht ohne gelegentlich herablassende Kommentare zu unterfordernden Doku-Soaps abzugeben. Sasuke ist nicht fröhlich und auch nicht hell; wären sie eine Zeichentrickserie, würde über seinem Kopf zu jeder Zeit eine besonders finstere Regenwolke schweben, aber Naruto hat genug positive Energie für beide, deshalb ist das nicht schlimm.
 

In den letzten Wochen hat sich die Beziehung zwischen ihnen allerdings ein bisschen abgekühlt und Naruto weiß nicht, woran das liegt oder was er tun kann, um dagegenzusteuern. Alles, was er momentan macht, ist falsch, Sasuke ist gereizter als sonst und hat nur noch Spott übrig, wenn Naruto Gitarre übt, egal wieviel Mühe er sich gibt. Auch die Idee, sich in eine U-Bahn-Station zu stellen und Weihnachtslieder zu spielen, damit die ganze Welt seine Fortschritte hören kann und ihn mit ein bisschen Kleingeld belohnt, wurde von Sasuke ziemlich schnell verworfen. Aber das war eigentlich zu erwarten; Naruto ist sich nicht sicher, was er sich überhaupt dabei gedacht hat, so etwas vorzuschlagen. Er hofft nur, dass Sasuke bloß in einer vorübergehenden Phase steckt und sich die Dinge bald wieder ändern. Denn Naruto ist nicht gewillt, ihn aufzugeben und so ist es für alle Beteiligten leichter.
 

Entspannt streckt er sich auf dem Sofa, das sich jeden Tag mehr nach Zuhause anfühlt, auch wenn es nicht weich genug ist für Narutos Geschmack. Sasuke hat es inzwischen aufgegeben, eine Sendung zu finden, die seinen Ansprüchen gerecht wird und starrt ausdruckslos auf einen schwarzen Fernsehbildschirm.
 

"Ab nächste Woche bist du mich los. Das freut dich sicher, huh?", meint Naruto mit einem Kopfnicken zu dem jungen Mann neben ihm, der nicht wirklich zuzuhören scheint. "Ich fahr über die Feiertage runter zu meinen Eltern. Hab sie jetzt ein halbes Jahr nicht mehr gesehen…"
 

"Schön für dich."
 

"Hmm", macht er nachdenklich und dreht sich halb herum, damit er Sasuke besser anschauen kann. Die Fernbedienung liegt lose in seiner blassen Hand, er hat ein paar Kratzer am Arm und ein Konzertbändchen ums Handgelenk. Aus den Augenwinkeln sieht er zu Naruto herüber, aber sein Blick ist distanziert. "Ne Sasuke? Was machst du eigentlich an Weihnachten?"
 

"Dasselbe, was ich jeden anderen Tag auch mache."
 

"Feierst du mit deiner Familie?"
 

"Nein."
 

Die Antwort ist kalt und eindeutig und genug, um Naruto verstummen zu lassen. Er hat sich noch nie wirklich Gedanken um Sasukes Familie gemacht und erst jetzt fällt ihm auf, dass er eigentlich gar nichts über sie weiß. Weder, wie Sasukes Eltern aussehen, noch, ob sein Verhältnis zu ihnen gut ist oder er Geschwister hat oder überhaupt irgendetwas. Aber dafür kann er nichts; auch wenn er gefragt hätte, hätte ihm Sasuke wahrscheinlich nicht geantwortet. Daran muss Naruto noch ein wenig feilen, denn diese ganze Verschlossenheit steht ein bisschen im Kontrast dazu, dass er Sasuke in Gedanken schon sein halbes Leben verschrieben hat. Aber so schlecht kann die Beziehung zu seinen Eltern gar nicht sein, denn er arbeitet nicht und irgendwo muss er das Geld ja herkriegen. Naruto beschließt, ihn in Zukunft einfach danach zu fragen, wenn er besser gelaunt ist und man von Einvernehmlichkeit sprechen kann, was ihre Freundschaft angeht. Vielleicht kommt ja irgendwann der Tag, an dem Sasuke ihm solche Dinge freiwillig erzählt, weil er gar nicht mehr anders kann, als seine Dämonen und Träume mit Naruto zu teilen. Aber bis es soweit ist, freut er sich über jedes Puzzleteil Information, das er in die Finger bekommt, egal wie belanglos es scheint.
 

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Januar
 

Draußen schneit es. Dicke, weiße Flocken segeln vom Himmel, aber sie bleiben nicht liegen und schmelzen gleich wieder, weil die Temperatur zu mild ist. Obwohl der Wetterbericht von Minusgraden gesprochen hat, zumindest gestern Abend noch. Auf den Straßen gibt es deshalb nur schmutzig braunen Schneematsch, aber von drinnen sieht alles sehr idyllisch aus, solange man nicht nach unten schaut, denn die Häuserdächer sind sogar ein klein wenig weiß bestäubt.
 

Sasuke sitzt auf dem Sofa und spielt ein bisschen auf seiner Lieblingsgitarre, als die Tür aufgeht und ein weiß-gepunkteter Naruto die Wohnung betritt. Den Schlüssel hat er vor einer Weile mal mitgehen lassen und Sasuke hat sich bis jetzt noch nicht beschwert, auch wenn er ihn sicher nie freiwillig hergegeben hätte. Der Fernseher läuft im Hintergrund, ist aber so leise gestellt, dass er nicht stört. Es ist bloß ein nebensächliches Rauschen zu hören, das irgendwie ein Fundament zu Sasukes klarer Melodie bildet. Er hat dieses Riff schon einmal gesehen, erinnert sich Naruto, während er Mütze, Schal und Jacke über einen herumstehenden, bepackten Stuhl hängt. Es ist hübsch, nicht so aufdringlich und viel weniger verzerrt, als Sasuke normalerweise spielt. Sehr griffig, aber relativ einfach gehalten, wenn er das mit seinem Pseudo-Fachwissen schon richtig beurteilen kann. Ein bisschen überraschend ist es schon, weil er weiß, wie gerne Sasuke zeigt, was er kann. Komplexe Fingersätze sind der Standard, Tonlagen, die gekonnt den Abgrund des Schiefklingens entlang balancieren und unruhige Rhythmen, alles sehr edgy und irgendwie cool. Fast möchte er ihn fragen, wie er zu dem Stilbruch gekommen ist. Aber dafür ist später noch genug Zeit, denn wenn er ihn unterbricht, hört Sasuke vielleicht auf zu spielen und das ist das letzte, was Naruto erreichen will. Deshalb setzt er sich auch nicht zu ihm, sondern hantiert in der Miniküche, um Tee zu machen, und versucht dabei, so leise zu sein wie möglich. Während er darauf wartet, dass das Wasser anfängt zu kochen, summt er ein bisschen mit und ist insgeheim überzeugt, dass diese Melodie die Skizze für einen unglaublich tollen Song sein wird, der in ein paar Jahren überall im Radio läuft und von mehr Leuten als Naruto beim Teekochen gesummt wird.
 

Ein paar Minuten später trägt er zwei Tassen herüber zu Sasuke, der die Gitarre inzwischen beiseite gelegt hat, und setzt sich neben ihn aufs Sofa. Ein 'Danke' ist zwar nicht zu hören, aber Naruto stellt sich einfach vor, dass Sasukes Schweigen mit stiller, aufrichtiger Dankbarkeit unterlegt ist, und das ist fast genauso gut.
 

Schneeflocken lassen sich draußen vom Wind tragen und ein paar von ihnen segeln gegen die Fensterscheibe, an der sie wenig später als kleine Tröpfchen hinabrinnen. Es schneit, als Sasuke fast zaghaft seine Tasse Tee nimmt und probiert, als wäre Gift hineingemischt worden. Es schneit noch immer, als Naruto mit dem Zeigefinger über den Couchtisch streicht und dann den pulvrigen Schmutz wegpustet. Sasuke hat wohl länger nicht mehr Staub gewischt.
 

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Februar
 

Es ist irgendwann zwischen einem verregneten Freitagabend und sintfluthaften Samstagmorgen, als er Sasuke mit sich aus den Türen des Clubs zieht und sich auf den Heimweg macht. Die Situation ist bizarr und bruchstückhaft in seinem Kopf, aber das ist schon eine ganze Weile lang so; seit ein paar Stunden, würde er sagen, wenn er noch Zeitgefühl hätte.
 

"Sasukeee", lallt Naruto grinsend und legt einen Arm um die Schultern des anderen Mannes, der sich widerstandslos gegen seinen Oberkörper ziehen lässt. Das macht es nicht unbedingt stabiler; keiner von beiden kann noch gerade laufen und Sasuke lehnt mit mehr Gewicht gegen Naruto, als der es momentan ausgleichen kann. In Schlangenlinien stolpern sie von einer Straßenseite zur anderen, bis sich Sasuke den Fuß an einem parkenden Auto stößt und leise fluchend stehen bleibt. Er kann nur mit Mühe dem Impuls widerstehen, dagegen zu treten, stattdessen reißt er sich von Naruto los, der das alles gerade sehr lustig findet, und lässt sich demonstrativ zu Boden fallen, wie ein kleines Kind, das nicht mehr weiterlaufen will. Er ist betrunken genug, um sich nicht daran zu stören, dass es kalt und nass ist und seine Kleidung vielleicht schmutzig wird, aber Naruto denkt offensichtlich anders darüber, wenn das konstante Zerren an Sasukes Arm und die sanften Tritte in seine Seite irgendetwas zu bedeuten haben. Schwerfällig dreht er seinen Kopf und schaut zwischen triefenden Haarsträhnen zu dem blonden Mann über ihm herauf.
 

"Lass mich hier liegen."
 

"Waas? Aber es regnet!", macht Naruto entsetzt und gestikuliert überflüssig in der Gegend herum. "Du wirst sterben, wenn du hier liegen bleibst und das kann ich nicht zulassen!"
 

"Laber nicht."
 

"Doooch! Ich bin mir hundertprozentig sicher! …Ach, was soll's, ich will mich auch hinlegen."
 

"Trottel."
 

Es ist schwer, gegen das Grinsen anzukämpfen, das mit solcher Gewalt an seinen Mundwinkeln zieht, findet Sasuke, vor allem, weil ihm nicht mehr einfällt, warum er sich überhaupt so wehrt. Naruto stolpert ein paar Schritte um ihn herum und legt sich neben ihn, dass sich ihre Schultern berühren. Ein Teil von Sasuke registriert das, aber sein gewohnter Zurückweich-Reflex ist irgendwo unter Litern von Alkohol verschwunden und er hat keine Lust, danach zu suchen. Über ihm blinken die Lichter von einem Flugzeug durch das dunkle Wolkenmeer und alles ist ruhig, bis auf das Prasseln des Regens und Naruto, dessen Anwesenheit man fast ausblenden könnte, würde er nicht durch grundloses Kichern immer wieder auf sich aufmerksam machen. Aber es stört nicht, erstaunlicherweise—eigentlich stört ihn gar nichts im Moment, stellt Sasuke überrascht fest, und schließt die Augen.
 

Naruto ist währenddessen damit beschäftigt, Regentropfen mit seinem Mund aufzufangen und geht dieser Aufgabe eine Weile lang auch voll kindlicher Begeisterung nach, bis ihn irgendwann die Motivation verlässt. Sasuke neben ihm ist still geworden, wobei er das eigentlich schon die ganze Zeit ist, aber Naruto war zu sehr in seiner Welt vertieft, um davon Notiz zu nehmen. Jetzt ist ihm langweilig und er möchte unterhalten werden, deshalb dreht er sich um und rollt dabei fast auf Sasuke. Aber das kann er noch rechtzeitig verhindern, denn sonst würde er auf ihm liegen und das wäre ein bisschen schwul. Nichts, womit er unbedingt assoziiert werden will, wenn er die Wahl hat. Darum stützt er sich auf einem Ellbogen ab und lehnt herüber, aber sein Kopf ist schwer und kommt Sasukes Gesicht immer wieder gefährlich nahe. Halbherzig bemüht sich Naruto, ein paar Zentimeter Abstand zu halten.
 

"Schläfst du?", lacht er, als er zwei geschlossene Augen sieht, aber die irritiert zuckenden Brauen darüber beantworten ihm seine Frage sehr schnell.
 

Fasziniert beobachtet Naruto, wie kleine Regentropfen von seiner Nasenspitze perlen und auf der blassen Haut unter ihm landen, bis Sasukes Atem seine Wange streift und ihn aufschreckt. Das ist ein bisschen zu nahe, selbst für Narutos betrunkenen Verstand, deshalb lässt er sich wieder zurück auf den Rücken fallen und blinzelt verirrte Wassertropfen aus seinen Augen. Die nächsten Minuten liegt er einfach nur da, schaut in den Himmel, der eigentlich gar kein Himmel ist, sondern nur ein dichter schwarzer Wolkenteppich, und denkt an seine Zukunft und Sasuke und das hübsche Mädchen mit den dunklen Haaren, das er irgendwann im Laufe des Abends kennengelernt hat. Eine Bewegung neben ihm reißt ihn schließlich aus seinen Gedanken und in einem kurzen Moment der Klarheit bemerkt Naruto zum ersten Mal, wie kalt es eigentlich ist. Desorientiert setzt er sich auf und rüttelt an Sasukes Schulter, der seine Augen inzwischen geöffnet hat.
 

"Mir ist langweilig, lass uns weitergehen", jammert Naruto, während er ungeschickt versucht, sich aufzurichten.
 

"Mmh."
 

Sasuke scheint sich nicht wirklich bewegen zu wollen, aber er lässt sich trotzdem ganz leicht von Naruto nach oben ziehen. Für einen Moment drohen beide wieder hinzufallen, doch sie können sich noch rechtzeitig fangen und setzen strauchelnd ihren Weg fort in die Richtung, aus der sie glauben, nicht gekommen zu sein, aber dafür würde keiner von ihnen seine Hand ins Feuer legen. Der Weg verläuft nicht im Stillen, dafür sorgt Naruto und erzählt fröhlich Anekdoten, die ihm spontan in den Sinn kommen, während Sasuke nur halb zuhört und darüber schweigt, dass er schon seit einer Weile wahllos in Straßen einbiegt, weil er eigentlich keine Ahnung hat, wo genau sie sich befinden.
 

Auf einmal verstummt Naruto und bleibt ohne Vorwarnung vor der Tür zu einem mehrstöckigen Wohngebäude stehen. Sasuke schenkt dem wenig Beachtung, erst als er nach ein paar Schritten nicht nachkommt, dreht er sich irritiert um.
 

"Was machst du da?", will Sasuke wissen, aber als Antwort bekommt er nur ein verdächtiges Kichern, bevor Naruto mit seiner Handfläche gegen die Klingeln des Hauses drückt und lossprintet. Unschlüssig bleibt Sasuke stehen, schaut von Naruto zu dem Gebäude und wieder zurück, aber nur kurz, denn als Licht in einem der Fenster angeht, fängt er an, dem blonden Jungen hinterher zu joggen. Nicht allzu schnell, denn er ist zu cool zum Wegrennen und außerdem ist die Straße vom Regen ein bisschen rutschig und er nicht betrunken genug, um zu denken, dass das kein Problem ist. Naruto lacht atemlos und weckt wahrscheinlich die ganzen Anwohner auf, aber das scheint ihn nicht zu stören. Sasuke sieht den Humor in der Sache nicht wirklich, findet sich jedoch mit dem Gedanken ab, dass es irgendwie zu erwarten war.
 

Der Boden verschwimmt unter Narutos Füßen, die selten trittsicher aufkommen, aber es fühlt sich gut an, zu rennen und zu lachen und obwohl der Klingelstreich eher lahm war, kommt es ihm vor, als wäre es die lustigste Sache der Welt. Für eine Weile ist alles perfekt, aber dann rutscht auf einmal sein Fuß weg und er denkt eine kurze, panische Sekunde lang, er müsste sterben, als er nach vorne fällt und unsanft mit der Straße kollidiert. Der Alkohol dämpft den Schmerz vom Sturz ein bisschen ab und eigentlich ist es sowieso mehr Schreck als irgendetwas anderes, aber alles dreht sich und er bleibt liegen, bis er realisiert hat, was gerade eben passiert ist. Blut pulsiert viel zu laut in seinen Ohren und von irgendwo her hört er jemanden lachen, aber es ist kein fröhliches Lachen, sondern ein schadenfrohes, und Naruto braucht ein paar Sekunden, um es zuzuordnen, weil es so fremd klingt. Dann sitzt er plötzlich wieder aufrecht, als wäre nie etwas gewesen und deutet mit ausgestrecktem Arm und großen Augen auf den jungen Mann wenige Meter vor ihm.
 

"Du lachst!", ruft er anklagend.
 

"Du bist hingefallen", antwortet Sasuke schulterzuckend und sieht immer noch sehr amüsiert aus.
 

Verständnislos blinzelt Naruto ihn an, bis ihm auf einmal bewusst wird, dass er ausgelacht wurde und eigentlich wütend sein sollte, aber dafür hat er gar keine Zeit, denn Sasuke ist da und hält Naruto eine Hand hin, die zwar nicht ganz verlässlich aussieht, aber trotzdem vertrauensvoll gepackt wird. Mit dem zusätzlichen Gewicht scheint er jedoch nicht zurecht zu kommen, verliert das letzte bisschen Balance, das er hat, und fällt halb auf den Asphalt, halb auf Naruto.
 

"Ouch, Sasuke, das hat weh getan!", beschwert dieser sich, meint es aber nicht so. Stattdessen lacht er und hilft Sasuke auf, der ein kleines Lächeln nicht unterdrücken kann, obwohl er sich wirklich Mühe gibt.
 

Naruto besteht darauf, sich für den Rest des Weges an Sasukes Jacke festzuhalten, falls einer von ihnen wieder das Gleichgewicht verlieren sollte. Die Idee ist dumm und kontraproduktiv, findet Sasuke, sagt aber nichts. Stattdessen trottet er stumm neben Naruto her, der jeden belanglosen Gedanken ausformuliert, auch wenn ihm niemand zuhört. Die Luft wird mit jedem Schritt kälter, obwohl das auch nur die Wirkung des Alkohols sein könnte, die stetig nachlässt. Langsam beginnt sich alles wieder so ungemütlich real anzufühlen, aber um die Ecken herum ist es immer noch ein bisschen unscharf. Zum ersten Mal fällt Sasuke auf, wie müde er eigentlich ist.
 

"Mmh, sind wir bald da?", macht Naruto und hört sich dabei genauso schläfrig an wie Sasuke sich fühlt.
 

"Nur noch ein paar Minuten."
 

"Ah, gut, ich kipp nämlich gleich weg."
 

Zur Antwort murmelt Sasuke etwas, aber Narutos Konzentration reicht nicht mehr, um es wirklich zu verstehen. Er muss kämpfen, damit seine Augen offen bleiben, gibt das jedoch irgendwann auf und legt seinen Kopf auf Sasukes Schulter, wovon der andere zwar etwas zurückscheut, es aber trotzdem geschehen lässt. Sasuke ist nass, dafür warm und gar nicht unbequem. So sollte es öfter sein, überlegt Naruto und schließt die Augen. Es ist nur schade, dass er sich morgen nicht mehr richtig daran erinnern wird.
 


 

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Äh ja, um den Schreib- und Post-Prozess ein wenig zu beschleunigen, hab ich das Kapitel spontan geteilt, weil die andere Hälfte ist teilweise nur grob skizziert und das hätte sonst noch ewig dauern können. Und sorry für die längere Pause. Joa, das Kapitel hier liest sich zwar mehr wie eine Sammlung Mini-Oneshots (das nächste logischerweise auch, danach gehts dann wieder normal weiter), aber so ist alles schön aufs Wichtigste konzentriert und man kann die Entwicklung der beiden besser verfolgen. Denke ich. Hoffe ich. War jedenfalls meine Absicht. :D



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  L-San
2013-04-18T07:39:35+00:00 18.04.2013 09:39
Hi. ;D
Also du machst nichts falsch. Es sollte alles schön langsam laufen wie in der Realität. Na, ich denke nicht, dass sich deine Kapitel jedes für sich wie ein Mini-OS liest, denn dafür sind die Beschreibungen zu genau und detailliert. Ich würde sagen, deine FF ist wie ein Buch.
Ja, auch hier merkt man, wie sehr sich ihre "Freundschaft" doch im Laufe der Zeit verbessert hat. Und du überlässt es uns Lesern zu entscheiden, ob wir jene Gesten und Mimiken als Annäherung oder was auch immer interpretieren.
Lustig war es an manchen Stellen auch.
Aber etwas Dynamik hat hier gefehlt und wie so oft hier, ein Cliffhanger.
Ah, das mit den langen Pausen finde ich nicht schlimm. Kenn ich ja selber von mir. Man hat einfach viel zu tun mit Arbeit, Studium etc. oder hat halt 'ne Schreibblockade oder man weiß nicht, wie man seine Ideen umsetzen soll.
Solange man weiß, dass die Geschichte noch beendet wird, ist alles in Ordnung. Zumindest hoffe ich das bei dir.

Bis zu meiner nächsten Review.
;D
Von: abgemeldet
2012-07-29T20:36:59+00:00 29.07.2012 22:36
Irre ich mcih, oder hat da noch jemand Kafka lesen müssen? ;)
Ich freue mich jedenfall endlich mal eine gute deutsche Narutostoyr zu finden. Ich werde auf jeden Fall weiterlesen.
Von:  Chessna
2012-07-23T13:53:00+00:00 23.07.2012 15:53
Ich freu mich schon sehr darauf, wies weitergeht!

Von:  NaruSasu90
2012-07-23T12:28:25+00:00 23.07.2012 14:28
Heyyyyyyyyyy :-)
Ich find deine ff total super :-)
werd dir auch beim nächsten mal vllt noch kommis zu den anderen Kapitel machen :-)
Das letzt von heute war echt toll <3
und ich find das mit den zeitsprüngen sogar eine sehr gute idee :-)
bin sehr gespannt darauf was noch passiert :-)
Von:  GOTTHEIT
2012-07-23T11:42:05+00:00 23.07.2012 13:42

Ich kann da gar nicht viel zu sagen. Musste das Kapitel gleich verschlingen, nachdem ich das Update auf der Startseite gesehen habe.
Du hast diese ganz besondere Stimmung zwischen den beiden wieder vollkommen geil dargestellt.
Zwar musste ich mich wieder mit dem Präsens etwas anfreunden, aber das ging bei deinem Schreibstil schön schnell.

Auf jeden Fall freue ich mich auf den 2. Teil des geteilten Kapitels und wünsche dir viele kreative Einfälle und Schreibmusen. :]


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