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Von gleicher Natur

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Kapitel 3: Beltane [Tara]

Zur selben Zeit:
 

Sie entzündete die Kerzen auf ihrem Hut und setzte ihn vorsichtig auf. Heute war Beltane, eines der vier großen Feste für die heiligen Mütter. Einer der wenigen Anlässe, an dem sie ihre Zeremonienkleidung trug und nicht eines ihrer normalen, bequemen und praktischen Outfits.

Eigentlich stand sie nicht so gerne im Mittelpunkt, aber heute hatte das einen beträchtlichen Vorteil. Anstelle sich in der Menge in der großen Halle drängen zu müssen, wurde für sie beim Durchqueren derselben Platz gemacht und oben auf der Empore war sowieso genügend Raum und Luft für sie alle.

"Tara, bist Du so weit? Wir müssen los!" Luri schob vorsichtig ihren Kopf durch die halb offene Tür und blickte sie fragend an.

"Jaja, nur noch die Lampe..." Tara wühlte durch die am Boden liegenden Stoffe und Kleidungsstücke, wo sie ihre Lampe vermutete.

"Ich häng meine Lampe immer an einem Kleiderhaken auf, dann kann ich sie nie verlieren oder vergessen wo sie ist!" sagte Luri mit einem Augenzwinkern zu ihr.

"Sollte ich vielleicht auch mal tun..." im gleichen Moment fand sie sie. Die Lampen ihres Volks waren zumeist kugelförmig und aus Bronze hergestellt. Von außen waren sie schnell stark verdunkelt und angelaufen, von innen musste man sie aber immer gut polieren, damit das Licht des kleinen, darin brennenden Feuers auch gut reflektiert werden konnte. Ein leicht eckiger Kringel wurde dann aus dem Metall ausgeschnitten und mit einer gewölbten Milchglasscheibe hinterlegt, damit genug Licht durchscheinen konnte, aber niemanden unnötig blendete.

"Hier, ich mache sie Dir an!" Luri war immer so zuvorkommend und lieb. Sie nahm ihre Lampe und goss etwas von der brennenden Flüssigkeit in die von Tara.

"Da muss jetzt aber noch ein bisschen Algidardens rein, sonst sind unsere Lampen auf halbem Weg wieder dunkel...!"

Sie gingen gemeinsam zu dem Sammelpunkt, wo Edna, Taras Oma, nochmal den Brennstoff aller Lampen auffüllte. Algidardens war eine halb trübe, im Licht schimmernde Flüssligkeit, die sehr gut und lange brannte, trotzdem aber nicht brennendheiß wurde, wie normale Flammen. Für die Verwendung in einer solchen Lampe also mehr als gut geeignet.

Edna ließ ihren Blick über die herausgeputzten Mädchen und Frauen gleiten und schloss die kurze Prozedur mit einem zufriedenen Nicken.

"Alle bereit? Dann bitte einmal schön in die Reihe stellen...Tara, Liebes, Du gehst heute als erste!"

Auch das noch! Sie wusste zwar, dass der Tag früher oder später hatte kommen müssen, aber trotzdem hatte sie das immer gerne verdrängt. Die anderen Frauen empfanden es als große Ehre die Gruppe anzuführen, aber für Tara war das nichts. Sie war mehr die Einzelgängerin und funktionierte für gewöhnlich auch am besten, wenn ihr niemand dabei auf die Finger schaute. Und jetzt musste sie auch noch an vorderster Front laufen, alle Blicke auf sich gerichtet, die der Zuschauer, die der anderen Lichtträger und die der Traummütter... Als wenn nicht eins davon schon gereicht hätte.

"Tara..?" aus den Gedanken gerissen starrte sie ihre Großmutter mit entsetztem Gesicht an.

"Oma... Kann das nicht lieber Luri - ?"

"Nein, Kind. Die Steine haben Dich für heute erwählt!"

"Aber-"

"Kein aber, willst Du etwa die Entscheidung der heiligen Mütter in Frage stellen?"

"Nein, natürlich nicht, aber-"

"Jetzt ist aber gut! Schultern nach hinten, Rücken gerade, Kopf hoch - Du schaffst das schon!"

Mit diesen Worten öffnete sie die große Tür zum oberen Bereich der großen Halle von welchem man über die Wendeltreppe nach unten gelangte.

Der gesamte Saal verstummte, alle schauten erwartungsvoll nach oben.

Das war es also gewesen, sie würde jetzt einfach vor aller Augen dahinscheiden vor Aufregung. Sie fühlte es schon in ihren Beinen, das Leben entwich einfach aus ihr.

Eine gewaltige Hitze überkam sie und in ihrem Ohren trommelte das Blut geradezu. Ihr Blick verschleierte sich und gerade als sie sich ihrem Schicksal, der Ohnmacht, ergeben wollte hörte sie an ihrer Seite ein leises zischeln: " Atmen und lächeln nicht vergessen, Liebes!".

Ein sanfter Stoß in ihrem Rücken ließ sie auf die Brüstung zutaumeln. Jetzt gab es kein Zurück mehr, sie musste weitergehen.

Tara holte tief Luft, schloss die Augen und setzte sich in Bewegung - ganz langsam, angestrengt versucht anmutig zu wirken.

Ein Räuspern - "Treppe!" - holte sie aus ihrer Meditation. Luri rettete ihr schon wieder den Hals, eine Sekunde später und sie wäre gestolpert und den Turm heruntergestürzt. Ein kleiner Teil in ihrem Kopf fand den Gedanken gar nicht so schlimm und sagte ihr, dass es dann wenigstens vorbei gewesen wäre, aber den verdrängte sie gekonnt.

Schritt für Schritt meisterte sie das geländerlose Treppenwerk und starrte einfach stur geradeaus um bloß niemanden wahrnehmen zu müssen, denn dann wäre es aus gewesen mit ihrer Contenance. Sie schaltete ihren Kopf aus und ließ ihren Körper einfach machen, denn sie war ja oft genug bei der Zeremonie dabei gewesen um den Ablauf im Schlaf zu beherrschen. Irgendwie schaffte sie es auf die Empore und konnte dort endlich wieder zu sich kommen. Nur noch ein Mal durch die Halle und dann würden sie endlich allein sein; alleine durch die Gänge des Bergs gehen, ohne die große Menge an Zuschauern im Nacken. Sie schloss die Augen und wartete bis die Ansprache des Großmeisters ihr Ende gefunden hatte. Unglaublich, wie viel der Mann reden konnte ohne etwas zu sagen.

Den folgenden Weg durch die Menge bewältigte sie sogar ein bisschen entspannter und als sie den Raum endlich verlassen hatten war nach kurzer Zeit auch der Rest der Anspannung von ihr gefallen. "Gut!" flüsterte Luri ganz leise, damit die anderen sie nicht hörten. Sie lächelten sich an und setzten ihren Gang fort.

Tara stimmte eine sanfte Melodie an und die Gruppe verschwand singend und leuchtend tief im Berg.
 

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"Schau mal, Mauvaise, die kleinen, leuchtenden Mädchen sind wieder unterwegs - wie hübsch!" rief Amabel ihrer Schwester zu, die ein Stück von ihr entfernt in der Luft schwebte und vor sich hindöste.

"Maivaise!" sie glitt zu ihr herüber und rüttelte an ihrem Arm. "Nun wach doch auf, schau her!"

Grummelnd rappelte sich Mauvaise auf und blickte auf die leuchtende Projektion des Geschehens, die rund und glatt wie die Oberfläche eines Sees inmitten der Höhle schwebte.

"Och. Ja." sagte sie.

"Wie? Ist das alles was Du dazu sagst?"

"Ach, Amabel. Das ist doch sowieso immer das Gleiche, jedes Jahr mindestens vier Mal, Jahr für Jahr, Jahrhundert für Jahrhundert."

"Aber es ist trotzdem jedes Mal schön!" Amabels Unterlippe schob sich schmollend nach vorn. Trotzig schaute sie ihre Schwester an.

Maivaise seufzte. "Jaja, Du hast ja Recht, es ist jedes Mal hübsch anzusehen."

"Guck mal die Kleine ganz vorne, haben wir die nicht schonmal irgendwo gesehen, liebe Schwester?" fragte Amabel während sie das Mädchen mit den leuchtenden Augen und den roten Lippen neugierig betrachtete.

"Hm. Abgesehen davon, dass wir alle von ihnen schon oft gesehen haben - ja. Das ist doch die Kleine, die immer durch die entlegensten Gänge rennt."

"Ach, ja, stimmt! Die Neugierige!"

"Quälgeist meinst Du wohl. Wie oft sie Dich schon beinahe entdeckt hätte, weil sie so flink und du so unachtsam warst!"

"Na, jetzt fang nicht schon wieder damit an! Mir ist es eben langweilig tagein, tagaus durch den Berg zu wabern und nichts zu tun!"

"Du könntest neue Träume schaffen." Mauvaise legte ihren Kopf schief.

"Das wird mir auf Dauer auch zu langweilig." konterte Amabel.

"Du gehst mir auf die Nerven!"

"DU gehst MIR auf die Nerven!"

Mauvaise und Amabel, die von den Daoine sogenannten Traummütter, stritten sich nicht sehr häufig so richtig, wenn sie es aber taten, dann bebte im wahrsten Sinne des Wortes die Erde.

Aufgeregtes gequietsche riss die beiden aus ihrer Diskussion.

"Oh nein, schau doch was wir angerichtet haben!"

Die kleine Gruppe war zerstreut worden, eine Hälfte lief so schnell sie konnten zurück in die Richtung aus der sie gekommen waren, die andere Hälfte drengte sich eng zusammen.

"Lass uns aufhören zu streiten, Schwester. Die armen, kleinen. Unsere lieben, süßen, leuchtenden Mädchen. Sie geben sich so eine Mühe und wir danken es ihnen indem wir sie zu Tode erschrecken!" Amabel hatte die Menschenwesen aufrichtig gern.

"Wie sollen wir sie nun wieder beruhigen? Sind ein paar Träumchen in der Nähe?"

"Oh, ja, einige tummeln sich noch hier, weil sie mich nicht verlassen mögen, ich denke ich schicke sie als kleine Überraschung zu ihnen!"

"Das wird ein Spaß!" schloss Mauvaise und die beiden drängten sich vor die magische Spiegelung um die Mädchen weiter zu beobachten.
 

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"Tara, was machen wir denn jetzt?"

"Wir haben was falsch gemacht!"

"Sollen wir nochmal von vorn anfangen?"

"Vielleicht sollten wir noch schöner und lauter singen!"

"Tara, sag doch auch mal was!"

Die Gruppe, darunter Kela, Vinn, Luri und Minna, drängte sich um sie und alle redeten durcheinander.

Das Erdbeben war so unerwartet gekommen, dass sie alle erst nur überrascht gewesen waren, die Angst kam erst jetzt, im Nachhinein. Dafür aber umso stärker.

"Beruhigt euch erstmal. Es hat doch wieder aufgehört. Wo sind die anderen hin?" fragte Tara die Frauen.

"Die sind weg, zurück zur Halle, würd' ich mal sagen, die Schisser!" antwortete Vinn.

"Na, jetzt sei mal nicht so hart zu ihnen, die sind alle noch jünger als wir und noch viel schreckhafter!" mahnte Kela.

Ein plötzlicher Windhauch schreckte die Gruppe erneut auf.

"Ich wette das liegt alles nur an Dir, Tara!" zeterte Minna.

"Wie bitte?" fragten Tara und Kela gleichzeitig.

"Na, Du wolltest doch nicht raus. Du hast doch angefangen Dich gegen die Bestimmung aufzulehnen, wer sonst sollte also Schuld sein?"

"Also, Minna, das ist jetzt wirklich nicht fair und-"

"Ist schon gut, Kela. Sie hat ja recht..." murmelte Tara.

"Nein, hat sie nicht!" antworteten die anderen.

"Na gut, hört mal, wir müssen jetzt überlegen wie wir weiter vorgehen. Es bringt ja nichts jetzt die ganze Zeit hier dumm herumzustehen, entweder wir gehen zurück oder wir machen weiter. Was meint ihr?"

Sie wollten gerade abstimmen, da kam erneut ein Windstoß, ein stärkerer diesmal, der die Kerzen auf ihren Hüten löschte.

"Ohje, meint ihr das ist ein Zeichen?" fragte Luri ängstlich.

"Ja, bestimmt, Luri. Jetzt müssen wir nur noch rausfinden was sie uns sagen wollen." meinte Vinn.

In dem Moment begann ein schwaches Leuchten im Gang vor ihnen zu flackern.

Es wurde immer heller, je mehr Wind aufkam. Leise Geräusche begleiteten den Wind, ein klirren und klimpern, wie von unmengen kleiner Glöckchen.

Kelas Lampe erlosch. "Schützt euer Licht!" rief sie den anderen zu - als auch schon die Verursacher des Lärms um die Ecke bogen.

Ehe sie sich versahen wurden sie geradezu umspült von dutzenden, gar hundetern kleiner, leuchtender, fröhlicher Träumchen. Sie flogen um sie herum, durch sie hindurch, an ihnen vorbei, wehten sie mit sich den Gang hinauf.

Vor lauter staunen konnten sie das Ereignis erst gar nicht fassen. Ein Gefühl von Glück und Zufriedenheit, wohliger Wärme überkam sie und wuchs mit jedem weiteren Träumchen, das sie streifte.

Das ganze dauerte ungefähr eine Minute, dann waren die geisterhaften Wesen auch schon nach oben verschwunden, in die hohe Welt, um dort ihrer Bestimmung nachzugehen und gute Träume zu verbreiten.

Sie hatten sie in den Gang, der zur Halle führte gebracht. Ihre Lampen waren alle erloschen, aber das Licht, das durch den Rundbogen schien und den Korridor erhellte reichte aus um ihnen den Weg zu leiten.

"Holla, das nenn ich ein ganz klares Zeichen!" schnaufte Vinn. "Habt ihr sowas jemals schonmal erlebt?"

"Nein, aber es war fantastisch. Sowas Tolles. Ich könnte mein Leben lang so verbringen!" frohlockte Luri.

"Ich bin immer noch ganz sprachlos..." hauchte Kela.

"Lasst uns den anderen davon berichten!" rief Minna und lief der Musik und den Stimmen entgegen, die anderen folgten ihr.

Tara blieb noch einen Moment stehen und blickte zurück ins Dunkel des Bergs.

"Es gibt euch wirklich, oder? Ihr wolltet uns die Angst nehmen vor dem Erdbeben, hab ich Recht?" flüsterte sie ins Nichts.

Sie lächelte, immer noch erfüllt von der wohltuenden Magie der Träumchen, drehte sie sich um und lief den anderen hinterher.
 

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"Oh-oh..." sagte Mauvaise.

"Was denn?" fragte ihre Schwester.

"Ich glaube wir müssen uns in nächster Zeit besonders Mühe geben nicht entdeckt zu werden..."

"Ach, da passiert schon nichts, glaub mir mal!" sagte Amabel optimistisch.

"Na, wollen wirs hoffen...!"

"Neue Höhle, ein paar Ebenen tiefer?"

"Auf gehts!"

Die beiden fassten sich bei den Händen, ihr Leuchten verblasste, immer und immer mehr und dann waren sie auch schon verschwunden.



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  mamoon
2013-10-11T20:57:30+00:00 11.10.2013 22:57
Ohwei, die Arme. Ich würde bei sowas total sterben.xD
Die Traummütter haben voll die interessanten Namen. I like! ;)
Von:  Teilchenzoo
2013-04-23T16:21:18+00:00 23.04.2013 18:21
Ah, Tara kommt ins Spiel ... die Arme, ich kann sie verstehen. Ich würde die Parade auch nur ungern anführen wollen - aber am Ende hat es ihr ein unvergessliches Erlebnis gebracht. Warum wollen die Traummütter eigentlich nicht entdeckt werden? Aber ich glaube, vor Tara sind sie nicht mehr lange sicher ;).
Antwort von:  Re-belle
23.04.2013 18:37
Sie sind nunmal ein Mysterium, so wie sämtliche Götter es sind. Würde das rumgehen, dass man sie sehen kann, dass sie überhaupt wirklich existieren, dann hätten sie ja nie wieder ihre Ruhe. Die Auswirkungen kann man sich denke ich vorstellen und in kreativster Weise ausmalen x'DDD <3<3
Ahhhh... wellll.... Taraaa.... nahhh, I will not spoiler ;-))))) <3


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