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Bitte bleib bei mir!

BBC Sherlock
von

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Ein guter Freund?

16.

Ein guter Freund?
 


 

„Wie konnte das alles nur passieren?“ fragte John, als er sich endlich zu realisieren begann.

Sherlock war gegangen, John konnte es immer noch nicht fassen! Er wollte ihn aus seinem Leben verbannen, einfach so! Und warum das ganze? Wegen eines Schuldgefühls! Doch war das wirklich alles, steckte in diesem kleinen Detail die ganze Wahrheit oder lag sie verborgen auf dem Grund von Sherlocks Seele?

„Er kommt mit sich selber nicht klar, du wirst sehen, das wird alles wieder!“ versicherte ihm Gregory sogleich und klopfte ihm aufmunternd auf die Schulter. „Jetzt solltest du dich aber erst einmal von den Ärzten durchchecken lassen und…“

„Mir fehlt nichts!“ kam es sogleich von John und er drehte den Rolli und fuhr damit zum Fenster.

Gregory seufzte und sah ihm zu, wie er sich so vor der Scheibe postierte, um nach unten sehen zu können. „Eine Geiselnahme ist etwas sehr…nun spurlos geht so etwas an niemandem vorbei. Bitte John, sei wenigstens du vernünftig.“

Der Angesprochene sah zu, wie sämtliche Polizisten langsam zusammen packten und ein Auto nach dem anderen abfuhr.

Irgendwie verständlich, das John nach allem was geschehen war, mit seinen Gedanken jetzt ein wenig allein sein wollte. Schließlich war viel zu viel in kurzer Zeit geschehen um das alles einfach so hinnehmen und weiterleben zu können. Das alles brauchte Zeit. Doch Gregory machte sich Sorgen um John und deshalb konnte und wollte er den Mann jetzt nicht allein lassen.

Natürlich war das auch John klar. Er und Lestrade hatten sich nun immer besser kennen gelernt und waren sich nicht unsympathisch. Vielleicht waren sie sogar schon Freunde, zumindest auf dem besten Wege dahin. Die vertraute Anrede, die Lestrade seit eben benutzte, war ein weiteres Indiz. Gott, er klang schon wie Sherlock!

Sherlock…

John wandte sich vom Fenster ab, drehte sich mit dem Rollstuhl wieder in Lestrades Richtung und sah den besorgt wirkenden DI an.

„Mir geht es gut, wirklich“, versicherter er.

Lestrade hob skeptisch seine Augenbrauen und musterte ihn mit verschränkten Armen. „Das kann ich mir nicht vorstellen. Gerade warst du noch eine Geisel, man hat Sherlock und dich mit einer Waffe bedroht!“

„Ich wurde schon öfters mit Waffen bedroht, ich war Soldat“, gab John zu bedenken. „Ich weiß wie das ist, wie sich das anfühlt. Das passiert mir nicht zum ersten Mal und ich bin durchaus fähig, mit der ganzen Situation umzugehen!“

Gut, die Soldaten Sache war ein Argument, das musste Greg ihm lassen.
 

„Dann bleibt aber immer noch die Sache mit Sherlock“, begann er vorsichtig, nicht wissen wie viel John nach dem Schock vertrug. Selbst wenn ihm die Waffe und die Todesangst nichts ausgemacht hatte, Sherlocks Abgang hatte das sicher. Keinen Menschen würde so etwas kalt lassen und schon gar nicht den guten Doktor Watson. So gut kannte ihn Gregory nun mittlerweile.

Eigentlich hatte er sich immer gefragt, was einen Mann wie John Watson bei Sherlock hielt. Natürlich hatte er sich gefreut, nicht nur das Sherlock in dem Arzt einen Freund gefunden hatte, nein, jetzt da John an Sherlocks Leben teilnahm, war immer ein Aufpasser da. Er kümmerte sich um Sherlock, besonders dann, wenn dieser das wieder selbst nicht für nötig hielt, half ihm durch die Phasen der Langeweile und Depression und bearbeitete sogar die Fälle mit ihm.

Doch sonst waren sie sehr verschiedene Menschen, der Soziopath und der gutmütige Arzt. Also was verband diese beiden Männer? Wirklich nur die Kriminalfälle? Genoss Sherlock rein das Lob und John das Adrenalin ihrer Abenteuer? Oder waren hier Gefühle im Spiel, die keiner von beiden zuordnen konnte, weil sie sich keiner so recht eingestehen wollte?

Greg seufzte genüsslich und ließ sich schwer auf die Couch fallen.
 

„Es war dumm“, begann John ganz in Gedanken zu sprechen. Dann schüttelte er seinen Kopf und lächelte. „Ich bin drauf rein gefallen. Was hab ich erwartet? Vergessen wir das. Ich sollte Harry anrufen.“

„Du gibst auf? Du gehst deines Weges?“

John überlegte, biss sich kurz auf die Unterlippen und versuchte sich dann an einem überzeugenden Gesichtsausdruck. „Ja, er hat Recht. Es ist das Beste.“

Gregory lachte laut, „das glaubst du nicht wirklich?! Du hast so viel mitgemacht, so viel durchlebt mit diesem Irren an deiner Seite. Alle haben darüber nur den Kopf geschüttelt, keiner verstand wieso du bei Sherlock geblieben bist und das bis zum heutigen Tag. Irgendetwas muss es geben, etwas das dich über all seine Unzulänglichkeiten hinwegsehen ließ. Sonst wärst du doch durchgedreht! Sherlock ist gewiss kein einfacher Mensch. Trotzdem hast du Ihn immer in Schutz genommen, Ihn verteidigt wenn man Ihn beleidigte oder jemand schlecht über Ihn sprach. Du warst sein Führsprecher. Natürlich nicht ohne Grund. Also, warum endet eure Freundschaft hier? Weil er es sagt?“

Wieder schüttelte John den Kopf. Schweigend hatte er dem Inspektor gelauscht und ehrlich, er wollte jetzt gar nicht darüber nachdenken. Das würde alles nur noch schlimmer machen.

„Nein, weil er Recht hat. Ich sollte nicht hier sein. Ohne mich kommt er schneller voran. Ich bin klug genug um zu erkennen, dass ich ein Klotz an seinem Bein bin.“

„So was dämliches!“ schimpfte Greg und erhob sich wieder. Er tigerte unruhig durch den Raum. Johns Augen folgten ihm dabei.

„Du bist nur nicht ganz bei dir, das verstehe ich. Denk gut über deine nächsten Schritte nach und lass dich nicht von seinem Gehabe einschüchtern. Dafür bist du zu stark und auch zu clever. Das Problem liegt in Sherlocks Gefühlen für dich! Warum begreifst du das nicht?!“

„Du irrst dich“ sprach John bemüht ruhig. Innerlich brodelte er. Nicht nur das Lestrade hier eine Grenze überschritt, er mischte sich in Sachen ein, die ihn nichts angingen. All das war privat und wenn er Sherlock recht gab, warum diskutieren sie hier? Er war ein erwachsener Mann und er konnte seine eigenen Entscheidungen treffen. Hier stimmte sie zufällig mit der von Sherlock überein.

„Sherlock hat Schuldgefühle, die in mir begründet liegen. Das bringt Ihn durcheinander. Solange ich hier bin, wird sich der Ansturm an Gefühlen nicht legen, denn ich schüre ihn.

Ich wusste von Anfang an, dass Sherlock nicht besonders fürsorglich ist. Deshalb brauche ich mich auch nicht wundern, dass das mit meiner Pflege nicht geklappt hat. Natürlich werde ich Ihn vermissen, schließlich sind wir Freunde. Doch warum soll ich mich wie ein Ertrinkender an ihn klammern, nur weil es leichter für mich wäre? Weil ich Ihn so nicht verlieren könnte? Wir würden nur beide in diesen Gefühlen unter gehen. Ohne mich hat das alles ein Ende. Bleib ich, ziehe ich Ihn mit hinab. Das will ich nicht.

Sherlock hat mir geholfen, nach meiner Verletzung…die Rückkehr aus dem Krieg…ich hab Ihn gebraucht, er tat mir gut. Ohne Ihn…wer weiß wo ich heute wäre ohne Sherlock Holmes. Es war schön solange es gedauert hat. Jetzt ist es vorbei und ich stell mich der Realität.“ John deutete an sich hinab, „ich sitze im Rollstuhl und brauche Pflege. Jemanden der mir hilft, der da ist wenn ich ihn brauche. Wir beide wissen, das Sherlock nicht derjenige sein wird.“
 

Ein missbilligendes Schnaufen kam von Lestrade.

„Du bist ein Idiot! Das hier ist nicht das Richtige, du tust es weil es der einfachste Weg ist und weil du Ihm geglaubt hast, nicht wahr!“ Der Inspektor hatte recht laut gesprochen, denn so viel Dummheit machte ihn wütend. Erst Sherlock, dann John. Was war er, der Paartherapeut der Zwei?

„Das ist nicht wahr!“ kam es genauso laut zurück. „Ich…“

„Gut, dann wolltest du Ihm glauben!“ unterbrach der DI den Arzt abrupt. „Gib es doch wenigstens dir gegenüber zu!“

„Schon gut, ja es…es hat weh getan. Bist zu zufrieden?“

Lestrade verschränkte die Arme vor der Brust und baute sich zu seiner vollen Größe auf. Was eigentlich nicht nötig gewesen wäre, da der sitzende John ohnehin zu ihm hoch sehen musste.

„Zufrieden? Wie sollte ich zufrieden sein? Du läufst vor dem Wunsch weg das Sherlock dich liebt und Sherlock läuft vor der Tatsache weg, das er es tut. Ihr seid mir zwei schöne Helden!“

„Woher glaubst du das alles zu wissen?“ fragte John und sah nun erbost aus. Wahrscheinlich weil der gute Inspektor mit allem recht hatte. „Du denkst du kennst Sherlock? Hat er nicht gerade eindrucksvoll bewiesen, dass wir Ihn immer unterschätzen werden? Auch ich hab geglaubt Ihn zu kennen, ich hab…ich hab es für einen Moment wirklich geglaubt. Für diesen kurzen Augenblick hatte alles Sinn gemacht…Trotzdem war es dumm, ich, du, wir glauben nur wir wüssten wer Sherlock Holmes wirklich ist, wie er tickt und wie er fühlt. Doch wir wissen gar nichts, er hat nie jemanden nahe genug an sich heran gelassen um auch nur an der Oberfläche kratzen zu können!“

„Du verstehst das nicht, Sherlock empfindet sehr viel für dich!“ versuchte es Greg erneut. Er konnte und wollte hier nicht stehen und zusehen, wie dieser tapfere Mann sich für alles die Schuld gab. Was wollte Sherlock noch alles auf Johns Schultern lasten?

John lachte bitter auf und sah Gregory aber nicht an, während er sprach. „Alles was Sherlock für mich empfindet ist Mitleid.“
 

Greg grummelte vor sich hin, verärgert weil John so überhaupt nicht verstehen wollte. Sollte er ihm erzählen, das Sherlock bei ihm gewesen war? Von all den verwirrenden Gefühlen, die den Detektiv trieben und die er ihm, Gregory Lestrade anvertraut hatte? Aber konnte er sich wirklich sicher darüber sein, das Sherlock John liebte? Das zumindest hatte er dem Freund unterstellt, doch Sherlock selbst hatte das nie so betitelt. Was wenn er sich irrte?

Trotzdem, vor nicht mal einer Stunde hatte Sherlock hier auf Knien gebettelt, man möge John verschonen. War das alles gespielt, konnte das sein? Natürlich konnte es sein, schließlich ging es hier um Sherlock.

Irgendwie wurde Greg trotzdem das Gefühl nicht los, das Sherlock ihnen allen viel weniger vorgespielt hatte, als sie vermuteten. Nur wo hörte das Schauspiel auf und fingen die Gefühle an?

Lestrade schüttelte den Kopf. Er würde darüber jetzt nicht mehr nachdenken. Alles was jetzt zählte war, John vom hier bleiben zu überzeugen.

„Mitleid“, sprach er und John blickte wieder zu ihm auf. „Das ist auch das Mindeste was Sherlock fühlen sollte. Immerhin sitzt du seinetwegen im Rollstuhl.“

„Das ist nicht wahr!“ giftete John ihn an. „Es war nicht seine Schuld, er konnte nichts davon verhindern, egal was er sagt und glaubt, du warst nicht dabei! Er hatte keine Chance! Ich war es doch immer der beschloss mit Ihm zu gehen, bei den Fällen dabei zu sein!“

„Du wurdest angeschossen!“

„Ja und trotzdem bin ich Ihm hinterher gesprungen. Und das bereue ich nicht!“

Greg warf frustriert die Arme in die Luft. War er hier im falschen Film?

„Und schon wieder verteidigst du den Mann der dich aus seinem Leben wirft! Einfach so und obwohl du Ihm das Leben gerettet hast!“

„Schau mich doch an!“ man konnte deutlich den Frust und die Verzweiflung in Johns Stimme hören, als er auf den Rollstuhl deutete. „Ich bin hier gefangen! Zum Nichtstun verdammt! Ich konnte nicht einmal eingreifen, als Peters Sherlock bedroht hatte! Sieh es doch ein, ich bin gerade völlig nutzlos!“

„Du bist doch nicht nutzlos! Denk bitte nicht…“ doch John unterbrach ihn mit scharfer Stimme.

„Willst du es nicht einsehen? Sherlock hat Recht! Ich nütze Ihm nichts, und ich brauche Hilfe! Hilfe für einfach alles im Alltag. Also werde ich gehen“, fügte John leise, fast geflüstert hinzu.

„Aber du möchtest nicht gehen?“

„Wir sind erwachsen, wir wissen das man nicht immer dass haben kann was man möchte. Sherlock ist mein Freund und deshalb bietet er mir das, was er mir geben kann und nicht das, was ich mir von Ihm gewünscht habe. Also wenn du mich jetzt bitte entschuldigen würdest, ich sollte meine Schwester anrufen.“
 

Gregory stand da, wusste nicht mehr was er noch sagen sollte. Doch letzten Endes war es wohl auch egal. Er würde John nicht erreichen. Solange sich der gute Doktor für alles die Schuld gab, sich selbst als eine Last ansah und gefangen in seinem eigenen Selbstmitleid war, würde er nachgeben müssen. Vielleicht war es ja auch wirklich gut so. Wer konnte das schon sagen?

So stand Greg da, sah zu wie John durch die Wohnung in das Nebenzimmer rollte und dort zu telefonieren begann.

Erst als John zurück kam und ihn verwundert musterte, erwachte Gregory aus seiner Starre.

„Was willst du noch hier? Egal was du sagst, ich werde die Baker Street verlassen.“

„Das ist mir klar. Ich…ich wollte dir nur alles Gute wünschen. Egal was du auch tun wirst, ich wünsche dir viel Glück dabei. Wenn du nichts dagegen hast, werde ich dich hin und wieder besuchen und nachsehen, wie es dir so geht?“

John war überrascht, doch dann lächelte er den Inspektor gutmütig an. „Ja, ja das würde mich freuen“, sagte er und meinte es auch so. Schließlich wollte er nicht alle Brücken hinter sich abbrechen und irgendwann vielleicht, würde er wieder kommen. Wenn er gesund war, stark und wieder eine Hilfe für Sherlock darstellen konnte.

„Ich weiß, du stehst dir gerade selbst im Weg, aber ich hoffe du wirst wieder ganz der Alte.“

John lächelte aufrichtig und wirklich erfreut, „also man sieht sich?“

Gregory nickte, „ja, ja man sieht sich.“

Dann verließ auch er die Wohnung und John blieb alleine zurück.
 

*******
 

Die Wohnung wirkte so groß und so traurig auf ihn. Alles war still, er war allein.

Nur langsam war der Horror der letzten Stunden von ihm abgefallen. Bei jedem Geräusch zuckte er zusammen, als müsste er sich auf einen Kampf gefasst machen, als könnte Peters zurückkehren. Kurz nach seiner Rückkehr aus dem Krieg war es ihm ähnlich ergangen.

Doch vielleicht fürchtete er gar nicht, jemand könnte kommen und ihn bedrohen. Vielleicht zuckte er jedes Mal zusammen weil er darauf wartete, dass jemand kam. Sherlock.

Ob er wohl noch einmal mit ihm sprechen sollte? Vielleicht vermochte er ja diesen netten und gutmütigen Sherlock zu erreichen, der sich immer dann gezeigt hatte, wenn John Hilfe gebraucht hatte. Dann erinnerte er sich aber an den dunklen, den eiskalten Sherlock, der ihn mit kaltem Blick gemustert und dann aus seinem Leben gestoßen hatte. Nein, diesem distanzierten und emotionslosen Sherlock wollte und konnte er noch nicht gegenüber treten.

Oh, er war so jämmerlich! Was tat er hier? Seine sieben Sachen packen und dabei jeden seiner Gedanken an Sherlock verschwenden! Also ob das noch was bringen würde.

Hatte er dem Detektiv nicht vor wenigen Stunden noch Recht gegeben, als dieser das Pflegeheim vorgeschlagen hatte? Zumindest Lestrade gegenüber hatte er diese Idee hoch gehalten. Wann war noch mal aus dieser anfangs guten Idee ein schlechtes Gefühl geworden? Jetzt wo er packte schien es ihm fast so, als schnüre ihm jemand die Kehle zu. Das Gefühl vielleicht nie wieder in diese vertrauten Wände zurückkehren zu können raubte ihm fast den Verstand.

Nie wieder mit Sherlock zusammen zu sein, Verbrecher zu jagen, Fälle zu lösen.

Allein. Die Wohnung war leer.

Sherlock würde mit den Möbelpackern kommen und die würden alles was er besaß in Kartons räumen und dann würde Mycrofts Limousine anrollen und man würde ihn aus London fort schaffen. Ohne das er sich dagegen wehren konnte.

Er wollte doch nicht weg, er würde mit Sherlock reden! Sobald der nach Hause kam, würde er ihm all seine Bedenken schildern und darum bitten, doch hier bleiben zu können. Mycroft würde auch einen Pfleger bezahlen, der ihn hier in der Baker Street versorgen würde.

Wieder kam ihm das kalte Gesicht in Erinnerung und diese grauen Augen, die ihn förmlich durchbohrt hatten, als wollten sie ihm schaden

Wem machte er hier etwas vor? Er war allein. Er belog sich nur selber. Sherlock würde sich nicht umstimmen lassen. Egal was er auch sagte. Der Detektiv hatte seine Entscheidung getroffen und John würde damit leben müssen. Denn betteln, das wollte er auch nicht.

Betteln…Gott, wie tief war er gesunken? Glaubte er wirklich…hatte er ernsthaft daran gedacht? Nein, niemals würde er sich solcher Methoden bedienen. Wenn Sherlock ihn nicht weiter bei sich haben wollte, gut. Dann würde er gehen und dieser sture Esel würde schon sehen, was er davon hatte!

Sollte er doch in seinem Chaos versinken – wenn John es nicht beseitigte!

Sollte er doch verletzt von einem Fall zurückkehren und sich einen anderen Arzt suchen, der zu so mach unchristlicher Zeit aufstand, nur um diesen Irren zu behandeln – denn John würde das nicht mehr tun!

Sollte er doch durch London ziehen und sich frei und ungebunden fühlen – denn John würde nicht mehr auf ihn warten!

Sollte er doch weiter leben, allein in seiner Welt – denn John würde sie nicht mehr mit ihm teilen!

Plötzlich war die Trauer wieder da. Dieses Gefühl zurückgelassen worden zu sein. Nicht mehr gut genug für ihre Freundschaft zu sein.

Sollte Sherlock doch tun und lassen was er wollte, John konnte auch ohne ihn leben!

Langsam, ganz langsam wurde die Trauer zu Einsicht und diese brachte die Wut mit sich.

Was erlaubte sich Sherlock eigentlich? Er hatte gar nicht das Recht John von sich zu stoßen! Immerhin war John sein Lebensretter! Dieser undankbare Soziopath!

Nein, er würde nicht bitte und betteln, nur um an der Seite eines Mannes zu verweilen, der seine Anwesenheit weder schätze noch verdiente! Nein, er würde gehen und Sherlock sollte selbst sehen wie er damit klar kam! Sollte mal Sherlock am eigenen Leib erfahren was es hieß, alleine zu sein!
 

Plötzlich hörte er die Haustüre, die ins Schloss viel und sogleich eilige Schritte auf der Treppe. Und dann stand Sherlock Holmes im Wohnzimmer.

Ganz wie immer, der Rücken gerade, aufrechter Gang, als würde nichts diesen Mann je zu fall bringen. Wahrscheinlich war das ganze wirklich nur gespielt gewesen. Sherlock Holmes, dieser aufrechte Mann hätte sich nie auf Knien gedemütigt.

Sein Blick war kalt, distanziert, als betrachte er hier nicht seinen Freund, sondern eine Leiche am Tatort. Als ginge ihn das alles nichts an, als pralle es einfach an seiner gefühllosen Seite ab. Und obwohl John wusste, das Sherlock sehr wohl ein anderer sein konnte, das er Gefühle besaß, die ihn, wenn er sie denn zuließ, durchaus überforderten, schmerzte dieser verschlossene Blick. Gerade deshalb machte ihn dieses Auftreten von Sherlock auch noch wütender.

„Ich sehe, Sie waren nicht untätig. Leider wird die Firma, welche für Sie das Packen übernimmt, erst am späten Nachmittag hier eintreffen. Bis dahin werde ich Mrs. Hudson bitte, Ihnen zur Hand zu gehen.“

Sherlocks Stimme war so kühlt, so kannte John ihn gar nicht. Trotzdem schürte das alles nur die Wut, welche von John besitz ergriffen hatte.

„Sie werfen mich also tatsächlich raus?“ fragte er und sah Sherlock mit bemüht gleichgültiger Mine an.

„Sie können bleiben, das hab ich bereits erwähnt. Dann gehe ich. Hätte den gleichen Effekt nur das Sie hier…“

„Davon rede ich nicht! Ich…ich komm mir nur so verraten vor, Sherlock! Können Sie das nicht verstehen, nicht mal ein bisschen?“ fragte John und sah den groß gewachsenen Mann durchdringend an.

Sherlocks Mimik blieb ruhig und ausdruckslos, während er sich umdrehte und wieder zur Tür ging.

„Ich hab noch zu tun. Jemand wird kommen und hier etwas für mich abgeben. Schreiben Sie mir bitte eine SMS wenn das geschieht. Ich suche derweil nach…“

„Gut, das war verständlich genug, selbst für mich! Es ist Ihnen Egal! Sie sind ein verdammter Mistkerl! Immer…immer war ich an Ihrer Seite! Wenn Sie mich gerufen haben, dann kam ich! Egal womit ich mich gerade beschäftigte, ich eilte zu Ihnen, weil Sie mir wichtiger waren als alles andere! Niemals hab ich Sie im Sicht gelassen, Sie waren niemals allein! Ich hab Ihnen alles gegeben, alles was ich hatte in diese Freundschaft gesteckt, weil sie mir etwas bedeutete! Und Sie…Sie sehen mir ins Gesicht und schicken mich fort. Als wäre Ihnen alles Egal, als hätte wir nie etwas davon Bedeutung gehabt, als würde keines meiner Opfer zählen!“

John schluckte, Wut und Trauer kämpften gleichermaßen um die Oberhand im Sturm seiner Gefühle. Und Sherlock, der stand nur so da, als wäre er eine Statue, von der man ohnehin keine Antwort erwarten könnte.

„Sagen Sie verdammt noch mal etwas!“ forderte John mit drohendem Unterton in der Stimme. „Sagen Sie was oder ich schwöre, das hier wird in Scherben enden. Wollen Sie das? Wollen Sie wirklich das ich nie wieder komme?“

„Ich hab Ihnen bereits bei unserem ersten Treffen erzählt, das ich ein Soziopath bin. Ich lebe mein Leben und Sie hab ich geduldet, weil Sie nützlich waren. Sie wollten Teil meiner Welt sein, darum habe ich nie gebeten. Jetzt sehe ich klar und das sollten Sie auch tun. Wir waren niemals Freunde, das romantisieren Sie bloß aus unserer gemeinsam verbrachten Zeit. Sie waren mir ein hilfreicher Gefährte, ich wünsche Ihnen alles Gute und hoffe Sie werden wieder vollständig genesen. Und nur zu, schreiben Sie ruhig in Ihrem Block, was für ein Mensch ich wirklich bin. Das all die Kleinigkeiten, denen Sie so viel Beachtung schenkten, nichts weiter als Ihre Einbildung für eine erfundene Freundschaft zwischen uns war. Erzählen Sie der Welt, dass wir keine Freunde sind. Von mir aus hassen Sie mich auch dafür. Tun Sie mir den Gefallen, erzählen Sie das all Ihren Lesern. Dann hab ich auch von denen endlich meine Ruhe.“

Und damit ging Sherlock Holmes und ließ einen völlig verdutzten John zurück. Der nicht fassen konnte, was er gerade gehört hatte.



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  BlackWolfMika
2012-07-21T16:35:30+00:00 21.07.2012 18:35
Hey, ich habe heute deine Story gefunden und sie gleich in einem Ruck durchgelesen. Sie hat mich vom ersten Moment an gefangen genommen und ist zu meiner Lieblingsgeschichte geworden.

Im letzten Kapitel hätte ich echt heulen können. Gott ich kann Sherlocks Gedankengänge ja verstehen, aber er muss doch den guten John nicht gleich, das Herz aus der Brust reißen und darauf herum treten.

Aber dennoch liebe ich deine Story und hoffe auf ein neues Kapitel!!

lg JinAkanishi
Von:  Twinkle
2012-07-19T19:44:04+00:00 19.07.2012 21:44
Sherlock ist echt ein Honk -.- Hoffentlich vertragen sich die zwei bald wieder >___<
Von:  Nara-san
2012-07-05T23:36:08+00:00 06.07.2012 01:36
Ja, ein Paartherapeut xD

Aber dieser Abgang von Sherlock! argh!
Die müssen sich wieder versöhnen! Möglichst schnell!
Von:  Sarinia
2012-07-05T18:59:36+00:00 05.07.2012 20:59
Arrrgggg,
ich könnte schreien, dass ist doch echt nicht die Wahrheit. Wie begriffstutzig muss man eigentlich sein? Was für Sturköpfe!!
Ich habe gerade Deine FF durchgelesen. Sie ist super geschrieben, ließt sich flüssig und hört gerade an einer richtig beschie.. Stelle auf. Ich hoffe Du schreibst schnell weiter, freue mich auf das nächste Kapitel.

lg Sarinia


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