Zum Inhalt der Seite

Bitte bleib bei mir!

BBC Sherlock
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Gefahr im Verzug?

13.

Gefahr im Verzug?
 

Sherlock saß noch eine Weile da, betrachtete den friedlich schlafenden John und war bemüht seine Gedanken zu ordnen. Wie sollte er das den jetzt verstehen? Eigentlich war er sich sicher gewesen, dass John ihn mochte. Meinte der mit sehr mögen etwa ein mögen über die freundschaftlichen Bande hinaus? Absurd! In diese Richtung hatte er doch bereits beschlossen nicht mehr zu denken! Warum war er in seinen Entscheidungen so inkonsequent wenn es um John ging?

Andererseits würde John ihn mögen im sinne von lieben, dann hätte er doch erreicht was er hatte haben wollen. John würde bei ihm bleiben, für immer. Das war ein schönes Gefühl und so strich er über das erstaunlich weiche Haar und die sanfte Haut von John. Er erinnerte sich an das letzte Mal, als er John so nahe gekommen war…diese wohlgeformten Lippen, sie luden ihn geradezu ein, sie in Besitz zu nehmen. Er beugte sich zu dem wohlbekannten Gesicht hinab, roch Johns so eigenen Duft und stoppte nur Zentimeter vor den begehrten Lippen. Sachte leckte er sich über die seinen, knabberte an seiner Unterlippe, noch immer vom Zögern gefangen.

John hatte ihm gesagt, er sei nicht sein Typ. Jetzt hatte er ihm gesagt, er würde ihn sehr mögen. Widerspruch in sich, musste Sherlock denken.

Sollte er es wagen? John schlief fest und alles was heute Nacht geschehen würde, wäre ein stilles Geheimnis das er nicht zu teilen brauchte. Somit war es doch auch völlig egal ob John das wirklich wollte oder nicht, denn er würde es eh nie erfahren.

Die Neugierde gewann, die Schlaftrabletten ausnutzend überbrückte er die letzte Distanz und drückte seine Lippen sachte auf die von John. Sie waren weich, warm und leicht feucht. Der bittere Nachgeschmack von Medikamenten heftete ihnen noch an, dennoch war diese sanfte Berührung perfekt! Sherlock wurde mutiger, auch wenn John in keiner Weise reagieren konnte, genoss er doch wozu ihm die Medikamente hier verhalfen. Kurz flammte in seinem Kopf ein Gedanke auf, dass er sich schämen sollte John der so hilflos war derart auszunutzen, nur um seine Neugierde zu befriedigen! Aber es war nicht länger nur das. Sherlock ließ seine Zunge über die leicht geöffneten Lippen gleiten, drängte sie ein wenig auseinander und spielte mit Johns Zungenspitze. Das hier war schamlos, das wusste er und doch konnte er nicht aufhören. Er bekam einfach nicht genug!

Sein Körper begann zu reagieren, ein Kribbeln machte sich in ihm breit und ließ ihn unruhig werden. Unruhig und hungrig nach mehr…

Er saugte leicht an Johns Unterlippe, knabberte spielerisch daran und wünschte sich in diesem Moment, John würde reagieren und ihn zurück küssen.
 

Nach diesem Gedanken schrak er auf, als hätte er einen elektrischen Schlag bekommen, rückte ein Stück ab und atmete tief durch. Sein Herz hämmerte lautstark in seiner Brust. Sein Blick klebte auf Johns Lippen, die rot und leicht geschwollen von seiner Bearbeitung waren.

Was hatte er hier nur getan? So dumm! Schallte er sich in Gedanken! Er wollte doch keine Gefühle haben, zumindest keine, die in diese Richtung gingen und jetzt saß er hier auf seinem Bett und war sich seiner eigenen Erregung schlagartig bewusst. Der Hauch des Verbotenen, die intensive Freude diese Situation zu seinen Gunsten ausnutzen zu können und das Wissen, das John es niemals erfahren würde, das alles brachte sein Blut zum kochen und ihn völlig aus der Bahn.

Denn jetzt stand es fest, er wollte John auch um die körperliche Komponente besitzen. Aber wie könnte er seinen Freund je dazu bringen mitzuspielen? Selbst wenn John doch an solchen Dingen interessiert gewesen wäre und seine Gefühle tiefer gingen als die einer bloßen Freundschaft so würde John doch immer eine Beziehung anstreben. Sherlock dagegen wollte das nicht, er wollte so mit John weiterleben wie bisher, nur mit der Erweiterung um Sex. Das hätte ihm gereicht, das wäre genau das gewesen, was er wollte, was alles in ihm befriedigt hätte.

Doch John würde er das so nie schmackhaft machen können. Aber eines stand auch fest, er wollte keine Beziehung. Beziehungen sahen so schwer aus, waren mit Arbeit verbunden und nein, er liebte ja auch nicht. Er begehrte John, das war was anderes. Wozu also half ihm die Erkenntnis dieser Nacht?
 

Sherlock erhob sich, verließ das Schlafzimmer und griff wieder nach seiner Geigen. Zum glück hörte John keine der Melodien, die er zum nachdenken den Rest der Nacht seiner Geige entlockte.
 

*******
 

Als John am nächsten Morgen erwachte, fühlte er sich zum ersten Mal seit langem richtig ausgeschlafen und frisch. Er räkelte sich genüsslich, bis ein stechender Schmerz in seinem Rücken ihn mahnte, dass nicht alles in der letzten Zeit ein schlechter Traum gewesen war, der mit einer ruhigen Nacht und genügend Schlaf hätte kuriert werden können.

Die Vorhänge in Sherlocks Schlafzimmer waren noch zugezogen und ließen nur einen etwa Faust großen Spalt Licht herein schimmern, weil sie am linken Fensterrand schlampig zugezogen waren. Den spärlichen Sonnenstrahlen zum trotz, schien es schon recht spät zu sein. John blickte auf seine Armbanduhr und tatsächlich, es war fast 10 Uhr. Sonst schlief er selten so lange, offenbar hatte sein Körper diese Ruhe dringend gebraucht. Deshalb fühlte er sich wohl so fit!

Ein Blick auf die andere Seite des Bettes, klar, Sherlock lag nicht mehr neben ihm. Wohl schon lange nicht mehr, denn das Kissen war aufgeschüttelt und die Matratze kalt.

Typisch Sherlock, er war gewiss kein Langschläfer, nicht solange er noch einen Fall am laufen hatte. Bestimmt war er in aller Herrgottsfrühe aufgestanden und in Verkleidung in London unterwegs, um endlich Stan Peters zu finden. Möglichst vor Lestrade und seinen Leuten aus dem Yard. Schließlich wollte er doch zeigen, wie viel besser er und seine Methoden waren. John schmunzelte.

Doch sollte Sherlock wirklich nicht in der Wohnung sein, so würde John noch eine Weile hier liegen bleiben müssen. Er seufzte gedehnt, das war es nicht, was er jetzt wollte. Faul sein in allen Ehren, aber jetzt wäre er am liebsten unter eine schöne, kühle Dusche gehüpft. Hüpfen und Dusche viel aus, der Rest wohl auch, solange er hier allein war. Zerstört war die angenehme Stimmung, aus der er eben erwacht war.

„Sherlock?“ rief er probehalber, nur um zu testen ob er sich nicht vielleicht irrte. Möglicherweise war sein Freund ja neben an und arbeitete dort. Er lauschte, niemand kam. Kein Geräusch drang von Wohnzimmer her und seine Stimmung sank immer mehr gen null.

Was sollte er jetzt machen? Er lag da, starrte an die Decke und dachte nach. Irgendwann beschlich ihn ein seltsames Gefühl, das sich an ein paar Erinnerungsfetzen von gestern Abend heftete. Er hatte das Gefühl gestern noch etwas Wichtiges gesagt oder getan zu haben, aber er konnte sich beim besten Willen nicht mehr daran erinnern was. Egal wie sehr er sich auch bemühte, er wusste noch das Sherlock seine Wunde am Rücken eingecremt hatte, dann hatte ihn die bleierne Müdigkeit eingeholt. Frustriert schüttelte er den Kopf um die restlichen Gedanken los zu werden. Bestimmt hatte er sich nur getäuscht, was hätte auch bitte wichtiges geschehen sein sollen?

War immer noch die Frage, was er jetzt machen sollte. Vielleicht nach Mrs. Hudson rufen? Dann bekäme er wenigstens ein Frühstück. Langsam und vorsichtig setzte er sich auf und fand überrascht sein Handy und daneben auch sein Buch, in welchem er gestern gelesen hatte, auf dem Nachtkästchen liegen. Jetzt hob sich seine Stimmung, denn das hier bedeutete, dass Sherlock an ihn gedacht hatte. Er griff nach dem Buch und bemerkte sogleich einen Zettel, welcher lose zwischen den Seiten lag, offensichtlich ohne Bewusstsein einfach hineingesteckt, auf das ihn John finden möge. Interessiert zog er das Blatt heraus und erkannte sogleich die saubere, akkurate Handschrift von Sherlock.

„Ich bin unterwegs um mich umzuhören. Wenn Sie aufwachen rufen Sie mich an, dann komm ich so schnell es geht zurück. S. H.“

John war gerührt, las den Zettel noch ein zweites Mal und sein Herz machte dabei einen freudigen Hüpfer. Wie der Detektiv versprochen hatte, er bemühte sich nach allen Regeln der Kunst. Offenbar wollte er wirklich beweisen, dass John ihn ihm einen guten Freund hatte und er ihm Wirklich keine Last war.

So griff John nach dem Mobiltelefon und wählte Sherlocks Nummer. Nach mehrmaligem Klingeln nahm die Mailbox den Anruf entgegen und Sherlocks tiefe Stimme bat, man möge ihm doch eine Nachricht hinterlassen. Kaum piepte es, sprach John fröhlich hinein: „Morgen Sherlock, hab Ihren Zettel gefunden, danke übrigens dafür. Wie Sie sicher schon kombiniert haben, bin ich jetzt wach. Also wenn es Ihnen keine Umstände mach…“ Er unterbrach sich kurz, nicht wissen was er noch sagen sollte. Aber bevor eine zu lange Pause entstehen konnte, fügte er schnell noch hinzu. „Geben Sie bitte auf sich Acht, ja? Bis später.“
 

*******
 

Eine zerlumpte Frau mit langen, braunen Haaren die ungewaschen zu einem dichten Zopf geflochten waren, saß gekleidet in hellbraunen Hosen, abgetragenen Bergschuhen und einem bis oben zugeknöpften schwarzen Mantel am Straßenrand. Ein fleckiges Halstuch, einstmals von zartem Rosa, war um ihre Ohren gewickelt wie ein Stirnband. Vergeblich versuchte sie, dem kalten Wind keine Möglichkeit zu geben, ihren Körper zu erreichen und sie frieren zu lassen. Doch jeder der die Frau so sah wusste, dass dies an einem Tag wie heute ein völlig sinnloses unterfangen war. Der Himmel war trist, von dicken grauen Wolken durchzogen, und ein böiger Wind fegte durch die ganze Stadt und kündete vom näher kommenden Winter.

Die Frau hatte einen Hut vor sich liegen. Einen alten, verfilzten Pott, der in besseren Tagen vielleicht einmal Modern, aber noch nie wirklich hübsch gewesen war. Viele der vorbei schlendernden Menschen, warfen Münzen hinein, doch die breite Masse trieb an der Dame vorbei, gefangen in ihrer eigenen Welt und geplagt von ihren eigenen Sorgen und Nöten.

Doch die verdreckte Lady wartete hier nicht wirklich auf Kleingeld.

Kaum einer hätte erwartet, dass man Nachrichten am besten an belebten Orten überreichte. Hier in dieser belebten Straße störte sich keiner an einer Bettlerin und keiner schenkte ihr wirklich Beachtung. So viel schnell mal ein Zettel in den Hut und kalte, klamme Finger fischten ihn geschickt heraus.
 

Seit Stunden saß sie nun hier, mehrmals war ein Zettel angekommen und sie hatte ihn entgegen genommen. Hin und wieder hatte ein Kollege vorbeigeschaut, ein Bettler wie sie und dann hatte eine der Nachrichten die Runde gemacht. War von ihr verteilt worden und hatte die Suchenden in neue Richtungen streben lassen. Wer hätte geglaubt, dass die Frau an dieser Straßenkreuzung ihr Büro hatte? Hier liefen alle gesammelten Informationen zusammen, die das Netzwerk für Sherlock Holmes sammelte und die verwaltete sie. Gewissenhaft wie eine Bürokraft, nur ohne Kostüm und Computer und mit viel weniger Gehalt. Doch sie tat ihr bestes, leitete und koordinierte die Suche, wertete Daten aus, schätze ihren Wahrheitsgehalt ab und übergab sie geordnet ihren suchenden Freunden.

Gegen Mittag kam ein schwarzer, alter Hund auf müden Beinen zu ihr getapst und ließ sich auf der Decke nieder, auf der auch die Frau saß. Kurz kraulte sie das Tier, dann wandte sie sich zu dem Mann, der sich neben ihr an die Wand lehnte.

„Hast du eine Zigarette?“ fragte sie höflich und ließ mit einem breites Lächeln ihre gelben Zähne sehen.

Agilo gluckste vergnügt, zog eine zerknitterte Lucky Strike Schachtel aus der Tiefe seiner Manteltasche und ließ sie einen der Glimmstängel entnehmen.

„Erfolgreicher Vormittag?“ fragte er, nachdem sich seine Freundin den ersten, tiefen Zug gegönnt hatte.

„Viel zu tun, du glaubst es nicht.“

Jetzt setzte sich Agilo mit einem tiefen Seufzer zu ihr auf den Boden. Massierte sein schmerzendes Bein und griff ebenfalls nach einer Zigarette.

„Und, ist etwas brauchbares dabei gewesen? Er war heute schon bei mir, sehr früh und ich musste Ihn abwimmeln. Ich hasse es Ihn abzuwimmeln, so ganz ohne Informationen gibt er nie Geld her! Bitte erzähl mir nicht, dass wir bloß eine Leiche zu vermelden haben. Leichen bringen kaum Geld wie du weißt und dann war alle Arbeit umsonst!“ schimpfte er und zog kräftig an seiner Zigarette.

„Nein, keine Leiche. Aber auch keinen Mann. Wann triffst du Ihn wieder?“ frage sie und schnippte Asche auf den Bordstein.

„Gegen Mittag, da ist er noch unterwegs hat er gesagt. Wenn ich bis dahin nichts zu vermelden weiß, haben wir schlechte Karten. Die Polizei sucht nach dem Typen. Der Yard hat sie aufgeschreckt und jetzt flattern sie wie Hühner durch die Straßen. Die sind mehr, besser organisiert. Die werden ihn finden und wir sehen keinen Cent!“

„Ich weiß ein paar Dinge. Bis vor kurzem war er noch dort“ sie reichte Agilo einen Zettel, den er kurz studierte und dann in seiner Tasche verschwinden ließ.

„Sicher?“

Sie nickte, „zwei haben das bestätigt. Bis gestern war ein verletzter Typ in dieser Lagerhalle. Gebrauchtes Verbandszeug, ein paar leere Konserven. Offenbar für den Fall bereitgestellt, dass etwas schief gehen könnte und wenn er den Typen sucht, dann hat er was falsch gemacht.“

Agilo brummte, „ist mir doch egal! Ist das alles was du hast?“ er wirkte unzufrieden.

„Da ist noch was. Jemand hat eine Tasche gefunden, sie ist voller Blut. Lag irgendwo am Wasser bei den Docklands. Du sagtest die Typen seinen von dort, er hat sie dort gestellt. Vielleicht ist sie von einem von Ihnen?“

„Wo ist sie?“ fragte Agilo jetzt doch interessiert und drückte die Zigarette auf dem Asphalt aus.

„Milo hat sie gefunden und der will Geld dafür sehen. Sag Ihm das, Milo erwartet Ihn dann am üblichen Treffpunkt.“

„Pha!“ rief Agilo laut und einige Passanten in nächster Nähe wichen erschrocken zurück. „Was will der Trottel jetzt schon wieder zu Geld machen!? Hat nie was besonderes, kein geschicktes Händchen fürs Wichtige! Pha!“

„Sag es Ihm lieber, vielleicht bekommst du ja was ab“, riet sie ihrem schlecht gelaunten Freund.

Agilo erhob sich, brummte derweil unablässig vor sich hin und zog Humphrey an der Leine auf.

„Warte, ich weiß noch etwas, aber das ist recht unsicher. Hab es nur von Sean und du weißt ja wie zuverlässig der Kerl ist.“

„Seine brauchbaren Informationen hängen stark von der Menge an Alkohol ab, die er sich besorgen konnte. Aber besser als nichts, was weiß er?“

„Heute Morgen war ein stämmiger schwarzer in der Metro Station Great Portland Street. Er schleppte sich zum Ausgang, seine Hand lag dabei auf der rechten Seite seines Brustkorbs. Als würde er auf eine schmerzende Wunde drücken, damit sie nicht so stark blutete. Könnte das der Kerl sein, den er sucht?“

Agilo dachte nach, er kannte sich wirklich gut aus hier in den Straßen seiner Stadt, darüber war er auch sehr stolz. Er kannte alle wichtigen Knotenpunkte, die besten Plätze, lukrativsten Stellen und billige Schnellimbisse. Eigentlich hätte er sich als Stadtführer ein schönes Sümmchen verdienen können.

„Great Portland Street“, wiederholte er fasziniert und doch irgendwie besorgt, zupfte sich an seinem Bar und verschwand dann eiligst in der Menge.
 

*******
 

„Dachte schon du kommst nimmer“, begrüßte Agilo den Mann, der sich neben ihn setzte. Sie saßen unter einer Bahnbrücke, über der ein Güterzug geräuschvoll ratterte. Neben ihnen an der Hauptstraße stand ein fahrender Stand für Crepes und der süße Duft ließ Agilos Magen ständig knurren. Auch Humphrey jaulte unablässig frustriert. Aber jetzt war das Warten vorbei, er war ja da.

Ein schwarz gekleideter Mann in einem langen, schweren, schwarzen Ledermantel gekleidet, mit langen, glatten, schwarzen Haaren, einer eindeutig falschen Nase, die wie ein klumpiges, mehrfach gebrochenes Etwas aus seinem Gesicht ragte und einer feinen, ebenfalls unechten aber sehr realistisch wirkenden Narbe über die Wange. Seinen gestrengen Blick auf die Passanten gerichtet, die schreckhaft vor ihm fort wichen oder ihn in einem ganz weiten Bogen einfach umrundeten. Ja, das hier war er, soviel stand fest.

„Ich sag’s dir Freundchen, der Winter hat sich verkrümelt. Hab sein Versteck gefunden, aber er war ausgebüchst. Hab gehört er treibt sich dennoch hier rum. Geschlagen zwar, aber bereit für alles. Er kommt, der Winter, das sag ich dir.“
 

Sherlock stutzte, mit dieser Aussage hatte er nicht gerechnet. Offenbar hatten Agilos Leute Peters Versteck leer vorgefunden, war das nun besser oder schlechter als eine Wegbeschreibung zu seiner Leiche? Immerhin hieß ein lebender Peters dass man ihn vor Gericht stellen und verurteilen konnte. Genau das, was Sherlock wollte. Aber ein durch London wandernder Verbrecher, geschlagen und am Boden, das war gefährlich.

„Wohin zieht es denn den Winter deiner Meinung nach?“

„Oh ich hab gute Quellen!“ versicherte Agilo sogleich. „Aber erst, hast du etwas Geld? Ich verhungere hier vorm süßen Duft dieser französischen Köstlichkeit!“

Sherlock schenkte ihm einen drohend ungeduldigen Blick, zog dann aber einen Geldschein heraus und reichte ihn unauffällig weiter.

„Jetzt sag mir wo“, befahl er und Agilo wusste, dass er jetzt besser gehorchen sollte. Es verlangte ihm nicht danach, sich der schlechten Laune seines Gönners auszusetzen.

„Der alte Suffkopf sagt er hätte jemanden gesehen, der die grässliche Fratze des Winters zeigte. Kam aus der Metro in der Great Portland Street.“
 

Kaum hatte Agilo die Metrostation erwähnt, sprang Sherlock von dem schmalen Sims der die Straße vom Bürgersteig trennte und lief mit wehendem Mantel davon. Agilo schüttelte den Kopf. Hatte er doch gewusst wie der Detektiv auf diese Information reagieren würde. Gut das er schlau genug war und vorher Geld verlang hatte.

So rieb er sich die Hände, ging mit Humphrey los und schlenderte zu dem Händler, dem er jetzt gleich zwei von seinen heißen Köstlichkeiten abkaufen würde.
 

*******
 

Sherlock lief so schnell es die zu kleinen Schuhe und der schreckliche Mantel zuließen. Er versuchte ein Taxi aufzuhalten, doch den grimmigen Typen, der aussah als wäre er einem Verbrecherfoto entsprungen, wollten offenbar keiner im Auto haben. Solche Leute versprachen Ärger, besonders in diesem Teil der Stadt, den Taxifahrer eh lieber mieden.

Sherlock fluchte lautstark, als ein weiteres Taxi an ihm vorbei fuhr. Nur wenige Straßen weiter wer eines einer Verstecke, sollte er es riskieren? Reichte die Zeit noch? Mit diesem schweren Mantel und den unbequemen Schuhen käme er ohnehin nicht schnell voran. Er musste es riskieren.

Ohne weiter nachzudenken stürmte er los. Um eine Ecke, eine weitere, die Straße bis zum Ende, einen kleinen Trampelpfad am Spielplatz entlang. Dort hinten standen mehrere Garagen, jede mit einem Vorhängeschloss gesichert.

Sherlock fand die seine, öffnete mit zittrigen Fingern das Schloss und verschwand unter der Metalltüre hindurch und schloss sie gleich wieder hinter sich. Er steckte Eilens den Schalter für das Licht in die Steckdose und eine alte Grubenlampe flackerte an. Sie hing an einem langen, rostigen Nagel an der Wand und spendete nur wenig Licht. Doch Sherlock scherte sich nicht darum. Er warf den Mantel zu Bode, kickte die Schuhe weg, zog Perücke, Nase und Narbe ab, wischte kurz mit einem alten Lappen über die restliche Schminke in seinem Gesicht und suchte nach passenden Anziehsachen.
 

Das ganze konnte nicht mehr als fünf Minuten gedauert haben, schon schloss er die Garagentüre wieder ab und stürmte befreit so schnell er konnte zur Hauptstraße. Und wenn er sich vor ein Taxi werfen müsste, jetzt würde er eines anhalten!

Doch kaum hob der normal gekleidete Sherlock die Hand, hielt auch schon ein grauer Wagen für ihn.

„In die Baker Street 221b, so schnell wie möglich!“ Er steckte dem verdutzten Inder, welcher am Steuer des Wagens saß 50 Pfund zu. „Egal wie viele Straßenverkehrsregeln Sie brechen müssen, bringen Sie mich in 10 Minuten da hin und Sie bekommen noch einen.“ Um das ganze deutlich zu machen, steckte er den Schein in die Brusttasche des karierten Hemds, welches der Mann trug. Dieser lächelte breit, nickte und gab tatsächlich richtig gas.

Sherlock saß unruhig auf der Rückbank. Zog sein Handy hervor und fand eine Nachricht seiner Mailbox. John hatte angerufen und zwar um kurz vor 10 Uhr. Er wählte die Nummer und hörte die vertraute Stimme am anderen Ende.

„Morgen Sherlock, hab Ihren Zettel gefunden, danke übrigens dafür. Wie Sie sicher schon kombiniert haben, bin ich jetzt wach. Also wenn es Ihnen keine Umstände mach…“ Eine kurze Unterbrechung folgte, dann: „Geben Sie bitte auf sich Acht, ja? Bis später.“

Nichts deutete auf Gefahr hin, aber Johns Anruf lag auch schon fast zwei Stunden zurück.

Verdammt, verdammt, verdammt!

Wie hatte er nur so blöd sein können? Agilo hatte recht gehabt mit seiner Warnung. Das verletzte Tier das er in die Ecke treiben wollte wehrte sich plötzlich.

Great Portland Street, verdammt!

Diese Metro Station lag nur 15 Minuten Fußmarsch von der Baker Street entfernt!
 

*******
 

„Sherlock? Wow, das ging aber schnell!“ rief John als er von neben an die Wohnzimmertür ins Schloss fallen hörte.

„Gut das Sie schon da sind, ich hab wirklich richtig Hunger! Bitte sagen Sie mir, dass wir was Vernünftiges zum Essen im Kühlschrank haben! Sherlock?“

Verwundert lauschte John den Schritten, die sich der Schlafzimmertüre näherten.

„Sherlock? Hab ich was angestellt oder warum sprechen Sie nicht mehr mit mir?“

Langsam öffnete sich die Zimmertüre.

„Sherlock?“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  ImSherlocked
2012-06-04T10:45:49+00:00 04.06.2012 12:45
Noooin~ du kannst doch nicht mit so einem Cliffhanger aufhören *jammer* Vor allem, weil John schon wirklich extrem viel gelitten hat und jetzt gehts weiter (?) Ich kann es ja nur vermuten ;)

Das Kapitel hat mir gut gefallen, es bringt wieder etwas Dynamik und Spannung in die Sache und ich bin gespannt, ob Sherlock noch rechtzeitig kommt oder nicht...

lg und mach weiter so
Sherly
Von:  J-a-y
2012-06-04T09:08:20+00:00 04.06.2012 11:08
Ich hab deine Fanfic gestern angefangen zu lesen und konnte gar nicht aufhören. Und jetzt war ich happy zu sehen, dass du schon ein neues Kapitel hochgeladen hast. Ich mag die Art, wie du die beiden schreibst. Das ist sehr authentisch :)
Von:  Nara-san
2012-06-04T08:44:29+00:00 04.06.2012 10:44
So spannend!
Aber woher wusste der denn dass sie in der Bakerstreet wohnen? Komisch... aber egal. Schreib schnell weiter ^^


Zurück