Abschied
„Du wirst gehen?“ Trunks' Stimme klang unnatürlich laut in der vorherrschenden Stille, welche Vegetas wütenden Worten gefolgt war.
„Ja.“ Mehr sagte Vegeta nicht. Warum auch? Es war alles gesagt, der letzte Entschluss gefasst. Vielleicht hätte er Trunks mit mehr Feingefühl auf den Abschied vorbereiten können, doch war dies mit Sicherheit keine seiner Stärken. Zudem hatte Trunks ihn gereizt. Wie konnte sein Sohn nur daran denken, ihm irgendwelche Hoffnung zu machen? Wie konnte Trunks in Erwägung ziehen, dass er Gefühle für seinen Vater hegte?
Vegeta wollte es nicht hören, wollte nicht einmal daran denken, da es seine Entschlossenheit schwächte. Doch eigentlich spielten Trunks' Gefühle keine Rolle, so lange Vegeta wusste, dass es trotzdem falsch war, ihnen nachzugeben. Ein Saiyajin mochte nicht mit moralischen Grundwerten erzogen werden, die an denen der Menschen an Menge und Intensität heranreichten, doch auch Saiyajins zogen irgendwann eine Grenze. Und für Vegeta lag sie definitiv in der Liebe zu seinem eigen Fleisch und Blut.
„Warum? Du kannst mich hier doch nicht einfach hängen lassen?“
„Ich tue das zu deinem Schutz, Junge. Verstehst du das nicht?“
„Zu meinem Schutz? So wie damals? Ist es das? Kannst du deine Gefühle immer nur zeigen, bevor du aus meinem Leben verschwindest? Du hast mich das erste Mal umarmt, als du auf einer Selbstmordmission wegen Boo warst, und jetzt? Du küsst mich und verschwindest einfach?“ Trunks sprach voll Wut und Verzweiflung. Selbst Vegeta konnte sehen, dass sein Sohn kurz davor war, seinen Tränen nachzugeben. Er hatte Trunks offenbar stärker verletzt, als er es hatte erahnen können. Eigentlich müsste er froh sein, dass Trunks so zornig auf ihn war, denn dies schuf eine emotionale Barriere zischen ihnen. Doch der Teil von ihm, der sich zu Trunks hingezogen fühlte, verging vor Schuld. Nie hatte er seinem Sohn Schmerz zufügen wollen, dennoch war es jetzt der einzige Weg, um Trunks bis zu seiner Reise auf Distanz zu halten.
„Als Kind warst du mir einfach nur lästig.“ Trunks' Wut wich einer entsetzten Bestürzung. Dennoch sprach Vegeta unbeirrt weiter: „Und nun sehe ich in dir immerhin so viel Potenzial, dass ich dich ficken möchte.“
Die Worte waren gesprochen und standen mit ihrer unbarmherzigen Härte zwischen den beiden Sayajins. Vegeta konnte sehen, wie Trunks um Fassung rang. Wie er der Wut und Enttäuschung Luft machen wollte, es aber nicht schaffte. Trunks' Mund öffnete sich zum sprechen, doch kam nur ein Geräusch der Sprachlosigkeit hervor.
Vegeta wünschte sich, Trunks würde einfach gehen. Würde die Szenerie zwischen Vater und Sohn beenden, die angesichts des von Sonnenlicht überfluteten Raumes so unwirklich wirkte. Aber scheinbar gelang Trunks nicht einmal das. So kam es, dass Vegeta das Zimmer verließ. Wie in einem Kampf ließ er seinen Gegner tödlich verwundet auf dem Schlachtfeld zurück. Nur dieses Mal trug auch er eine riesige Wunde, die sein Herz in Mitleidenschaft zog.
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Es war soweit. Alles war gepackt. Das Raumschiff mit Energie versorgt und er konnte losfliegen, wenn er das wirklich wollte. Aber Vegeta zauderte. Die letzten Tage waren die reinste Hölle für ihn gewesen. Zuerst war da sein Gespräch mit Bulma gewesen, der er irgendwie zu erklären versucht hatte, dass er dieses Mal wahrscheinlich nicht zurückkehren würde. Der er, ohne sie unnötig zu verletzen, hatte vermitteln wollen, dass ihre Beziehung endgültig beendet war – auch, falls er heimkehren würde. Doch Vegeta schien die richtigen Worte nicht gefunden zu haben, denn Bulma reagierte ebenso mit Wut und Trauer, wie Trunks es getan hatte. Fast drei Tage lang hatte er sich mit ihrer wechselhaften Stimmung herumschlagen müssen. Mal hatte sie ihm gedroht, das Raumschiff nicht Startklar zu machen, dann war sie angekommen und hatte versucht, ihn zu verführen, abwechselnd mit Sex, Essen, Reichtümern und neuen Beziehungsvereinbarungen, welche ihm größere Freiheiten gewährt hatten. Vegeta hatte jeden dieser Versuche abgewiesen, da er Bulma die Trennung nicht noch schwerer machen wollte. Aufgrund seiner scheinbar kalten Reaktion hatte Bulma ihm Vorwürfe gemacht, versucht, ihn durch ein schlechtes Gewissen zum bleiben zu bringen, doch auch das hatte keineswegs gefruchtet. Keine Vorhaltung, welche Bulma ihm machte, hatte das Maß an Schuldgefühl in ihm erreicht, wie es Trunks' Leiden tat.
Obwohl sie sich seit diesem Kuss schon aus dem Weg gegangen waren, hatten sie es geschafft, einen noch größeren Abstand zwischen sich zu errichten. Vegeta bekam Trunks überhaupt nicht mehr zu Gesicht und auch, wenn ihn dies eigentlich hatte zufriedenstellen müssen, tat es dies nicht. Er selbst sehnte sich nach Trunks und hätte ihm gerne gesagt, dass seine groben Worte nicht so gemeint gewesen waren, aber Vegetas Verstand hielt ihn davon ab. Was aber nichts dran änderte, dass Vegeta Trunks hören konnte. Sein Sohn verkroch sich in seinem Zimmer und sobald es im Haus leise war, konnte man ihn weinen hören.
Jeder Schluchzer, welchen Vegeta hörte, fügte seinem Herzen einen feinen Stich zu. Dennoch suchte er Trunks nicht auf und es war dieses eine Mal nicht sein Stolz, der ihm im Weg stand. Das pure Wissen, dass er sich seinem Sohn nicht nähern sollte, drängte die Sehnsucht zurück. Er durfte Trunks nicht ansehen, ihn nicht mehr berühren, ansonsten wäre alles, wofür er die letzten Tage gekämpft hatte, umsonst gewesen. Vegeta würde einknicken, seine Reise verschieben und sich Trunks nehmen – jegliche Moral vergessend.
Die digitale Anzeige der Wanduhr leuchte auf, es war Zeit. Vegeta wollte den Abschied nicht länger hinauszögern. Er nahm seine Jeansjacke, die ihm die letzten Jahre gute Dienste geleistet hatte, und blickte sich nochmals in seinem Zimmer um. Der Raum war leer, wirkte fast steril. Man hätte meinen können, er wäre längere unbewohnt gewesen. Obwohl Vegeta so lange schon auf der Erde lebte, hatte er dem Zimmer nie Persönlichkeit gegeben. Vielleicht war ihm unbewusst klar gewesen, dass er nicht ewig bleiben würde. Seine privaten Habseligkeiten waren zwischen seiner Kleidung in einem Seesack gelandet. Sie nahmen nicht mehr Platz weg, als ein Notizbuch.
Wie ein Schlafwandler verließ er sein Zimmer, ging die Treppen hinunter und von dort in den Garten. Sie warteten auf ihn. Bulma, seine Schwiegereltern, Son Goku, Gohan und sogar Chichi. Doch von Trunks fehlte jede Spur. Vegeta war enttäuscht, aber eigentlich war es besser so. Zumindest sagte ihm das die Vernunft. Den Stich in seinem Herzen spürte er dennoch.
Es wurden Worte gewechselt. Höflichkeitsfloskeln, die den Anschein echter Zuneigung und Herzlichkeit vermittelten. Goku, der ihn freundschaftlich und etwas gehemmt umarmte, ihn einlud, jederzeit zu einem Kräftemessen vorbei zu kommen. Bulma, die ihm einen Abschiedskuss voller Gefühl schenkte, und dann war es soweit. Ohne noch einmal nach Hinten zu sehen betrat Vegeta das Schiff, gab Zielkoordinaten ein und als es startete, erlaubte er sich einen letzten Blick auf seine Freunde, seine Familie.
Er wusste nicht, was er empfand. Bedauern? Erleichterung? Ein Wermutstropfen war mit Sicherheit, dass das letzte Mal, das er Trunks gesehen hatte, ihn dieser mit verletztem Gesichtsausdruck angesehen hatte. Das Bedauern darüber schlug tiefe Wurzeln in ihm, aber er verstand seinen Sohn, denn er selbst hätte an dessen Stelle nicht anders reagiert. Das Raumschiff durchbrach die Erdumlaufbahn und Vegeta sah sich zum ersten Mal auf dem Schiff richtig um. Obwohl er schon oft und lange hier gelebt hatte, fühlte er sich fremd. Es dauerte, bis er wusste, woran es lag – der Raum war tot, es gab nichts Lebendiges um ihn herum, er war alleine.
Fortsetzung folgt…