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19

Kapitel 19
 

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In den letzten drei Tagen war einiges passiert. Kurt musste noch immer sein halbes Zimmer einpacken, aber er schien es nicht einmal aus dem Bett zu schaffen. Blaine kam immer wieder herein, um nach ihm zu sehen. Er blieb nie sehr lange und meistens sprach er nicht einmal, sondern legte seine Hand bloß auf Kurts Bein und drückte es. Oder drückte seine Hand so fest, dass es fast schmerzhaft war. Und dann stand er auf und ging, aber das war okay, weil Kurt wusste, dass er beschäftigt war. Sie würden in zwei Tagen umziehen. Es gab einiges zu erledigen. Leute, die angerufen werden mussten wegen Wasser und Storm, Leute, die angerufen werden mussten wegen Fernsehen und Internet. Den Tisch und die Stühle, die sie mitnahmen, einpacken und natürlich die Kommode seiner Mutter. Das gute an Patchwork-Familien war, dass es Dinge doppelt gab. Sie hatten nicht alles, aber jedes bisschen half. Sie würden ein neues Bett direkt zu ihrem Apartment geliefert bekommen, genauso wie eine Wohnzimmergarnitur. Aber sie waren achtzehn und neunzehn. Sie brauchten nicht alles neu. Das war nur ihr erstes Apartment. Sie hatten später Zeit eigene neue Dinge anzusammeln.
 

Es gab so viel zu erledigen und dennoch saß Kurt einfach da, starrte die leeren Wände an und blinzelte. Er hatte seine Meinung, wegen der dummen Verhandlung, tausende Male geändert. Es hatte ihn nachts wach gehalten. Wollte er wirklich seinen Albträumen entgegen treten? Wollte er mit ihnen in einem geschlossenen Raum sein? Sicher, sein Vater und Blaine würden dort sein. Was konnten sie allerdings tun um ihn vor den Männern zu beschützen, die sein Leben fast beendet hatten? Die das Leben von jemandem beendet hatten? Was, wenn die Männer sich einfach umdrehen würden, vor dem Richter und allen, und ihn angreifen würden? Dort?
 

‚Als ob Dad das zulassen würde‘, dachte er. Aber das war der rationale Kurt. In letzter Zeit fühlte Kurt sich nicht sehr rational. Eigentlich war er sich gar nicht mehr sicher was er fühlte, außer man zählt das angespannt sein als Gefühl. Wann immer er glücklich, traurig, wütend, entspannt oder ängstlich war, änderten sich seine Gefühle oder sie vermischten sich mit anderen, so, dass er sich fühlte, als würde sein Körper praktisch in verschiedene Richtungen gezogen. Beides war kein angenehmes Gefühl.
 

Er sah auf, als er Schritte im Flur hörte und seufzte sanft. Es war bestimmt Blaine, der wieder nach ihm sah. Blaine musste schon erschöpft sein von dem vielen nach ihn sehen, denn es erschöpfte Kurt schon alleine daran zu denken, wie oft Blaine in und aus dem Raum gegangen war, nur um seine Hand zu drücken.
 

Als die Schlafzimmertür sich ohne ein Klopfen öffnete, sah er, dass er Recht hatte. Blaine kam in den Raum und blieb nicht eher stehen, bis er das Bett erreicht hatte. Er setzte sich nahe genug, dass Kurt einen Arm um seine Hüfte schlingen konnte. Nachdem er das getan hatte, küsste er Kurts Kiefer und seufzte ein wenig. „Das Abendessen ist fertig, Schatz.“
 

„Ich habe keinen Hunger. Mein Magen tut zu sehr weh, um was zu essen.“, wisperte Kurt und rückte näher zu ihm. Er wollte dieses Mal nicht, das Blaine aufstand und ging. Er wollte, dass Blaine ihn fester hielt, ihn küsste und ihm sagte, dass alles gut werden würde, egal was passiert. Er wollte es nicht. Er brauchte es.
 

Blaine zog Kurt sanft auf seinem Schoß und küsste eine Stelle hinter seinem Ohr. „Du musst etwas essen, Kurt... Carole macht sich Sorgen um dich. Stress ist nicht gut für das Baby.“
 

Kurt seufzte tief, was sein Herz schmerzen ließ und kuschelte sich an die Schulter seines Freundes. Normalerweise waren Blaines Arme der sicherste Ort der Welt, aber er schien sich so sehr hinein gesteigert zu haben, dass selbst Blaines Umarmungen nicht halfen. Das war nicht gut. Blaines Umarmungen waren in den letzten Tagen das einzige gewesen, was ihn aufmuntern konnte. „Warum hilft das nicht? Normalerweise hilft es, wenn du mich umarmst.“
 

Blaine zog ihn näher und seine Arme schlangen sich noch fester um ihn. „Oh, Kurt… Morgen wird es alles vorbei sein, Liebling. Morgen ist alles vorbei.“
 

„Ich will doch nicht mehr gehen.“, murmelte Kurt in seine Schulter. Zu diesem Zeitpunkt war es normal, dass er das jede Stunde sagte. Um ehrlich zu sein, wusste er nicht, was er wirklich wollte. Er wusste bloß, dass er das Gefühl der Angst, des verängstigt sein, und nicht in der Lage zu sein, ohne Blaines Gesang einzuschlafen, hasste. Er wollte sich nicht mehr, wie ein Baby fühlen. Blaine erzählte ihm immer wieder, dass er kein Baby war, doch er war es. Und er hasste den Ausdruck auf Blaines Gesicht, als er ihn näher zog, weil er Blaines Herz brach, ohne es zu wollen.
 

„Oh doch, das tust du.“, wisperte der ältere Junge und strich über sein chaotisches Haar. „Das tust du, mein Liebster.“
 

„Ich möchte es nicht bereuen.“, wimmerte Kurt und presste sich näher an ihn. Sie konnten sich nicht viel näher kommen, aber er versuchte es. „Ich möchte mir nicht wünschen, nicht gegangen zu sein.“
 

„Das wird nicht passieren.“, antwortete Blaine beruhigend und seine Finger wechselten von ihm durch die Haare streichen zu seinen Rücken reiben. „Aber wenn du nicht gehst, wirst du es bereuen. Erinnerst du dich, dass du das gesagt hast? Wir werden gehen. Du hast deinem Vater letzte Nacht bereits gesagt, dass du deine Meinung nicht mehr ändern darfst.“
 

„Du verstehst das nicht.“, wimmerte er. „Blaine, du verstehst es nicht.“
 

„Als ich verprügelt wurde… war es nicht mal annähernd so schlimm. Aber ich verstehe es. Und du weißt, dass ich es bereue, auch heute noch, dass ich mich ihnen nicht gestellt habe.“, sagte Blaine sanft und lehnte sich zurück, um ihm in die Augen zu sehen. „Und das möchtest du nicht, Kurt. Es ist nicht einfach, damit zu leben. Davon weg zu rennen… du wirst es bereuen. Und außerdem bist das nicht du. Ich renne immer weg und… es ist scheiße. Aber du bist anders. Du rennst nie weg.“
 

„Ich bin vor Karofsky weggerannt.“ Kurt begann unruhig auf seinen Fingernägeln zu kauen. Es war komisch, weil er sonst nie an seinen Nägeln kaute. Nicht bis die Dinge mit Karofsky im Junior Jahr begonnen hatten, so schlimm zu werden. Er biss sie nicht regelmäßig, nur wenn er gestresst war. Und momentan kam einiges zusammen.
 

„Ja. Aber du bist zurückgegangen.“
 

Blaine saß einige Minuten stumm da. Er hatte es deutlich gemacht, seinen sehr wichtigen Standpunkt. Es hatte es gesagt und wenn Kurt es aufnahm, gut. Würde wirklich irgendjemand ihn zwingen morgen dorthin zu gehen? Natürlich nicht. Das war allerdings nicht, was Kurt hören musste. Wirklich, Kurt brauchte bloß jemanden, der neben ihm saß, während er selbst versuchte sich zu entscheiden. So war es vor dem Angriff gewesen und nun wurde das Leben langsam wieder normal. Nicht das neue normal, aber normal normal, Kurt wollte nicht mehr irgendwo in der Ecke sitzen, um den Blicken auszuweichen, wenn er mit Blaine ausging. Sie versuchten zurück zu normal zu gehen, wo Kurt überall sitzen konnte, Blaines Hand halten und gar nichts darauf gab, was jemand dachte.
 

Kurt seufzte und wollte eine Pause vom nachdenken. Er musste sich ablenken. „Wen kann ich anrufen? Was kann ich tun?“
 

„Dein Vater und ich haben den Tisch und die Kommode schon im Truck.“ Blaine strich über seine Wange, seine Augen auf ihm. „Und es sind zwei Stühle in meinem Auto und zwei in deinem. Burt sagte, dass er vielleicht das Aufladen übernehmen würde, morgen nach… nach der Verhandlung, je nach dem wie lange sie dauert. Ich habe wegen der Elektrik, dem Gas und dem Wasser angerufen und Leute wegen dem Internet, dem TV und dem Telefon. Ich denke, dass fast alles, was wir mitnehmen, eingepackt ist. Ich denke, dass alles erledigt ist. Mach dir keine Sorgen. Entspann dich einfach.“
 

„Das ist momentan etwas unmöglich.“ Kurt krabbelte aus dem Bett und begann hin und her zu laufen, sehr ähnlich seinem Vater, wenn er gestresst war. „Treffe ich die richtige Entscheidung?“
 

Blaine stand auf und drückte seine Hand.
 

„Was?“
 

„Unser Fernseher ist in deinem Auto. Wir gehen nach unten.“
 

„Für was?“
 

Blaine führte ihn hinunter und setzte sich auf die Couch, drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Du wirst es gleich sehen. Ich bin sofort zurück.“
 

„Blaine, was tust du?“, fragte er wieder und wollte nicht wirklich in dem Raum alleine gelassen werden. Es war irrational, dass wusste er, aber er konnte momentan nicht anders, als nervös zu sein.
 

„Ich bin sofort zurück, mein Liebster. Ich verspreche es.“ Er küsste seine Wange und ging dann aus der Tür, nach seinen Autoschlüsseln greifend.
 

Kurt begann auf seinen Fingernägeln zu kauen, als er darauf wartete, dass sein Freund zurückkehrte. Es schien Jahre zu dauern, aber wahrscheinlich waren es nur ein paar Minuten, als er durch die Küchentür und nicht die Vordertür wieder herein kam. Er trug eine Schüssel voller Popcorn und unter seinem Ellebogen steckte ein Film.
 

„Es hat etwas gedauert bis ich ihn gefunden habe, aber ich hab‘s geschafft ihn aus den Boxen in deinem Koffer zu holen.“
 

„Was?“, fragte Kurt ausdruckslos und nahm ihm die Popcornschüssel ab. Blaine hielt ihn hoch und ein kleines Lächeln zeigte sich auf Kurts Gesicht. „Susi und Strolch!“
 

„Dein Lieblingsfilm!“, sagte Blaine stolz, sehr gerade stehend. „Und dein Lieblings Kettle Corn Popcorn, auch wenn ich finde, dass normales, gebuttertes Popcorn zehn mal besser ist. Ich denke, dass wir es uns verdient haben, mal nichts zu tun, du etwa nicht?“
 

„Ja.“ Kurt klopfte auf den Platz neben ihm und kuschelte sich direkt an ihn, als Blaine sich schließlich setzte, nachdem er die DVD eingelegt hatte. Er legte seinen Kopf auf Blaines Brust und lauschte seinem Atem, er fühlte sich ruhiger, als in den gesamten letzten drei Tagen. Blaine schlang einen Arm um ihn, rieb seinen Arm und griff regelmäßig mit der anderen Hand nach dem Popcorn, das er „hasste“. Kurt hatte allerdings das Gefühl, dass Blaine alles essen würde, dass man unter der Kategorie Essen einordnen könnte und es lange genug vor ihm stand. Außer natürlich es war Sellerie. Es war irgnedwie süß.
 

„Der Anfang und das Ende des Filmes bringen mich immer dazu, mir Weihnachten herbei zu wünschen.“, sagte sein Freund nachdenklich und sah auf den Bildschirm.
 

„Nun, da musst du noch ganz schön lange warten.“, brummte Burt vorbeilaufend.
 

„Und da wir gerade umziehen, können wir auch nicht früher einen Baum aufstellen.“, sagte Blaine.
 

„Nein, das können wir nicht. Und Blaine, ich möchte ein neues Hündchen!“ Er wartete einige Sekunden bis er auf den Bildschirm zeigte und schrie: „Blaine! Sie weint! Ich möchte ein neues Hündchen!“
 

„Deshalb darfst du ihn keine Tierfilme sehen lassen.“, warnte Burt. „Ich kann dir nicht sagen wie oft er Anfälle bekam, dass er einen Hund haben wollte als er klein war und nachdem er diesen verdammten Film gesehen hatte.“
 

„Susi ist so klug.“, sagte Kurt stolz als das hinreißende Hündchen auf dem Bildschirm sich schließlich befreite. „Wie mein Hündchen.“
 

„Kreacher ist nicht klug.“, schnaubte sein Freund, aber Kurt entschied sich, ihn zu ignorieren.
 

„Wir können uns eine Hundedame kaufen, Blaine, dann können sie Susi und Strolch sein! Oh mein Gott! Warum ist mir das nicht vorher eingefallen?“
 

„Ein Hund ist erstmal genug. Vielleicht wenn wir es geschafft haben ihm beizubringen mein Telefonladegerät nicht mehr zu essen… und Schuhe… und Bücher.“
 

„Er ist auch dein Hund.“, sagte Kurt hochmütig. „Du kannst ihn auch trainieren, weißt du. Da du derjenige bist, der es nicht schafft sein Zeug weg zu packen.“
 

„Ich habe versucht ihn zu trainieren. Aber er wimmerte und du hast ihn einfach hochgehoben und ihn geschaukelt als ob er ein Baby wäre.“, murmelte Blaine. „Vielleicht sollte ich dich für eine Woche wegschicken, während ich ihn trainiere.“
 

Kurt schlug ihm mit den Ellbogen hart in die Seite und starrte ihn an. „Oder vielleicht lasse ich dich für eine Woche auf der Couch schlafen, damit er deinen Platz haben kann!“
 

Blaine beugte sich bloß hinüber und küsste seine Wange, unbeeindruckt. „Du könntest nicht ohne mich dort schlafen und das weißt du auch. Du würdest schon nach weniger als zwei Minuten nach mir jammern.“
 

Kurt beugte seinen Kopf vor und kuschelte sich an Blaine, ziemlich liebevoll für jemanden, der ihn gerade erst mit dem Ellbogen geschlagen hatte, fast hart genug um einen blauen Fleck zu verursachen. Kurt war sehr viel stärker, als er aussah.
 

„Du bist etwas besonderes, Kurt.“, lachte Blaine und Kurt auf seinen Schoß. „Geht es dir besser?“
 

„Es würde mir bestimmt besser gehen, wenn wir morgen einen Cocker Spaniel Welpen kaufen.“, antwortete er und machte es sich bequem. Blaines Finger schlüpften unter sein Oberteil und strichen sanft seinen Bauch, die Augen auf dem Bildschirm und er antwortete nicht einmal auf dieses. „Es ist nicht nett Menschen zu ignorieren.“
 

Blaine küsste von hinten seine Wange. „Ich denke, dass wir mehr als genug Verantwortung mit dem Dingsda haben.“ Er zeigte auf Kreacher, der diesen Moment genutzt hatte um in den Raum zu rennen und schleudernd vor seinen Füßen zum Stehen kam, legte seinen Kopf zur Seite und wartete darauf, dass Kurt ihn hoch hob.
 

„Nenn ihn nicht Dingsda.“, gurrte Kurt, reichte hinunter und hob sein Hündchen hoch. „Ich denke, dass Blaine bloß eifersüchtig auf mein Hündchen ist. Meinst du nicht auch, Kreacher?“
 

„Natürlich bin ich das. Sobald er ins Zimmer kommt, schenkst du ihm mehr Aufmerksamkeit als du sie mir den ganzen Tag schenkst.“ Der ältere Junge runzelte die Stirn.
 

„Ich schenke dir genug Aufmerksamkeit.“ Kurt setzte sich wieder neben Blaine. „Aw, schau. Er mag dich.“
 

Kreacher ging zu Blaine, drehte sich drei Mal und legte sich schließlich zwischen die Jungs mit seinem Kopf auf Blaines Oberschenkel.
 

„Nein. Er tut so. Wenn du rausgehst, fängt er an mich anzuknurren.“ Blaine lehnte seinen Kopf auf Kurts Schulter und seine Aufmerksamkeit kehrte wieder auf den Bildschirm zurück. Die Jungs und der Hund blieben für den Rest des Films still.
 

Blaine sah hinunter als der Abspann lief und fand er heraus warum. Kurt schlief tief und fest, seine Hand auf Krachers Kopf, sein eigener Kopf räkelte sich an der Seite und sein Mund war leicht geöffnet. Kreacher war auch eingeschlafen und sah süßer denn je aus. „Kreacher, beweg dich.“ Kreacher öffnete ein Auge und knurrte. „Runter. Nur für eine Minute.“ Er legte seinen Kopf wieder zurück. „Na gut.“ Blaine hob den Hund an und setzte ihn auf den Boden. Dann stand er auf, ignorierte das laute Knurren des Hundes und legte Kurt hin.
 

Kurt gab einiges Wimmern von sich.
 

„Shh, shh. Ich bin hier.“, wisperte Blaine und legte sich neben ihn auf die Couch. Er wusste, dass Kurt, wenn er nicht sofort wieder einschlief, nicht genug Schlaf bis zur nächsten Nacht bekommen würde. Sonst hätte er ihn ins Bett gebracht. Nein, Kurt musste auf der Couch bleiben.
 

„Mmnbett?“
 

„Schlaf weiter, mein Liebster.“ Er küsste Kurt sanft. „Ich bin hier.“
 

„V-Verlass mich nicht.“ Kurt bewegte sich und rutschte näher an Blaine.
 

„Niemals.“, schwor Blaine. „Gute Nacht.“
 

Kurt gab ein sanftes Schnarchen von sich, seine Hand flach auf Blaines Brust ruhend. Es war erst neun Uhr, das Geschirr war noch nicht einmal gespült und Kurt schlief bereits.
 

Blaine bewegte sich allerdings nicht. Er schlief stundenlang nicht. Da es, umso näher es acht Uhr morgens kam, immer schwerer wurde zu atmen. Wenn er Kurt wäre, würde er niemals seinen Angreifern gegenüber treten. Niemals. Das war allerdings der Unterschied zwischen ihnen beiden. Blaine konnte manchmal sehr verschlossen sein wenn es um seine Sexualität ging. Er hatte sich geoutet, er war stolz, aber das hieß nicht, dass er es mochte, sich selbst dort raus zu bringen, in eine Position, wo er verletzt werden konnte. Kurt interessierte das allerdings nicht. Er würde morgen in den Gerichtssaal gehen, genauso wie er letztes Jahr in die Turnhalle der McKinley gegangen war um sein Diadem entgegen zu nehmen. Das machte Blaine auf eine Art wirklich Angst. Was wenn er in einem oder in fünf Jahren vor den falschen Personen etwas zu mutig sein würde? Vielleicht würde Kurt das nächste Mal derjenige sein, der starb…
 

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Der nächste Morgen kam schneller, als Kurt es wollte. Er fühlte sich, als ob er gerade erst eingeschlafen war, auf der Couch an Blaine gekuschelt, als Carole ihn sanft wach rüttelte. Er duschte, aber es war nicht wirklich gründlich, da seine Gedanken woanders waren und er immer wieder vergaß, wo er sich schon gewaschen hatte. Er wollte sein Haar stylen, aber seine Hand zitterte zu sehr, um sie auch nur anständig zu föhnen, also musste er seine Haare heute entgegen besserem Wissen an der Luft trocknen lassen. Er hatte sich etwas Toast herunter gezwungen, nachdem Carole zu weinen begonnen und gemeint hatte, dass er krank werden würde und jetzt war er auf dem Parkplatz des Gerichtes und es fühlte sich an, als würde sein Herz direkt aus seinem Körper springen.
 

„Es interessiert mich nicht, was da drinnen passiert. Es wird nichts ändern.“, sagte sein Vater ernst aber sanft. „Hier geht es darum, damit abschließen zu können und nichts anderes. Du hast gewonnen, Kurt. Es interessiert mich nicht, ob sie nur für drei Tage eingesperrt werden, Kiddo. Du hast gewonnen.“
 

„Ich weiß, Dad.“, seufzte Kurt, bewegte sich aber nicht aus dem Auto.
 

„Und es wird alles okay. Blaine und ich sind hier.“
 

„Ich weiß, Dad.“
 

„Finn würde auch hier sein, aber Carole – .“
 

„Dad, ich weiß. Du bereitest mir Kopfschmerzen.“ Kurt begann an seinen Nägeln zu kauen. Er war überrascht, dass er nach gestern überhaupt noch Nägel übrig hatte. Blaine nahm sanft seine Hände, beide, und hielt sie in seinen eigenen. „Lass uns einfach hinein gehen, okay?“
 

„Kurt… gut. Lass uns gehen.“ Burt öffnete die Fahrertür und stieg aus.
 

Kurt öffnete die Autotür, nachdem er seine Hände befreit hatte und hielt sie für Blaine auf. Blaine trat sofort neben ihn, Seite an Seite berührten sie einander und Blaine nahm seine Hand. Kurt flippte innerlich ein wenig aus und war, wenn er ganz ehrlich war, überrascht, dass er überhaupt laufen konnte, aber Blaines Anwesenheit half wirklich.
 

Burt ging ins Gerichtsgebäude, aber Kurt blieb an der Treppe zum Eingang stehen und sah Blaine mit großen, blauen Augen an. „Blaine, ich k-kann das nicht tun. Können wir nach Hause gehen?“
 

„Wir wissen beide, dass das nicht geht.“, wisperte Blaine, als sein Herz in die Hose rutschte. Burt drehte sich um und sah ihn durch die Glastür an, kam aber nicht wieder heraus. Es war wahrscheinlich besser so. Burt würde nur ungeduldig werden, anders als Blaine.
 

„Dad kann mir erzählen was passiert ist.“
 

„Es wäre nicht dasselbe.“
 

Kurt presste seine Lippen zusammen und begann seine Hände zu ballen. „Nein. Ich kann das nicht.“ Er spannte sich an, als Leute neben ihnen die Stufen hochgingen, aber sie waren nur Anwälte und ein Polizist, also entspannte er sich. Er strich mit einer zitternden Hand durch sein Haar, von dem er sich jetzt wirklich wünschte, dass er es gemacht hätte. „Nein. Nein. Lass uns zurück zum Auto gehen, bitte. Ich kann nicht. Mein Magen tut weh.“
 

„Ich weiß, ich weiß.“ Blaine fühlte einen Kloß im Hals. Es brachte ihn um, Kurt so zu sehen, da es ihn an die ersten Tage erinnerte, wo er unter starken Medikamenten stand. Diese Tage waren die absolute Hölle gewesen. „Aber du musst das tun, Kurt. Du wirst es dir nie vergeben, wenn du das nicht tust, Schatz.“
 

„Das weißt du nicht!“, wisperte Kurt. „Blaine, das weißt du nicht!“
 

„Doch. Das tu ich. Komm schon, Kurt. Hör auf.“ Blaine ergriff seine Hand. „Hör auf.“
 

„Ich kann das nicht tun, ich kann das nicht tun. Bitte, Blaine, zwing mich nicht dazu. Bitte. I-Ich werde im Auto sitzen bleiben. Sag Dad, dass wir nicht gehen. O-Oder ich werde alleine im Auto bleiben.“ Seine Stimme brach und er war den Tränen nahe. Es führte dazu, dass Blaine ebenfalls weinen wollte. „Bitte.“
 

Blaine legte seine Hand unter Kurts Ellbogen und führte ihn die Stufen hinauf. Kurt protestierte überraschenderweise nicht. Stattdessen holte er mehrmals tief Luft und griff mit seiner anderen Hand um seinem Körper herum nach Blaines T-Shirt. „Du machst das gut, Kurt. Es wird bald vorüber sein und dann gehen wir nach Hause und müssen nie wieder so etwas machen. Das verspreche ich.“
 

„Ich denke nicht, dass ich das kann.“, sagte er mit leiser Stimme.
 

„Kind, wenn wir nicht denken würden, dass du das tun kannst, wärst du jetzt nicht hier.“, sagte sein Vater mürrisch. „Wenn ich nicht überzeugt wäre, dass du das brauchst, hätte ich dich am Tag nach deinem Schulabschluss ausziehen lassen. Du wirst ausziehen und dein Leben wieder anfangen. Das hier wird dir dabei helfen.“
 

„Was, wenn es das nicht tut? Was, wenn es das hier schlimmer macht?“
 

„Ich schätze jetzt musst du dich entscheiden, was für eine Art Mann du bist.“ Burt schubste ihn vorwärts. „Wir sind beide hier. Sie werden uns erst in einer Weile in den Saal lassen, also müssen wir warten. Warum setzten wir uns nicht hin oder so?“
 

„Ich möchte mich nicht setzen.“, murmelte Kurt und begann auf und ab zu gehen – aber ging verdammt sicher sehr nahe bei seinem Vater und festen Freund zu bleiben.
 

Er war hier. Er konnte nicht gehen.
 

Aber er wollte wirklich gehen.
 

Er dachte, dass es einfacher werden würde.
 

Warum dachte er, dass es einfacher werden würde?
 

Aber hatte er das wirklich? Er flippte andauernd aus, aber die Tatsache, dass er umso später es wurde immer mehr ausflippte, musste etwas bedeuten.
 

„Dir wird schlecht werden, wenn du weiterhin so im Kreis rennst“, wisperte Blaine und legte seine Hände auf Kurts Schultern. „Na los, setzen wir uns zu deinem Vater.“
 

„Können wir wieder zurück nach draußen? Ich brauch frische Luft.“ Kurt wartete nicht auf Blaines Antwort. Er befreite sich bloß aus Blaines Griff und ging hinaus, er blieb nicht stehen bis er auf dem Bürgersteig stand. So war er am weitesten vom Gebäude entfernt, ohne auf die Straße zu gehen. Er wollte nichts Dummes tun, er wollte nur so weit weg von dem dummen Gebäude wie es ging. Für jetzt, zumindest für jetzt, so dass er sich beruhigen konnte und sich daran erinnern warum er hier war. Er war hier, weil er stark war, weil es vorbei sein musste, weil er besser war als die Menschen, die ihn ins Krankenhaus gebracht hatten, weil er gewonnen hatte und schließlich, eben weil es fast vorüber war.
 

Es war fast vorüber. Er musste bloß rational darüber nachdenken. Wie lange konnte es dauern vor dem Richter zu stehen, sich schuldig zu erklären und angehört zu werden? Burts Anwalt für die Werkstatt war der Meinung, auch wenn er keine Ahnung von solchen Fällen hatte, dass es sehr schnell gehen würde, da es eine besondere Art Verhandlung sei. Die Männer würden hereinkommen, vor dem Richter stehen, schuldig oder nicht schuldig plädieren (obwohl alle drei Männer, wenn alles nach Plan verlaufen würde, schuldig plädieren würden um einer längeren Verhandlung zu entgehen), sie würden angehört werden und dann von Polizisten herausgeführt werden. Alle Männer würden einzeln kommen. Als erstes der Mann, der Kurt und die anderen körperlich verletzt hatte. Bei ihm war es wahrscheinlicher, dass er länger angehört werden würde. Dann würden die beiden anderen folgen.
 

Es war fast vorüber. Er musste das hier nur durchstehen und dann konnte er nach Hause gehen und sie könnten den Truck seines Vaters das erste Mal beladen für ihren Trip nach Cincinnati und dann auf einen letzten Kaffee ins Lima Bean mit Blaine gehen, bevor sie umzogen, es würde vorüber sein, sie würden zusammen leben. Und sie würden glücklich sein mit ihrem Hund und David nah bei ihnen. Kurt würde im August mit dem College beginnen, einen Job kriegen und einfach leben.
 

Das Leben konnte beginnen.
 

Nachdem das hier vorbei war, konnte sein Leben wieder wirklich beginnen.
 

Weil er es verarbeitet hatte.
 

Das hatte er wirklich.
 

Und manchmal war er sogar ganz glücklich gewesen.
 

Aber sein Angriff und diese Angst waren immer präsent und es traf ihn immer auf andere Arten. Die Folgen des Angriffs verfolgten ihn emotional und körperlich. Wenn er viel lachte und er einen stechenden Schmerz in der Brust bemerkte, erinnerte es ihn daran, dass seine Lunge noch immer nicht ganz gesund war, selbst heute noch. Oder er wachte mitten in der Nacht hustend auf und konnte nicht aufhören bis er ins Badezimmer gestolpert war, um sich Wasser zu holen oder bis Blaine aufwachte, um ihm welches zu holen. In letzter Zeit hatte er immer ein Glas neben seinem Bett stehen um blaugeschlagene Zehen, Stolpern über Schuhe oder wütende Tiere zu vermeiden. Manchmal wachte er bloß sehr schwach auf und konnte nicht einmal zur Schule gehen – es war nicht so, dass er müde war und er konnte es nicht immer erklären, aber er wusste, dass es von seinen Verletzungen kam. Manchmal wachte er zitternd auf und erinnerte sich nicht an seinen Traum, doch wusste, dass er von seinem Angriff handelte. Er war im Supermarkt oder im Shopping-Center und wurde plötzlich total paranoid. Das passierte kaum, wenn er mit Blaine zusammen war, aber ziemlich oft, wenn er mit Carole Lebensmittel einkaufte oder mit Rachel und Mercedes unterwegs war. Das war wahrscheinlich das schlimmste. Die plötzliche Furcht ohne irgendeinen erkennbaren Grund.
 

Also, ja, er war glücklich gewesen… aber er konnte nicht lügen und sagen, dass alles besser war und dass er keine Auswirkungen seines Angriffs mehr spürte. Aber nach heute… würden sie im Gefängnis sein. Es würde wirklich vorbei sein. Zumindest der emotionale Aspekt würde besser werden. Weil Blaine und er, selbst wenn sie aus dem Gefängnis kommen würden, zwei Stunden entfernt wohnen würden. Nicht nur das, man wusste auch nicht wie anders er aussehen würde, wenn sie aus dem Gefängnis kamen. Okay, sein Aussehen konnte sich nicht so sehr ändern. Aber er würde dennoch anders aussehen. Und, je nachdem, wie lange es bis dahin war, würde er vielleicht nicht einmal mehr in Ohio leben. Er hatte sich selbst davon überzeugt, dass das wirklich das Ende war, danach würde alles wieder normal werden.
 

„Kurt…“, seufzte Blaine sanft und blieb einige Minuten später direkt vor ihm stehen. Er sah seinen festen Freund an, haselnussbraune Augen weich und besorgt. „Möchtest du nach Hause gehen? Ich werde dich nach Hause bringen, wenn du es wirklich möchtest. Und dann komme ich zurück und hole deinen Vater ab. Wenn es das ist, was du wirklich möchtest.“ Er berührte Kurts Arm und ließ seine Finger dort verweilen, während er ihm in die Augen sah.
 

„Nein, nein, nein. Ja. Aber nein. Ich muss bleiben.“, sagte Kurt ernst und hob seine Hand ein wenig in die Luft. „Ich möchte nach Hause, ich möchte wirklich, aber… aber ich muss bleiben. Ich werde bleiben.“
 

„Du machst mich verrückt, weißt du das?“ Blaine lächelte ihn leicht an. „Ich kann mir nur vorstellen wie verrückt du dich selbst gerade machen musst.“
 

„Ich habe mich mittlerweile daran gewöhnt.“, murmelte Kurt sanft. „Es ist nur… Ich weiß nicht… wie ich es erklären soll.“
 

„Wir haben noch etwas Zeit bis wir hineingehen müssen.“, wisperte sein Freund und führte ihn zum Gebäude, damit sie sich auf eine Bank außerhalb setzen konnten. „Du kannst es versuchen.“
 

„Ich werde es versuchen…“ Er presste seine Lippen zusammen und starrte auf die kalte, grüne Metallbank. „Es ist nur… Ich weiß, dass ich das machen möchte. Ich weiß, dass ich es muss und wenn wir einfach hineingehen und es vorbei sein könnte, das wäre gut… aber das Warten. I-Ich habe seit Monaten gewartet.“ Er sah auf und holte zitternd Luft. Er fühlte sich, als ob er zusammenbrechen würde. Er wollte weinen. „Ich habe seit M-Monaten gewartet und ich… es ist schlimmer als auf eine Wurzelbehandlung zu warten, Blaine. Es m-macht mich zu einem Wrack und ich… Mein Gott. Ich fühle mich wie ein Baby.“
 

„Nein, Kurt.“ Blaine bewegte seine Hand an seinem Arm beruhigend auf und ab und setzte sich neben ihn. „Du bist kein Baby. Absolut nicht.“
 

„Das ist einfach so schwer.“, wisperte er und sein Gesicht verzog sich. Er versuchte, nicht zu weinen, doch es funktionierte nicht. Das bahnte schon den ganzen Morgen an. Er wusste nicht einmal ob er weinte, weil er aufgebracht war oder weil seine Nerven blank lagen. Er konnte die Tränen nicht stoppen, sobald sie fielen. Er war wirklich überrascht, dass seine Stimme so gefasst klang. „Ich möchte einfach mein Leben zurück. Ich möchte mich einfach n-n-normal fühlen.“
 

Blaine zog ihn nahe zu sich, so dass sein Kopf auf Blaines Brust lag und wisperte in sein Ohr, schaukelte ihn. „Es ist fast vorbei… Ich verspreche, dass es fast vorüber ist, Schatz… shh… oh, Kurt… shh. Alles wird bald wieder normal, mein Liebster. Ich verspreche es. Ich verspreche es.“
 

Kurt bemerkte all die Leute, die sie komisch ansahen, wenn sie an ihnen vorbei gingen und ins Gerichtsgebäude traten, nicht. Er brauchte sogar einigen Minuten, um von Blaines Brust aufzusehen. Sobald er seinen Kopf hob, beugte Blaine sich hinunter, küsste seine Stirn, seine Wange, seine andere Wange und schließlich seine Lippen.
 

„Geht es uns besser?“, wisperte er und wischte Kurts Tränen sanft mit der Unterseite seiner Daumen weg.
 

Kurt zitterte ein wenig und holte tief Luft. Eine Minute lang dachte er, dass er wieder weinen würde, doch stattdessen nickte er und setzte sich gerader hin. „Ja. Ich… Gib mir noch ein paar Minuten und dann können wir hinein gehen.“
 

„Okay.“, nickte Blaine und küsste seine Haare. „Sag mir einfach, wenn du bereit bist und wir werden hinein gehen.“
 

Kurt lehnte sich gegen Blaine und sah auf die Uhr seines Freundes. Exakt fünf Minuten und dreiundzwanzig Sekunden vergingen bevor Kurt noch einmal tief Luft holte und ohne zu zögern aufstand. Blaine griff seine Hand und stand ebenfalls auf, küsste seine Wange und ging mit ihm zur Tür.
 

„Ich kann das.“, wisperte Kurt, streckte seine Hand aus, ergriff den Türgriff und öffnete die Tür. Blaine hob seine Hand über Kurts Kopf, hielt dem Jüngeren die Tür auf und folgte ihm dann zurück ins Gerichtsgebäude und zu Burt.
 

“Bist du okay, Kiddo?“, fragte Burt unwirsch, rutschte auf der Bank hinüber und machte den Jungen Platz, während er seinen Sohn ansah.
 

„Mir geht es gut.“, antwortete Kurt und hielt seinen Kopf hoch.
 

„Okay.“, sein Vater nickte. „Ich denke, dass wir alle drei, nachdem wir hier fertig sind, Mittagessen sollten und dann heute noch den Küchentisch und die Kommode hoch bringen. Dann bleiben nur noch die Kartons und ich denke, das wir die morgen alle auf meinen Truck und eure Autos aufteilen können, richtig?“
 

Kurt war sich nicht sicher, ob sein Vater versuchte ihn abzulenken oder sich selbst, aber er war auf jeden Fall dankbar für die Ablenkung. „Ja. Es wird eng werden, aber wir kommen am Freitag eh wieder zum Abendessen hierher, so dass wir bis dahin überleben werden, wenn wir nicht alles mitnehmen können.“
 

„Alles gepackt?“ Burt sah zwischen den beiden Jungs hin und her.
 

„Zirca neunzig Prozent.“, zuckte Blaine mit den Schultern. „Es wird nicht lange dauern bis wir den Rest eingepackt haben.“
 

„Gut.“, seufzte Burt und sah hinunter auf seine Uhr. „Es ist fast viertel vor neun. Ich werde zur Toilette gehen und bin dann sofort zurück.“ Er tätschelte Kurts Knie zwei Mal und drückte sich hoch, bevor er durch den Flur ging.
 

Es passierte alles gleichzeitig.
 

Kurts Atem stockte. Es dauerte einige Sekunden um es zu bemerken, aber alle Alarmglocken in seinem Kopf schrillten. Der Mann, der den Flur herunter kam, den Flur, den er nicht hinunter kommen sollte, das war er. Der Mann, der ihn angegriffen hatte. Er sollte den Mann nicht sehen, bevor er in einem Raum voller Polizisten und Anwälte für ihre Anhörung war. Wenn er den Mann sah, sollte er zwischen seinem Vater und Blaine sitzen, beschützt. Sicher. Der Mann würde in die andere Richtung sehen, den Richter ansehend und er sollte Kurt nicht sehen. Der Mann, der ihn angegriffen hatte, sollte nicht den Haupteingang benutzen! Ihm wurde versprochen, dass er die Männer nicht sehen müsste, oder eher, dass die Männer ihn nicht sehen würden.
 

Kurts Augen weiteten sich, als er den Mann anstarrte. Er wusste, das er in der Nacht nicht in der Lage gewesen war den Mann zu erkennen, da es so dunkel gewesen war, aber er wusste einfach, dass das der Mann war, der ihn gefasst und angegriffen hatte. Er wusste es einfach. Der Mann war älter und Kurt schätzte, dass er ungefähr so alt wie sein Vater war oder etwas älter. Er war ein großer Mann mit der Figur eines Wachmannes oder Polizisten und er war glatzköpfig. Er sah ansonsten komplett durchschnittlich aus. Der Mann lächelte und sah aus wie jeder Mann, der in einen Supermarkt kam. Er sah normal aus.
 

Blaines Hand lag auf seinem Rücken und er beugte sich vor und presste einen Kuss auf sein Haar.
 

„Blaine.“, wimmerte Kurt während seine Finger sich in Blaines T-Shirt klammerte.
 

„Alles okay. Du machst das gut, mein Liebster.“, wisperte er sanft und küsste ihn wieder auf die Stirn.
 

„Nein, Blaine… d-da ist er.“
 

Blaine versteifte sich und seine Augen weiteten sich. „Sie sollen nicht hier durch gehen, Kurt. Du musst falsch liegen. Sie dürfen hier nicht lang.“
 

„Das ist er.“ Kurts Stimme zitterte und seine Hand festigte instinktiv den Griff in Blaines T-Shirt als der Mann, der nun mit einer Frau lachte, in ihre Richtung sah. Er erstarrte. Sah er weg? Traf er seine Augen? Was wenn der Typ einfach auf ihn zu laufen und ihn wieder angreifen würde? Warum hatte Kurt gedacht, dass er das tun konnte? „Blaine, das ist er.“
 

Der Mann und die Frau kamen zu ihnen. Wenn Blaine mehr Gewissheit brauchte, dass dies der Mann war, bemerkte dieser Mann schließlich einen entsetzten Kurt und grinste sie befriedigt an. Seine Augen verweilten auf Blaine. Kurts Magen verknotete sich und er stand sofort auf und versuchte seinen Freund vor den Blicken des Mannes abzuschirmen. Seine Finger klammerten sich noch immer in das T-Shirt seines Freundes, so fest, dass er, wenn er den Stoff los ließ, sicherlich Abdrücke hinterließ, aber das war egal. Er zog Blaine näher, als ob er nicht wollte, dass der Mann die Zeit hatte sich einzuprägen wie er aussah. Für ihn zählte im Moment nichts mehr als Blaine zu verdecken. Denn niemand, niemand, würde jemals seinem Freund etwas antun, solange er es verhindern konnte.
 

Blaine konnte allerdings nicht wegsehen, nicht einmal als Burt zu ihnen kam. „Ich denke, dass – ? Kind, was ist los? Brauchst du etwas? Was – ?“ Er bemerkte Kurts geweitete Augen, wie sie jemanden anstarrten, wie er Blaine verängstigt festhielt, ihn aber auch beschützte und wie Blaine einfach denselben Mann anstarrte, den Kurt beobachtete, seine Augen zu Schlitzen verengt.
 

Der Mann lief vorbei und beugte sich über Burts Schulter. „Du siehst verängstigt aus, hübscher Junge. Mach dir keine Sorgen. Nächstes Mal komme ich nicht wegen dir.“ Seine Augen hingen an Blaine.
 

Kurt stand steif auf. Sein Mund öffnete sich nicht. Burt hatte seinen Mund geöffnet um etwas zu sagen, seine Faust hebend als ein Anwalt vorbei kam. „Komm schon, Chad. Sie sind bereit für uns.“ Als er den Mann wegzog zischte dieser: „Du weißt, dass du mit niemandem reden kannst. Versuchst du diesen Fall zu verlieren?“
 

„Ich werde einen Polizisten holen.“, knurrte Burt. „Was hat er getan bevor ich hierher kam? Was zur Hölle ist gerade passiert?“
 

„Mach dir nicht die Mühe. Er wird mich nicht anfassen.“ Blaines Augen folgten noch immer dem Mann, als er den Flur hinunter lief. Der Mann drehte sich zurück und traf Blaines Augen, zwei Mal. Beide Male grinste der Mann, Chad, und zwinkerte. „Er versucht bloß Kurt Angst zu machen.“
 

„Ich wusste, dass wir nicht hätten herkommen sollen!“, schrie Kurt und ließ seinen Freund erst los, als der Mann aus seinem Blickfeld verschwand. Er schmiss sich neben Blaine auf die Bank und schmiss seine Arme verzweifelt in die Höhe. „Was habe ich mir dabei gedacht? Oh mein Gott.“
 

„Nein. Dieser Mann darf nicht einmal in diesem Flur sein, Kurt. Er hat das mit Absicht getan.“
 

„Du hast nicht gesehen, wie er Blaine angesehen hat, bevor du herkamst, Dad! Ich wusste, dass wir nicht hätten herkommen sollen. Ich weiß nicht, warum ich es wollte. Es war dumm. Ich bin dumm. Bringt mich einfach nach Hause, okay?“
 

„Nein.“, sagte Burt ernst. „Wir werden zusehen, wie sie diese Männer für eine sehr lange Zeit ins Gefängnis schicken. Ich werde diese Befriedigung nicht sausen lassen, Kurt, und du auch nicht.“
 

„Aber das werden sie nicht.“, wimmerte Kurt, seine Gedanken rasten. Es tat weh zu atmen. Sein ruhiges Auftreten war innerhalb von Sekunden verschwunden. Der Mann war ein Erwachsener gewesen. Er hatte an Hand der Stimmen der Männer gewusst, dass es kein Teenager war, aber ein Teil von ihm hatte kindischer Weise gehofft, dass die Angreifer von seiner Schule waren. So hätte er nicht überall Angst haben müssen. Wenn es jemand gewesen war, der ihn kannte, nun ja, dann war es jemand gewesen, der ihn kannte, Nun würde er, wann immer er die Straße hinunter ging, nervös sein, wieder angegriffen zu werden. Er spürte Blaines Hand auf seiner eigenen, nahm sie beschützerisch und hörte ihn etwas in sein Ohr flüstern, aber Kurt verstand es nicht. Das Blut rauschte so laut in seinem Kopf, dass er sich auf nichts konzentrieren konnte.
 

„Komm. Wir müssen uns jetzt setzen.“, sagte sein Vater mürrisch.
 

„Ich will nicht.“
 

„Du hast mich gebeten dich her zu bringen, Kurt. Du hast mir gesagt, dass ich dich nicht gehen lassen darf, egal was passiert. Ich lasse dich nicht gehen. Du brauchst das hier mehr als ich, Kind. Du brauchst den Abschluss. Ich möchte, dass du deinen Abschluss bekommst. Und ich gehe nicht, bevor der Mann für das bezahlt hat, was er dir angetan hat. Du hast dich vielleicht nicht selber im Krankenhausbett vor deiner OP gesehen, um Luft ringend, ich schon. Ich habe dich gesehen, bevor du diesen Schlauch in deinem Hals hattest um dir beim Atmen zu helfen. Und es ist nichts, dass ich jemals vergessen werde. Diese Männer werden bezahlen und wir werden dabei zusehen.“, sagte Burt wieder ernst, die Hände auf seinen Schultern und sah ihm in die Augen. „Okay?“
 

„Was, wenn sie keinen Ärger kriegen?“, wisperte Kurt mit heiserer Stimme.
 

„Fünf Angriffe auf schwule Kinder in sechs Monaten? Beim letzten wurden sie gefasst. Zwei Jungen haben ihre Gesichter identifiziert, ein Mädchen ihren Namen und du ihre Stimmen und das andere Kind starb. Sie werden ins Gefängnis gehen, Kurt. Das werden sie.“ Burt zog ihn in eine schnelle Umarmung. „Lass uns jetzt dort hinein gehen. Bleib zwischen mir und Blaine, okay? Halt einfach Blaines Hand. Alles wird gut werden.“
 

„Aber du hast den Ausdruck nicht gesehen, mit dem er Blaine angesehen hat, Dad. Er sagte –“
 

„Schau, Kurt.“ Burt zeigte auf Blaine. „Blaine ist hier. Was soll er Blaine tun? Was könnte er Blaine vor all diesen Menschen tun? Ich werde ihn ganz sicher keinen von euch beiden anfassen lassen, Kind. Blaine hat Recht. Er versucht dir Angst zu machen.“
 

„Nachdem er heraus kommt – .“
 

„Der Mann kennt deinen Namen nicht, Kurt. Sie kennen keinen der Namen von den Leuten, die sie angegriffen haben, genau aus dem Grund. Alle Maßnahmen für deine Sicherheit wurden getroffen. Gestern war das genug.“
 

„Gestern haben sie mir nicht gesagt, dass – .“
 

„Kurt.“, wisperte Blaine in sein Ohr. „Bitte. Der Mann hat versucht dir Angst zu machen. Er möchte wahrscheinlich, dass du dort hinein rennst und sagst, dass du die Anklage fallen lässt, so dass er deine Krankenhausrechnungen nicht zahlen muss und weniger Zeit im Gefängnis verbringen muss. Mehr ist das nicht.“
 

Kurt öffnete seinen Mund um zu protestieren. Alles, woran er denken konnte, war, dass diese Männer aus dem Gefängnis kommen würden, sie jagen und dann Blaine verletzten, nur um es ihm heimzuzahlen, dass sie seine Rechnungen bezahlen mussten. Hatte Blaine Recht? Hatte er versucht ihm Angst zu machen, nur damit er seine Rechnungen nicht bezahlen musste? Nun, das funktionierte.
 

„Kiddo, wir müssen jetzt hinein gehen, sonst lassen sie uns nicht mehr. Du musst dich beruhigen und da hinein gehen, okay?“ Burt beugte sich vor ihm auf Augenhöhe hinunter. Er sprach sehr langsam: „Niemand wird dich verletzen, Kurt. Es wird auch niemand Blaine verletzen. Es wird so sein wie wir es besprochen haben. Sie werden hineingehen, auf Schuldig plädieren und dann gehen. So einfach. Gut?“
 

„Okay.“, wisperte er schließlich.
 

Sein Vater zog ihn hoch, umarmte ihn wieder und drückte einen schnellen Kuss auf sein Haar. „Es ist alles okay, Sohn. Ich verspreche es.“
 

Blaine stand auf, ging, Kurts andere Hand ergreifend, zur Tür und führte ihn in den Saal. Ihm war bewusst, wie fest Kurt seine Hand hielt, aber als er sich umdrehte um seinen festen Freund anzusehen, sah er auch, dass Kurt seinen Kopf hoch erhoben hielt. Er drückte Kurts Hand, wie er hoffte, beruhigend und setzte sich in die letzte Reihe, sehr stolz auf Kurt. Kurt saß so nahe bei ihm wie möglich und behielt seinen festen Griff um Blaines Hand, aber er war noch immer da und das war mehr als Blaine in seiner Situation tun würde. Seine Hände zitterten und Blaine bewegte Kurts Hände auf seinen Schoß und verdeckte sie mit seinen. „Ist schon okay.“, wisperte er und beugte sich hinüber. „Es ist alles in Ordnung. Du machst das wirklich gut.“
 

Kurt antwortete nicht, aber seine Hände entspannten sich deutlich. Blaine sah wie seine blauen Augen den Raum durchsuchten, erst verweilten sie auf dem Mann und dann auf verschiedenen zufälligen Leuten, die auch dort saßen. In einer der vorderen Reihen saßen eine Mann und eine Frau. Die Frau weinte, ihre Hände verdeckten ihr Gesicht und der Mann hielt sie.
 

„Das sind wahrscheinlich die Eltern des Jungen.“, hörte er sich selbst leise flüstern, zu niemand bestimmten. Er sah niemand anderen, der aussah als wäre er angegriffen worden. Er hatte das Gefühl sie waren alle entweder da, weil sie die Familien der Angreifer waren oder aus einem anderen belanglosen Grund. War er der einzige, der zur Verhandlung gekommen war? Und machte ihn das dumm? Sollte er nicht hier sein?
 

Sein Vater sah ebenfalls zu den Eltern, seine Hand lag auf Kurts Knie und drückte es fest. Seine andere Faust war geballt und sein Bein zappelte unregelmäßig auf und ab. Kurt legte seine freie Hand über die seines Vaters und holte noch ein letztes Mal tief Luft, während er seine Augen von der Frau und dem Mann löste.
 

Blaine beugte sich hinüber und drückte einen Kuss auf seine Wange. „Geht’s dir gut, mein Liebster?“
 

„Ja.“ Kurt lehnte sich gegen ihn. „Ich liebe dich.“
 

„Ich liebe dich auch, Kurt.“ Blaine küsste wieder seine Wange und drückte seine Hand.
 

„Entschuldigung?“ Kurt sah auf. Der Mann, der seine Frau gehalten hatte, stand direkt vor ihm, die Frau schniefte und setzte sich auf die nächste Bank und sah ihn an. „Du bist der andere Junge, oder? Der achtzehnjährige, der… der angegriffen wurde?“
 

„Ja.“, antwortete Kurt mit zitternder Stimme.
 

Der Mann setzte sich in die Reihe zu seiner Frau und drehte sich so, dass er ihn noch immer ansah. „Ich möchte dir danken. Die Polizei hat gesagt, dass… dass ohne deine Aussage der Fall nicht so sicher wäre und sie vielleicht frei gelassen worden wären. Ich weiß, dass es schwer gewesen sein muss… du bist ein sehr mutiger junger Mann.“
 

Kurt fühlte einen Kloß im Hals und nickte.
 

Der Mann gestikulierte zu seiner Frau. „Unser Sohn, Adam… er ist derjenige, der starb. Meine Ehefrau und ich… wir haben gehofft, dass du hier sein würdest. Wir hatten gehofft, dass Adam aufwachen würde und… aber… wir sind froh, dass es dir gut geht. Wir sind froh, dass irgendjemand…“
 

Die Frau beugte sich vor und ergriff seine freie Hand. „Wir sind froh, dass es dir gut geht und du sicher bist. Wir hatten gehofft, dass alle anderen Kinder es wären. Geht es dir gut?“
 

„Ich… es wird. Ich meine, mir geht es gut. Größtenteils.“, wisperte er zurück und drückte ihre Hand.
 

„Du bist ein wunderschöner Junge. Mein Name ist Amber.“
 

„Kurt.“, flüsterte er sanft.
 

„Du bist ein wunderschöner Junge, Kurt.“ Sie berührte seine Wange mit ihrer freien Hand. „Ich hoffe, dass du in der Lage sein wirst, das hinter dir zu lassen und glücklich zu sein, denn was diese Männer getan haben… ist es nicht wert dich zurückzuhalten. Okay? Kannst du mir versprechen, dass zumindest eine Person gut aus dieser Sache herauskommen wird?“
 

„Ich verspreche es.“, schwor Kurt und traf seine Augen.
 

Der Mann klopfte seine Schulter bevor er seine Frau dorthin zurückführte, wo sie zuvor gesessen hatten, vorne im Gerichtssaal.
 

Etwas in Kurt schien sich verändert zu haben. Es war, als ob alles etwas reiner wäre. Er sah wieder durch den Raum, seine Augen wanderten zu dem Mann, der ihn angegriffen hatte, der ihm seine Narben verpasst hatte, aber er fühlte nicht mehr das überwältigende Bedürfnis aus dem Raum zu rennen. Seine Hände begannen nicht wieder zu zittern, seine Brust verengte sich nicht schmerzhaft und er wollte nicht weinen. Der Kloß in seinem Hals war verschwunden.
 

„Blaine.“, wisperte er und beugte sich hinüber.
 

„Ja?“ Blaine sah ihn an.
 

Kurt lächelte ihn schwach an und drückte seine Hand, als der ältere Richter den Raum betrat. Jeder musste aufstehen, der Mann schwor auf die Bibel und die Verhandlung begann. Als sie sich setzten, wanderte Burts Hand sofort auf Kurts Knie, drückte es sanft und blieb dort.
 

„Wie plädieren Sie?“, fragte der Richter fast schläfrig, als er sich setzte. Es war fast, als würde er einen Fall über eine Parkstrafe verhandeln und nicht einen Mord und Körperverletzungsfall.
 

„Mein Klient plädiert auf schuldig, Sir, eines Totschlages und eines Klasse E Verbrechens.“
 

„Einem?“, wisperte Burt wütend, aber nur Kurt und Blaine waren nahe genug um es zu hören. „Versuch‘s mit vier.“
 

„Sie müssen die anderen raus genommen haben.“, wisperte Blaine sanft zurück.
 

„Sehr gut.“ Der ältere Mann blätterte durch ein paar Akten. „Es widert mich an, dass ich überhaupt hier sitzen und solche Fälle erledigen muss, junger Mann. Wenn es nach mir ginge, würde ich Sie in Einzelhaft stecken bis zu dem Tag, an dem Sie sterben. Sie verdienen nichts anderes dafür, dass Sie ein unschuldiges Leben genommen haben und andere in Gefahr gebracht haben. Leider ist es so, dass Sie Ersttäter sind und das Gericht das berücksichtigen muss. Deshalb verurteile ich Sie zu neun Jahren Gefängnis für den Mord an einem Minderjährigen und zwei Jahre für den Angriff auf einen Teenager, der beinahe gestorben wäre. Die Strafen werden nicht gleichzeitig abgesessen. Sie haben Anspruch auf Bewährung nach drei Jahren für den Mord und acht Monaten für die schwere Körperverletzung. Das heißt, dass Sie vierundvierzig Monate im Gefängnis bleiben müssen, bis Sie Anspruch auf Bewährung haben. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass jeglicher Antrag auf Bewährung abgelehnt wird.“
 

Als ein Polizist zu seinem Angreifer ging und ihn in Handschellen legte, fühlte er eine unglaubliche Last von ihm weichen. Der Mann würde für mindestens vier Jahre im Gefängnis sein. Für seine gesamte College Zeit. Es war nicht lang genug, Kurts Meinung nach, und die Tatsache, dass er nur fünfzehn Monate für seinen Angriff bekam, schmerzte ein wenig, aber das war‘s. Das war, was Kurt hatte sehen und hören wollen. Die anderen Männer waren da gewesen und würden wahrscheinlich ähnliche Verurteilungen bekommen, aber Kurt war hauptsächlich wegen dem ersten Mann besorgt gewesen, der ihm all den körperlichen Schaden verursacht hatte. Der Fall des ersten Mannes, war persönlicher.
 

„Vierundvierzig Monate? Der Mann könnte in vierundvierzig Monaten wieder raus sein?“, knurrte Burt.
 

„Lass uns gehen, Dad. Ich hab gesehen, was ich sehen musste. Die anderen Beiden interessieren mich nicht. Ich möchte einfach gehen.“
 

„Du möchtest nicht bleiben?“
 

„Nein.“, wisperte Kurt ehrlich. „Ich bin hier fertig. Es ist jetzt vorbei.“
 

Burt stand auf und verließ leise den Gerichtssaal und hielt für Kurt und Blaine die Tür auf.
 

„Vierundvierzig Monate? Vierundvierzig?“, zischte Blaine, sobald die Tür sich schloss und sie zum Ausgang gingen. Seine Hand ergriff Kurts.
 

„Das ist verrückt. Der Junge ist gestorben. Und Kurt hätte sterben können. Weniger als fünf verdammte Jahre?“, knurrte Burt ebenfalls. „Diese Männer können in weniger als fünf Jahren auf Bewährung frei kommen. Was ist falsch in dieser Welt?“
 

„Sie können ihnen genauso gut eine Freikarte aus dem Gefängnis geben. Was für eine komplette Zeitverschwendung.“
 

„Das ist die Schuld deiner Großmutter und ihrer dummen Bestimmungen, weißt du das? Ich würde gerne in einem Supermarkt zu deiner Großmutter gehen und – Was, Kurt?“
 

„Ich fahre nach Hause.“, sagte Kurt seine Hände ausstreckend. Sie hatten seinen Navigator während der hitzigen Diskussion erreicht und Kurt wartete etwas ungeduldig. „Es ist mein Auto. Es interessiert mich nicht wer vorne sitzt, aber ich entscheide über den Radiosender.“
 

Burt und Blaine starrten ihn ausdruckslos an als Burt ihm seine Schlüssel gab, sehr verwirrt aussehend.
 

„Bist du nicht aufgebracht?“, fragte Blaine langsam.
 

„Er ist im Gefängnis, Blaine. Er ist im Gefängnis! Er ist nicht einfach davongekommen! Das sind vier Jahre, in denen ich alleine zu meinem Auto gehen kann ohne nervös zu sein!“, verkündete Kurt und stieg ins Auto. „Oh Gott, ich bin so… einfach… ah! Oh mein Gott! Sie haben sie gefasst und sie gehen ins Gefängnis und das ist so ein Fortschritt!“
 

„Aber – .“
 

Burt schüttelte seinen Kopf in Blaines Richtung. „Wenn es für ihn gut genug ist, ist es das auch für uns.“
 

„Aber das ist – .“
 

„Wir werden später darüber reden, Kind. Nur… Lass ihm das für jetzt einfach, okay?“
 

“Ich meine, es ist nicht super.“, fuhr Kurt fort, als Burt sich auf den Beifahrersitz setzte und Blaine nach hinten kletterte. „Ja, es wäre mir lieber, wenn sie länger drin bleiben würden. Aber ich fühle mich einfach, als ob… als ob ich atmen kann, versteht ihr? Ich hoffe, dass sie keine Bewährung kriegen… aber vier Jahre. Das ist gut, richtig, Dad?“
 

„Das ist gut, Sohn.“, sagte Burt und versuchte fröhlich zu klingen, obwohl er Blaines Meinung teilte – es war nicht gut genug, nicht mal annähernd gut genug. Hier ging es allerdings um Kurt und wenn Kurt sich besser fühlte, dann okay. Er würde es akzeptieren.
 

„Ich meine ich werde morgen nicht mehr so befriedigt sein oder vielleicht sogar schon heute Abend, aber sie gehen ins Gefängnis.“ Er drehte sich in seinem Sitz und Blaine anzusehen. „Blaine, sie gehen ins Gefängnis.“
 

„Ich weiß.“ Blaine erzwang ein Lächeln.
 

„Du bist nicht glücklich.“ Kurts Gesicht fiel und Burt warf Blaine einen Blick zu.
 

„Natürlich bin ich das, Kurt. Ich einfach… Ich wünschte, dass sie länger ins Gefängnis gehen würden. Vier Jahre sind… Ich wünschte es wäre länger.“ Er griff nach vorne und drückte seine Hand. „Ich bin glücklich.“
 

„Ich… hab nur nie gedacht, dass sie gefasst werden würden. Und dann dachte ich nicht, dass sie ins Gefängnis kommen würden.“ Er strich mit seiner Hand durch sein Haar und versuchte dann es zu glätten. „Vielleicht hätte ich mehr erwarten sollen.“
 

„Wir alle drei haben uns geeinigt, dass egal ob es drei Tage oder dreißig Jahre werden, es keinen Unterschied machen würde.“, sagte Burt ernst. „Das wichtigste ist, dass Kurt sicher und gesund ist. Wenn Kurt glücklich ist und gesund, ist das das Einzige das zählt.“
 

„Und, dass sie die Krankenhausrechnungen zahlen.“, fügte Kurt nachdenklich hinzu.
 

„Nein. Dass du sicher, gesund und glücklich bist. Dein Glück war wichtiger, als die finanziellen Probleme, Kurt. Das hier war, um damit abzuschließen. Fühlst du dich, als ob du einen Abschluss bekommen hast?“
 

„Um ehrlich zu sein denke ich, dass ich meinen Abschluss bekommen habe als die Mutter des Jungen meine Hand ergriff.“ Kurt lehnte sich in seinem Sitz zurück, die Hände auf dem Lenkrad, aber noch nicht fahrend. „Es ist einfach… Ich weiß nicht.“
 

„Wie ein Nachhall?“, bot Blaine an.
 

Kurt presste seine Lippen zusammen und nickte. „Ja, ich schätze, dass ist das richtige Wort. Vielleicht. Ich… Es ist vorbei. Es ist Zeit es hinter sich zu lassen und größere und bessere Dinge in Angriff zu nehmen, wie Carole es gestern gesagt hat. Carole ist wirklich klug, Dad. Es ist vorbei.“ Er nickte wieder und starrte geradeaus. „Ich hab‘s getan. Ich möchte so etwas nie wieder durchmachen, aber ich will es einfach vorbei haben.“
 

„Es ist vorbei.“, versicherte Burt ihm. „Ich muss nur noch mit der Versicherung reden.“
 

„Gut.“ Kurt gab ein erleichtertes Seufzen von sich. „Gut, ich bin froh. Gott sei Dank.“
 

„Nun, lass uns nicht den ganzen Tag hier sitzen. Wir haben so viel zu erledigen und wir müssen noch weit fahren.“ Burt schloss seinen Anschnallgurt. „Und bitte fahr nicht so, dass ich es bereue, es dir beigebracht zu haben. Ich denke nicht, dass ich jetzt auch noch einen Herzinfarkt ertragen könnte.“



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