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Pirate's Dreams

...might turn into nightmares
von

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Ōgaṇīsamuṁ

Schutzsuchend drückte Shin sich an den warmen Körper und schloss die Augen. Er wusste, dass Saga bei ihm bleiben würde und ihm gleichzeitig die Meinung sagen würde, wenn es notwendig war. „Saga…“, flüsterte er erstickt und genoss für kurze Zeit die Nähe des anderen. Trotzdem war noch nicht alles wieder in Ordnung. „Es tut mir Leid.“

„Schon gut. Tu dir selbst nur den Gefallen und lass dir von jemandem helfen. Ich will doch nur, dass es dir wieder gut geht. Versteh bitte einfach, dass ich dir nichts Böses will. Niemand hier will dir wehtun.“

Langsam nickte Shin. Wenn er Saga so beruhigen könnte, wäre es kein Problem. Und so, wie es jetzt war, war es wirklich kein Problem, einzusehen, dass er Hilfe brauchte.

„Wir gehen an Land und suchen dir Hilfe. Wir suchen uns Hilfe“, flüsterte der Ältere ihm zu und strich ihm durch die Haare. „Wenn wir im Hafen bleiben müssen, ist es okay. Hauptsache ist, dass es mit dir wieder aufwärts geht.“

Wieder nickte er, wenn auch etwas widerwillig. „Ich will aber mit niemandem darüber reden.“

„Du musst. Du musst lernen, damit umzugehen, wenn du wieder ein halbwegs normales Leben führen willst. Und bis dahin versuche ich, alles von dir fernzuhalten, aber du musst mir vertrauen.“

Still drückte Shin sich an den Älteren. Er wusste, worauf der andere anspielte, aber er konnte nichts gegen die Reaktion seines Körpers tun. Unsicher öffnete er die Augen und rutschte wieder von dem anderen weg, bis dieser ihn losließ und nur noch beruhigend seine Hand hielt.

„Schaffen wir das?“ Unsicher wischte er sich über die Augen und sah den anderen an.

„Ja“, erwiderte Saga und strich ihm lächelnd durch die Haare. „Nicht allein, aber wir haben keine großartige Wahl.“

„Und du hältst zu mir?“ Shin seufzte leise. Es klang zwar so, als würde er Saga weiter bei sich haben, aber er hatte dem Kapitän einiges an den Kopf geworfen.

„Ich überleg’s mir.“ Immer noch sanft lächelnd strich Saga dem Jüngeren über die Wange und küsste ihn zart auf die Stirn. „Die Chancen stehen im Moment ganz gut.“

Langsam stand Shin auf und drückte die Hand auf die dünnen Schnitte auf seinem Arm. Er blutete mittlerweile nicht mehr, aber die Wunden brannten langsam, und außerdem fror er.

„Ich hole einen Verband und Desinfektionsmittel von Nao und kümmere mich darum.“ Behutsam strich der Ältere ihm über den Rücken. „Ich würde mich übrigens freuen, wenn du wieder bei mir bleiben würdest. Nachts.“

„Mal gucken.“ Ohne Widerstand zu leisten ließ Shin sich aus dem Raum schieben und ging dann ruhig neben Saga her. Still griff er nach dessen Hand. Gerade hatte er das unbeschreiblich gute Gefühl, dass alles wieder gut werden würde. Früher oder später. Auch wenn es sich wahrscheinlich eher auf später verlagern würde.
 

Lächelnd legte Shin den Kopf in den Nacken und hielt die Augen geschlossen, genoss die Wärme auf seiner Haut. Es war ein schöner, sonniger Tag, und seit er so am Boden gewesen war, unterstützte Saga ihn nur noch mehr als vorher schon. Es war nicht mehr nur ein Gefühl, dass alles wieder in Ordnung kommen würde, es war Gewissheit. Zumindest, wenn er auch noch jemanden bei sich hatte, der ihn professionell betreuen würde, könnte es klappen.

„Können wir?“

Zufrieden sah er Saga an und nahm dessen Hand. Es war schön, dass der andere zu ihm stand und sich mit ihm auf die Suche nach einem Helfer machte. Am Liebsten wäre es ihm, könnte er trotzdem auf dem Schiff bleiben, aber einen Psychologen zu finden, der dazu bereit wäre, würde wahrscheinlich nicht ganz leicht werden.

„Alles in Ordnung?“ Zart strich der Größere ihm einige Haarsträhnen aus der Stirn und strich über seine Hand. Er reagierte zwar noch immer schreckhaft auf zu viel Nähe, aber er hatte Hoffnung, dass sich auch das wieder legen würde. Er genoss die Anwesenheit seines Freundes, so nah er diesen auch kommen ließ. Er wagte es momentan nicht einmal, an Sex zu denken, aber das würde seine Beziehung nur geringfügig belasten, wenn es ihm erst einmal besser ging.

„Ja, alles gut. Ich bin nur ein wenig… nervös“, antwortete er und drückte die Hand seines Freundes, zog diesen ein kleines Stück weiter Richtung Festland. „Bringen wir es hinter uns“, flüsterte er und zuckte leicht zusammen, als dieser einen Arm um seine Schultern legte.

„Wir finden schon jemanden. Und wenn wir ein Weilchen bleiben müssen, ist es auch okay. Wir haben Geld, also kann ich uns ein hübsches Hotelzimmer mieten und mich ganz um dich kümmern, wenn es sein muss. Und wenn wir ein paar Monate bleiben müssen, schicke ich die anderen unter Toras Kommando weiter und lasse uns in ein paar Monaten wieder abholen. Ich will ganz und gar für dich da sein.“

Zustimmend nickte Shin und ließ sich von Saga führen. Sie beide kannten sich zwar in Sydney nicht aus, aber sie würden sicher irgendwo eine Praxis finden.

Das erste Mal bemerkte Shin wirklich, wie weit ihn die Flucht der Bloody Night gebracht hatte. Seit Tagen schon hatte er Australien sehen können, aber es war schon seltsam, nach Jahren seinem Heimatland wieder so nah zu sein. Zwar waren sie noch ein wenig zu weit südlich, aber er hatte das Gefühl, bald wieder ein wenig auf vertrautem Boden wandeln zu können.
 

Gefrustet seufzte Shin und trank einen Schluck Wasser. Sie waren schon seit Stunden unterwegs, aber bisher hatte er sich bei keinem der Psychologen wirklich wohl gefühlt. Er hatte mittlerweile darauf bestanden, eine Pause zu machen und sich irgendwo hinzusetzen, weshalb er jetzt auch auf einer niedrigen Mauer hockte.

„Bleib ganz ruhig, wir haben Zeit.“ Sanft küsste Saga ihn auf die Stirn. „Es ist nur wichtig, dass du dich bei dem Psychologen, der dich betreuen soll, wohlfühlst, damit der dir helfen kann. Aber uns wurde doch jemand empfohlen.“

Seufzend nickte Shin und legte den Kopf auf die Handflächen. „Ich hab Kopfschmerzen, keine Lust mehr und meine Füße tun weh“, grummelte er leise und verzog nur widerwillig das Gesicht, als er das Lachen seines Freundes hörte.

„Komm schon. Noch ein Versuch. Wenn der auch daneben geht, trage ich dich zum Schiff zurück und gebe dir unterwegs noch ein Eis aus.“

Shin brummte unwillig, nickte aber doch. Protest hatte ja doch keinen Sinn, und er hatte keine Lust, wieder stundenlang zum Schiff zurückzulaufen. Also blieb ihm nicht sonderlich viel übrig. „Na dann komm. Auf ein Letztes.“
 

Neugierig sah Shin sich in dem Büro um. Es wirkte nicht nur moderner als die der vorher besuchten Psychologen, sondern auch gleichzeitig gemütlicher. Außerdem hatte der Mann hinter dem Schreibtisch schon einen Pluspunkt, da er einer von seinen Landsleuten war.

„Wie genau kann ich Ihnen denn helfen?“, fragte der Schwarzhaarige ruhig und lehnte sich in dem gemütlich aussehenden Schreibtischstuhl zurück.

Shin kannte die Prozedur nur zu gut. Während Saga die Situation kurz erklärte, sah er sich um oder spielte mit dem Saum seines T-Shirts herum. Er wollte die Worte seines Freundes nicht hören, aber völlig ausblenden konnte er es auch nicht.

„Keine leichte Situation“, räumte Doktor Kawauchi schließlich ein. „Ich kann hier nicht weg, so gern ich Ihnen auch helfen würde, und es ist leichter, so etwas in einer vertrauten Umgebung zu verarbeiten.“

„Ich kann Ihnen so viel bezahlen, wie sie wollen“, erwiderte Saga ruhig und sah kurz zu Shin, der bestätigend nickte. Das bedeutete auf jeden Fall, dass es für den Jüngeren in Ordnung war. „Ich will dafür nur, dass Sie Ihren Job machen. Wenn es Shin besser geht, können Sie das Schiff in jedem Hafen verlassen.“

Der Psychologe lachte. „Ich bin zu alt für solche Abenteuer“, winkte dieser dann ab. „Aber ich hätte da eine andere Lösung vorzuschlagen. Mein Sohn hat eine Weile Psychologie studiert und bei mir eine ganze Menge gelernt. Er ist noch jung und hat Träume. Er will die Welt sehen, aber der Job, zu dem er sich entschieden hat, lässt es nicht zu. Ich sehe ihn manchmal am Hafen stehen und auf das Wasser sehen. Vielleicht könnte er an meiner Stelle mitkommen.“

Unschlüssig zuckte Saga mit den Schultern und sah zu Shin, der sich ebenfalls nicht ganz sicher war. „Wenn wir ihn vorher treffen können, können wir uns eher entscheiden“, antwortete der Ältere dann und strich über Shins Hand. „Dinge wie Budget können wir danach auch noch klären.“

„Wenn ich meinen Sohn anrufe, kann er sicherlich herkommen. Ich werde sofort mit ihm telefonieren, aber ich muss Sie bitten, den Raum zu verlassen. Die nächsten Patienten kommen bald und Termine muss auch ich wahrnehmen.“

„Natürlich.“ Verstehend nickte Saga und verabschiedete sich kurz, verließ dann mit Shin den Raum und setzte sich auf einen freien Stuhl im Wartezimmer, zog den Jüngeren dann auf seinen Schoß. Seine Arme ließ er jedoch ruhig auf den Lehnen des Stuhls liegen. „Was denkst du?“, fragte er leise und legte seine Stirn an Shins Schulter.

„Wenn sein Sohn nach ihm kommt, ist das mit Abstand die bestmögliche Wahl“, erwiderte der Kleinere. „Ich weiß nicht, er strahlt eine große Ruhe und Neutralität aus. Es macht für ihn anscheinend keinen Unterschied, dass ich mit einem Mann zusammen bin und mir irgendwelche Schweine das angetan haben. Obwohl ich eigentlich als Mann stark genug sein sollte. Das finde ich gut. Es beruhigt irgendwie, nicht für das verurteilt zu werden, wer ich bin.“

Verständnisvoll nickte der Kapitän und strich ihm durch die Haare. „Mal gucken, wie sein Sohn ist. Einen Schiffspsychologen zu haben, hätte bestimmt auch Vorteile.“

Still nickte Shin. Mit einem Schiffspsychologen würde Nao entlastet werden, aber ob das ihr Leben wirklich erleichtern würde, war eine andere Diskussion. Aber das würde sich alles zeigen. Vorher sollte es ihm besser gehen, auch der Ältere war der Meinung, dass sein Wohl mittlerweile über alles ging.

„Sind Sie diejenigen, die eventuell einen Job für mich haben?“

Erschrocken sah Shin den Blonden an, stand dann aber auf und verbeugte sich leicht. Der andere konnte nicht größer sein als er selbst, aber er machte einen ganz sympathischen Eindruck.

„Ja. Du kannst uns aber trotzdem ruhig duzen. Ich bin Saga und das ist Shin.“ Sanft lächelnd strich Saga seinem Freund über die Wange, wandte sich dann aber wieder dem Blonden zu.

„Okay. Ich bin Yumehito. Also, worum geht es und warum übernimmt mein Vater nicht?“

„Weil wir auf einem Schiff leben und dein Vater nicht vom Fernweh geplagt wird“, beantwortete Saga die Frage geheimnisvoll lächelnd. „Lass dir die Situation am Besten von deinem Vater erklären. Wenn du dann noch interessiert bist, komm morgen früh zum Hafen. Unser Schiff fällt auf.“

Verwirrt sah Yumehito zwischen ihnen hin und her, schien aber nicht ganz abgeneigt zu sein und nickte schließlich.

Ein leichtes Lächeln legte sich auf Shins Gesicht. Wie viele Mitglieder der Crew wohl schon aus Neugierde, Fernweh und Abenteuerlust bei ihnen gelandet waren? Es musste auf jeden Fall die Mehrheit sein.
 

Seufzend kniff Shin die Augen zusammen und zog sich die Decke über den Kopf. Die Stille verriet ihm, dass Saga schon nicht mehr neben ihm lag. Im Moment musste er auch zugeben, ganz froh darüber zu sein.

Der vorige Tag war ruhig und schön zu Ende gegangen, aber leider waren diese Tage, an denen es ihm gut ging und er sich völlig wohl fühlte, viel zu selten. Der vergangene Tag zählte sogar zu den sehr guten, aber auf jeden Tag folgte ein schlechter, und momentan fehlte ihm sogar die Motivation, aufzustehen. Was hatte es denn für einen Sinn? Den ganzen Tag irgendwo sitzen oder liegen brachte ihm genauso viel wie im Bett zu liegen, und sein Bett war bequem. Beziehungsweise Sagas Bett war bequem und warm. Er konnte hier in Ruhe schlecht gelaunt sein. Das war besser als irgendwo herumzulaufen und nichts zu tun zu haben.

Wahrscheinlich sollte er sich mit etwas anderem beschäftigen, um von den dunklen Gedankenwolken wegzukommen, aber das war gar nicht so leicht. Alle Probleme, die ihn betrafen, wurden ja konsequent von ihm ferngehalten. Sicher war er normalerweise dankbar für die Entlastung, er hatte weder Zeit noch Nerven, sich zusätzlich zu seinen eigenen Problemen auch noch mit denen herumzuärgern, die er mit seinem Verhalten herbeiführte.

Gefrustet drehte er sich um und starrte an die Decke. Er musste früher oder später aufstehen, immerhin sollte Yumehito heute ankommen, und er wollte dem Blonden nicht gleich zeigen, wie fertig er mit der Welt war. Sein junger Therapeut würde schon früh genug verzweifeln und ihn ausfragen.

Yumehito war irgendwie… zu niedlich, um wirklich als Psychologe zu zählen. Irgendwie hatte Shin eher das Gefühl als Testobjekt zu dienen, und das war eigentlich nicht der Sinn der Sache. Aber wenigstens war Yumehito ihm nicht unsympathisch.

Langsam setzte er sich auf und strich sich durch die Haare. Es wurde langweilig nur herumzuliegen, und vielleicht war es zumindest möglich, sich mit essen zu beschäftigen, selbst wenn ihm dazu die Lust fehlte. Vielleicht würde der Start in den neuen Tag ja alles wieder erträglicher machen und seine Motivationskurve anheben.
 

Misstrauisch beobachtete Nao den Blonden vor dem Schiff. Sicher wusste er, dass Saga an diesem Morgen jemanden erwartete, aber dieser Mann kam ihm einfach viel zu jung vor. „Saga!“, rief er den Kapitän ruhig zu sich, sah aber weiterhin auf die schlanke Gestalt.

„Ja?“ Ruhig folgte der Größere seinem Blick und nickte. „Ja, das ist Yumehito. Anscheinend will er den Job doch ganz gern haben.“ Schnellen Schrittes machte Saga sich auf den Weg zu dem jungen Blonden.

Der Arzt seufzte leise. Ob dieser Yumehito wohl wusste, was auf ihm zukommen würde, würde er an Bord kommen? Wohl kaum, und sein Vater wohl ebenso wenig.

„Zerbrichst du dir schon wieder über Dinge den Kopf, die dich nichts angehen?“, flüsterte Kazuki ihm zu und legte die Arme um ihn, schmiegte sich dabei an seinen Rücken. So viel sich auch verändert hatte, zwischen ihnen war alles gleich geblieben. Zumindest in den Grundzügen. Ihre Beziehung war ruhig, aber sie beide konnten sich nicht beklagen.

„Das geht mich sehr wohl etwas an“, widersprach Nao lächelnd und drückte sich an den Jüngeren. „Ich soll mit dem Kleinen zusammenarbeiten und Shin seiner Obhut überlassen. Du weißt, dass Shin für mich wie mein kleiner Bruder ist.“

Leise lachend schüttelte der Größere den Kopf und küsste ihn auf die Wange. „Du sollst mit dem Blondchen zusammenarbeiten, ja, aber Saga und Shin haben sich so entschieden. Die beiden wissen schon, was sie tun. Außerdem muss der Captain in der Hinsicht seinen Freund doch auch einem Fremden überlassen.“

Widerwillig grummelte Nao. Sein Freund hatte ja Recht, aber das einfach so stehen zu lassen, entsprach nicht seiner Art. Nur wusste er nicht, was er darauf erwidern sollte.

„Aber der wirkt viel zu jung“, protestierte er schließlich doch und ließ sich gegen Kazuki fallen. „Was machen wir, wenn er mit Shin überfordert ist? Dann bleibt doch wieder alles an Saga hängen.“

„Und immer dieses Wort ‚wenn‘“, seufzte Kazuki und drehte seinen Freund zu sich um. „Sicher, du sprichst von Möglichkeiten, aber du weißt es nicht genau. Du kennst den nicht, also weißt du auch nichts über ihn. Gib ihm doch einfach eine Chance. Wir werden sehen, ob er damit zurecht kommt. Freu dich doch bis dahin erst einmal, dass du nur noch einen Job hast, nämlich den als Arzt. Deswegen bist du doch hier.“

„Weißt du, das ist das einzige, was mich an unserer Beziehung stört“, seufzte Nao und machte sich los. „Du verstehst mich nicht. Du hast nicht annähernd so viel Erfahrung wie ich, du nimmst alles zu leicht und mich und meine Sorgen nicht ernst.“ Das war dann wohl doch eine der wenigen Situationen, in denen sich der Altersunterschied bei ihnen bemerkbar machte.

„Natürlich nehme ich dich ernst, aber ich will dich nicht belasten und dich vor dir selbst beschützen.“ Vorsichtig strich der Jüngere ihm durch die Haare. „Es geht hier auch nicht um Erfahrung. Es mag sein, dass du Menschen kanntest, die ihm ähnlich sahen, aber du musst ihn kennen, um seine Persönlichkeit beurteilen zu können. Beurteile ein Buch niemals nach seinem Umschlag.“ Zart zog Kazuki den Kleineren wieder an sich. „Außerdem, weißt du, wie alt er ist? Vielleicht ist er älter als ich und hat schon eine Menge Berufserfahrung. Und selbst wenn nicht, wenn Shin ihm vertraut, ist es doch gut.“

Kurz küsste Nao seinen Freund und schmiegte sich an diesen. „Vielleicht“, räumte er ein. „Das heißt aber nicht, dass ich dir recht gebe! Vielleicht sollte ich einfach mal Yoga machen oder sowas. Und vielleicht sollte ich allgemein einmal weniger arbeiten.“

„Und mir mehr Aufmerksamkeit schenken“, seufzte der Jüngere theatralisch. „Du hast auch eine Beziehung und einen Freund, der dich braucht, oder sich sonst nach Ersatz umsehen muss."
 

Ungläubig starrte Yumehito auf das Schiff vor sich. Auffällig war eine dezente Umschreibung, aber der große Holzbau gefiel ihm verdammt gut. Er fühlte sich nur so klein, wenn er so nach oben sah, aber das Schiff hatte etwas Ungewöhnliches an sich.

„Schön, dass du da bist.“

Erschrocken zuckte er zusammen, als Saga hinter ihm stand und ihn ansprach. Zügig drehte er sich wieder um, als er sich wieder gefasst hatte, und stolperte fast über seine Tasche. „Finde ich auch“, gestand er und sah dann wieder kurz zum Schiff. „Das ist dein Schiff?“

„Ja, die Dark Rose ist mein ganzer Stolz. Shin ausgenommen. Mein Freund ist mir doch noch mehr wert.“

Verstehend nickte er und sah den Braunhaarigen an. „Mein Vater hat mir erzählt, was er über Shin wusste, und einiges erklärt. Ich hatte schon mit Entführungsopfern zu tun, auch mit Vergewaltigungsopfern, aber noch nie mit so einer Kombination. Gestern hat Shin fast so gewirkt, als bräuchte er nur dich, aber ihr wärt wohl kaum auf der Suche nach einem Psychologen gewesen, wenn es wirklich so wäre.“ Seufzend fuhr er sich mit der Hand durch die Haare. „Lange Rede, kurzer Sinn. Ich will euch helfen, wahrscheinlich wirklich eher Shin als dir. Von mir aus können wir gleich los, ich habe meine wichtigsten Sachen hier.“

„Sehr gut, aber du solltest wissen, dass wir Piraten sind“, meinte der Größere leise. „Und als Neuling wirst du es nicht leicht haben. Darüber solltest du dir im Klaren sein.“

Unsicher nickte Yumehito. Bei dem Schiff war nichts anderes zu erwarten gewesen, aber es war auch nicht so, dass er wirklich ein Problem damit hatte. „Diejenigen, die Shin das angetan haben, waren dann wohl auch Piraten?“

„Ja, aber ich denke nicht, dass das wichtig ist.“ Ruhig sah der Größere ihn an, schien dabei aber eher in seine Seele zu blicken, weshalb sich ihm die Nackenhaare aufstellten.

„Na ja…“ Unsicher rieb er sich über seine Unterarme und wich dem durchdringenden Blick aus. „Könnte man die Verantwortlichen belangen, könnte er vielleicht eher damit abschließen. Das Problem ist, dass bei euch kein Strafrecht greift. Also muss es irgendwie auch so gehen.“ Zögernd hob er den Blick wieder und sah den Kapitän an.

„Es gibt ein Rechtssystem, das greift“, erwiderte der Ältere. „Das Piratenrecht zählt sogar nur für uns, und es schreibt Regeln vor, aber keine Strafen. Nur müssen wir die dafür erst bekommen, und noch will ich Shin das nicht antun. Außerdem geht es dann in erster Linie um etwas anderes, nicht mehr um Shin und mich.“

„Ich komme aus zwei Gründen mit euch“, beendete Yumehito das vorige Thema. „Ich will einmal die Welt sehen und zum anderen Shin helfen, so gut ich kann. Ich mag ihn irgendwie und deswegen ist es mir wichtig, aber ihr haltet mich aus Überfällen, Morden und so weiter raus. Ich will nicht kriminell werden, weil mein Job mich zu euch treibt.“

Der Braunhaarige lachte leise. „Du machst dich strafbar, sobald du das Schiff betrittst. Wegen Förderung der Piraterie. Was du daraus machst, ist deine Sache.“

„Das weiß ich. Ich bin kein Kind mehr“, erwiderte Yumehito ernst. „Ich will nur nicht in den Knast, aber das sollte sich auf einem Schiff vermeiden lassen.“

„Auch ein Schiff kann zum Gefängnis werden.“ Nachdenklich sah Saga ihn an, schüttelte dann aber den Kopf. „Sieh dich um. Ich hoffe, du hast kein Problem damit, dir mit anderen einen Schlafraum zu teilen.“
 

„Morgen.“ Ohne wirklich auf die anderen zu achten, ließ Shin sich auf einen der Hocker in der Kombüse fallen. Sollte Shou doch merken, dass er scheiße drauf war. Wenigstens würde man ihn so nicht mit Fragen bombardieren.

„Kaffee oder Kakao?“

Ein leises Seufzen entkam ihm, bevor er „Kakao“ zurück nuschelte. Es war falsch, seine schlechte Laune an einem völlig Unbeteiligten auszulassen, aber er wollte niemandem etwas vorspielen, wenn ihn doch eh alle durchschauten und dann nur auszuquetschen versuchten.

Duschen hatte seine Laune auch nicht gebessert, und auch frühstücken kam ihm nur noch sinnlos vor. Warum setzte er dieser Existenz nicht einfach ein Ende?

Weil er es nicht konnte. Wegen Saga. Und streng genommen wusste er, dass er gar nicht sterben wollte, er wollte kämpfen. Aber er konnte es auf Dauer nicht.

Er hörte, wie die Tür geöffnet wurde, kümmerte sich aber nicht weiter darum. Es lebten so viele Menschen auf der Rose, dass ständig irgendwo irgendjemand einem über den Weg lief.

„Guten Morgen!“

Skeptisch zog er eine Augenbraue hoch, drehte dann aber doch den Kopf und lächelte den Blonden leicht an. Yumehito war zu ihnen gekommen und machte nicht den Eindruck, bald wieder gehen zu wollen.

„Ach Shin, du machst ein Gesicht wie zehn Tage Regenwetter. Geht es dir heute wirklich so schlecht?“

Still zuckte der Angesprochene mit den Schultern. Manchmal war es einfach angebrachter, gar nichts anstatt der Wahrheit zu sagen.

„Was heißt, er will nicht darüber reden“, mischte Shou sich ein und musterte den Blonden einen Moment, lächelte diesen dann an. „Seit er wieder bei uns ist, ist er nicht der Gesprächigste.“

„Ja, aber mit mir muss und wird er reden“, erklärte Yumehito überzeugt und setzte sich neben Shin, strich ihm über den Rücken. „Ich habe meine Tricks.“

„Ja? Wer bist du überhaupt, Blondie?“

„Ich bin der neue Schiffsarzt. Arzt eher für die Dinge, die man nicht sehen kann.“ Herausfordernd sah Yumehito den Größeren an. Der Koch sah nicht schlecht aus und wollte scheinbar mit ihm spielen. Auch wenn er nicht deswegen hier war, Spaß konnte neben der Arbeit nicht schaden.

„Shins neuer Psychologe? Ein bisschen zu jung und zu hübsch, denkst du nicht auch?“

Ruhig zuckte er mit den Schultern und strich sich durch die Haare. „Nicht nur Shins Psychologe. So schnell werdet ihr mich nicht mehr los. Übrigens mag ich die Bezeichnung Arzt lieber. Oder Yume.“

„Yume? Kann es sein, dass du sehr von dir überzeugt bist?“

„Nein, nicht wirklich so sehr, aber meine Eltern waren es. Yume als Abkürzung für Yumehito. Wie du siehst, ich habe keine Schuld an meinem Namen.“

Abwesend seufzte Shin und sah auf den Tresen vor sich. Es war ja schön und gut, dass Shou und Yumehito sich nicht nur gut zu verstehen schienen sondern gleich munter drauflos flirteten, aber mussten die das tun, während er daneben saß? Demnächst würden sie noch vor seinen Augen übereinander herfallen.

„Entschuldige.“ Vorsichtig strich Yumehito über seine Hand. „Sag mir Bescheid, wenn ich etwas für dich tun kann. Ich denke, dass wir mit der eigentlichen Arbeit erst in ein paar Tagen beginnen sollten. Wir müssen uns nur erst einmal aneinander gewöhnen, das heißt aber nicht, dass ich mich einfach vergnügen will. Saga bringt mich um, wenn ich dich vernachlässige.“

„Shou, können wir nachher noch kurz reden?“ Fragend sah Shin den Älteren an, ignorierte Yumehito somit völlig. Bevor die beiden tatsächlich noch übereinander herfielen, musste er den Koch an eine andere Kleinigkeit erinnern.

„Klar, weißt du doch.“ Sanft wuschelte der Ältere ihm durch die Haare. „Aber erst wirst du jetzt frühstücken.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  ChiChii
2012-08-11T01:08:13+00:00 11.08.2012 03:08
Nya, so ein süßes Kapitel! Cuteness overload all over the day! QAQ
Yay, Shin geht es besser, endlich! :3
Armer Saga, hat total darunter gelitten >o<
(Vielen Dank für das Ende mit den depri Kapiteln *teddy rüberreich*)
Ich hoffe doch, es gibt keine zu großen Probleme mehr o.o
Musste das mit Shou und Yume sein? XD

Mo, aber wieder ein tolles Kapitel! QAQ
Ich mag die Story so ^o^
(und ja ich lese das mitten in der Nacht... >___>)
LG~ *wink* :3


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