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Kettenkarussell

One-Shot-Sammlung [Various] - Neu: Rin & Yukio & Shirō
von

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Riesenrad-Turbulenzen [Renzō x Rin]

Oder der Tag, an dem Renzō das ›andere Ufer‹ entdeckte
 

Alles begann mit einem Schmuddelheftchen.
 

Wie jeden Freitag stattete ich dem kleinen Zeitschriftenladen nach der Schule einen Besuch ab. Natürlich nur, um an den schnöden Mode- und Computermagazinen vorbei zu einem ganz bestimmten Regal zu schlendern, vor dem ich niemals zu lange stehen blieb, weil es mir sonst peinlich wurde. Wobei es das nicht mal musste. Der Besitzer kannte mich - mich und meinen gefälschten Ausweis. Anders kam man in meinem Alter nämlich nicht an das heran, was mich jede Woche hierhertrieb. Doch als einer der wenigen, die bereits im zarten Alter von sechszehn Jahren die Knospe zum Blühen gebracht hatten, hatte ich mich bald dazu gezwungen gesehen, den illegalen Weg einzuschlagen, um meine Bedürfnisse zu stillen.

Und so lief ich also zu besagtem Regal; die Kapuze meines Pullis über den Kopf gezogen und den Blick gesenkt. Wenn es Wände mit Ohren gab, gab es sicher auch welche mit Augen. Ich blieb stehen und checkte die neuesten Ausgaben:
 

COUPÉ - Das erotische Männermagazin. Hatte ich schon.

PRALINE - Heiße Beach-Ladys! Solche Sachen stapelten sich haufenweise in meinen Schubladen.

DYNAMIT - Bilder der Lust. Allein beim Durchblättern musste ich gähnen.
 

Ich suchte und suchte, doch mir wollte einfach nichts Ansprechendes in die Hände fallen. Wohlmöglich hatte ich mich an dem 08/15-Kram bereits sattgesehen und brauchte... etwas Neues. Aufregendes. Unerwartetes. Schmutziges.

Und ehe ich mir auf die eigenen Finger hauen konnte, hatte ich nach einem Magazin gegriffen, für das mich der Verkäufer mit hochgezogener Augenbraue musterte, bevor er mein Geld annahm. Den gesamten Heimweg über behielt ich die Kapuze auf dem Kopf. Ich fühlte mich wie ein Schwerverbrecher, der bereits zu den Hauptverdächtigen gehörte und schleunigst aus dem Land fliehen sollte.
 


 


 

Das Schwerverbrechergefühl ließ mich nicht los, als ich mich nachts mit der Zeitschrift unter der Bettdecke verkrümelte. Ich hatte eine Taschenlampe zwischen die Zähne geklemmt und beleuchtete die verruchten Bilder, die sich vor meinen jungfräulichen Augen breitmachten. Von Seite zu Seite stockte mir mehr der Atem, und schließlich glitt mir die Taschenlampe aus dem Mund, der zu einem großen O geformt war. Es wäre besser, jetzt damit aufzuhören, weil ich sonst noch Bon und Koneko-san weckte. Und würden sie mich bei dem ertappen, was ich mir hier ansah, würden sie mich vermutlich geradewegs aus dem Wohnheim schmeißen.

...doch es war wie ein Autounfall: Ich wollte wegsehen, aber ich konnte nicht! Ich spürte das Blut in meinen Wangen brodeln und den Schweiß auf meiner Stirn perlen und ein ganz seltsames Kribbeln unterhalb der Gürtellinie, und es wurde immer aufregender. Eigentlich war es wie ein Autounfall, bei dem man in der ersten Reihe der Schaulustigen stehen wollte.
 

Als ich auf der letzten Seite ankam, seufzte ich auf - ob enttäuscht oder erleichtert, wusste ich nicht so genau. Aber die Tatsache, dass es mich weder angewidert noch kaltgelassen hatte, gab mir gehörig zu denken. Was war dieses Wesen in mir, das danach schrie, dieses Magazin zu abonnieren? Und warum trat plötzlich Okumura-kuns Gesicht vor mein inneres Auge, als ich das Heft verstaute und mich schlafen legte?

Ich wusste nur eines: ich musste diesen Mysterien auf den Grund gehen. Und zwar so bald wie möglich.
 


 


 

Am nächsten Morgen - ich hatte kaum geschlafen - war das Erste, was ich tat, ein Versteck für meinen gestrigen Einkauf zu suchen. Eigentlich hatte ich vor meinen Kumpels nichts zu verbergen. Meine anderen Magazine nahmen zwei Schubladen meines Schreibtisches und drei meines Nachtschrankes ein, wovon sie sich eine mit meiner Unterwäsche teilten. Außerdem brachte ich die Dinger nur zu gern mit in die Schule und hielt sie Bon während dem Unterricht unter die Nase. Einem Muskelprotz wie ihm traute man das zwar nicht zu, aber die erdbeerroten Wangen verrieten jedes Mal, wie unschuldig unser lieber Bon doch war. Und wie erfahren ich.

Aber nun handelte es sich um ein völlig anderes Kaliber - und das war sogar mir peinlich. Jedenfalls vor anderen. Deshalb beschloss ich, es unter meinem Bett zu verstecken, während Bon und Koneko-san noch schliefen.
 


 


 

In der Stadt traute ich meinen Augen nicht. »Moriyama-san? Okumura-kun?«, fragte ich völlig perplex. Was machten die beiden zu zweit an einem Samstagnachmittag auf dem Markt?

»Oi, Shima-kun!« Moriyama-san winkte mir und rannte auf mich zu. Ihr rosa Rock wippte dabei auf und ab, und ich konnte mir nicht verbitten, einen Blick auf ihre sexy langen Beine zu werfen. Aber warum trug sie am Wochenende ihre Schuluniform? Wobei... mir fiel ein, dass ihr Kleiderschrank an Sommeroutfits wahrscheinlich nicht mehr hergab, wenn ich daran zurückdachte, dass sie anfangs sogar mit Kimono in der Schule aufgetaucht war.
 

Okumura-kun schlurfte ihr hinterher und schleppte zwei Tüten voller Einkäufe. Er trug ein weißes Hemd und eine schwarze Hose - erinnerte auch an seine Schuluniform. War ihm mit den langen Ärmeln nicht heiß? Wir hatten schließlich Sommer...

»Was macht ihr beiden hier?«, hörte ich mich fragen, während ich mir vorstellte, wie Okumura-kun einen Hemdknopf nach dem anderen aufknöpfte und-

»Lebensmittel einkaufen. Yukio hat mich gezwungen, weil der Kühlschrank schon wieder leer ist.« Sein verschmitztes Grinsen entblößte seine spitzen Eckzähne. »Shiemi begleitet mich.«

»Yup!«, bestätigte Moriyama-san, und der süße Klang ihrer Stimme löste endlich meinen Blick von Okumura-kun. Was war bloß los mit mir?
 

»Du warst wohl auch einkaufen«, vermutete er und zeigte auf die Tüte, die ich mit beiden Händen umschloss.

»Äh, ja. Bon, Koneko-san und ich wechseln uns immer damit ab, und heute bin ich dran.«

»Achso.« Er wandte sich Moriyama-san zu. »Shiemi, sag mal, hast du noch die Karte, auf der wir damals markiert haben, was wir uns alles ansehen wollen? Ich meine, wegen morgen.«

Wegen morgen? Was planten sie für morgen?

»Ja, klar! Ich bring‘ sie morgen mit, damit wir auch nichts vergessen.«

Von was zum Teufel sprachen die zwei? Hatten sie etwa ein Date? Ohne mich?!

Mein Blick schien mich verraten zu haben, denn Moriyama-san beantwortete meine Fragen: »Rin und ich gehen morgen ins Mephieland. Da wollten wir schon seit dem Examen zusammen hin.«

»Mephieland? Der Jahrmarkt?«, vergewisserte ich mich und sah zwischen den beiden hin und her. Ich konnte nicht fassen, dass sie zusammen auf einen Jahrmarkt gehen wollten - und vor allem ohne mich!

»Genau.« Moriyama-san tippte mit dem Zeigefinger auf ihre Unterlippe und sah mich prüfend an. War ich etwa so leicht zu durchschauen? »Willst du mitkommen? Zu dritt wird es sicher noch lustiger!«

Anscheinend war ich das wirklich. Aber in dem Fall zu meinem Vorteil. Mein Herz schlug einen Purzelbaum, als ich Moriyama-sans warmes Lächeln sah, und ich hätte sofort zugestimmt, wenn Okumura-kun nicht dazwischengefunkt hätte.

»Wollten wir nicht eigentlich nur zu zweit hingehen?« Er warf mir einen Blick zu, der Bände sprach. Offensichtlich wollte er mich lieber tot als zwischen ihm und Moriyama-san sehen. Und das konnte ich ihm nicht mal verübeln - mir erging es nicht anders. Ich wollte mir gar nicht vorstellen, wie er Moriyama-san einen ganzen Tag für sich alleine hatte... und genauso wollte ich mir nicht vorstellen, wie sie Okumura-kun für sich alleine hatte... argh!
 

»Ich fände es toll, wenn Shima-kun mitkommen würde. Immerhin sehen wir uns sonst nur in der Schule.«

Auf Moriyama-san war wie immer Verlass. Sie würde mich nicht im Stich lassen, genauso sehr, wie Okumura-kun ihr keine Bitte abschlagen könnte.

»Wenn du meinst...«, bestätigte er meine Vermutung, und ich schenkte ihm das dankbarste Lächeln, das ich in meinem Sortiment hatte. Okumura-kun schien deutlich weniger begeistert von der Idee eines ›Dreierdates‹ zu sein, aber nach demokratischer Abstimmung aller Beteiligten hatte er wohl verloren. Und mich erwarteten ganze zwei Hauptgewinne! Die Chance durfte ich mir nicht entgehen lassen. Die Chance, mehr über mich herauszufinden...
 


 


 

Es war ein herrlich warmer Sonntagnachmittag. Die Temperaturen beliefen sich auf knapp dreißig Grad in der Sonne und dank ihnen hielten es die weiblichen Besucher von Mephieland für eine gute Idee, sich in Miniröcken und Hotpants die Beine zu vertreten statt in lange Hosen zu zwängen. So auch Moriyama-san, die wie am Vortag die Vorteile einer japanischen Schuluniform auskostete und mir ungeahnt entzückende Ausblicke gewährte. Doch nicht nur sie sah fantastisch aus - auch Okumura-kun war eine Augenweide. Gestern schien er wohl bemerkt zu haben, dass Sommer und langärmlige Hemden nicht miteinander kompatibel sind, denn heute präsentierte er sich in einem enganliegenden, mintgrünen Shirt und luftigen, schwarzen Shorts, die geradezu perfekt zu meinen weißen passen, wie ich fand. Seine vorderen Haarsträhnen hatte er - wie sonst nur in der Schule - mit einer Haarklammer gebändigt, was wie immer endlos süß aussah.

Mich überfiel das Bedürfnis, meine Arme auszubreiten, Okumura-kun ganz fest an mich zu drücken und ihm mindestens eintausend Küsse auf die Nasenspitze zu geben, weil er so verdammt süß war! Und das unterstrich er auch noch mit seinem miesgelaunten Blick und dem ständigen Grummeln, während er mich dabei beobachtete, wie ich mich an Moriyama-san ranschmiss, um mich von dem Verlangen abzulenken, augenblicklich über ihn herzufallen. Das war echt irritierend.
 

Der Jahrmarkt war gut besucht. An den meisten Fahrgeschäften hätten wir minuten- wenn nicht gar stundenlang anstehen müssen, deshalb suchten wir erst einmal die Imbissbuden auf, um unser ausgelassenes Mittagessen mit Süßigkeiten und fettigen Bratwürsten zu ersetzen.

»Oh, sind die niedlich!«

Moriyama-san zeigte auf eine Schießbude, an deren Wand eine Traube von Kuscheltieren baumelte. Gleich darauf rannte sie zu dem Stand und betrachtete die Preise mit strahlenden Augen. Okumura-kun und ich liefen ihr hinterher. Ich ahnte bereits, was jetzt kommen würde. Das Date-auf-Jahrmarkt-Klischee machte vor nichts halt.

»Such dir was aus, Shiemi!«

Okumura-kun wurde rot im Gesicht und rieb sich die Nase. Jetzt hielt er sich wohl für den größten Casanova. Dabei hatte er noch nicht mal etwas gewonnen. Mit seinen schmächtigen Armen würde er das Gewehr niemals anständig halten können.

»Ich hätte gern... den da!« Moriyama-san deutete auf einen kleinen Plüschpanda. Gleich darauf zahlte Okumura-kun für drei Versuche, ließ sich das Plastikgewehr geben und zielte auf die Pyramide aus Dosen, die er vom Podest herunterschießen sollte. Er spannte seinen Oberkörper an und leckte sich über die Lippen - er wollte wohl ziemlich cool wirken, aber eigentlich sah er nur lächerlich süß aus. Nicht zuletzt wegen seines missglückten Schießversuches. Nicht mal eine Dose hatte er zum Wackeln gebracht. Es fiel mir schwer, ein Grinsen zu verkneifen. Kein Schadenfreude-Grinsen, sondern ein ›Du bist knuffiger als jedes Mädchen!‹-Grinsen. Auf welches Ufer hatten sich meine Gedanken nur verirrt...
 

Nachdem Okumura-kun durch den zweiten Schuss lediglich die oberste Dose zu Fall gebracht hatte, musste ich eingreifen.

»Das ist ja nicht länger mit anzusehen«, tadelte ich, obwohl ich in Wahrheit nur einen Vorwand suchte, um ihm näher zu kommen. Wenn er schon alle Schüsse vergeigte, sollte er es wenigstens in meinen Armen tun!

Also stellte ich mich nahe an seinen Rücken und legte besagte Arme über ihn hinweg, sodass meine Fingerspitzen seine Hände auf dem Gewehr berührten.

»Du musst auf die untersten Dosen zielen«, sagte ich lässiger, als ich mich momentan fühlte, denn diese Nähe zu Okumura-kun machte mich gerade tierisch nervös. Ihm schien es ähnlich zu gehen - er war durch meine Berührung zusammengezuckt und blinzelte mich nun über die Schulter hinweg unsicher an.

»Das weiß ich auch!«, zischte er mit heiserer Stimme, ließ sich aber trotzdem von meiner Hand führen, bis sich die untere Dosenreihe in unserer Schusslinie befand. Als Okumura-kun abdrückte, fielen alle Dosen vom Podest. Moriyama-san quiekte hinter uns auf, breitete die Arme aus und schloss sie um uns beide. Ich ergötzte mich an Okumura-kuns verblüfftem Gesicht, für das mit Sicherheit nicht Moriyama-sans Umarmung, sondern meine Schießkunst verantwortlich war. Als ich die Hände sachte von den seinen löste, blieb er noch immer stocksteif stehen, ließ sich vom Besitzer der Schießbude das Gewehr aus der Hand nehmen und den Preis gegen die Brust drücken.

»...h-hier, bitte, Shiemi«, stammelte er und überreichte ihr den Plüschpanda, den sie lachend entgegennahm.

»Danke, Rin! Danke Shima-kun!«
 


 


 

Mit dem Untergehen der Sonne und dem Einbruch der Dunkelheit wurde das romantische Ambiente eingeleitet, das den Zauber eines jeden Jahrmarktes erweckt. Hunderte bunter Lichter taumelten vor unseren Augen und ließen unsere Herzen höher schlagen - sofern das bei mir überhaupt möglich war, so hoch, wie Okumura-kun mein Herz bereits schlagen ließ. Das breite Lächeln, das mir einen Blick auf seine süßen Eckzähne gewährte, und die strahlenden Augen machten mich ganz kirre. Bald hatte ich sogar das Interesse an Moriyama-sans ähnlich verträumten Blick verloren und konnte mich nur noch auf die männliche Instanz dieses Dates konzentrieren - es war irreführend. Unwillentlich musste ich an das Magazin denken, das mir diese neue Sichtweise auf die Welt erst ermöglicht und ungeahnte Portale in mir geöffnet hatte.

Heidenfroh, es gekauft zu haben, bemerkte ich erst Sekunden später, dass Okumura-kun auf das Riesenrad zugestürmt war. Moriyama-san riss mich aus den Gedanken, indem sie mich an der Hand nahm und hinterher eilte. Wir machten vor dem imposanten Fahrgeschäft halt und bestaunten sein Farbenspiel mit emporgereckten Hälsen.
 

»Hast du Lust, eine Runde mit mir zu fahren?«, hörte ich Okumura-kun plötzlich sagen und fühlte mich naiver Weise von ihm angesprochen. Als ich mich ihm zuwandte, sah ich, dass er die Frage an Moriyama-san gerichtet hatte. Mit einem leisen Seufzen gab ich meine Enttäuschung kund. Moriyama-san griff sich mit einem verlegenen Lächeln an den Kopf und sagte:

»Tut mir leid, das geht nicht… ich habe schreckliche Höhenangst.« Ihr anschließender flüchtiger Blick zu mir schien gerade auszureichen, um mir meinen innersten Wunsch an der Nasenspitze ablesen zu können, denn nun begann sie zu grinsen. »Aber das soll euch ja nicht davon abhalten, Spaß zu haben! Fahrt ihr zwei zusammen! Ich warte hier unten auf euch.«

Ehe Okumura-kun Einspruch erheben und ich Moriyama-san auf Knien für diese gute Tat danken konnte, war sie zum Verkäufer geeilt und hatte uns zwei Märkchen für je eine Fahrt gekauft. Etwa zeitgleich verließen zwei Personen die letzte Gondel und das Riesenrad war für eine neue Fahrt startklar. In Okumura-kuns Gesichtsausdruck lag pure Skepsis.

»Ich weiß ja nicht… ist es nicht etwas komisch, wenn zwei Jungs zusammen Riesenrad fahren…?«

»Ach was«, winkte ich sofort ab, »das wird sicher lustig, du wirst schon sehen!«

Ich gab ihm erst gar nicht die Gelegenheit, sich gegen meinen Willen zu sträuben, griff nach einem Stoffzipfel seines T-Shirts und schliff ihn in die Gondel, die gerade unten angekommen war und darauf wartete, das nächste Pärchen in die Lüfte zu erheben. Hinter uns hörte ich Moriyama-san noch »Viel Spaß!« rufen, als es auch schon losging und das Riesenrad sich in Bewegung setzte.
 

Wie mechanisch setzte sich Okumura-kun auf eine der Sitzbänke, drehte den Kopf versteift zur Seite und starrte in den Himmel. Ich ließ mich auf der gegenüberliegenden Bank nieder und musterte, soweit es mir zumindest möglich war, sein von mir abgewendetes Gesicht. Mit stummer Begeisterung konnte ich erkennen, dass die blasse Haut um die Wangen herum rosa angelaufen war und Okumura-kun so ziemlich jeden Muskel seines Körpers angespannt hatte. War er etwa nervös? Aufgeregt? Wegen mir? Oder war es ihm einfach nur peinlich, hier mit mir - einem Jungen - zu sitzen?

»Okumura-kun?«

»Was?!«, zischte er nur als Antwort, ohne sich die Mühe zu machen, mir in die Augen zu sehen… oder sich viel eher die Mühe zu machen, mir nicht in die Augen zu sehen, denn wenn ich seinen verbissenen Blick in die Ferne richtig interpretierte, dann fiel es ihm gerade ziemlich schwer, mich zu ignorieren. Wie unverschämt süß er doch war!

Um die Sache, von der ich noch nicht wusste, in welche Richtung sie einschlagen würde, ins Rollen zu bringen, entschied ich mich für eine Frage, die mein Gegenüber in jedem Fall aus dem Konzept bringen würde:
 

»Sag mal… wurdest du schon mal geküsst?«
 

Ich beobachtete, wie sich seine Augen in Zeitlupengeschwindigkeit weiteten. Nun kam er nicht mehr drum herum, aufzusehen und sich mir zuzuwenden - wenn auch völlig perplex. Das einstige Rosa verwandelte sich in ein schimmerndes Rot und breitete sich von den Wangen über das gesamte, schnuckelige Gesicht aus. Ich meinte zu erkennen, dass sogar seine Ohren rot anliefen. Hoffentlich hatte ich mit dieser Frage keinen wunden Punkt getroffen.

»…wa-… n-nein, wurde ich nicht.«

Seine Antwort wunderte mich nicht wegen der Verneinung, sondern weil er sie so schüchtern, beinahe kleinlaut wie ein Mauerblümchen ausgesprochen hatte. Jetzt hatte ich ihn an der Angel! Jetzt war ich die führende Kraft dieses ganzen Arrangements! Okumura-kun hier ganz für mich alleine meterhoch über dem Erdboden in einer Riesenradgondel ausgeliefert zu haben, war eine dieser Chancen, die man vermutlich kein zweites Mal im Leben bekommen würde. Und deshalb galt es, eben jene Chancen zu nutzen!
 

»Findest du nicht auch, dass der perfekte erste Kuss in einem Riesenrad stattfinden muss?«, fragte ich also geradeheraus, ohne mit der Wimper zu zucken. Okumura-kun blinzelte mich verdutzt an und schien aus dieser Andeutung nicht schlau zu werden. Oder nicht schlau werden zu wollen. Ich grinste.

In diesem Moment, in dem unsere Gondel den höchsten Punkt des Riesenrads erreichte, weit entfernt von den Gesetzen der Welt, die sich unter uns abspielte, fühlte ich mich wie der mächtigste Mann der Welt. Ja, ich war mir einfach sicher, dass alles, was ich jetzt tun würde, richtig wäre, und dass mich niemand davon abhalten könnte.
 

Okumura-kun öffnete den Mund und schien etwas sagen zu wollen. Doch statt dass meine Ohren seine Worte empfingen, empfingen seine Lippen meinen Kuss. Meiner Meinung nach waren Worte gerade auch absolut fehl am Platz. Ich verhakte meine Finger in dem schwarzen Schopf und drückte meinen Hauptgewinn des heutigen Tages fest an mich. Der Körper in meinen Armen war wie zu Stein erstarrt, und obwohl ich meine Augen geschlossen hielt, wusste ich, dass die Okumura-kuns vor Erstaunen weit aufgerissen waren.
 

Als mir auffiel, dass Okumura-kun den Atem angehalten hatte, löste ich meine Lippen von seinen und setzte mich neben ihm auf die Bank. Vermutlich hatte ich gerade innerhalb weniger Sekunden sein gesamtes Weltbild auf den Kopf gestellt. Genauso, wie es wenige Tage zuvor dieses Magazin mit mir gemacht hatte. Nun galt es zu hoffen, dass Okumura-kun für neue Ufer genauso empfänglich war wie ich…

Mit atemlosem Keuchen fand er seine Stimme wieder: »W-warum… hast du das gemacht…«

Ich leckte mir über die Lippen. Dann grinste ich so breit und überlegen, wie man es nur von den typischen Seme aus den Shōunen Ai-Mangas kennt, nachdem sie ihren Uke genagelt und sich eine Zigarette angezündet haben.

»Ach… ich wollte nur etwas über mich herausfinden.« Kurz überlegte ich, dann fügte ich mit einem kaum merklichen Zwinkern hinzu: »Und es hat sich bestätigt.«
 


 


 

»Alles in Ordnung, Rin?«

Nachdem wir wieder unten angekommen waren und Moriyama-san uns freudig empfangen hatte, fiel ihr sofort Okumura-kuns versteinertes Gesicht auf. Er gab keine Antwort. Die Röte war noch nicht vollständig von seinen Wangen gewichen. Dass Moriyama-san begann, zwischen ihm und meinem triumphalen Grinsen hin und her zu sehen, aus dem Gesamtbild sichtlich schlau zu werden und sich das oben Geschehene selbst zusammenzureimen, störte mich nicht im Geringsten. Gespielt kumpelhaft legte ich einen Arm um mein neues Objekt der Begierde, das diese Geste mit einem Grummeln empfing.
 

»Und, Okumura-kun… wann haben wir unser nächstes Date?«
 

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Die Erotikzeitschriften, die Shima in die Hände fallen, gibt’s wirklich. Google weiß Bescheid (nicht ich xD).

Shiemi ist übrigens extrem praktisch, um schwule Momente zwischen zwei Jungs hervorzurufen. Ich werde in dem Zusammenhang wohl noch öfter von ihr Gebrauch machen. |D
 

Liebe Grüße,

Fujouri



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  mor
2014-02-07T17:46:59+00:00 07.02.2014 18:46
ja Rin wann ist euer Nächstes Date? *Kicher*
Von: abgemeldet
2012-12-27T23:53:43+00:00 28.12.2012 00:53
Ok, einer der besten One-Shots EVER!! Mann, du hast Shima, bzw, Renzo (als ich seinen Namen im Titel gesehen habe, dachte ich nämlich erstmal nur "Häh? Wer ist DAS?!") perfekt getroffen, sein Denken, sein Handeln, seine ganze Art, einfach perfekt! Ich weiß nicht, obs an mir liegt, ich fand das Pairing am Anfang etwas ungewöhnlich, aber jetzt überhaupt nicht mehr O.o. Bei der Vorstellung von Shima als sexy Seme mit Zigarette im Mund und Rin als Klein-Uke-Chan, der gerade irgendwie so halb vergewaltigt wurde, musste ich so dermaßen lachen, dass ich fast erstickt bin... Also, ich freue mich auf die nächsten One-Shots von mir und Danke im Vorraus für die ENS!
LG strawberrychan
Von:  Hatsu-chan
2012-11-09T20:51:37+00:00 09.11.2012 21:51
ich fand ja schon deine Bon x Rin Story toll, aber das ist einfach genial!
Du hast Shima einfach perfekt getroffen, sein denken, seine Handlungen einfach seine ganze Art.
Dein Schreibstil ist sehr angenehm zu lesen, flüssig und die einzelnen Charaktere bringst du sehr gut rüber.
Ich freue mich schon mehr von dir zu lesen, vor allem auf die Bon x Rin FF´s die noch kommen werden freue ich mich sehr ^.~

lg
Von:  Mismar
2011-12-14T10:27:23+00:00 14.12.2011 11:27
Das habe ich ja noch gar nicht kommentiert XD
so
also ich wollte zumindest sagen, dass ich es sehr süß fand
deine Stories sind so toll und sie lassen sich so schön lesen und sind so wahnsinnig genial (witzig ist ja so eine Sache XD also ich muss an manchen Stellen wirklich grinsen, ich liebe zumindest die Gedankengänge deiner Charas)
Von:  Bloody_princess
2011-11-08T17:36:47+00:00 08.11.2011 18:36
Tolle Geschichte wieder mal! :D
Ich Liebe das Pairing! <3
Total süß! ♥
Von:  namba2
2011-11-07T22:23:43+00:00 07.11.2011 23:23
Awww!!! Das ist ja mal sooowas von süß!!
Ich lieeebe dieses Pairing und du hast die beiden so richtig super hingekriegt. Shiemi war auch total knuffig (obwohl ich sie eigentlich nicht mag xD)
Richtig niedlich war auch die Steigerung des Gefühls von Shima :>

Echt tolles Kapitel!!! <3


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