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Gaias Lilie

von

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2

Hitomi bemerkte, dass ihre Tochter mit ihren Gedanken wohl irgendwie nicht gänzlich anwesend war. Lustlos stocherte Sayuri in ihrem Teller rum und schob das Essen von einer Seite auf die andere.
 

„Ist alles in Ordnung mit dir?“
 

Das Mädchen sah mit leeren Augen auf: „Was?
 

„Bedrückt dich irgendetwas Schatz?“
 

Sayuri schüttelte den Kopf und legte die Gabel zur Seite. „Es ist alles in Ordnung. Ich habe heute nur schlecht geschlafen.“
 

Hitomi war noch immer etwas skeptisch, gab sich aber vorerst mal mit der Antwort zufrieden. Jeder hatte schließlich mal einen schlechten Tag. Das hatte nichts besonders zu bedeuten. Hoffte sie zumindest.

Mit einem Ruck erhob sich die Achtzehnjährige und murmelte irgendwas von duschen. Hitomi konnte nicht sagen was es war, aber irgendwas beunruhigte sie dennoch ein wenig.

___

Das heiße Wasser tat ihr unheimlich gut. Sie schloss die Augen und reckte ihren Kopf in Richtung des Strahl, sodass die warmen Tropfen ihre Gesicht streicheln konnten. Unbewusst summte sie die Melodie der vergangen Nacht. Eine schöne Melodie. Eine wohlige Wärme ergriff sie und als sie die Augen wieder öffnete, hatte sich die Umgebung verändert. Das Duschwasser war nun ströhmender Regen, das Badezimmer eine wunderschöne Landschaft mit vielen weiten Grasfeldern um sie herum, Bergen in der Ferne, Wäldern in ihrem Rücken. Sie kam sich schutzlos und nackt vor – doch war da dennoch soetwas wie eine unbeschreibliche Wärme, die sie auf eine Art unheimlich beruhigte. Durchsichtige Geistwesen umflogen sie uns jagten hinauf in den düsten Himmel. Am Rande ihre Verstandes vernahm sie wieder diese Melodie, und bermerkte viel später, dass sie es war, die diese Melodie noch immer summte.

Und dann plötzlich erschien ein wunderschöner weiser Drache direkt vor ihr. Sie wich einen Schritt zurück. Doch weniger aus Angst als mehr vor Ehrfurcht. Er stellte sich majestätisch vor ihr in der Luft auf, ehe er mit einem lauten Brüllen über ihren Kopf hinweg fegte. Erschrocken kauerte sie sich zusammen. Als Sayuri die Augen wieder öffnete, befand sie sich wieder in ihrer Dusche. Warmes Wasser plätscherte munter in den Abfluss.

„Schatz? Ist alles in Ordnung?“ klopfte es von außen gegen die Türe. Sie musste wohl doch überrascht aufgeschrien haben.
 

Verwirrt sah sich das junge Mädchen um, ehe sie antwortete. Kein Gras, kein Regen, kein Drache.
 

„Jaja... alles in Ordnung... es ist....“ sie schüttelte den Kopf. „Alles in Ordnung Mum. Ich bin nur ausgerutscht.“
 

Mit zitternden Fingern drehte sie nun den Wasserstrahl aus und fingerte etwas ungeschickt nach dem Handtuch. Sie schalt sich selbst eine dumme Kuh. Es war doch nur Einbildung. Oder etwa nicht.. Sie wischte den beschlagenen Spiegel frei. Das Mädchen das ihr entgegen sah, war blasser als sonst.
 

Die letzten Wochen waren sehr anstrengend gewesen. Endspurt beim Abschluss der Oberschule. Da hieß es lernen, lernen und nocheinmal lernen. Da blieb keine Zeit um sich einmal zu entspannen. Wahrscheinlich waren diese Visionen eine Nebenwikungen des wenigen Schlafes und der ständigen Anspannung. Und die Geschichten ihrer Mutter,waren wohl auch nicht ganz unschuldig an der Sache.

Das musste es sein. Sie war einfach überarbeitet und erschöpft. Hirngespinnste. Sonst nichts. Es gab kein Gaia.
 

Beruhigt lächelnd kümmerte sie sich darum, ihre Haare und den Rest ihre Körpers wieder in einen trockenen Zustand zu versetzen. Sie hatte sich gerade angezogen und die Haare mit einem Haarband zusammengebunden, als sie nochmal einen prüfenden Blick in den Spiegel warf. Doch es war nicht ihr Zwilling der ihr diesmal entgegen sah. Dunkle harte Augen hielten sie regelrecht gefangen. Ein starkes Kribbeln, aus Angst?“ durchfuhr sie. Mit offenem Mund starrte sie den schwarzhaarigen Jungen vor sich an. Verlor sie jetzt wirklich den Verstand. Sie blinzelte und sah nocheinmal hin; doch zeigte es nur eine hoffnungslos verwirrte junge Frau wieder.
 

Jap. Eindeutig überarbeitet. Woher sollte da auch ein Junge im Spiegel kommen. Langsam und immer noch neben sich stehend tabbste sie in ihr Zimmer zurück. Die Wochen waren wirklich sehr anstrengend gewesen. In wenigen Wochen würde sie dann endlich das Resultat ihrer Bemühungen einsehen und dann... ja dann kam die große Frage, was sie eigentlich weiter machen wollte. Bisher war sie noch zu keinem Ergebnis gekommen. Einige aus ihrer Klasse hatten sich auch einen Studienplatz auf einer Hochschule beworben. Andere wollten direkt danach in die Berufswelt einsteigen. Und was wollte sie?

Reisen. Etwas von der Welt sehen. Aus ihrer kleinen behüteten Welt ausbrechen. Etwas in ihr sagte ihr schon seit langem, dass sie zu mehr berufen war. Selbstverständlich hatte auch sie über ein weiteres Studium nachgedacht. Es wäre das wohl vernünftigste, wenn man es weit bringen wollte. Doch nichts schien sie davon wirklich anzusprechen. Eine innere Stimme drängte sie zu etwas ... Größerem. Sie wusste nicht, was dieses Größere war. Sie konnte es noch nicht bennen. Doch sie würde es suchen. Die Erwachsenen hatten dazu gesagt eine Reise zur Selbstfindung. Warum auch nicht.
 

In ihrem Zimmer erwartete sie ihre kleine Katze, welche sich ganz frech quer über das Bett ausstreckte. Gedankenverloren streichelte sie ihr über das seidenweiche Fell. Den restlichen Tag verfolgten sie keine weiteren Visionen. Hilfsbereit ging sie ihrer Mutter im Haushalt zu Hand, half ein wenig im Garten und kümmerte sich um den Einkauf. Gegen Abend zogen die ersten dunklen Gewitterwolken auf. Hitomi und Sayui bereiteten gerade das Abendessen vor. Yukari und Amano hatten sich auf einen Besuch inklusive Übernachtung angemeldet.
 

Die beiden waren aus beruflichen Gründen vor 2 Jahren in einen anderen Bezirk Japans gezogen und so sah Hitomi ihre Freunde aus Schultagen seitdem eher selten. Daher war die Freude umso größer, dass sie ein paar Tage zusammen verbringen würden.
 

„Sayuri. Würdest du bitte das Bettzeug vom Dachboden herunterholen und herrichten?“
 

Pflichtbewusst befolgte die Tochter die Bitte der Mutter. Wobei ihr nicht ganz wohl war. Ihr war aus welchen Gründen auch immer der Dachboden von klein an suspekt. Immer wieder hatte sie die unschöne Vorstellung durch den knirschenden Holzboden durchzubrechen. Diese Vorstellung hatte sie auch oft in ihren Träumen heimgesucht. Oft war sie irgendwo durchgebrochen und in die Tiefe gefallen. Weinend war sie immer aufgewacht. Ihre Mutter nahm sie dann immer in den Arm und sagte, sie müsse keine Angst haben. Ihr Engel würde sie auffangen und beschützen. Es gab nichts wovor sie Angst haben musste. Danach wurde es besser. Wenn sie fiel erschien ihr tatsächlich eine Gestalt mit schneeweisen Flügeln, welche die Hand nach ihr ausstreckte. Aber hier auf dem Dachboden gab es keinen Engel, der sie fangen würde. Sie würde schmerzhaft auf dem Boden der Tatsachen landen und im besten Fall mit vielen schmerzhaften blauen Flecken und Kratzern davon kommen. Und das war wirklich der allerbeste Fall.
 

Sie öffnete die Luke nach oben und stieg die steilen Stufen der ausziehbaren Leiter nach oben. Das Bettzeug war zum Glück in der Nähe des Aufstiegs gebunkert, sodass sie zum Glück sich nicht lange dort oben aufhalten musste. Als sie Kissen und Decken einfach nach unten geworfen hatte und sich selbst auch wieder an den Abstieg machen wollte, jagte etwas in ihrem Augenwinkel an ihr vorbei.
 

„Na wundervoll.“ Schimpfte sie vor sich hin. Eigentlich hatte sie schon gelernt, dass sie ihre kleine Hausnervensäge nicht unterschätzen sollte – und dennoch tat sie es immer wieder. „Merle – komm her du kleiner Teufel.“
 

Schritt für Schritt arbeitete sie sich auf dem schlecht beleuchteten Dachboden voran. Als die Dielen bedenklich zu knirschen begannen erstarrte sie für einen Moment. Wie sie den Dachboden doch hasste. Und in diesem Moment ihre Katze ebenso. Und der Sturm und das Gewitter machten das ganze auch nicht wirklich angenehmer.
 

Sie schloss für einen Moment die Augen um tief durchzuatmen ehe sie sich weiter zu dem verfluchten Vierbeiner vorarbeitete. Merle hatte sich natürlich im hintersten Winkel in einem Regal verkrochen und räumte gerade ein Kästchen herunter, als Sayuri sie endlich eingeholt hatte.
 

„Prima gemacht.“ Schimpfte sie los und hob die Katze herunter auf den Boden neben sich. Das Kästchen war aufgesprungen und überall waren Karten verteilt. Seuftzend machte sich die junge Frau daran, die Holzschachtel herumzudrehen und den Inhalt wieder einzuräumen. Doch sie hielt inne als sie das Kästchen und die Karten genauer betrachtete. Dieses Symbol. Irgendwie kam es ihr so bekannt vor. Vorsichtig strich sie über das ungewöhnliche Schloss. Unglaublich kunstvoll gemacht. Es musste sicher teuer gewesen sein. Und die Karten. Es waren die Tarotkarten ihrer Mutter. Sie wusste zwar, dass Hitomi welche hatte und sie auch zu benutzen wusste. Doch hatte sie sie noch nie gesehen. Warum sie wohl hier oben in der schönen Truhe verstaubten?
 

Wieder vernahm sie unbewusst diese Melodie.
 

Sie betrachtete die beiden Karten in ihrer Hand. Die eine zeigte die Erde. Die Welt: Ein Zeichen für die Entfaltung der Persönlichkeit. Und die unverwechselbare Karte der Liebenden. Auch wenn man nichts von Tarot verstand – die Karte war nicht misszuverstehen.

„Sayuri? Was tust du denn da oben? Was war das für ein Krach?“
 

„Merle. Sie ist hier hochgekommen und hat hier was runtergeworfen.“ Rief Sayuri ihrer Mutter zurück.
 

„Was?!!“ Damit Hitomi besser verstnad stieg sie selbst ein paar Stufen zum Dachboden hinauf.
 

„Merle!“ deutete Sayuri ihrer Mutter nur.
 

„Achso.“ Hitomi lachte und wollte die restlichen Stufen gerade überwinden um ihrer Tochter zur Hand zu gehen. Sie wusste, dass sie sich hier oben eigentlich nicht wirklich wohl fühlte. Doch dann blieb sie abwesend stehen.
 

„Ich komm zurück.“ Schnell schob Sayuri den Kasten auf seinen Platz zurück und wollte gerade ihre Katze einsammeln, die mit etwas spielte.
 

„Was hast du denn da? Gib mal her Süße. Oh...“ Sayuri hielt eine leuchtende große reinweise Feder in den Händen. Wie gebannt sah sie diese wunderschöne Engelsfeder an, nach der die Katze weiterhin tätzelte. Die Melodie schien von ihr zu kommen. Was hatte das zu bedeuten. Wie gebannt starrte sie auf den Schatz in ihren Händen.
 

„Sayuri...“ rief ihre Mutter noch zu, doch da wurde das Leuchten plötzlich stärker und ein helles Licht hüllte das Mädchen ein. Erschrocken begann die Katze sich auf ihrem Arm zu wehren und kratzte sich ihren Weg vom Arm herunter frei.

„SAYURI!!!“ Der Ruf ihrer Mutter schien so weit weg. Und dann war der Lichtstrahl plötzlich verschwunden und mit ihm auch Sayuri. Zurück blieben nur eine schwer überrumpelte Hitomi und die kleine aufgeplusterte Katze.
 

„Gute Reise mein Kind. Pass auf dich auf.“ betete die ehemals Reisende in die Einsamkeit. „Van....“



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