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Kinder ihrer Zeit

von

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Perspektiven

Hallo ihr Lieben,

ich weiß es hat wieder ewig gedauert. Mit diesem Kapitel habe ich mich wirklich schwer getan. Dazu kommt wie immer jede Menge Stress. Ironischerweise schreibe ich hier immer weiter, wenn der richtig schlimm wird. Es lebe die Prokastination. -.-

Dieses Kapitel ist eine Art Übergangskapitel, das einfach dazu dient mal darzustellen, wie es bei den Charakteren zuhause weitergeht. Diesmal gibt es auch etwas aus Scorpius' Sicht. Auf die folgenden Kapitel habe ich eigentlich ziemlich Lust. Es werden wohl noch etwa 4 Stück werden. Ich hoffe dass ich das alles bis Mitte diesen Jahres schaffe... Aber versprechen kann ich wie immer nichts. Tut mir wirklich Leid. Ein herzliches Dankeschön auch nochmal an kaataya dafür dass sie meine horrenden Kommafehler erträgt und korrigiert und mich auf meinen exzessiven Gebrauch des Wortes "dass" hinweist XD
 

Perspektiven
 

Harry war von sich selbst positiv überrascht und zugleich angeekelt, als er feststellte wie leicht es ihm fiel, Ginny so zu begrüßen wie sonst auch. Mühelos schloss er sie in seine Arme und gab ihr einen Begrüßungskuss.

„Und wie war das Konzert?“, fragte Ginny.

James begann ihr begeistert von dem Abend zu erzählen, während Harry hinter ihm eine Grimasse zog, die Ginny mitteilen sollte, dass er gänzlich anderer Meinung war. Sie grinste ihn schief an und lauschte weiter James überzogenem Tatsachenbericht über die lausigste Band auf diesem Planeten. Was war nur aus den guten, alten Schicksalsschwestern geworden?

Harry griff sich die beiden Taschen, die er und James mitgenommen hatten und brachte sie die Treppen hinauf in das obere Stockwerk. Als er seine eigene auspackte fiel ihm ein, dass Lily heute Abend wieder nach Hause kommen würde. Sie war mit einer Freundin in Frankreich gewesen. Je voller das Haus, desto besser. Möglicherweise würde die Gegenwart seiner gesamten Familie ihm den Kopf waschen, aber er bezweifelte es. Noch immer tobten die Endorphine in seinem Körper und trübten das schlechte Gewissen. Vielleicht konnte er deswegen so normal mit Ginny umgehen. Zwar wusste er, dass er etwas Falsches tat, aber zurzeit machte es keinen unglücklich, insofern niemand davon erfuhr. Plötzlich ertappte Harry sich dabei wieder an Sirius zu denken. Er wünschte sich mehr denn je sein Patenonkel wäre noch am Leben. Auch ihm hätte er nicht erzählen können mit wem er eine Affäre hatte, schließlich war sein Hass auf die Malfoyfamilie viel tiefer und berechtigter gewesen, dafür hätte er ihm von der Situation an sich erzählen können. Sirius hätte ihn nicht verurteilt, aber ihn auf den richtigen Weg geschickt, wie auch immer dieser aussehen mochte. Doch er war nicht hier. Harry musste seine Suppe alleine auslöffeln. Seufzend verstaute er die geleerte Tasche und machte sich wieder auf den Weg nach unten.

„Ich habe gehört, ihr habt schon gefrühstückt…“, stellte Ginny fest und schien plötzlich ein wenig schlechter gelaunt als zuvor. Er konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen weshalb. Möglichweise lag es daran, dass es ihr missfiel, dass James Dracos Küche mehr zu schätzen wusste als die seiner Mutter. Oder es war etwas gänzlich anderes. Jedoch hielt er es für das beste, zunächst zu schweigen und darauf zu warten, dass sie ihm von selbst eröffnen würde, was ihr Problem war – falls es überhaupt eins gab und er keine Paranoia bekam.

„Ja, das hat sich angeboten. Hast du schon einen Plan, was wir mit unserer baldigen gemeinsamen Auszeit anfangen?“

Ginnys Gesichtszüge hellten sich wieder merklich auf.

„Ja. Lass uns in dem Restaurant essen, in dem wir vor der Hochzeit immer waren. Danach könnten wir uns in guter, alter Muggelmanier einen Film im Kino ansehen.“

Zwar war Ginny von den Muggeln und ihren Erfindungen nicht annähernd so begeistert wie ihr Vater, aber das Konzept von Film und Kino hatte sie in ihren Bann gezogen. Sie kam näher und strich ihm mit einer Hand über die Brust.

„Und danach… mal sehen.“

Mit einem vielsagenden Blick reckte sie sich seinem Mund entgegen und schlang die Arme um seinen Hals. Zum zweiten Mal an diesem Tag küsste Harry einen Menschen, den er liebte. Ginny zu küssen ließ ein befriedigendes, ruhiges Gefühl von Vertrautheit in seinem Magen aufleuchten, das ihn ganz und gar erfüllte. Es war ein Gefühl, das er mit regnerischen, aber romantischen Herbstabenden, dampfendem Tee und Lachen verband. Aber es stellte seine Welt nicht auf den Kopf. Nicht mehr.
 

Als Ginny sich zum Duschen in das geräumige Badezimmer zurückgezogen hatte, ließ Harry sich rücklings auf ihr großes Ehebett fallen. Lily würde bald hier sein. Madleine, die Mutter ihrer Freundin, hatte ihnen bereits Bescheid gegeben.

Auch wenn es nicht angenehm war, trat jetzt endlich, endlich, das Gefühl von richtiger Schuld ein. Anfangs hatte er einen wunderbaren Tag verbracht und sich dabei eingeredet, dass er mit seinem Verhalten niemanden verletzte, insofern er sich unauffällig verhielt, nun sickerte langsam aber sicher das Verständnis ein, dass dem nicht so war. Er verletzte Draco, der wusste, dass er, Harry, jetzt hier war, bei Ginny. Er verletzte Ginnys Würde, auch wenn sie davon nichts wusste. Er missbrauchte das Vertrauen seiner Kinder und zu guter letzt verletzte er auch sich selbst. Der wichtigste Teil seines Selbstbildes war ins Wanken geraten. Seine bedeutendste Charaktereigenschaft hatte tiefe Risse bekommen. Er hatte sich immer für einen ehrbaren Mann gehalten, jemand der anderen Menschen half, ihnen beistand, Hilfe leistete. Jetzt war er zum dem geworden, was er sonst verurteile: Ein Lügner und Betrüger.

An seinem Handeln hingen so viele andere Leben. Was würde Ron sagen, würde er jemals erfahren, was Harry seiner Schwester antat? Er würde ihn verfluchen und – was noch viel schlimmer war – niemals wieder eines Blickes würdigen. Selbstmitleid, Wut und Verzweiflung begannen ihn zu überwältigen. Das Monster, dessen Gegenwart er schon in Dracos Zimmer gespürt hatte, fraß sich quälend durch seine Eingeweide und in sein Herz.
 

Der Anblick seiner Tochter vertrieb die düsteren Gedanken für kurze Zeit. Ihr strahlendes Lächeln und ihre lebhaften Erzählungen vertrieben die aggressiven Wellen all der Gefühle, die in seinem Inneren tobten – nur um sie kurz darauf mit neuer Intensität aufwallen zu lassen. Die Gezeiten der Schuld. Ginny, Albus, James und Lily. Ron, Hermine, Hugo und Rose. Sie alle linderten seinen Schmerz durch ihre Anwesenheit, ihr Lachen, ihre Scherze und ihre Unwissenheit. Gleichzeitig erinnerte ihn eben dieser Anblick an all die Dinge, die er in den letzen Wochen so zuversichtlich in den Sand gesetzt hatte. Auf seine Art hatte Draco in der Küche Recht gehabt. Das einzige, was zwischen Harry und dem absoluten Zusammenbruch seiner Welt stand war ein unachtsamer Schritt, ein schlecht gewähltes Wort, ein unabsichtliches Geständnis oder eine winzig erscheinende Kleinigkeit, die eine Lawine los trat. Er hatte bereits so viele Szenarien durchgespielt und konnte sich immer noch nicht das volle Ausmaß der Folgen vorstellen. Die Katastrophe würde im zentralen Kreis seiner Familie starten und sich dann in konzentrischen Kreisen immer weiter ausbreiten. Aber vielleicht würden sich auch neue Türen öffnen? Vielleicht würde sich alles verändern, aber nichts untergehen? Vielleicht würde auch einfach gar nichts passieren? Wie viele Männer führten erfolgreich ein Doppelleben? Durfte er sich daran orientieren? Wie sehr konnte er sein Glück herausfordern? Nach wie vor fühlte er sich nicht fähig eine Entscheidung zu fällen. Er konnte auf nichts verzichten. Auf niemanden. Oder wollte er nur nicht? Über diesen einen Punkt musste er sich dringend klar werden. Wenn es eine Frage des Wollens war, dann gab es nur eine Möglichkeit: Das alles beenden, bei Ginny bleiben und sich ein paar Wochen lang in Geduld üben, bis der Schmerz nachlassen würde. Wenn es eine Frage des Könnens, oder viel mehr des Nicht-Könnens war, dann musste er sich etwas anderes überlegen.

Der gesamte Abend verlief in erschreckender Normalität. So sehr es auch in ihm stürmte und brodelte, seine Oberfläche war spiegelglatt und unauffällig. Er wäre ein guter Slytherin gewesen, der Hut hatte recht gehabt. Vielleicht hätte ihn das mit Draco zusammengeführt. Vielleicht hätte der Blonde dann ein anderes Leben gelebt, vielleicht wäre sein Gewissen dann nicht so belastet. Vielleicht, vielleicht…

James war mehr als missmutig, als er am nächsten Tag einsehen musste, dass seine Eltern ihn tatsächlich dazu zu zwingen gedachten seine Geschwister zu beaufsichtigen. Mehrere Male hatte er Harry darauf hingewiesen, dass Albus alt genug sei, um auf sich selbst zu achten, dass man Lily einfach in ihrem Zimmer einsperren solle und er ohnehin nicht die geeignete Person sei, um Verantwortung zu übernehmen, seine Akte beim Hausmeister von Hogwarts würde das belegen. Tatsächlich sei es sinnvoller entweder Zuhause zu bleiben oder ihn und seine Geschwister bei Ron und Hermine unterzubringen. Jedoch waren weder Harry, noch Ginny bereit nachzugeben. Nicht, dass es ein Problem gewesen wäre Hermine zu fragen, aber es ging bei der Sache ums Prinzip. Genauso wenig war es James gelungen sich aus den Haushaltspflichten herauszureden, die er versprochen hatte zu übernehmen. Harry fühlte sich wie ein siegreich heimgekehrter Krieger nach einer heroischen Schlacht gegen die gefürchteten Monster der Pubertät.

Zusammen mit Ginny hatte er sich in den Garten gelegt. Sie genossen den warmen Tag und ließen es sich nicht nehmen, gelegentlich einen befriedigten Blick durch das Küchenfenster zu werfen, wo James gerade den Boden wischte. Magie durfte er schließlich noch nicht außerhalb der Schule anwenden.

„Eigentlich ist es fast grausam, was wir da tun“, sagte Ginny „Ich meine, ich müsste nur einmal den Zauberstab schwenken und die Hausarbeit macht sich von alleine.“

„Ja, aber er hat es verdient. Die Band war furchtbar.“

Insgeheim gab Harry seiner Frau Recht. Tatsächlich hatten sie auch kurzzeitig in Erwägung gezogen, James von seinen Pflichten zu befreien. Die Forderung hatte schließlich in erster Linie dazu gedient ihn von dem Konzert abzuhalten. Wenn sie ehrlich zu sich selbst waren, war der Grund dafür, dass sie in den letzten Monaten wenig Zeit füreinander gehabt hatten, weder bei den Kindern, noch im Haushalt zu suchen, sondern bei ihnen selbst und ihrer Arbeit. Sie waren einfach zu beschäftigt und ausgelaugt gewesen, um abends noch etwas zu unternehmen. Allerdings hatten sie dann gemeinsam beschlossen, dass es dem Jungen ganz gut tat mal etwas für seine Familie zu tun, statt immer nur einzufordern.

„Er meinte, du hättest dich ganz gut mit Draco unterhalten können…“

„Ja, schon. Aber es wäre besser gelaufen, wären wir an einem weniger überlaufenen, verqualmten und lauten Ort gewesen.“

Harry fühlte sich unwohl, sobald Ginny ansatzweise das Thema Draco Malfoy anschnitt.

„Egal. Wir sollten jedenfalls den ganzen Tag nutzen. Was hältst du davon, wenn wir, bevor wir essen fahren, noch in die Winkelgasse gehen? Einfach nur so.“, fragte er.

„Da müssen wir doch bald ohnehin schon mit den Kindern hin. Lass uns lieber zum See fahren.“

Der See. In der Nähe ihres Hauses lag ein kleines Stückchen Wald. Bevor James geboren wurde, hatten sie dort durch Zufall einen kleinen See entdeckt, den sie damals „Ihr Geheimnis“ getauft hatten. Nicht einmal ihre Kinder wussten davon, obwohl Harry sich sicher war, dass James genau dort entstanden war. Sie waren eine gefühlte Ewigkeit nicht mehr dort gewesen.

„Darauf hätte ich auch mal kommen können.“, sagte er und lächelte Ginny an.

Er war sich unsicher gewesen, wie der Tag verlaufen würde, aber in diesem Moment hatte er das Gefühl, dass nichts schief gehen konnte.
 

Draco starrte auf die tiefschwarze, kreisförmige Oberfläche des Kaffees in seiner Tasse. Er hatte ihn in Gedanken so stark gekocht, dass die Oberfläche zu einem dunklen Spiegel geworden war, in dem er sein Gesicht betrachten konnte. Er schüttete einen Teil der Tasse in den Ausguss und goss ausnahmsweise etwas Milch dazu. Er hatte Scorpius versprochen heute noch mit ihm in die Winkelgasse zu gehen und ein Buch zu kaufen, dessen Erscheinen der Junge seit Wochen sehnsüchtig erwartete. Vorher brauchte er jedoch etwas Ruhe.

Zielstrebig steuerte er die große Bibliothek an und setzte sich in den alten Sessel. Schon sein Vater hatte darin gesessen, sein Großvater, sein Ur-Großvater und so weiter und so fort. Auch wenn er fast alles entsorgt hatte, was ihn an seine Familie und deren (und auch seine) Verbrechen erinnerte, von diesem Möbelstück hatte er sich nicht trennen können. Die meisten seiner schönen Kindheitserinnerungen hatten bei diesem Sessel stattgefunden. Wenn sein Vater sich einmal Zeit für ihn genommen hatte, dann war es dort gewesen. Lucius Malfoy hatte dann immer einen Feuerwhiskey neben sich stehen gehabt, seinen Sohn auf den Schoß genommen und ihm vorgelesen. Als Draco älter geworden war, saß einer von ihnen auf diesem Sessel, der andere auf einen beliebigen Stuhl. Jedes Mal hatten sie sich abgewechselt und Gespräche geführt, an die er sich heute noch mit einem warmen Gefühl erinnerte. Lucius Malfoy war ein grausamer Mann gewesen, aber dieser Sessel erinnerte ihn daran, dass es auch eine Seite an ihm gegeben hatte, die ihn mit ganzem Herzen geliebt hatte.

Auf dem kleinen Tisch neben ihn lag noch ein Stapel Bücher, aber Draco fehlte die Konzentration dafür. Das kam nicht oft vor. Wenn er aufgewühlt war, waren es die Bücher, die ihn ablenkten. In seiner Jugend auf Hogwarts hatte er mit dem Lesen aufgehört. Er war davon ausgegangen, es könne ihn zu weich erscheinen lassen. Damals wollte er als tatkräftig und gefährlich wahrgenommen werden, als stolzer Malfoy eben, und nicht als introvertierte Leseratte. Gelesen hatte er dann in den Ferien. Auch wenn er in Hogwarts viele Leute gekannt hatte, waren sie für ihn mehr Bundesgenossen und Lakaien als Freunde gewesen. Die Zeit Zuhause verbrachte er oft allein.

Möglicherweise war das auch ein Grund für seinen Hass auf Harry gewesen: Seine Fähigkeit echte Freundschaften zu schließen. Hätte ihm damals jemand gesagt, dieser Junge würde irgendwann seine Frau betrügen, hätte er ihn für verrückt erklärt. Harry war der Goldjunge mit dem Helfersyndrom und dem großen Herzen. Dem Slytherin in ihm gefiel der Gedanke, dass er dieses Bild beschmutzt hatte. Es war, als hätte er Harry damit seinen Stempel aufgedrückt. Leider war er mittlerweile erwachsen geworden und konnte sich daher nicht auf dieses Gefühl konzentrieren. Tatsächlich fühlte er sich in erster Linie mies. Harry folgte seinem Herzen und nahm vermutlich nicht einmal richtig wahr, was er anrichtete. Er selbst hingegen benutze für gewöhnlich seinen Verstand. Er hätte das alles unterbinden sollen, bevor es überhaupt angefangen hatte. Irgendwo saß oder lag Harry jetzt mit Ginny und spielte ihr weiter das übliche, glückliche Eheleben vor.

Der Gedanke machte ihn krank. Eifersucht und Neid waren Gefühle, die den Malfoys durchaus bekannt waren, aber dieses Mal war es anders. Diese Form von Eifersucht war neu. Sie tat weh. Es ging nicht darum, den Besitz oder die Macht eines anderen haben zu wollen. Was er wollte, wollte er nicht besitzen. Er wollte ein Teil von Harrys Welt sein. Ein unauslöschbarer Teil, auf den er nicht mehr würde verzichten können, weil es nicht nur sein Herz, sondern auch seine Seele brechen würde. Er wollte ihn nicht verletzen, sondern bei ihm sein, ihn in seine Arme schließen, bevor Harry sich überhaupt einsam oder traurig fühlen konnte. Aber er wollte auch der Einzige sein. Gut, vielleicht wollte er Harry doch irgendwie besitzen. Aber nicht mit Gewalt, nicht zu so einem hohen Preis.

Als er noch einen Schluck Kaffee nehmen wollte, stellte er fest, dass die Tasse bereits geleert war. Mit einem Seufzen stellte er sie ab und richtete seinen Blick auf die Zimmerdecke.

„Hör einfach auf nachzudenken, atme.“, sagte er zu sich selbst und schloss die Augen.
 

Scorpius sah seinen Vater durch die Tür der Bibliothek verschwinden. Erst wollte er ihm nachgehen und ihn fragen, ob sie nicht schon losfahren könnten. Erstens wollte er unbedingt den neuesten Teil seiner Lieblingsbuchreihe kaufen und zweitens wusste er, dass Amanda sich jedes Wochenende irgendwann mittags im Buchhandel befand. Aber als er bemerkte wie abwesend Draco wirkte, schluckte er die Bitte herunter. Seit Harry und James am morgen gefahren waren, schien irgendetwas mit seinem Vater nicht zu stimmen. Ob etwas zwischen ihm und Harry vorgefallen war? James Vater hatte sehr dringend fahren wollen und die Stimmung am Tisch war angespannt gewesen. James hatte es wahrscheinlich nicht gemerkt, aber Scorpius konnte sowas riechen. Bis seine Eltern sich endlich zu der Trennung entschlossen hatten, hatte diese knisternde Unruhe wochenlang über dem Esstisch gehangen. Hatten sie damals wirklich geglaubt, er würde das nicht merken? Auf der einen Seite rührte es ihn, dass seine Eltern trotz ihrer Differenzen noch alles mögliche versucht hatten, seinetwegen zusammen zu bleiben und ihn rauszuhalten, aber auf der anderen Seite ärgerte es ihn auch. Er war alt genug, um bei so etwas mit einbezogen zu werden und außerdem wäre die Scheidung weit angenehmer verlaufen, hätten sie sich eher dazu entschieden. Das Einzige, was ihn wirklich störte, war, dass er seine Mutter kaum noch sah. Sicherlich, sie liebte ihn, aber im Moment liebte sie ihre neu gewonnene Freiheit mehr und das tat weh.

Scorpius verdrängte den Gedanken an Viktoria und schlich sich nach unten zur Bibliothek. Sein Vater hatte die Tür nicht ganz geschlossen. Er saß auf dem Sessel seines Vaters, eine Tasse Kaffee in der Hand, aus der er hin und wieder gedankenverloren einen Schluck nahm und starrte ins Leere. Das war nicht gut. Scorpius hatte dieses Verhalten nicht oft bei ihm beobachtet, aber wenn, dann bedeutete es meistens, dass er wegen irgendetwas total am Boden war. Als deutlich wurde, dass er seine Ehe nicht würde retten können, am Todestag seiner Eltern, nachdem ein guter Freund einer schweren Krankheit erlegen war… das waren die Gelegenheiten, an denen er sich manchmal sogar mehrere Tage hintereinander hierher zurückzog. Immer nur kurz um Scorpius nicht zu beunruhigen oder zu vernachlässigen. Er wusste vermutlich nicht einmal, dass er manchmal beobachtet wurde. Dabei registrierte er sonst alles.

Er hörte Draco murmeln: „Hör einfach auf nachzudenken, atme.“

Draco atmete tief ein. Scorpius atmete tief ein.

„Dad?“

Wenn er von sich selbst behauptete alt genug zu sein, um von seinem Vater einbezogen zu werden, dann wurde es auch Zeit seinen Vater einzubeziehen und zu versuchen für ihn da zu sein, so wie er es all die Jahre für ihn gewesen war.

Überrascht drehte dieser sich in seinem Sessel um und sah ihn an.

„Möchtest du fahren?“, fragte er und zauberte das Lächeln auf sein Gesicht, von dem Scorpius schon vor einiger Zeit erkannt hatte, das es seine Augen nicht erreichte.

„Nein. Ich will einfach nur mit dir reden.“

Er ging zu seinem Vater und zog sich einen der anderen Lesestühle heran.

„Was ist los mit dir, Dad? Du kommst nur zum Löcher-in-die-Luft-starren hier her, wenn etwas nicht stimmt. Und versuch jetzt nicht mir etwas anderes zu erzählen. Ich weiß Bescheid. Du sagst immer, du erkennst, wenn ich lüge oder wenn es mir schlecht geht, weil ich dein Sohn bin. Ich kann das auch.“

Draco sah ihn ein wenig perplex an.

„Hat es was mit Harry zu tun?“

Für einen kurzen Moment weiteten sich die Augen seines Vaters, als hätte er ihm gerade eröffnet ein Mädchen geschwängert, ein Drogenproblem zu haben oder sonst eine Nachricht, die Väter in heillose Panik versetzte. Schnell bekam er seine Mimik jedoch wieder unter Kontrolle.

„Schätze schon. Ich verstehe mich gut mit ihm und ich freue mich darüber, dass du in James einen guten Freund gefunden hast. Freundschaften waren nie so meine Stärke. Es freut mich, wie gut du darin bist… aber… ich erinnere mich einfach an viele Dinge, wenn ich ihn sehe. Ich fühle mich einfach ständig schuldig für das, was passiert ist. Ich dachte, ich hätte das alles hinter mir…“

Scorpius spürte, dass das nur die halbe Wahrheit war. Aber er brauchte nur in die Augen seines Vaters zu sehen, um zu wissen, dass er nicht mehr erfahren würde. Und zum ersten Mal glaubte er, dass das vielleicht auch gut so war. So sehr er seinem Vater helfen wollte, etwas das diesem einen derartigen Schmerz verursachte, war vielleicht doch noch nicht für seine Ohren gemacht.

„Weißt du, Dad. Lass uns heute nach dem Einkaufen noch irgendwo hingehen. Eis essen oder so…“

Draco sah ihn ungläubig an. Auch wenn ihr Verhältnis gut war, legte Scorpius in der Öffentlichkeit nicht allzu viel Wert darauf das auch zu zeigen. Eltern waren nun einmal etwas peinlich, egal wie cool man sie insgeheim fand.

„Scorp, du musst nicht…“

„Ich weiß, aber ich will. Und jetzt komm… es gibt da so ein Mädchen…“

Zwar hätte er seinem Vater lieber nicht davon erzählt, aber das verschmitzte Lächeln auf dessen Gesicht, diesmal echt, entschädigte ihn für die peinlichen Randbemerkungen seines Vaters, die er zukünftig würde ertragen müssen. Das war es einfach wert.
 

So, das war es dann erst mal wieder. Danke an alle, die noch dabei sind.



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Kommentare zu diesem Kapitel (5)

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Von:  Kaya
2013-03-18T15:19:33+00:00 18.03.2013 16:19
Hi,

ich hätte nicht gedacht, dass ich mal mit so viel Vergnügen eine Harry x Draco Story lesen würde. Bisher mochte ich das Pairing nicht so. Aber du hast es geschafft mich davon zu überzeugen, hier dran zu bleiben ^^
Von:  Nana-tan
2013-02-17T13:38:12+00:00 17.02.2013 14:38
Wie könnte man deine FF nicht weiter lesen^^
freut mich das ein neues Kapitel gekommen ist.

Tja Harry steckt ganz schön in der Tinte. Du hast das Gefühlschaos der beiden gut beschrieben. Besonders Harrys Sicht gefällt mir.. obwohl er seine Frau betrogen hat. Einerseits liebt er sie andere Seits begehrt er Draco. Seine Schuldgefühle kommen gut zur Geltung
Freu mich wenn´s weiter geht xD
Bis bald
Nana
Von:  mimaja56
2013-02-17T13:21:51+00:00 17.02.2013 14:21

ich finde es enorm wie sich die Charaktere unterscheiden.

Während James zuhause wieder im Normalrythmus gefangen ist, von seiner Putzarbeit mal abgesehen. Befasst sich Scorpius sehr eingehend mit dem Verhalten seines Vaters. Kann sein, dass das auch James machen würde, wenn da nicht Ginny wäre ..... - doch die ist ja hier,unübersehbar.

Harry tut mir momentan echt leid, er hängt echt zwischen 2Stühlen. Denn seine Frau bedeutet ihm eindeutig viel, genausowie auch Draco. Und wie Draco schon sagte, er hat zuhause einen ziemlich festen Anker. Seine Kinder! - Und ich kann mir nicht vorstellen, dass nach reiflicher Überlegung Harry seine Kinder aufgeben würde für ein Leben mit Draco.
Und ich kann mir nicht vorstellen, dass Ginny Harry eine solche Entscheidung leicht machen würde.
Tolles Kapitel, danke
Von:  MikaChan88
2013-02-17T12:47:21+00:00 17.02.2013 13:47
total super kapi ^-^

cu,
MikaChan
Von:  Chaos_NoNo
2013-02-17T01:49:03+00:00 17.02.2013 02:49
Oh Gott
Ich mag Scorpio einfach
er ist so süß
Wie er Draco einfach durchschauen kann
das ist sooo süß
Ich finde die Stimmungen auch einfach total realistisch
Und harry ist ein Arsch aber egal was er tun sollte es wird immer Scheiße sein
Ich warte trotzdem auf das nächste Kapitel
Grüße N_N


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