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Der Hauch auf dem Spiegel

FF zu dem Thema: "Was geschah davor"
von

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Verlangen

Die Nacht ist längst hereingebrochen. Schweigend schreitet Inu Taishou durch den unwegsamen Wald, gefolgt von Kossoridoku. Aus Rücksicht auf seinen Begleiter verzichtet der Daiyoukai heute darauf, als Lichtkugel in seiner Energieform zu reisen. Das ist der Vorteil, den man als Daiyoukai besitzt, die vollständige Kontrolle über sein gesamtes Youki. Würde ein gewöhnlicher Youkai diese Technik anwenden, würde es ihn nach wenigen Momenten in Stücke reißen, und er benötigt den Lehrer seines Sohnes lebend für das was er vorhat.

Inu Taishous Herzschlag beschleunigt sich je näher er seinem Zielort kommt. Mit einer gewissen Faszination registriert er das. Schon lange ist er nicht mehr so nervös gewesen. Bisher konnte nur ein gefährlicher Kampf ihn so sehr in Aufregung versetzen, doch heute steht kein Kampf zu befürchten. Im Gegenteil!

Immer wieder und wieder drehen sich seine Gedanken nur um das eine Thema und je mehr er darüber nachgrübelt um so unruhiger wird er. Tut er auch wirklich das Richtige? Wie oft hat er sich schon diese Frage gestellt. Und immer wieder kommt er zu dem Schluss, dass das für ihn keine Rolle spielt. Selbst wenn er sich zwingen würde, er könnte es nicht ertragen auf Dauer von ihr getrennt zu bleiben.

Seit fast zwei Jahren trifft er sie nun schon heimlich, die junge Frau, die es ihm über alle Maßen angetan hat. Schon von dem Moment, als er sie zum ersten Mal sah, wusste er, dass er ihr Gesicht nie wieder aus seinem Kopf bekommen würde. Und inzwischen sind sie beide sich so nahe gekommen, dass es ihm unmöglich wäre, sie je wieder zu vergessen.

Izayoi! Sie ist so völlig anders als Mimaru. Die Daiyoukai ist von überirdischer Schönheit und Grazie. Aber auch stark wie das Meer und mysteriös wie das kühle Licht des Mondes. Doch Izayoi besitzt eine völlig andere Lieblichkeit. Wenn dieses Menschenmädchen lächelt, dann scheinen tausend Sonnen auf ihrem Gesicht, die sein Herz mit ihrer Wärme fluten. Und wenn er nur lange genug in ihre Augen schauen würde, dann kämen ihm die Tränen über so viel Anmut und Unschuld. Allein der Gedanke, sie aufgeben zu müssen, bereitet ihm unsägliche Schmerzen. Mimaru und Izayoi, Kälte und Wärme, Nacht und Tag. Er wünschte, er könnte sie beide haben, doch das wäre vermessen, selbst für einen Fürsten wie ihn.

Und doch ist er gerade dabei, eben diese Vermessenheit herauszufordern. Seine Nervosität wächst. Wird sie da sein? Wird sie bereit sein, das mit ihm zu tun, was er ihr zugesagt hat? Und vor allem, wird er in der Lage sein, ihr alles zu schenken, seine ganze Liebe, seine ganze Leidenschaft, und sich dennoch so sehr in der Gewalt zu haben, dass er sie nicht verletzen wird? Oder Schlimmeres!

Nicht auszudenken, was dann geschehen würde. Inu Taishou weiß nur zu gut, was es bedeutet, wenn ein Youkai seinen Gefühlen freien Lauf lässt, und auch welches Schicksal damit verbunden ist. Es ist bereits zu spät! Sein Herz gehört ihr schon und sie zu verlieren, hieße eine Wunde davonzutragen, die er nicht so rasch verwinden würde, wenn überhaupt. Und das bedeutet, dass er sie beschützen wird, ganz gleich was es ihn kostet.

Doch all das darf niemand sonst erfahren. Sein Volk blickt zu ihm auf. Sie verehren ihn. Sie würden das hier nicht verstehen. Sie würden nicht begreifen, warum ein so mächtiger Youkaifürst einer gewöhnlichen Sterblichen solche Aufmerksamkeit schenkt. Sie würden sich von ihm abwenden und das würde das Reich schwächen und sie alle gefährden.

Deshalb kann er sie nur heimlich treffen. Und normalerweise wäre das kein Problem. Doch heute ist es anders. Heute wird er weiter gehen als bisher und womöglich hat er sich dann nicht in der Gewalt. Zumindest wird er zu unachtsam sein, um ungebetene Augen und Ohren rechtzeitig zu bemerken. Und zu diesem Zweck hat er den jungen Krieger mitgebracht. Er soll darauf achten, was um sie her geschieht und entsprechende Maßnahmen ergreifen. Nur muss er ihm das erst noch klarmachen.

In der Ferne ist die Silhouette eines Pagodendaches in der Dunkelheit zu erkennen. Sie haben ihr Ziel erreicht. Inu Taishou bleibt stehen. Nun wendet er sich zu seinem Begleiter um. „Kossoridoku“, beginnt er, „Ich werde zu dem Anwesen dort hinunter gehen und ich möchte, dass du hier bleibst. Achte darauf, dass niemand erfährt, dass ich dort bin. Wenn jemand auftaucht den du kennst, versuche ihn abzuwimmeln. Ist es ein Fremder, wirst du schon wissen, was angemessen ist, aber handele schnell und unauffällig.“

Ein wenig irritiert blickt der Youkai seinen Herrn an. „Mein Fürst, ich verstehe nicht ganz“, antwortet er zögernd. Er wüsste zu gerne, was hier vor sich geht, aber er kann den Daiyoukai ja schlecht nach seinen Beweggründen fragen.

Doch Inu Taishou scheint seine Gedanken erahnt zu haben. „Ich fürchte, du wirst es bald verstehen“, antwortet er mit bedacht, „Doch ganz gleich was du hörst oder sonst wahrnimmst, es hat seine Richtigkeit und du bleibst auf deinem Posten, verstanden?“

Ein wenig verhalten nickt Kossoridoku. Er hat so das Gefühl, dass hier irgendetwas in der Luft liegt, und dass ihm das vermutlich nicht gefallen wird.

Inu Taishou wendet sich nun zu Gehen, doch dann blickt er noch einmal zu seinem Untergebenen zurück: „Ich verlasse mich auf dich, Kossoridoku! Du bist der Einzige, dem ich in dieser Sache vertrauen kann. Du hast schon bei meinem Sohn Weitsicht bewiesen. Nicht immer ist das Festhalten an Traditionen die beste Wahl. Du wirst verstehen, warum ich so handeln muss.“ Mit diesen Worten wendet er sich ab und lässt den Youkai alleine in der Dunkelheit zurück.

Ein wenig ratlos steht Kossoridoku da. Was wollte der Fürst ihm damit sagen? Was hat das Ganze zu bedeuten? Was tut sein Herr hier bei dieser Menschensiedlung? Ein ganz mulmiges Gefühl beschleicht ihn. Er würde es bald verstehen, hat der Daiyoukai gesagt. Was mag das bedeuten?

Eine ganze Weile steht Kossoridoku nur schweigend da und versucht seinem Auftrag gerecht zu werden. Doch dann auf einmal, ganz leise, dringen sonderbare Laute an sein Ohr. Zunächst ist sich der junge Krieger nicht sicher, was er da hört, doch dann weiten sich seine Augen ungläubig und auf einmal versteht er.

Fassungslos lauscht er den eindeutigen Klängen und ein ganz neues und sehr unbequemes Gefühl kriecht nun seinen Rücken hinauf. Fast schon ist er über sich selbst erstaunt. Nie hätte er gedacht, dass ihn solche Gefühle für seinen Fürsten überkommen würden. Und als er es schließlich wagt, dieser Empfindung einen Namen zu geben, beginnt sein Herz zu rasen und seine Handflächen werden feucht, so sehr erschreckt ihn das. Zu hören, wie sich sein stolzer, von seinem Vater in den Himmel gepriesener Fürst lautstark mit einer niederen Menschenfrau paart, löst bei ihm nur eine Empfindung aus: Grenzenlose Abscheu!



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  Yvibel
2015-06-27T10:15:27+00:00 27.06.2015 12:15
Also das war für mich jetzt auch wieder richtig schön. Vom verliebten Taishou zu lesen, macht spaß, hätte ich gern noch weiterhin. Tja Romantiker eben. XD Richtig süß, auch wenn es im gesamten ja nur umschrieben und angedeutet ist, die Fantasie spinnt das dann ja wunderbar alleine weiter und das mag ich ja absolut.^^
Und trotzdem tut mir nun auch der Fürst leid, weil er eben auch nicht einfach so tun und lassen kann was und wie er will und das die meisten Anderen da wie er sagte, in ihrem Denken schon so festgefahren sind, dass Kossoridoku´s Gefühlslage jetzt durch die ganze Sache so völlig in die entgegengesetzte Richtung abdriftet. Einerseits glaub ich, dass ich das schon auch nachvollziehen kann. Andererseits macht es mich wiederum ein klein bisschen traurig, weil da wohl niemand und der unfreiwillige Wächter wohl gerade am allerwenigsten, dieses Gefühl von Liebe kennt und versteht oder vielleicht auch gar nicht verstehen will. Ohje ohje...da hat sich der Fürst jetzt wohl doch gründlichst vertan in seiner Einschätzung. Obwohl...man kann ja nie so genau wissen in welche Richtung sich Gefühle entwickeln. Auch nicht, bei Leuten denen man zu einhundert Prozent vertraut und die einen am besten von allen kennen, was hier meiner Meinung nach nicht der Fall war und das war wohl erst recht ein Grund dafür, warum das nicht so gut gehen kann, wie das der Taishou gehofft hat.
Ok, jetzt ist der Karren also in den Dreck gefahren, sehen wir mal was weiter passiert.^^
Yvi

Von: Kupferschweif
2012-06-30T17:50:37+00:00 30.06.2012 19:50
In der "Hauptgeschichte" hast du ja schon recht klar gemacht, was Kossoridoku dazu bewogen hat, dem Westen den Rücken zu kehren, aber diese Szene "live" und ausführlicher zu lesen ist wie eben gesagt ja dann doch wieder etwas anderes und sehr interessant. ^^ Es hat mir sehr gut gefallen, wie du die Gedanken und GEfühle beschrieben hast, besonders die von Kossoridoku. Auch wenn ich nicht so ganz verstehe, warum der Fürst es vermessen findet, wenn er sich eine Nebenfrau "zulegen" würde oder halt eine offizielle Geliebte. War damals doch eigentlich nichts ungewöhnliches (ist es teilweise heute noch nicht). Oder hat er diese Bedenken nur, weil sie ein Mensch ist? :/
lg
Kupfer
Von:  Hotepneith
2011-12-29T12:35:22+00:00 29.12.2011 13:35
Ach ja - das war zu befürchten.

Aber du hast wunderschön die beiden vollkommen unterschiedlichen gedanken des Leibwächters und des Fürsten erfasst. besonders gefällt mir, dass er auch an seiner ersten Ehefrau hängt, sie anerkennt und in gewisser Weise bewundert - aber das eben nicht alles ist, was er sucht. Und die Anbetung des jungen Kriegers weicht....Entsetze oder sogar mehr. Eben, der Hauch auf dem Spiegel.
(Wobei, ich Zabe mich immer schon gefragt, was wohl passiert wäre, wenn er Izayoi offiziell als seine zweite Frau in das Schloss gebracht hätte...^^ Es wäre zu der Zeit, zumal als Fürst, sein Recht gewesen)

bye

hotep


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