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Schuldigs Adventskalender

oder: Wie erobere ich Brad in 24 Tagen?
von

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04. 12. Silent Night

4. Dezember – Silent Night
 

Am nächsten Morgen sah Schuldig sich arbeitslos, weil Farfarello schon in der Küche hantierte, als der Telepath nach unten kam. Fast beleidigt schlich er wieder nach oben und enterte das Bad, das um diese Zeit ja noch frei war. So ein Mist aber auch!, fluchte er gedanklich vor sich hin. Da vermasselte ihm der Ire doch tatsächlich die Tour. Idiot!

Als der aromatische Duft von Kaffee durch das Haus zog, tappte ein schweigsamer und missgelaunter Telepath wieder in die Küche, bedachte den Weißhaarigen mit einem Blick, bei dem er eigentlich tot hätte umfallen sollen, schnappte sich eine Tasse und die Kaffeekanne und ließ sich in sich hineingrummelnd auf einen Stuhl plumpsen. Die Fröhlichkeit der letzten Tage schien wie weggefegt und doch leuchteten seine Augen wieder hell auf, als er Brads Schritte auf der Treppe hörte.
 

Farfarello war gut gelaunt und hatte ein schönes, deftiges Frühstück bereitet, das er Schuldig bereits auf seinen Teller schaufelte. Rührei mit Speck.

Crawford mochte das durchaus gern und freute sich auf die morgendlichen Mahlzeit. Freundlich grüßte er in die Runde und setzte sich an den Tisch.

"Ich muss nachher noch einmal weg. Achtet bitte darauf, dass Nagi seine Hausaufgaben macht, gestern meinte er, er würde sie heute machen."

Zwar war es Samstag, doch Crawford wollte nicht, dass Nagi seine gesetzten Aufgaben vor sich herschob.

"Ich bin erst spät wieder zurück", sagte er.
 

Naserümpfend saß Schuldig über dem Teller, den Farfarello ihm hingestellt hatte. Er war eigentlich nicht der Typ, der morgens schon etwas aß, aber er wusste, wie ungehalten der Ire werden konnte, wenn man seine Bemühungen nicht würdigte. Also ergab sich der Telepath in sein Schicksal und stocherte unlustig mit der Gabel in dem durchaus lecker duftenden Essen.

Er sah auf, als Brad verkündete, dass er den Tag über nicht hier sein würde - was seine Laune gleich noch weiter Richtung Nullpunkt sinken ließ.

Allerdings blitzte dabei auch schon wieder eine neue Idee in seinem Kopf auf. Ha! Da taten sich doch ungeahnte Möglichkeiten auf!

Endlich schob er sich eine Gabel voll Ei und Speck in den Mund und nickte dabei dem Älteren zu.

"Okay, mach ich", mampfte er und sah nach einem tiefen Blick in die braunen Augen sofort wieder auf seinen Teller. Sonst wäre er Gefahr gelaufen, die Gabel, die schon wieder auf dem Weg zu seinem Mund war, vergessen vor seinen Lippen in der Luft hängen zu lassen.

In seinen Gedanken malte er sich schon aus, wie schön es heute Abend werden konnte, wenn Brad nach Hause kam... und lächelte dabei verträumt.
 

Verträumt war auch die Atmosphäre, die herrschte, als Brad am Abend heimkam. Es hatte geschneit (nichts was ihm gefiel) und im Haus war es schön warm (was ihm sehr gefiel). Außerdem vernahm er ein leises Knistern, das aus dem Wohnzimmer kam. Jemand hatte den Kamin angemacht und das sagte ihm gerade sehr, sehr zu, denn das Zimmer bekam dadurch nicht nur ein angenehmes Licht, sondern auch eine herrliche, zentrale Wärme.

So lächelte er vorfreudig, als er ins Wohnzimmer trat. Eigentlich hatte er schon fast damit gerechnet, Schuldig hier zu sehen. Dazu verhielt sich der Mann in letzter Zeit viel zu einschlägig.

"Guten Abend", grüßte er und zog sich sein Sakko aus, welches er über eine Stuhllehne hängte.
 

Der Telepath hatte sich in einem weichen Pullover und einer legeren Hose auf die Couch gekuschelt. Im Hintergrund lief leise Musik - allerdings nichts, was wirklich sein Stil gewesen wäre. Denn statt Hardrock hatte er Chopin gewählt, dessen charismatische Klänge die Stille leicht durchbrachen.

Auf dem schweren Marmortisch vor der Couch standen zwei Weingläser, der dazugehörige Wein befand sich seit einiger Zeit im Dekanter.

Als Brad in den Raum kam und ihn ansprach, richtete sich Schuldig mit einem kleinen, kaum sichtbaren Lächeln auf.

"Hi!", grüßte er wenig stilvoll, doch sehr Schuldig-like zurück und deutete dann auf die Gläser.

"Willst du ein Glas mit mir trinken und mir erzählen, wie's gelaufen ist?"
 

"Ach, nichts Besonderes", winkte Crawford ab. "Aber ich nehm gern noch ein Glas."

Eigentlich hatte er den Rednern auf der Veranstaltung nicht so genau zugehört, die wichtigsten Erinnerungen gab es ohnehin in den Tagungsunterlagen auf die Hand mit.

Er hatte eher über Schuldigs komisches Verhalten nachgedacht und war zu zwei möglichen Optionen gekommen:

1. Schuldig wollte ihn ins Bett bekommen.

2. Schuldig wollte ihn provozieren und die Grenzen seiner Beherrschung austesten.

Dass Schuldig ernsthaft Gefühle für ihn hatte, konnte er sich beim besten Willen nicht vorstellen. Das war weder seine Art, noch Schuldigs. Doch er würde ihm schon noch zeigen, wer den längeren Atem hatte. Also hatte er beschlossen, sich auf dieses kleine Spiel einzulassen, es mitzuspielen und es zu gewinnen. So ließ er sich mit einem vieldeutigen Blick auf dem Sofa nieder.
 

Und verpasste dem verliebten Telepathen damit einmal mehr heftiges Herzklopfen. Auf einen Schlag war er so nervös, dass seine Hände zitterten, als er nach dem Dekanter und einem Glas griff. Energisch rief er sich zur Ordnung. Himmel, er goss ihm doch nur ein Glas Wein ein und machte ihm keinen Heiratsantrag! Dass Brad sich leicht zu ihm beugte, war aber auch nicht unbedingt hilfreich für seine nicht mehr vorhandene Ruhe. Dieser Blick... ging Schuldig einfach nur unter die Haut. Wortwörtlich, weil sich die Haare auf seinen Armen in einem wilden Schauer aufstellten.

"Hier." Plötzlich sehr einsilbig reichte er dem Schwarzhaarigen das Glas, wagte dabei einen flüchtigen Blick in die funkelnden Augen hinter der aufblitzenden Brille. Und schnappte ungewollt nach Luft. Oh Gott! So nahe waren sie sich ja seit... Jahren nicht mehr gewesen. Wenn es nach Schuldig gegangen wäre, hätte das allerdings noch um einiges näher sein dürfen.

Haut an Haut, ohne störenden Stoff dazwischen, war in etwa nahe genug für den bis über beide Ohren verknallten Telepathen.
 

"Danke."

Brad nahm von Schuldig das Glas entgegen und achtete dabei darauf, dass ihre Hände sich berührten. Dabei studierte er genau Schuldigs Reaktion darauf und sah seinen Verdacht bestätigt. Der Mann war nervös in seiner Gegenwart und wusste nicht mehr, wo er hinschauen sollte. Wirklich entzückend, diese aufgesetzte, schüchterne Verführungstaktik. Doch das würde nicht ausreichen, um ihn zu kriegen, beschloss er. Da musste Schuldig sich schon mehr anstrengen.

Brad schwenkte den Rotwein ein wenig in seinem Glas und beobachtete interessiert, wie die Partikel am Glas herunterliefen. Ein guter Jahrgang, der Farbe und des Geruchs nach zu urteilen. Der erste Schluck bestätigte seinen Verdacht, dass es sich dabei um einen französischen handeln musste. Jaja, die Froschfresser konnten nicht viel, aber im Weinanbau waren sie Könige.
 

Pah, von wegen aufgesetzt. Schuldig war ein Profi, was Verführung anging - solange es irgendwelche unwichtigen Flirts betraf, die er mal eben ins Bett bekommen wollte. Das hier war jedoch eine ganz andere Sache... So schluckte er hart, als sich ihre Hände trafen und musste sich mächtig beherrschen, um weder einen Dackelblick aufzusetzen oder sehnsüchtig zu seufzen, noch sich hektisch auf der Unterlippe herumzukauen. Schneller als vielleicht üblich überließ er dem Älteren das Glas und zog seine Hand zurück, um dann selber nach seinem Wein zu greifen. Uff, jetzt konnte er wirklich einen Schluck zu Trinken vertragen! Dumm nur, dass dieser Wein zwar wirklich hervorragend war, aber leider auch um einiges schwächer als das, was der Telepath normalerweise so trank.

Nach zwei großen Schlucken hatte er sich wieder so weit unter Kontrolle, dass er in der Lage war, halbwegs vernünftig zu sprechen.

"Bitte", erwiderte er erst mit einem kleinen Lächeln, das sich ganz von selbst auf seine Miene geschlichen hatte, und fügte dann an: "Echt gut. Nur schade, dass das die letzte Flasche war... Ode hast du davon noch irgendwo welche gelagert?"
 

"Wo... hast du diese Flasche denn her?", fragte Crawford skeptisch. Im Keller war doch eine ganze Kiste voll...

Bitte, lass es nicht die Flasche gewesen sein, die hier im Weinhalter liegt, dachte er mit einer düsteren Vorahnung. Denn die war eigentlich nicht zum Trinken, sondern als Geschenk für die Silberhochzeit des Bürgermeisters gedacht gewesen, da es sich dabei um ein wertvolles Sammlerstück handelte.
 

"Ähm... Von da drüben." Schuldig deutete genau in die Richtung, vor der dem Amerikaner grauste, und grinste verlegen die Schultern zuckend.

"Woher denn sonst?" Er hatte nicht wirklich eine Ahnung davon, dass sein Boss hinter Farfarellos 'Zimmer' einen Weinkeller eingerichtet hatte. Immerhin war Wein nicht so wirklich etwas, für das er sich im Normalfall interessierte.
 

Brad schloss die Augen, um sich selbst zur Ruhe zu rufen. Ganz ruhig, er hat es gut gemeint. Und es schmeckt ja auch. Warum sich also nicht ein wenig Luxus gönnen? Seine Versuche, sich selbst zu beschwichtigen, fruchteten und so schaffte er es, ein amüsiertes Lächeln aufzulegen, ehe er antwortete.

"Ach, es ist nur... im Keller befinden sich etliche Flaschen, die nicht über 1000 Dollar pro Flasche kosten", meinte er lakonisch.

Dann hielt er sein Glas wieder gegen das Licht. "Das hier ist ein 86er Spätburgunder. Ein wirklich hervorragender Jahrgang."
 

Bei dieser Antwort sank Schuldig förmlich in sich zusammen. Autsch, da hatte er wohl in seiner Unwissenheit einen ziemlich dummen Fehler begangen... Na, wenigstens schien Brad ihn nicht gleich köpfen zu wollen. War ja auch schon mal was.

"Ich glaube, ich bezahl dir den Wein...", stellte er dann kleinlaut fest. Das war ihm jetzt aber wirklich peinlich. Sowas Dummes aber auch!

Ein Gutes hatte diese Sache allerdings: Er hatte jetzt etwas, auf das er sich konzentrieren konnte und wurde somit ruhiger. Zumindest ein wenig.
 

Ach, den Telepathen so reuig und schuldbewusst zu sehen, war wirklich ein Genuss für sich. Was dazu führte, dass er nachsichtig war.

"Schon in Ordnung. Ich bin auch selbst schuld, wenn ich ihn nicht wegschließe. Aber er schmeckt nicht schlecht, oder? Ich erwarte aber, dass wir ihn heute auch austrinken", fügte er streng hinzu. "Es wäre eine Schande, den guten Tropfen verkommen zu lassen.
 

Na, das sollte doch die leichteste Übung für ihn sein! Schuldig nickte schweigend und genehmigte sich gleich den nächsten Schluck. Eines stimmte auf jeden Fall: Für einen Wein war dieses Zeug wirklich nicht schlecht.

"Kein Problem", grinste er, nun wieder sicherer, nachdem er merkte, dass Brad ihn tatsächlich nicht lynchen wollte.

Schuldig setzte sich wieder ein wenig aufrechter hin, strich sich die Haare zurück und wagte einen weiteren Blick in Richtung seines Leaders. Und musste sich abermals jegliche Reaktion schwerst verbieten. Donnerwetter, dass es ihn mal derart erwischen würde, hätte er sich ja auch nicht träumen lassen...
 

Brad schmunzelte etwas breiter, allerdings nicht über Schuldigs ach so bereite Zustimmung, sondern über dessen Flirtversuch. War ja schon wirklich entzückend, wie eindringlich er ihn dabei betrachtete, während er durch seine kupferglänzenden Haare fuhr.

"Was ist?", fragte er provokant. "Hab ich was im Gesicht?"
 

Das war einer der Momente, an denen Schuldig Brad am Liebsten einfach nur gepackt und kräftig geschüttelt hätte. Verdammt noch mal, das war doch unfair! Er blinzelte verwirrt - hauptsächlich weil er sich gar nicht bewusst gewesen war, dass er sich schon wieder im Flirt-Modus befand - und schüttelte dann den Kopf.

"Nein, wieso?", fragte er ebenso frech zurück, als hätte er keine Ahnung, von was der Schwarzhaarige überhaupt sprach.
 

"Weil du mich anstarrst wie ein Mondkalb", erklärte Brad sichtlich amüsiert. "Da dachte ich, es gäbe vielleicht etwas Interessantes zu sehen, von dem ich wissen sollte."

Er leerte sein Glas und stand dann auf, um sich nachzuschenken. "Wie war dein Tag? Hat Nagi seine Hausaufgaben gemacht?"
 

Hmpf. Nett, wirklich. Diesmal konnte Schuldig eines Seufzens nicht erwehren, doch es war kein schmachtendes, wie sonst immer, sondern eher ein genervtes.

"Ts, dann schau ich dich halt nicht mehr an", gab er schnippisch zurück und wandte den Kopf protestierend ab. Was wohl auch besser war, denn Brad stand gleich darauf auf und allein diese geschmeidige Bewegung hätte Schuldig schon wieder veranlasst, wie ein Pawlowscher Hund zu sabbern.

"Ja, hat er. Sogar ohne Ermahnung", teilte er dem Älteren mit, den Blick immer noch desinteressiert auf das Weinglas in seinen Händen gerichtet.
 

"Der Junge ist vernünftig. Wenn ich dabei an dich denke... In dem Alter warst du wirklich unausstehlich", meinte Crawford und setzte sich wieder neben seinen Kollegen.

So viele Jahre kannten sie sich nun schon und JETZT fing Schuldig an, sich für ihn zu interessieren. Mit leiser Boshaftigkeit fragte er sich, mit wem Schuldig eine Wette abgeschlossen hatte, dass er ihn rumkriegen würde.

Doch das stand völlig außer Frage, da würde er sich die Zähne ausbeißen. Schuldig war ein Freund. Und von Freunden ließ man prinzipiell die Finger, noch dazu, wenn man ihn quasi seit Kindertagen kannte. Und das würde er ihm auch deutlich machen, indem er ihn nur weiter reizte. So leckte er einen Tropfen des Rotweins vom Glas, der an der Außenseite herunterlief, auch wenn er das sonst nie tun würde.

"Und was hast du den ganzen Tag getrieben?", fragte er dann.
 

Nachdem der Telepath den Amerikaner nun doch wieder ansah, bekam er die Aktion mit dem Tropfen hautnah mit - und sie schlug in seinem Verstand ein wie eine Bombe. Oh nein, ermahnte er sich, jetzt nur an nichts Falsches denken! Was leichter gesagt als getan war. Mit viel Mühe und eisernem Willen fing er sich wieder und nickte grinsend.

"Ich fürchte nur, Nagi ist ZU vernünftig. Er wird schon noch aufholen, was er jetzt verpasst, mach dir da nur mal keine falschen Hoffnungen."

Gut, das Thema war unverfänglich, hervorragend!

Schuldig fragte sich ernsthaft, warum es jetzt so schwierig war, mit Brad ein ganz normales Gespräch zu führen. Früher hatten sie das doch auch oft gemacht, ohne dass er irgendwelche Querverbindungen hergestellt hatte, die einfach nicht gut für ihn waren. Jedenfalls nicht in Brads unmittelbarer Nähe.

"Ich hab nichts Besonderes gemacht. Das übliche eben", erwiderte er auf die Frage ein wenig vage. Dass es für ihn gar nicht so 'üblich' war, um diese Zeit auf der Couch zu sitzen und nicht in irgendeinem Club abzuhängen, ließ er vorsichtshalber mal außen vor. Es fiel sicher nicht auf, ebenso wenig wie es Brad die letzten Tage... Wochen aufgefallen war, dass er sich nur noch zu Hause herumtrieb und nicht mehr auf die Piste ging.
 

"Was auch immer Nagi noch tun wird, ich denke, er wird nie so betrunken nach Hause kommen, dass er mir in die Schuhe kotzt", konterte Brad mit einem Lächeln. Ja, die Zeit mit dem heranwachsenenden Telepathen war nicht so leicht gewesen. Aber so in der Retrospektive hatte man doch schon einige lustige Geschichten zu erzählen.

"Aber das werden wir ja noch sehen. Vielleicht wirst du ja auch langsam vernünftig."
 

Die Erinnerung daran ließ den Telepathen auflachen.

"Oh Gott! Mir war klar, dass du DAS nie vergessen wirst..."

Es war sein erster - und bisher einziger! - Vollrausch gewesen. Und das mit knapp siebzehn Jahren. Die Sache mit den Schuhen war dabei aber immer noch der im Nachhinein witzigere Teil gewesen. Schuldig erinnerte sich viel zu gut daran, wie sich seine Kräfte verselbständigt hatten und er schließlich, als ihm die wirren Stimmen in seinem Kopf zuviel geworden waren, in Panik mental um sich geschlagen hatte. Nur gut, dass Brad DAS jetzt nicht ansprach.

Ob er jemals vernünftig werden würde, wagte er allerdings ernsthaft zu bezweifeln. Auch wenn er vielleicht im Moment etwas ruhiger als üblich war, so war doch sicher nicht von 'Vernunft' zu sprechen, wenn man sich in seinen Boss verknallte, oder? Im Gegenteil, ihm kam es vor, als wäre das die größte Dummheit, die er jemals begangen hatte. Auch wenn er gar nichts dafür konnte.

"Na, ich weiß nicht...", murmelte er, leicht geknickt über diese Erkenntnis.“Ich schätze, auch da wirst du Pech haben."

Aber das konnte Brad erst wissen, wenn er begriff, was sein Telepath angestellt hatte. Und so, wie es aussah, lag dieser Zeitpunkt noch unerreichbar fern.
 

"Schade, denn DAS wäre wirklich etwas, das mich beeindrucken würde", meinte Crawford breit grinsend. Frühstück machen war ja schön und gut, aber das Aufräumen überließ Schuldig immer noch gern anderen. Dennoch war der Mann ein liebenswerter Chaot. Die Chemie zwischen ihnen hatte immer schon gestimmt, daher konnte er sich nicht vorstellen, dass Schuldig nun auch noch das Element der Romantik mit einfließen lassen wollte, das diese Konstellation aus dem Gleichgewicht bringen konnte.

Zumindest nicht ernsthaft. Es mochte ja sein, dass Schuldig seine Grenzen ausreizen wollte. Aber die würde er nur zu bald aufgezeigt bekommen, wenn er sich zu weit vorwagte. Noch aber waren Schuldigs Flirtversuche ja eher harmlos und unbeholfen. Das Grinsen auf den Lippen des Amerikaners wurde breiter. Fast wie ein verliebter Teenager.
 

Dabei flirtete Schuldig gar nicht. Es hätte den Amerikaner wohl gewaltig desillusioniert, wenn er mitbekäme, wie aggressiv das bei Schuldig teilweise aussah. Wie eine Katze, die mit einer Maus spielte, ließ er seinen 'Opfern' keine wirkliche Chance. Und wenn er sich entschließen sollte, Brad ernsthaft anzuflirten, wäre wohl auch der machtlos. Doch noch war er nicht so weit. Ganz und gar nicht.

Schuldig lehnte sich zurück, trank noch einmal von dem Wein, behielt das Glas in der einen Hand und legte die andere gemütlich auf die Rückenlehne der Couch. Aus dieser Haltung heraus sah er Brad lausbubenhaft grinsend an.

"Ich glaube, ich habe dich schon oft genug beeindruckt", mutmaßte er einfach ins Blaue hinein. "Da muss das nicht auch noch mit so etwas langweiligem wie vernünftigem Verhalten sein. Außerdem magst du mich genau dafür, dass ich NICHT vernünftig bin. Nicht nach deiner Definition."
 

"Arroganter Sack", lästerte Brad grinsend. "Aber du hast recht, du bist gut in dem, was du tust. Rosenkreuz hat nie einen besseren Telepathen herangezogen. Was auch der Grund war, warum ich dich für mein Team wollte. Das mit der Vernunft müssen wir allerdings noch einmal diskutieren. Deine Soloauftritte mit Weiß haben unsere Auftraggeber nicht gerade amüsiert. Ich sage nur: Golfschläger. Sei froh, dass du mir mehr wert bist als die Bezahlung von irgendwelchen korrupten Politikern."

Auch er hatte sich gemütlich in der Couch zurückgelehnt und einen Fußknöchel bequem über sein Bein geschlagen.
 

"Pff!", machte der Deutsche amüsiert. Auch der leise Tadel, der in Brads nachfolgenden Worten mitschwang, konnte ihn nicht wirklich treffen.

"War doch lustig!", meinte er lapidar und grinste wieder. "Das kann ich mir erlauben, eben weil ich der Beste bin. Und was interessiert mich, ob irgendwen stört, wenn ich mit den Kitten spiele."

Nun ja, es interessierte ihn nicht, solange es Brad nicht störte. Schuldig war sich trotz allem seiner Verantwortung bewusst, die er gegenüber Schwarz hatte. Und zwar nur Schwarz gegenüber.

"Und sei doch ehrlich", fuhr er immer noch belustigt fort, "...dir haben meine Soloauftritte, wie du es nennst, doch auch gefallen. Es hat dir Spaß gemacht, Takatori so getroffen zu haben."

Die Augen unter dem zu langen orangen Pony blitzten vergnügt auf. Wenigstens für den Moment hatte er sämtliche romantischen Gefühle für seinen Leader in den Hintergrund geschoben. Eine Erleichterung, wie er sich selber eingestehen musste.
 

"Man muss immer Kosten und Nutzen des eigenen Vergnügens abwägen, Schuldig. Eine Überlegung, die du nur zu gerne vernachlässigst. In dem Fall ist es noch einmal gut gegangen, aber du solltest in Zukunft die Folgen deines Handelns überdenken. Weiß ist mir egal und dir sollten sie auch egal sein. Sie sind kein Spielzeug und wir können sie nicht gebrauchen. Deine Aktionen haben sie nur noch wütender gemacht, was im Kampf für uns nicht unbedingt ein Vorteil ist", sagte Crawford ernst. "Es wäre mir lieber, wenn du es bleiben ließest."
 

All das hatte der Telepath schon X-mal gehört. Hatte er sich anfangs noch solche Standpauken zu Herzen genommen, langweilten sie ihn inzwischen. Bis auf den letzten Satz.

Schuldig seufzte leise. Verdammt, das war ja mal ein astreines Dilemma! Er tobte sich gern an den Weißjungs aus - sie waren für ihn so etwas Ähnliches wie Schachbauern, mit denen er nach Belieben spielen konnte, ohne dass sie sich wehren konnten. Wenn aber Brad so sehr am Herzen lag, dass er auf dieses Vergnügen verzichtete...

"Okay", gab er sich also mit einer Trauermiene geschlagen, als wäre ihm gerade sein Lieblingsspielzeug genommen worden. Was ja in etwa auch stimmte.

"Wenn du unbedingt willst, lass ich sie in Ruhe. Vorerst."

Auch wenn Brad jetzt sicher wieder dachte, dass das eine vernünftige Überlegung von ihm sei... Der Hintergrund war und blieb ein anderer. Aber das war ja seine Privatsache.
 

"Das wäre mir lieb. Danke für dein Verständnis. Und hey, immerhin haben sie uns geholfen 2/3 der Eszett-Anführer auszulöschen. Das will schon etwas heißen. Sie sind schwach, aber nicht so schwach, wie du glaubst. Zumindest nicht, wenn sie wirklich wütend sind. Also ist es auch eine Frage der Sicherheit."

Zwar stufte Crawford sie nicht als wirkliche Gefahr ein, da ging er mit Schuldig d'accord. Aber sie waren lästig. Und Crawford hasste Unannehmlichkeiten.
 

Mit einem ergebenen, schweren Seufzen nickte der Deutsche. Na, wenn Brad ihn schon so nett darum bat... Er hätte wohl auch zugestimmt, wenn der Ältere von ihm verlangt hätte, im Dauerlauf den Mont Everest zu besteigen. Ohne Sauerstoffflasche. Es war nur gut, dass Brad davon nichts ahnte.

Schuldig beugte sich nach vorn, um nach der Weinflasche zu greifen, die inzwischen weniger als halbvoll war. Er schenkte sich sein Glas voll, sah dann rasch zu Brad und goss auch ihm mit einem kleinen Lächeln nach.

"Siehst du, wir haben nichts verschwendet", stellte er fest und hielt dem Amerikaner die nun leere Flasche unter die Nase
 

"Sehr schön", lobte Crawford. "Dann werden wir beide heute wohl gut schlafen."

Mit einem 86er Spätburgunder im Magen, fügte er gedanklich hinzu, den Gedanken verdrängend, dass er gerade Flüssigkeit im Wert von 530 Dollar in sich hatte.

Doch es machte ihm weit weniger aus, als er zunächst gedacht hatte. Schuldig hatte es gut gemacht und einen schönen Abendtrunk arrangiert. Inklusive Kamin. Schuldig wusste, wie sehr er die Wärme und den Geruch des offenen Feuers liebte. Das war ein Komfort, den er erst in Deutschland kennengelernt hatte, wo es im Winter doch sehr kalt sein konnte. In Kalifornien dagegen brauchte man eher Klimaanlagen.
 

Was eigentlich nur bewies, dass Schuldig seinen Freund und Kollegen besser kannte, als er gedacht hatte. Ein ziemlich glückliches Strahlen über den gelungenen Abend hellte sein Gesicht auf, während er das schwere Kristallglas leerte. Sogar die leise Hintergrundmusik hatte bis jetzt durch den Raum getönt.

Einen kurzen Moment verschwendete der Telepath einen Gedanken darauf, dass es noch schöner gewesen wäre, wenn sie zusammen vor dem Kamin gekuschelt hätten - und fühlte prompt leichte Hitze in seine Wangen steigen. Nein, aus! An so etwas brauchte er gar nicht erst denken.

Mit einem leisen Durchatmen stand er auf, stellte sich vor den Älteren und hielt auffordernd die Hand auf, um Brads ebenfalls leeres Glas in Empfang zu nehmen und in die Küche zu bringen. Wie von selbst fand sein Blick den seines Leaders und wieder einmal bekam der Deutsche einen trockenen Mund und dafür leicht feuchte Handflächen.
 

Doch statt des Glases reichte Brad ihm lieber seine eigene Hand und ließ sich von ihm hochziehen. Dann erst drückte er dem etwas entrückt wirkenden Telepathen sein Glas in die Hand.

"Das war ein schöner Abend, mein Freund", sagte er in sanfter Zufriedenheit und betonte die letzten beiden Worte mit einem vielsagenden Timbre. Im Vorbeigehen legte er Schuldig noch die Hand auf die Schulter, der wie angewurzelt an Ort und Stelle stehen blieb.

"Bis morgen."

Mit diesen Worten verzog er sich auf sein Zimmer und beschloss, dass er diese Runde gewonnen hatte.
 

Als Brad ihm statt des Glases die Hand gab, dachte Schuldig schon, ihn würde der Schlag treffen. Gerade noch konnte er sich selbst davon abhalten, die warmen, schlanken Finger sanft zu drücken. Als er dann aber auch noch fast schon zärtlich berührt wurde, war für ihn irgendwie alles zu spät. Er stand wie festgewurzelt, unfähig, sich auch nur in irgendeiner Weise zu bewegen.

Viel zu spät murmelte er ein verträumtes "Gute Nacht", das Brad mit Sicherheit nicht mehr hören konnte, weil er sich zu der Zeit schon in seinem Schlafzimmer befand.

Wie in Trance brachte Schuldig noch die Gläser weg, wusch sie sogar noch aus und verschwand dann wie der Blitz in seinem eigenen Zimmer. Himmel, JETZT hatte er erst Mal genug Stoff für reichlich heftige Träume...



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