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Ein philosophisch-moralisches Paradoxon

oder wieviele Züge braucht man, um Seto Kaibas Herz zu gewinnen?
von

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Fesslung

Ein Gedanke ist wie ein Virus, resistent, hochansteckend und die kleinste Saat eines Gedanken kann wachsen. Er kann dich aufbauen oder zerstören.
 

Heute ist es also soweit. Der nächste Zug. Ich habe ihn mir genau überlegt und bin die Möglichkeiten unzählige Male im Kopf durchgegangen. Im Grunde gibt es nicht viel zu beachten. Eigentlich muss ich nur meine neu Haltung ihm gegenüber an den Tag legen und das schaffe ich nun schon seit über 75 Stunden. Allerdings habe ich heute vor noch einen Schritt weiterzugehen.
 

Ich bin unruhig als ich zur Schule fahre. Jede Faser meines Körpers ist nervös und zum ersten Mal werde ich pünktlich sein. In Gedanken gehe ich noch einmal mein Vorhaben durch. Ich sehe es wie einen Film vor mir ablaufen. Ich hoffe, dass es sich gleich auch in der Realität genauso verhalten wird, wie ich es mir gerade vorstelle.
 

Vor dem Schulgebäude angekommen, stelle ich mein Fahrrad ab und beziehe auf der Mauer Position. Von hier habe ich den Schulparkplatz gut im Blick und muss nicht Gefahr laufen, dass Yugi oder die andern mich sehen. Wahrscheinlich rechnen sie ohnehin damit, dass ich erst in einer halben Stunde auftauche. Ich bin gespannt, wann er erscheinen wird. Normalerweise kommt er zehn Minuten vor Schulbeginn. Ob Roland ihn absetzen wird oder er heute selbst fährt? Hm... Für mein Vorhaben spielt es keine Rolle. Einzig die Möglichkeit, dass er die Schule heute aufgrund eines Meetings sausen lassen könnte, würde meinen Plan zunichte machen, aber dann würde ich es eben morgen noch einmal versuchen. Zeit spielt im Grunde keine Rolle.
 

Während ich da sitze und den Parkplatz im Auge behalte, schüttele ich mir eine Zigarette aus meinem zerknautschten Päckchen und zünde sie mir an. Ich inhaliere tief und irgendwie entspannt es mich. Innerlich zittere ich nämlich. Wie vor jedem Aufeinandertreffen mit dir in der letzten Zeit. Einige Autos kommen und halten kurz, Schüler steigen aus und ziehen wie eine Herde Ameisen an mir vorbei - stur zielgerichtet, wie eine kleine Armee von Robotern. Ich lächele unwillkürlich und ziehe wieder an meiner Zigarette. Normalerweise müsste er gleich kommen.
 

Ich spüre wie meine Nervösität zunimmt, was nur natürlich ist in dieser Situation. Soll ich das wirklich tun? Plötzlich bin ich mir nicht mehr so sicher, doch das liegt wohl einfach daran, dass ich jetzt so kurz davor stehe. Lampenfieber. Ich lache bei dem Gedanken. Nun, er passt aber. Immerhin führe ich in gewisser Weise ein Schauspiel auf. Ich spiele eine Rolle, einzig zu dem Zweck, meinen Feind zu verwirren und ihn seiner Sicherheit zu berauben, denn wenn ich möchte, dass Kaiba sich öffnet, dann muss er seine Deckung fallen lassen. Allerdings ist es bei diesem Meister des Selbstschutzes alles andere als leicht.
 

Wer hätte gedacht, dass Joey Wheeler sich einmal mit Machiavelli beschäftigen würde, um die Mechanismen eines Seto Kaibas zu verstehen? Aber extreme Situationen erfordern extreme Maßnahmen. Ein Grundprinzip. Genau wie das Newton´sche Axiom "Actio - Reaktio". Und eben darauf läuft meine Strategie hinaus.
 

Mein Herz schlägt ein, zwei Takte schneller als ich die Limousine endlich vorfahren sehe. Also fährt ihn heute doch Roland. Gut, mir soll es Recht sein. Ich beobachte, wie der Wagen zum stehen kommt und es dauert ein paar Minuten bis Roland aussteigt und sich anschickt Kaiba die Tür zu öffnen. Wahrscheinlich musste Mr. Ohne-mich-läuft-gar-nichts erst noch ein paar Instruktionen erteilen. Ich werfe meine Zigarette auf den Boden und springe von der Mauer. Der Parkplatz ist zum Glück fast leer. Die meisten Schüler sind schon auf dem Schulhof oder gar im Gebäude. Perfekt.
 

Grazil steigt der Firmenchef aus seinem Wagen, richtet noch ein paar Worte an seinen Assistenen, der nickt, und macht sich dann auf den Weg zur Schule. Schon verrückt, dass jemand wie er überhaupt noch zur Schule gehen muss. Er leitet eine milliardenschwere Firma, mit Bilanzen und Buchhaltung kennt er sich sicher besser aus als unser Mathematiklehrer und auch der Rest des Unterrichtsstoffes dürfte ihm wohl vertraut sein. Dennoch muss er täglich herkommen und wie wir anderen seine Zeit absitzen. Natürlich hat er diverse Privilegien. Bei wichtigen Meetings oder Konferenzen ist es ihm gestattet, dem Unterricht fern zu bleiben. Trotzdem hat es etwas surreales und wieder einmal wird mir klar, dass er in keine der zwei Welten wirklich passt, in denen er lebt.
 

Seine Geschäftspartner sind doppelt so alt wie er, einige könnten sicher auch seine Großväter sein. Auf sie wirkt er wie ein Kind, dass zu viel Macht in Händen hält. Und hier... in der Schule, nun, da erscheint er wie ein Erwachsener, der im Körper eines Jugendlichen gefangen ist. Früher habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht. Ich habe einfach nur sein Geld, seine Möglichkeiten und seine Arroganz gesehen. Den äußeren Schein. Das Innerste geht viel tiefer, viel, viel tiefer.
 

Sein Blick streift mich für einen Moment, doch seine Miene bleibt ausdruckslos. Ich schätze, dass er überrascht ist mich hier zu sehen. Ich wäre es an seiner Stelle, aber es kümmert ihn nicht weiter. Wieso sollte es auch? Ich mache ein paar Schritte auf das Tor zu, dass den einzigen Einlass zum Schulhof darstellt und warte. Er ist noch gute fünfzehn Meter entfernt. Meine Hände sind plötzlich schweißnass, mein Mund erschreckend trocken. Ich räuspere mich leise und hoffe, dass meine Stimme gleich nicht so heiser und brüchig klingen wird, wie ich gerade vermute. Innerlich bereite ich mich auf meinen nächsten Zug vor.
 

Fesslung.
 

So heißt diese Strategie.
 

Eine Figur wird so festgesetzt, dass sie nicht mehr regelkonform ziehen kann.
 

Ich habe lange darüber nachgedacht, was das genau bedeutet und wie es sich in der Realität bewerkstelligen ließe. Schließlich ist mir eine Möglichkeit einfallen. Allerdings eine sehr riskante, aber was bringt es einen Versuch zu wagen, wenn man nicht bereit ist alles auf eine Karte zu setzen? Wenn ich seine Biographie richtig studiert habe, dann hat er sein Leben lang so gehandelt. Er hat seine Zukunft in eine Schachpartie gesetzt und gewonnen und ich weiß, dass er kein Riskio scheuen würde. Er setzt immer alles auf eine Karte. Strategie hin oder her. So hat er auch gehandelt als er sich mit Yugi auf Pegasus Burg duelliert hat. Er war bereit bis zum äußersten zu gehen. Ich bin es auch.
 

Neun Meter.
 

Ich schlucke und bemühe mich tief durch zu atmen. Wieder begegnet sein Blick dem meinen und ich sehe, dass seine Mundwinkel zu zucken beginnen. Wahrscheinlich wird er gleich den Mund öffnen und eine seiner üblichen sarkastischen Kommentare abgeben. Ich frage mich, was es dieses Mal sein wird.
 

Und genau wie ich es vorhergesehen habe, passiert es dann auch. Ohne in seiner Bewegung wirklich inne zu halten, öffnet sich sein Mund und seine kühle, schneidende Stimme sagt: "Hast du neuerdings einen Wecker, Köter, oder hast du die Nacht hier verbracht?"
 

Ich lächele nachsichtig. Nicht gerade einer seiner besten Sprüche. Er hat besseres auf Lager, aber es ist ja auch noch früh am Morgen. Mein Lächeln und die Tatsache, dass ich nicht impulsiv reagiere irritiert ihn sichtlich, aber er lässt es sich keineswegs anmerken. In den letzten Tagen hat er dieses Verhalten schon an mir beobachten können und auch wenn er nach wie vor nicht weiß wie er es einordnen soll, es trifft ihn nicht mehr gänzlich unvorbereitet. Kaiba vermag es sehr schnell sich anzupassen.
 

Als er auf gleicher Höhe mit mir ist, reagiere ich wie geplant. Es ist genau wie in meinem Kopfkino. Ich drehe mich leicht zur Seite, strecke die Arme aus und packe ihn an den Schultern. Der Angriff überrumpelt ihn total. Er ist nicht fähig darauf zu reagieren. Und es geht alles auch sehr schnell. Ich halte ihn fest und drücke ihn im nächsten Moment gegen die Mauer neben dem Tor. Die Position ist perfekt. Vom Schulhof aus kann uns keiner sehen und nur jemand, der sich auf dem Parkplatz befinden würde, könnte Augenzeuge werden. Ich verspüre Erleichterung, denn die einzig unsichere Variabele in meinem Plan war seine Reaktionszeit. Zudem ist seine Kraft schwer einzuschätzen. Er ist groß und hager, aber das heißt nicht, dass nicht auch Power dahinter stecken kann. Ein Mal habe ich ihn körperlich kämpfen gesehen und da hatte er den Bogen mehr als raus. Aber augenblicklich ist er wie elektrisiert. Der Überraschungseffekt ist eindeutig auf meiner Seite. Ich schätze, dass ich ihn recht unsanft gegen die Mauer gedrückt habe, aber er wird es überleben. Seine Pupillen haben sich geweitet und er starrt mich fassungslos an. Ein leises Keuchen dringt aus seinem Mund. Mein Herz hämmert hart gegen meinen Brustkorb und meine Beine sind weich wie Butter. Ich zittere als ich meine Lippen auf seine lege. Ich bemühe mich es sanft zu tun, nicht zu viel Druck auszuüben. Es soll nur ein Hauch von einem Kuss sein. Nichts mehr. Ich spüre wie er unter meinen Händen erstarrt und ich glaube sogar, dass ich seinen Herzschlag wahrnehme.
 

Damit wäre der Punkt zumindest geklärt. Er hat ein Herz und es schlägt sogar.
 

Vier, fünf Sekunden liegt mein Mund auf seinem, dann löse ich mich von ihm und lasse ihn los. Ich gestatte mir noch einen kurzen Blick auf ihn, gerade lange genug um zu bemerken, dass er immer noch mit seiner Fassung ringt, dann wende ich mich ab und gehe schnellen Schrittes auf den Schulhof.
 

Ich brauche nicht weit zu gehen, dann sehe ich Yugi winken. Ich hebe meine Hand und trete mit einem fröhlichen Grinsen zu meinen Freunden.
 

"Hallo Joey." werde ich von dem Kleinen begrüßt. "Hey, kleiner Kumpel." erwidere ich den Gruß freudig und mein Herz schlägt so schnell, dass ich Angst habe, jeden Moment umzukippen.
 

Tea sagt etwas, aber ich höre ihr nicht wirklich zu. In meinem Rücken spüre ich Kaibas Präsenz. Er hat sich sicher wieder gefasst und schreitet nun auch Richtung Schule. Ich schätze, die Maske sitzt wieder perfekt und nichts erinnert an das was gerade passiert ist. Ich weiß, dass es in seinem Köpfchen rattert. Ich bin sicher, dass er außer sich ist, ja, vielleicht sogar wütend, aber er wird sich nichts davon anmerken lassen und er wird mich auch nicht vor den anderen darauf ansprechen. Dessen bin ich mir sicher. Ich spüre seinen Blick förmlich in meinem Rücken, die eisblauen Augen bohren sich sicher geradezu in mich. Unwillkürlich muss ich grinsen.
 

Meine Knie sind noch immer weich und ich glaube, meine Hände zittern auch noch, aber ich verspüre ein süßes Gefühl der Zufriedenheit und... ein leichtes Prickeln auf meinen Lippen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  jyorie
2013-04-07T08:03:36+00:00 07.04.2013 10:03
Hey ^_^

das gefällt mir :D … ich mag FF küsse, so wie Joey seinen Seto geschnappt und überrumpelt hat, - das war sehr schön … hättest du gern noch weiter ausbauen können :D … bin mal gespannt, was Kaiba jetzt als “Antwort” tun wird ^^

CuCu Jyorie

Von:  Wanda_Maximoff
2010-10-14T16:59:02+00:00 14.10.2010 18:59
O.O Uff. Interessantes Spielchen, das Joey da treibt. Hoffentlich geht das gut.
^^
Von:  Shimizu-chan
2010-10-14T15:24:30+00:00 14.10.2010 17:24
ah jetzt versteh ich
er will seto aus der reserve locken um hinter seine maske zu scheun
sehr raffiniert und kompliziert, aber joey is ja n schaues kerlchen und schafft das schon :D
und er hat seinen ersten kuss von seto bekommen *knuff* ^-^


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