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Die Frau des Henkers

von

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Part 5

Leonora befand sich gerade in einem wohlig warmen Dämmerzustand, der ihrer Meinung nach ewig hätte währen können, als ein dumpfer, aber dennoch lauter Schlag, direkt neben ihr, sie erschrocken auffahren ließ.

Verwirrt blickte sie zur Seite. Die Betthälfte, die sie dort vorfand war leer. Jonathan lag auf dem Boden und war eben damit beschäftigt sich leise ächzend aufzusetzen. Irritiert blinzelte er in das Licht der Morgensonne, bevor er sich Leonora zuwandte.

„Hast du dir wehgetan?“, fragte sie besorgt nach, aber dennoch nicht in der Lage ihr Schmunzeln zu verbergen, „Tut mir leid!“

Der Henker schüttelte daraufhin jedoch nur lediglich den Kopf.
 

„Ich werde Frühstück machen!“, sagte sie, schlug die Decke zurück und stand auf.

„Ist gut!“, auch Jonathan erhob sich.
 

Es dauerte noch eine Weile, bis Leonora alle Sachen in den Schränken gefunden hatte, aber nachdem die erste Müdigkeit abgeschüttelt worden war, machte es ihr sogar Spaß und sie erledigte ihre Aufgaben gewissenhaft.
 

*
 

„Na du!“, sanft streichelte sie dem braunen Hengst über die weiche Nase, „Wie heißt du denn?“

„Amos!“, sagte eine Stimme hinter ihr.

Die Rothaarige drehte sich um. Jonathan war zu ihr in den Stall gekommen.

„Ich wollte eigentlich nur sagen, dass ich jetzt schon los muss!“, erklärte er, „Könntest du Einkaufen? Du kannst ja nachprüfen, was wir brauchen. Das Geld hab ich dir auf den Tisch gelegt!“

„Ja, natürlich!“, nickte sie schnell, froh nun eine Beschäftigung für den Vormittag zu haben.

„Und hierfür …“, lächelnd drückte ihr der Henker eine Goldmünze in die Hand, „Kaufst du dir was Schönes zum Anziehen. In Ordnung?“, kurz streichelte er sie noch einmal an der Wange, dann wandte er sich zum Gehen.

Leonora musste lachen.
 

Aber zuerst galt es das Pferd zu versorgen. Sie holte vom Fluss einen Eimer mit Wasser und füllte den Futtertrog mit Hafer auf.

Dann erst nahm sie sich den bereitgelegten Lederbeutel aus der Wohnstube und machte sich auf den Weg zum Marktplatz.
 

Und dort bekam sie mit einem Mal zu spüren, was es bedeutete, die Frau eines Henkers zu sein. Eines Geächteten.

Manche Leute beäugten sie unsicher oder ängstlich, die Blicke anderer versprühten dagegen regelrecht Gift. Hin und wieder konnte sie leises Getuschel hinter ihrem Rücken vernehmen.

Leonora schluckte und fühlte sich mit jedem Schritt unwohler. So schnell es ging besorgte sie die Lebensmittel, wagte es dabei kaum, den Verkäuferinnen auch nur in die Augen zu sehen.
 

Aber dann atmete sie einmal tief durch. Versuchte ihr Herz zu beruhigen und die anderen Leute zu ignorieren. Jonathan hatte ihr extra etwas von seinem Geld mitgegeben, damit sie sich etwas zum Anziehen kaufen konnte. Sie würde seine Großzügigkeit nicht einfach mit Füßen treten, nur weil sie Angst vor der Meinung fremder Menschen hatte!

Nach all dem, was sie durchgestanden hatte, hatte sie sich ein neues Kleid wirklich verdient.
 

Sie fand auch sehr rasch eines. Es war aus dunkelblauem Leinenstoff, konnte vorne geschnürt werden und hatte lange Ärmel. Also genau das richtige für den, in wenigen Monaten hereinbrechenden Winter.

Zufrieden bezahlte sie und konnte es kaum erwarten, es zu Hause ihrem Gatten zu zeigen.
 

Daher zog sie es sich auch gleich an, kaum dass sie ihren Korb in der Küche abgestellt hatte.

Bald würde es Mittag sein. Leonora beschloss mit dem Kochen anzufangen.
 

*
 

Sie hatte gerade die Kartoffelsuppe abgeschmeckt, als Jonathan nach Hause kam.
 

„Wie sehe ich aus?“, strahlend drehte sie sich einmal um die eigene Achse, sodass der lange Rock sich leicht aufbauschte und ergriff dann, in einem plötzlichen Übermut, die Hände ihres Mannes, „Sag schon!“

Der Henker lächelte glücklich. Ihre Freude war ansteckend. Zudem war es das erste Mal, dass er sie so gelöst erleben durfte, auch das ließ sein Herz schneller schlagen und seinen Blick sanfter werden.

„Du bist wunderschön!“, flüsterte er. Zärtlich und samtweich.

Seinen nächsten Satz ergänzte er allerdings nur in Gedanken: ‚Eigentlich viel zu schön für einen Scharfrichter …‘
 

Ganz langsam näherte er sich ihrem Gesicht, zögerte für den Bruchteil einer Sekunde und küsste sie dann vorsichtig auf die Lippen.

Unwillkürlich schloss Jonathan die Augen, als könne er sich damit dieses neue, schöne Gefühl noch tiefer in sein Herz brennen. Wie gerne wäre er so bis in Ewigkeit verharrt, dennoch rückte er nach nur ein paar Momenten wieder von seiner Frau ab.
 

Ihre Schultern hatten sich verspannt, ihr Blick ruhte völlig emotionslos auf ihm. Sie hatte den Kuss nicht erwidert. Nicht mal ein kleines bisschen.
 

Dem jungen Henker schnürte es die Kehle zusammen. Dementsprechend rau waren auch seine nächsten geflüsterten Worte: „Du liebst mich nicht, nicht wahr?“

Leonora wandte ihren Blick ab, nach unten auf ihre immer noch ineinander verschlungenen Finger. „Ja!“, murmelte sie beschämt.

„Hasst du mich?“, fragte Jonathan weiter nach.

Zu seiner Überraschung sah sie ihn nun mit einem Mal wieder an. Lächelnd.
 

„Nein!“, Leonora legte ihm die Arme um den Hals und zog ihn an sich. Drückte ihre Wange an seine Schulter und schloss die Augen.

Liebevoll erwiderte der Henker die Umarmung. Sie konnte seine Hände an ihrem Rücken spüren und es sich nicht erklären, wieso sie plötzlich das Gefühl hatte, ihre Herzen würden im selben Takt schlagen.
 

*
 

„Gehst du eigentlich in die Kirche?“, es war ein Sonntagmorgen, an dem Leonora diese Frage stellte. Jonathan, der ihr gerade dabei half den Tisch abzuräumen, wiegte leicht den Kopf. „Nicht sehr oft, fürchte ich!“, gestand er schließlich, „Aber wenn du möchtest … können wir natürlich gerne hingehen!“

Die junge Frau nickte.
 

*
 

Die Kirche war Leonora vertraut. Fast kam es ihr so vor, als würde sie für einen Moment wieder in ihr altes Leben zurückkehren.

Doch immer noch musste sie schlucken, als sie die abschätzigen Blicke der Leute bemerkte.
 

Plötzlich konnte sie etwas weiter vorne einen roten Haarschopf erkennen. Ihr Vater!
 

Das Gesicht der jungen Frau leuchtete auf. Sie wollte zu ihm gehen, um sich neben ihn zu setzten, aber Jonathan griff nach ihrem Handgelenk und hielt sie zurück.

Entschuldigend schüttelte er den Kopf, dann deutete er stumm auf die hinterste Bank, wo äußerst wenig Tageslicht hinfiel.

Leonora verstand.

Das war also auch eine der Regeln, an die sie sich zu halten hatten.
 

Sie gehörten nicht dazu.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  finetuna
2010-09-26T11:40:33+00:00 26.09.2010 13:40
sorry, mein internet hat nochmal kräftig versagt, aber jetzt konnte ichs endlich lesen! ^^
ist schön geworden. am besten finde ich den anfang.
leider wirkt die szene mit dem kuss etwas komisch auf mich, weil sie irgendwie so seltsam reagiert, da schlägt eiseskälte so plötzlich zu freude um, das bringt mich etwas durcheinander.
aber sonst wirklich gut! ^^
achja, das bild werde ich übrigends in meinem nächsten blogeintrag hochladen, bin nur im moment schulemäßig etwas im stress, deshalb dauerts so lange... ^^"


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