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Die Chroniken von Khad-Arza - Das Blut der sterbenden Welten

Erstes Buch
von

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Das Erbe

Loron Zinca fluchte ungehalten, als die Frau ihm ins Gesicht spuckte. Dafür fing sie sich eine saftige Ohrfeige vom selbsternannten Prinz von Holia und schnappte nach Luft.

„Wie kannst du es wagen, so respektlos zu sein, du Hure?!“, blaffte der junge Mann sie an und rüttelte sie an den Schultern unsanft vor und zurück, „Deine Schuld ist es, Pakuna! Ich weiß es! Jetzt sieh mir verdammt noch mal ins Gesicht, du falsche Schlange, du Stück Dreck aus dem Norden! Ich lasse mich nicht von einer Frau demütigen, schon gar nicht von einer Magierin, ist das klar? Also wage nicht, mich noch wütender zu machen, du verblödete Kuh!“ Er wütete und schimpfte in einem Fort, er schlug ihr gegen den Kopf und versuchte wutentbrannt, ihr die Kleider vom Leib zu reißen, wofür sie nach ihm trat und versuchte, ihn von sich weg zu stoßen. Sie verabscheute ihn so... jede Frau in Holia verabscheute ihn. Und seinen Vater... für die Frauen in Holia war das Leben nicht angenehm, solange die beiden Knilche am Leben waren.

Das Dorf in Kamien war ihr niemals eine Heimat gewesen; dennoch war es so vertraut, wieder hier zu sein, im staubigen Dreck auf der Dorfstraße, in der sandigen, krankhaften Luft, in der Einöde von Kamien. Es hatte Tage gedauert, bis sie aus Thalurien zurück gekehrt waren, und die Telepathin war sich nicht sicher, ob sie den Geistern dafür danken sollte, dass die sinnlose Eroberung des Ostens nicht funktioniert hatte, oder ob es eher schlimmer war, jetzt, da sie wieder zurück waren. Die Männer waren schlecht gelaunt, manche verletzt und manche hatte es das Leben gekostet – die Stimmung war erdrückender, als sie es jemals in diesem verfluchten Ort gewesen war.

Pakuna war eine tapfere Frau. Sie würde nicht schreien oder um Gnade flehen, wenn dieser Mistkerl ihre Beine auseinander drückte, wie er es immer tat, um seine widerlichen Triebe an ihr zu befriedigen... sie würde keine Schande über ihre Familie und ihre Vorfahren bringen, indem sie vor diesen Ungeheuern am Boden kroch. Sie härtete ihr Inneres jedes Mal, wenn Loron es tat, wie man einen Speerschaft im Feuer härtete, und verschloss ihren Geist gegen die Widerwärtigkeiten, denen sie so schutzlos ausgesetzt wurde. Sie musste tapfer sein und sehnsüchtig auf den Tag warten, an dem die Geister die Unholde für ihr Verhalten zerfetzen würden.

So war es auch mit den Räubern aus dem Wald geschehen, die sie mondelang geschändet, ihren Gatten geschlagen und ihr kleines Kind malträtiert und verstümmelt hatten.

In Erinnerung an diesen schauderhaften Moment zitterte Pakuna kurz, als Loron ihr Kinn mit Gewalt hoch riss und sie zwang, ihm ins Gesicht zu sehen. Wie sehr wartete sie darauf, dass auch diesen Bastard eines Tages der Blitz erschlug...?

„Wo bist du... nur abgeblieben, Zoras, mein Kleiner?“

Es war ein Fehler gewesen, es hörbar auszusprechen, fiel ihr auf, als ein Schatten von der Seite über sie fiel und sie neben sich Lorons Vater erkannte. Arlon grinste mit in die Hüften gestemmten Händen und grummelte dann:

„Eigentlich hast du unrecht, Loron. Es ist nicht ihre Schuld... dass wir aus Thalurien verjagt worden sind. Genau genommen ist es die Schuld ihres Sohnes... der uns falscher Weise den Rücken gekehrt und sein Wort gebrochen hat. Er hat das Netzwerk der Sagals nicht zerstört... sonst hätten uns diese Bastarde wohl nicht plötzlich aus allen Richtungen erschlagen und zurück nach Westen gejagt. Der Überraschungseffekt war nur von kurzer Dauer, den wir verursacht haben... und seit Zoras verschwunden ist, funktioniert es nicht mehr.“ Pakunas braune Augen weiteten sich in stummem Entsetzen, als Arlon seinen Sohn zurückstieß und sie stattdessen selbst gegen die Lehmwand seines Hauses presste, mit brutaler Gewalt ihre Oberarme zerdrückend. Sie keuchte vor Schmerzen. „Nun, Pech für dich... dein Sohnemann scheint lieber mit Senator Lyras Tochter durchzubrennen als dir zu helfen, wie er es sonst so gerne tut. Ich gab ihm mein Wort, dich frei zu lassen, wenn er Sagal tötet, und da er leider versagt hat... wirst du wohl für immer bei mir bleiben.“

„Das wagst du nicht!“, zischte sie und versuchte, ihre letzten Kräfte zu mobilisieren, „Zoras wird zurückkommen und dich erschlagen, Arlon.“

„Ach, wirklich? Und wo ist er, bitteschön? Ich sehe ihn nirgends, ich fürchte, du bist ihm... im Moment egal. Vielleicht hat er ja endlich mal bemerkt, dass er auch ein Mann ist, dass er auch einen Penis hat, den er mal benutzen kann, haha...“ Er kicherte amüsiert. „Vielleicht stößt er ihn gerade in diesem Moment in Puran Lyras Tochter und stöhnt ihren Namen, ohne auch nur einen Moment an dich zu denken... du solltest stolz sein. Dein Sohn scheint ja doch nicht schwul zu sein... oder auf seine eigene Mutter zu stehen!“ Pakuna zischte und spuckte ihm vor die Füße.

„Zoras ist nicht so ein Widerling wie du es bist, Arlon. Und wenn es so wäre, wäre es sein Recht, solange er dem Mädchen nicht wehtut! Eines Tages wird er zurückkommen und du wirst dir wünschen, nie geboren zu sein.“ Arlon lachte schallend auf.

„Sicher... und bis dahin, bis dein Sohn zurückkommt und versucht, dich zu retten, bleibst du bei mir und ich werde Tag und Nacht über dich verfügen, so oft ich will... ist das nicht herrlich?“

„Hat Ram da nicht noch ein Wörtchen mitzureden, bevor du ihm seine Frau wegnimmst?“, fragte Pakuna kalt und der Mann knurrte grantig.

„Ram?! Glaubst du ernsthaft, dass es den einen Dreck schert? Hat er... sich denn jemals darum geschert, wo du warst? Was wir mit dir gemacht haben? Ich sagte ihm einst, dass es hier Sitte sei, dass ich als Häuptling des Dorfes jede Frau leihen darf, die ich möchte, wann immer ich will... was ich ihm offenbar... vergessen habe zu erzählen, rein aus Versehen natürlich... ist, dass die anderen Männer des Dorfes wenigstens den nutzlosen Versuch starten, ihre Frauen zu verteidigen... dein Schwachmat von Ehemann ist der einzige Idiot, der nie etwas eingewandt hat... gibt dir das nicht zu denken?“ Sie starrte ihn an und er grinste schäbig.

„Wie konntest du uns so hintergehen?“

„Denkst du, ich mache mir was aus Ehre und Anstand, Pakuna Derran? Ich mache mir mehr... hieraus.“ Mit seinem dreckigen Lachen fasste er ihr ungalant zwischen die Beine und sie keuchte und wand sich entsetzt. Arlon feixte. „Loron! Geh ins Haus und sage Asta, sie solle Essen machen. Sie hat Glück, wir sollten sie im Moment verschonen... wir müssen erst mal Pakuna bestrafen... an Stelle ihres nicht anwesenden Sohnes. Aber da sie ja eine so liebevolle Mutter ist, wird sie gerne seine Strafe auf sich nehmen... habe ich nicht recht... Pakuna?“
 

Thalurien war zu großen Teilen verbrannt, als Zoras in die Provinz zurückkehrte, wo das Desaster begonnen hatte. Er fand keine Spur der Bastarde aus Kamien, abgesehen von der Verwüstung, die sie hinterlassen hatten. Im Schatten eines tatsächlich noch stehenden, aber ausgebrannten Hauses in irgendeinem Dorf hockte er am Erdboden und fasste mit den Fingern in die längst erkaltete Asche. Hier waren sie schon lange fort... er fragte sich, wohin sie gegangen sein mochten. Weiter nach Osten, um noch mehr Leute zu meucheln und Dörfer anzuzünden? Da die Idioten weder ein System in ihren Angriffen noch eine Strategie hatten, war es schwer, sich vorzustellen, wie sie vorgegangen sein mochten... wie sollte er denn so seine Mutter finden?

Das Krächzen einer Krähe auf dem Giebel des verkohlten Hauses, in dessen Schatten er saß, lenkte seine Aufmerksamkeit nach oben. Er erblickte den schwarzen Vogel und brummte.

„Statt mich feixend zu beobachten, Federvieh, sag mir, wohin sie gegangen sind.“ Der Vogel krächzte und als Zoras schon zornig wurde, weil er es wagte, ihm nicht zu antworten, hörte er den Geist des Tieres doch noch sprechen.

Sie sind zurück in Holia.“ Diese Nachricht war in der Tat verblüffend. Der junge Mann erhob sich und rieb sich schnaubend die nackten Arme. Verflucht, er brauchte dringend irgendwoher ein Hemd, er rannte jetzt seit Wochen mit nacktem Oberkörper durch die Wildnis; davon abgesehen, dass es Nachts grauenhaft kalt war, konnte er so halb nackt auch nicht seinen entstellten Rücken verbergen... es kam ihm sehr zu Gute, dass hier kein Mensch mehr am Leben war, der ihn so hätte sehen können.

„Was?“, machte er so nur verblüfft, „Wie, nach Holia? Sie... haben aufgegeben?“

Du hast das Netzwerk nicht zerstört... wundert es dich? Rasch... wenn du deine Mutter lebend sehen willst.“ Zoras erbleichte – ja, Sagal, der war entkommen. Dann hatte er dafür gesorgt, dass sie verschwanden...? Das war gut... aber was war mit Pakuna?

Er fluchte ungehalten und rannte los in Richtung Südwesten, den Vogel ignorierend. Hinter sich hörte er das Krähen und fragte sich kurz, ob das Tier ihm folgte – aber als er einen Blick zurück über die Schulter warf, war der schwarze Aasfresser verschwunden.

Er stolperte ein paar Mal und stürzte zu Boden, weil er sich zu sehr beeilte und zu wenig Kraft dafür hatte; er war seit ewigen Tagen in der Wildnis unterwegs, hatte kaum etwas gegessen und fast keinen Schlaf gefunden dank der irrwitzigen Launen der Geister, die ihn mit Dingen beschäftigten, die er noch immer nicht verstand; jetzt waren ihm alle Geister egal, alles, was in seinem Kopf war, war seine arme Mutter, die schutzlos den Bastarden aus Holia ausgeliefert sein musste... sofern sie noch lebte. Zoras verfluchte seinen behinderten Vater, der es, wie er ihn kannte, sicher wie immer nicht für nötig hielt, seiner Frau zu helfen. Manchmal fragte er sich, warum dieser Idiot eine Frau geheiratet hatte, wenn sie ihm so egal war... seine Mutter beteuerte Tagein, Tagaus, dass Ram sie eigentlich sehr liebte und ein wahnsinnig guter Mensch war... Zoras hatte in seinem Vater noch nie einen guten Menschen erkannt, solange er lebte. Früher war er zornig gewesen... aber je älter Zoras geworden war, desto mehr war Rams Zorn dieser ätzenden Gleichgültigkeit gewichen, die er jetzt an den Tag legte... war ihm eigentlich irgendetwas wichtig, wenn es nicht mal seine Frau war? Sein Sohn war ihm schon immer egal gewesen, das war Zoras gewohnt... aber wie man es fertig brachte, die Frau, die man – angeblich – einst aus Liebe geheiratet hatte, so zu verraten und im Stich zu lassen, wollte einfach nicht in seinen Kopf.

„Verrecken solltest du, du elender Mistkerl!“, empörte der junge Mann sich im Rennen und war sich bewusst, wie schändlich und gefährlich es war, einen Todeswunsch laut auszusprechen... die Geister könnten ihn hören und es wahr werden lassen. Es war ihm recht... in diesem Augenblick war es ihm nur recht. Selbst dann, wenn es sein eigener Vater war; für Zoras war Ram Derran nicht mehr als ein Erzeuger, dem er zu seiner Schande auch noch wenigstens äußerlich ähnelte.

Oh, er würde ihn zerfleischen, wenn er in Holia ankam und Pakuna nicht mehr am Leben war... er würde ihn auf die brutalste Art zerfleischen, die die Geister ihm gewähren würden für die Frechheit, seine eigene Frau von anderen Männern zu Tode foltern gelassen zu haben. Der Zorn auf die bloße Vorstellung, Pakuna könnte bereits tot sein, machte ihn blind. Wüst fluchend beeilte er sich noch mehr, er spürte mit jedem Schritt, den er tat, die Schmerzen der Erschöpfung durch seinen ganzen Körper fließen wie flüssiges Feuer, als ersetzten sie das Blut in seinen Adern. Die Geister zischten in seinem Kopf, in dem er das Feuer seiner eigenen Wut rauschen hörte... sie sprachen von Schicksal. Er wollte sie nicht hören – er wollte sie zerfetzen, er wollte die ganze, verdammte Welt zerfetzen, mit allem, was dazugehörte, so, wie er es sich seit Jahren vorgenommen hatte.

Das Ungeziefer muss sterben! Es verpestet die Welt mit seiner elenden Abscheulichkeit! Ich werde sie zerschmettern mit einer einzigen, verdammten Handbewegung, und wenn die Welt in Scherben liegt, wird niemand mehr meiner Mutter etwas antun!

Er spürte einen grässlichen, stechenden Schmerz in seiner Brust, als er schneller rannte. In seinen Fingern kribbelte der Zorn und die todbringende, gefährliche Macht, die er inne hatte. Er war ein begnadeter Magier... er hatte alle anderen in der Schule geschlagen, der einzige, der ihm jemals wirklich ein Rivale gewesen war, war Karana Lyra... der einzige Sohn des vermutlich mächtigsten Schamanen des ganzen Reiches.

Die Menschen sollten sich vor ihm fürchten... auch Karana würde er zerfetzen mit dieser geballten Wut, die er verspürte, mit diesem Hass, der schon so lange in seinem Inneren schlummerte und der immer weiter wuchs, je älter er wurde.

Der Hass, der einst die verletzte Furcht eines kleinen Kindes vor seinem es halb tot schlagenden Vater gewesen war, der Hass, der sich in dem schwarzen Loch in seinem Geist Tag um Tag mehr und heftiger ansammelte; in dem Loch seiner Seele, das die Räuber gerissen hatten mit ihren perversen Spielchen, als sie ihn geschändet und verstümmelt hatten.

Er würde Holia dem Erdboden gleich machen und sie alle ermorden, und dann würde das schwarze, Hass fressende Loch in seinem Geist befriedigt sein...
 

Pakuna wünschte sich im Stillen den Tod. Entweder ihren eigenen oder den des Mannes, der sie packte und brutal zu Boden stieß, sodass sie im Dreck des Dorfplatzes landete. Vor ihr raunten und lachten die übrigen Dorfmänner und vereinzelte, giftige Frauen johlten.

„Wir sollten sie zerreißen, die Hure!“, schrillte eine von irgendwo, „Die Zauberer bringen nur Unheil über unser Dorf, seit sie hier sind, jawohl!“

„Genau, töte sie, Arlon, wenn du dich schon Häuptling nennst!“

„Ihretwegen hat unsere Invasion nicht funktioniert, sie hat sicher absichtlich die Sagals auf uns gehetzt!“

„Oder der Dämon von ihrem Sohn, pah!“ Pakuna keuchte atemlos, als sie spürte, wie Arlon hinter ihr in die Hocke ging. Als sie sich zu ihm herum drehen wollte, schlug er sie wieder zu Boden und lachte höhnisch. Die Frau japste verzweifelt und der selbsternannte Häuptling des Dorfes trat ihr mit dem Fuß auf den Hintern, um sie an den Boden zu drücken und zu verhindern, dass sie weg krabbelte.

„Hüte dich, Pakuna. Ich habe dir gesagt, dass ich dich bestrafen werde für den Ungehorsam deines Balges... und ich werde es so lange tun, bis du mir blutend zu Füßen liegst und dir wünschst, um Gnade gefleht zu haben, solange es noch angemessen war...“ Er kicherte dreckig und die Telepathin schnappte wütend nach Luft. Vor ihr grölte die versammelte Menge der Dorfbewohner, die Arlon alle zum Dorfplatz getrommelt hatte, um seine Machtdemonstration so öffentlich und fürchterlich wie möglich machen zu können.

„Ich habe keine Angst vor dir...“, wisperte die Frau und schloss bebend die braunen Augen, als ein furchtbarer Schmerz sie durchbohrte in dem Moment, in dem Arlon sie abermals trat, um sie dann an den Haaren zu packen und wieder empor zu zerren. Sie hörte seine kratzige Stimme neben ihrem Ohr und spürte seinen stinkenden Atem.

„Nicht nur, dass ihr Zauberer uns den Angriff vermasselt habt... jetzt ist auch noch meine Tochter verschwunden, wie soll ich das finden, Pakuna?“

„Ich war nicht hier, wie hätte ich sie fort schaffen sollen?“, zischte die Frau und wand sich in seinem schmerzhaften Griff, ehe er eine Hand hob und ihr unsanft an die Brüste fasste. Die Männer vor ihnen lachten laut und die Frau wusste genau, dass ihnen die Schau gefiel... eine öffentliche Schändung war doch Grund genug, um hinzusehen, wenn man ein Mann aus Kamien war.

„Nein, du hast recht, ich glaube auch nicht, dass du es warst. Aber da niemandem jemals etwas an Asta lag, wird sie wohl niemand entführt haben – es sei denn, jemand war so barmherzig, ihr zur Flucht zu verhelfen... und wer ist denn barmherzig genug, so etwas Dummes zu tun?“ Pakuna weitete die Augen wieder und zischte vor Schmerzen, als er mit der anderen Hand ihre zweite Brust ergriff und sie unsanft bearbeitete.

„Mach sie fertig, die Zaubererschlampe!“, johlten die Männer, und Arlon kicherte neben Pakunas Ohr. Als er Luft holte und den Kopf hob, fuhr sie zusammen, ehe sie ihn brüllen hörte:

„Na, was ist los, Ram Derran?! Willst du nicht kommen und zusehen, wie ich deine Frau besudele vor allen anderen, wie sie es verdient hat für euer erbärmliches Leben?! Zeig dich, du elender Feigling, oder bist du nicht Manns genug, um es mit uns aufzunehmen, Zauberer aus dem Westen?!“ Pakuna japste verzweifelt und riss den Kopf hoch, um in die Menge vor sich zu starren – die Männer und Frauen drehten sich murmelnd nach hinten um, um ein Stück zur Seite zu treten und den Blick frei zu geben auf Pakunas Mann, der aus seiner Hütte am Rande des Dorfes kam und jetzt verbittert auf die Versammlung zusteuerte. Die Frau zitterte.

„Ram...“

„Denkst du, er wird dir helfen?“, grinste Arlon neben ihr, „Ich glaube nicht. Auf den Boden, du Hure, wer hat dir erlaubt, den Kopf zu heben?!“ Sie stieß einen unterdrückten Schrei aus, als sie wieder heftig auf die Erde geschlagen wurde, sie hörte die Menge johlen. In allem Grölen war Ram Derrans Stimme nur ein dumpfes, düsteres Murmeln, aber sie vernahm es deutlicher als alles andere, als er offenbar bei den anderen angekommen war und sprach.

„Was hat meine Frau dir getan, dass du es für richtig hältst, sie so zu behandeln?“ Pakuna schluchzte und unterdrückte einen weiteren Schrei, als Arlon sich über sie beugte und sie spürte, wie er seine Hände unter ihren zerrissenen Rock gleiten ließ.

„Wie du vielleicht mitbekommen hast, Zauberer, sind wir wieder da – weil eure Artgenossen unseren Plan vermasselt und dein Nichtsnutz von einem Sohn mir den Rücken gekehrt hat. Da Zoras nicht da ist, muss ich ja jemanden anderes bestrafen. - Hast du Asta verschwinden lassen, während wir fort waren? Und wage es nicht, mich anzulügen.“

„Wieso Asta?“, fragte Ram Derran, „Ich habe sie ewig nicht gesehen und sie geht mir am Arsch vorbei. Lass meine Frau los und ich suche sie für dich.“

„Nein, so einfach geht das nicht. Asta bedeutet mir nichts; sie war nur ein praktisches Hausmädchen und Spielzeug, mehr nicht. Dafür findet sich Ersatz... aber sie ist mein Eigentum und deswegen bin ich nur aus Prinzip wütend über ihr Verschwinden. Nein, deine Frau kannst du damit nicht retten. Im Gegenteil, ich habe euch alle drei ganz schön satt. Seit ihr hier lebt, gab es nur Ärger... du wirst zusehen, wie ich Pakuna vor dem ganzen Dorf nehme, so lange, bis sie blutet und das Bewusstsein verliert... gefällt dir das?“ Pakuna erstarrte, als sie ihren Mann nichts erwidern hörte. Keuchend fiel sie wieder nach vorne in den Dreck und schrie, als Arlon ihre Schenkel packte und ihren Rock hoch riss, um ihre schlichte Unterwäsche zu zerfetzen und ihren Unterleib zu entblößen.

Warum sagst du nichts, Ram?!“, wollte sie schreien und spürte, wie es in ihrem Inneren schmerzte, als sie gegen die Tränen der Panik ankämpfte, „Warum stehst du da und lässt das zu? Habe ich dich so sehr erzürnt, dass du denkst, ich verdiene das?...“ Doch sie hörte ihren Mann nicht – stattdessen grölte die Menge und stampfte mit den Füßen auf die Erde, bis es unter Pakunas Körper vibrierte. Arlon lachte feixend hinter ihr, riss sie wieder empor und verrenkte ihr dabei die Arme, während er seinen eigenen Unterleib gegen ihren presste und sie bereits spürte, dass er hart vor Verlangen nach ihr war – wie immer. Sie wand sich und schrie um Hilfe, sie rief nach ihrem Mann und versuchte panisch, Arlon zu schlagen, aber er packte ihre Hände und schlug sie wieder auf den Erdboden, der vom begeisterten Stampfen der Dorfmänner zitterte und bebte.

„Bring sie um, Arlon, die Hure!“

„Mach sie fertig, keine Gnade!“ Pakuna keuchte hysterisch und erstarrte, als sie Ram irgendwo ihren Namen schreien hörte – er hatte etwas gesagt! Das Zittern der Erde verstärkte sich plötzlich so heftig, als würde eine ganze Büffelherde durch Holia trampeln, und in dem Moment, in dem Arlon kurz davor war, in sie einzudringen und sie brutal zu nehmen, verdunkelte sich mit einem Schlag der Himmel mit einem ohrenbetäubenden Krachen von oben.

Augenblicklich erstarrten sämtliche Menschen des Dorfes und Arlon erhob sich keuchend auf die Beine, dabei die Frau zu Boden fallen lassend. Hustend rappelte Pakuna sich auf die Knie und fuhr herum, als ein zweiter, zorniger Donner aus dem Himmel die Welt zum Zittern brachte.

„W-was... was passiert denn jetzt?!“, rief eine der Frauen, „Gewitter?!“

„Das ist der Zorn des Himmels!“, japste ein anderer Mann und Pakuna erbleichte mit der plötzlichen Euphorie der Erleichterung, als ihr ein irres Strahlen über das geschundene Gesicht huschte.

„Die Geister haben unsere Gebete erhört... ihr werdet verrecken!“, japste sie glückselig und lauschte entzückt dem nächsten, donnernden Krachen, ehe sie den gleißenden Blitz beobachtete, der mitten in die Erde einschlug und das Dorf trotz des dunklen Himmels taghell erleuchtete. Ein Blitz von solcher Bosheit und so mächtigem Zorn, wie die Telepathin ihn erst einmal gesehen hatte... und es erfüllte sie mit Wehmut und dem Stolz einer Mutter, in das gleißende, Tod bringende Licht zu starren, während um sie herum die Panik ausbrach.

„Rennt um euer Leben!“, schrien die Männer und rannten wild durcheinander, die Frauen kreischten und irgendwo plärrte ein Kind. Der Boden bebte unter dem Zorn der Himmelsgeister, allein Pakuna saß noch immer mit ihren zerfetzten Kleidern auf dem Dorfplatz, als die Hütten um sie herum in Flammen der Wut aufgingen und sie irgendwo aus dem Himmel das Krächzen eines Aasgeiers hörte. Menschen rannten panisch gegen sie und traten auf sie, es war ihr egal – das war die Himmelsstrafe, die dieser Ort verdient hatte, auf die sie seit vielen, vielen Jahren wartete!

Jemand packte sie mit sanfter Gewalt an den Armen und zerrten sie auf die Beine.

„Pakuna!“, hörte sie ihren Mann brüllen, durch das Tosen des Donners hörte sie ihn kaum. „Pakuna, wir müssen hier weg! D-das ganze Dorf wird in Fetzen gerissen werden und wir mit ihm, wenn wir nicht sofort verschwinden, hörst du?!“

„Bring sie um!“, keuchte die Frau apathisch und registrierte unterbewusst, wie Ram sie anfuhr und sie schließlich packte und auf seine Arme hob, um mit ihr davon zu rennen. „Bring sie um, wie damals die Räuber im Wald... Zoras, mein Kleiner!“
 

Der Zorn gemischt mit der tödlichen Macht der Geisterwinde fühlte sich an wie ein zugleich schmerzhaftes und dennoch berauschendes, rasendes Kribbeln, das Zoras' ganzen Körper in Brand steckte, so wie sein Blitz es mit dem Dorf tat, vor dem er stand. Auf einer kleinen Anhöhe in der Nähe von Holia stehend und die Arme in den schwarzen Himmel erhoben beobachtete er das Chaos, das in Holia ausbrach, und er spürte den Zorn und den grauenhaft schmerzenden Hass in sich rapide ansteigen, als er die Menschen unten wild durcheinander rennen sah.

Das Ungeziefer musste sterben... es war recht so! Er würde sie zerreißen und ihre Fetzen in den Wind werfen, und dann wäre alles gut.

Mit einer ausschweifenden Bewegung seiner Arme krachte es erneut aus dem Himmel, als der junge Mann vor Wut zitterte und spürte, wie die Macht in seinem Inneren sich noch immer anstaute und den Druck in ihm fast unerträglich machte. Er sah vor sich das Inferno in Holia, er zündete das Dorf auf dieselbe Weise an, wie er auch die Dörfer in Kisara entzündet hatte, und es fühlte sich gut an, es zu sehen... die Flammen zu betrachten, die aus den Hütten empor schlugen, den Qualm, der in den schwarzen Himmel aufstieg, die Schreie der Bastarde zu hören, die es wagten, seine Mutter auf diese Weise zu demütigen... er würde sie zerfetzen, schwor er sich verbiestert, und er riss die Hände wieder hinauf und fing zwischen seinen Handflächen einen weiteren, gigantischen Blitz, der seinen Körper unter Strom zu setzen schien und die Schmerzen und den Rausch verstärkte.

„Verrecken... sollt ihr!“, zischte er wutentbrannt und richtete seine dämonischen Augen auf das brennende Dorf, während er den todbringenden Zerstörer in seinen Händen hielt, bereit, damit und mit Hilfe seines eigenen Zorns ganz Kamien in die Luft zu jagen. Er spürte den Wind um sich herum so heftig aufbrausen, dass er beinahe umgekippt wäre, er hörte die Geister in seinem Kopf zischen und kichern, während die Macht, die er inne hatte, mit jedem Moment, den er da stand, mit jedem Augenblick, in dem er diesen zerstörerischen Hass empfand auf die gesamte Menschheit, mächtiger und gefährlicher wurde.

Gehorcht mir, Todesvögel!, brüllte er in Gedanken und riss den Kopf empor gen Himmel, Kommt und bringt Schatten... und Verderben, wenn ich es euch befehle... ihr habt mir eure Dienste angeboten! Und ich werde euch dienen, so wie ihr mir gedient habt...

Er hörte das Krachen aus dem Himmel kaum, weil das Tosen, das plötzlich aus der Erde kam, auf der er stand, mächtiger war. Er taumelte, als die Erde zu seinen Füße bebte und der Wind an ihm zerrte, seine Arme um seinen Körper legte und mit dem eisigen Hauch des kommenden Winters zu ihm flüsterte.

„Es ist noch zu früh... du kannst der Macht, die dir vermacht wurde, noch nicht standhalten, wenn du sie jetzt rufst. Komm... schließ die Augen.“ Zoras blinzelte in seiner Trance verwirrt über die plötzlich reale und doch ferne Stimme, während er spürte, wie der Wind ihn mit sanfter Gewalt nach hinten zog, weg von Holia. Der Blitz in seinen Händen erlosch mit einem Knallen und strauchelnd stolperte Zoras rückwärts, dem eisigen Wind des Winters in die Arme. In ihm kribbelte die Macht noch immer, sowie das Verlangen, sie auf einen Schlag hinaus zu schleudern und die Welt zu vernichten...

Das Ungeziefer musste sterben.

Die Magie zehrte ihn aus, spürte er plötzlich, als sich der Schleier des Trancezustandes über seinem Geist löste und er fühlte, wie er rückwärts in den Schatten des Bewusstlosigkeit kippte. Das letzte, woran er dachte, war seine Mutter... er hoffte, sie war wohlauf.
 

Als Zoras erwachte, war es dunkel geworden. Er fragte sich einen Moment, wo er war – unter sich fühlte er trockenes Gras, über sich hörte er das sanfte Rauschen des nächtlichen Windes. Er trug den Geruch von verbranntem Holz mit sich und Zoras hustete, als seine Erinnerung zurückkehrte an das, was vorher gewesen war. Er erinnerte sich plötzlich an den Zauber, an den Hass in sich, den er zu stillen versucht hatte... unruhig fasste er nach seiner nackten Brust und versuchte, festzustellen, ob das schwarze Loch in seinem Geist noch da war. Er spürte einen unschönen Schmerz, der sich durch seinen ganzen Körper zog, sobald er sich bewegte, und ihm entfuhr ein leises Zischen. Als er dann plötzlich neben sich eine Stimme vernahm, erschrak er sich beinahe zu Tode.

„Übertreibe es nicht gleich. Du rufst mächtige Magie und bist noch nicht stark genug, um sie halten zu können, das ist alles... so wenig ich auch von eurer Magie verstehen mag, so viel weiß ich auch noch.“ Der Schwarzhaarige fuhr ungläubig herum, als er die Stimme zu erkennen glaubte – das konnte doch nicht sein!

Doch, es konnte offenbar, stellte er ernüchtert fest, als er sich mühevoll aufsetzte und neben sich an den Stamm des morschen Baumes gelehnt, unter dem er sonst so oft rastete, die Frau erblickte, der er die Stimme bereits instinktiv zugeordnet hatte. Er keuchte bei ihrem Anblick und fragte sich, ob er wirklich wach war oder noch im bizarren Reich der Traumgeister.

„Moment – Chenoa?!“ Die Frau musterte ihn mit der kalten Gelassenheit, die er von ihr kannte, und irgendwie stieß es ihm übel auf, dass sie so verdammt emotionslos da herum saß, während er völlig verblüfft war, die Beraterin des zuyyanischen Kaisers wieder zu sehen...

„Ja, ich. Es ist einige Jahre her, dass ich dich zuletzt besucht habe. Du bist gewachsen.“ Er starrte sie verblüfft an.

„Gewachsen?!“, fluchte er, „Ich bin immer noch viel zu klein, das ist entwürdigend!“ Er sah, wie über das bleiche Gesicht der Frau ein kurzes, amüsiertes Lächeln huschte.

„Einen guten Mann macht nicht seine Größe aus, weißt du? Die meisten Männer, die größer sind als du, sind viel weniger wert.“ Er errötete und schnaufte.

„Weniger wert? Willst du mich an den Zirkus verkaufen als Kuriosität?“ Er betrachtete sie eingehend; ihr aristokratisches Gesicht verlieh ihr noch immer die Macht und zeigte genau, dass sie eine Frau aus den höchsten Rängen der Gesellschaft war... ihre langen, hellblauen Haare mit so typischen, unnatürlichen Farben, wie sie nur Zuyyaner haben konnten, hatte sie sich auf bizarre Weise auf dem Kopf zusammengesteckt, vermutlich vermochte keine Königin Tharrs, sich so die Haare richten zu lassen... Zuyyaner waren immer anders. Die oberste Beraterin des Kaisers war um keinen Tag gealtert... dabei war es sicher drei oder vier Sommer her, dass er sie zuletzt gesehen hatte. Er fragte sich, wie alt sie eigentlich war... wenn sie so ein hohes Amt bekleidete in ihrem Imperium, konnte sie nicht mehr richtig jung sein, aber ansehen tat man ihr das nicht im Entferntesten.

Sie verblüffte ihn wenig damit, dass sie ihm auf die unausgesprochene Frage antwortete – er war gewohnt, dass sie genau wusste, was er dachte. Darin war sie schlimmer als seine Mutter, und die war Telepathin.

„Ich werde im Wintermond dreißig. Das ist aber nicht der Grund, weshalb ich gekommen bin. Und viel Zeit habe ich auch nicht.“ Er war erstaunt – sie war nicht mal dreißig?! Das war jünger, als er gedacht hatte – und älter, als sie aussah, räumte er ein und schauderte, als sie sich räusperte und im Sitzen die Beine übereinander schlug.

„Warum bist du hier?“, fragte der Schamane so unschlüssig, indem er sie abermals von Kopf bis Fuß betrachtete und mit Widerwillen feststellen musste, dass ihre Erscheinung betörend war. Er hüstelte verlegen und wandte den Blick ab. Was dachte er da?

„Ich komme... wegen deines Erbes, Zoras. Wegen deiner Macht über die Schattenvögel.“ Er zuckte, die anrüchigen Gedanken sofort vergessend. Er wollte sich aufrappeln, stellte aber fest, dass seine Kraft noch nicht genug zurückgekehrt war, um sich weiter zu bewegen. Zischend fasste er nach seinem Kopf, der schmerzhaft zu pochen begonnen hatte.

„W-wie... wieso weißt du davon?!“

„Ich bin Zuyyanerin. Ich habe es in der Reikyu gesehen. Du weißt doch, dass ich damals gekommen bin, um dich zu trainieren, als du noch ein Junge warst. Alles, was du tust, dient diesem einen Zweck... du bist größer und mächtiger, als nach außen hin scheinen mag.“ Er starrte sie an und kämpfte innerlich gegen die Schmerzen, als er ihr zusah, wie sie über ihrer Hand die glimmende Kugel aus Licht erscheinen ließ – die sogenannte Seelenkugel, in der die Zuyyaner alles sehen konnten, sofern sie genug Macht besaßen. Und Chenoa war die mächtigste aller Zuyyanerinnen, hatte er gelernt... sie war gleichzeitig herrlich und doch gefährlich. Zoras schauderte. Sein Blick schweifte nach rechts und suchte instinktiv nach dem Dorf, das er vorhin noch hatte zerstören wollen... war Holia noch da?

„Wieso bin ich hier mitten in der Pampa?“, murmelte er unschlüssig, „Was... ist mit Holia geschehen?“

„Du hättest beinahe das ganze Dorf zerfetzt, ich habe dich davon abgehalten. Lass gut sein, die Mächte der Schöpfung werden das schon selbst erledigen, Zoras. Du bist noch nicht mächtig genug für Magie von diesem Ausmaß... wie ich sagte. Übertreibe es nicht, Junge.“

„Ich bin ein erwachsener Mann und kein Junge.“, knurrte er und sie musterte ihn jetzt ebenfalls kurz, ehe sie wieder diabolisch grinste.

„Du hast recht, das sieht man.“ Er sträubte sich, als er sie so aufgesetzt lächeln sah und beobachtete, wie sie sich am Gras abstützte und sich langsam erhob. Keuchend wollte er sich auch aufrichten, aber da hockte sie sich schon direkt vor ihn und hinderte ihn daran. „Nicht... bleib sitzen, du wirst nur umkippen. Die Magie zehrt dich aus, wenn du sie zu viel einsetzt... oder die Zauber zu hoch für dich sind. Dein Körper und dein Geist sind noch erschöpft von dem Rausch der Trance.“

„M-meine Mutter...“, stammelte er, „I-ist sie am Leben? Wo ist sie?“

„Ja, sie ist wohlauf, keine Angst. Wie gesagt, Holia steht noch, es ist nur zur Hälfte abgebrannt und zerrüttet.“ Er zitterte bei ihren Worten und senkte den Kopf keuchend; es stand noch. Er hatte es so sehr zerstören wollen... wie er damals die Räuber samt ihrer stinkenden Höhle zerstört hatte. Aber es stand noch... zischend fasste er wieder nach seiner Brust, als er in seinem Inneren den Hass wieder pochen spürte – das schwarze Loch war noch da. Ihm schwindelte und er drohte, zu Boden zu sinken, als sich der Zorn in seinem Inneren wieder steigerte und seinen ganzen Körper zum Beben brachte.

„Ich will... dass sie sterben!“, keuchte er apathisch und fühlte, wie Chenoa seine Hand von seiner Brust zog und stattdessen ihre eigene auf seine nackte Haut legte, während sie den Kopf zu seiner Wange hin senkte. Er atmete den angenehmen Duft der eigenartigen Frau ein, die er gleichzeitig fürchtete und dennoch verehrte... sie war zu ihm gekommen, als er klein gewesen war, und sie hatte mit dazu beigetragen, dass er zu dem geworden war, was er jetzt war. „Ich... ich will, dass sie elendig verrecken für alles, was sie meiner Mutter angetan haben... verbluten sollen sie!“ Schaudernd fuhr er zusammen, als er spürte, wie Chenoa neben seinem Ohr leise kicherte. Das bizarre, bösartige Kichern einer Bestie, vermutete er, und es war gleichzeitig furchteinflößend wie auch verblüffend, als er ihre Lippen seine Haut kitzeln spürte.

„Das werden sie schon noch. Entspann dich... ich werde dir deine Sinne zurückgeben.“
 

Sie behielt recht und er spürte seine Instinkte aus dem Nebel der Bewusstlosigkeit zurückkehren, als sie sich über ihn beugte und ihn küsste, wie ihn nie eine Frau geküsst hatte. Zoras war verblüfft darüber, wie sein Körper sich ihren Berührungen so schamlos unterwerfen konnte, und noch mehr darüber, dass er es zum ersten Mal nicht abscheulich fand, auf diese Weise berührt und stimuliert zu werden, wie sie es tat, als sie erst ihre eigenen Kleider und dann seine Hosen entfernte. Ihre Hände waren kühl, aber sie setzten ihn trotzdem in Brand, als sie flüchtig über seine nackte Haut strichen, während ihre Lippen die seinen trafen und er sich berauscht von der Intensität dem Verlangen hingab, das sie in seinen Lenden entzündet hatte.

Er hatte erst ein einziges Mal mit einer Frau geschlafen... und das war sein eigenes Blutritual gewesen, das ihn vom Jungen zum Mann gemacht hatte. Er wollte nie wieder daran denken, denn das Grauen und die Abscheulichkeit seines Rituals waren nicht zu vergleichen mit dem, was Chenoa mit ihm machte, als er unter ihr auf der Wiese lag und sie sich auf eine Weise mit ihm vereinte, die er sich nicht mal in seinen wildesten Träumen ausgemalt hätte; er träumte generell auch selten bis nie von Frauen, musste er gestehen. Sie war eine geschickte Liebhaberin und er war verblüfft darüber, wie sie es schaffte, ihn Gefühle empfinden zu lassen, deren Existenz er bis dahin nicht mal gekannt hatte, als sie über ihm saß und sich bewegte, während ihre Hände über seine zitternde Brust glitten. Sie bog sich zurück und er keuchte beim Anblick der Silhouette ihres nackten, weiblichen Körpers über seinem, ehe er die Hände nach ihr ausstreckte und sie ebenfalls berührte. Es war das erste Mal, dass er die Vereinigung als angenehm empfand... und dementsprechend wenig Zeit brauchte es auch, bis sie nahezu gemeinsam zum Höhepunkt kamen. Benommen sah Zoras zu Chenoa auf, als sie sich diskret von ihm erhob und in aller Ruhe begann, sich anzukleiden. Er räusperte sich und errötete gegen seinen Willen. Die Schmerzen von zuvor waren abgeebbt und er spürte in seinem Kopf nur noch ein leichtes, benebeltes Ziehen, während er sich aufsetzte und nach seinen Hosen angelte.

„Ich habe dir ein Geschenk mitgebracht.“, sagte die Zuyyanerin, als sie fertig angezogen war, als wäre nichts gewesen, und er schmollte.

„Du hast mit mir geschlafen. Ignoriere das nicht einfach.“

„Tu ich nicht, ich habe es genossen. Zieh dich an, rasch.“ Er murrte; diese Frau war wirklich berechnend. So etwas wie Zärtlichkeit kannte sie wohl nicht... was erwartete er auch? Sie war Zuyyanerin. Zuyyaner waren pragmatische Maschinen ohne Gefühle. Er zog seine Hosen an und stutzte, sobald er sich vorsichtig aufgerappelt hatte und sah, wie sie ihm einen langen, in Stoff gewickelten Gegenstand entgegen hielt.

„Ein... Besen?“, riet er doof und sie rührte sich nicht. Seufzend band Zoras seine Hose zu und nahm ihr den vermeintlichen Besen ab. „Was soll ich damit?“ Zu seiner Verblüffung war sie todernst.

„Du hast doch schon davon gehört... in Lorana. Überrascht es dich, Zoras?“ Er starrte sie an – dann fielen ihm plötzlich die Worte von Sagal wieder ein.

„Ich sah dich als Herr über den Schatten, vor dem wir sonst weglaufen, in deiner Hand der Speer der Macht... der dein Schicksal mit dir tragen wird. Der letzte Erbe, heißt es, soll sie tragen... die Hellebarde von Yamir, die in den Schatten fiel und verschwand...“

Er starrte ungläubig das Ding an, das er in der Hand hielt, dann wanderte sein Blick wieder zu Chenoa.

„Das... das ist... die Hellebarde von Yamir?“ Als Chenoa ihm nicht antwortete – was ihn insgeheim ärgerte, aber er war es eigentlich gewohnt, dass sie wenig sprach – zog er den Stoff, in dem das Ding eingewickelt war, herab, um eine scharfe, gebogene Klinge zu Tage zu fördern, die an einem langen, hölzernen Stab befestigt war. Stab und Klinge zusammen waren größer als der junge Mann selbst und verblüfft musterte die blitzblank polierte Waffe, die er in den Händen hielt. Damit konnte er mit einem Schlag einen Mann enthaupten, wenn er sich das so ansah... fassungslos strich er mit dem Zeigefinger über die Klinge und zischte, als er sich prompt in den Finger schnitt an der Kante. „Verdammt, die ist scharf...“, murmelte er dabei, sich den nur wenig blutenden Finger kurz in den Mund steckend, während sein Blick über die mühsam eingravierten Muster am stumpfen Rand der Klinge wanderte. Es waren Zeichen, die er nicht erkannte, aber einige ähnelten den Buchstaben, die sie jetzt benutzten.

„Sie ist dein Erbe.“, erklärte Chenoa da und er fuhr zusammen; da war er so vertieft in die Betrachtung der Waffe gewesen, dass er vergessen hatte, dass die Zuyyanerin noch da war. Er starrte sie verdutzt an. „Es war... Wille der Geister, dass du sie eines Tages bekommst. Sie war für dich bestimmt, schon seit hunderten von Jahren. Niemand kann sie benutzen... abgesehen von dir, weil du derjenige bist, für den sie bestimmt ist.“

„W-was?“, murmelte er, „Warum denn ich? Was hat das alles zu bedeuten?“

„Es ist etwa dreihundert Jahre her, dass ein Mann namens Yamir diese Hellebarde selbst gefertigt hat. Nachdem er starb, konnte niemand sie führen, deswegen verschwand sie und war verschollen... bis vor kurzem.“

„Was soll das heißen, niemand konnte sie führen?“, schnaufte der Mann und griff den Stab, um die Hellebarde anzuheben und ihr Gewicht zu testen. Dafür, dass sie so groß war, war sie verblüffend leicht. „Kann nicht jeder, der genug Kraft im Arm hat, das Ding hochheben?“

„Das schon, aber wir sprechen von verschiedenen Dingen. Du redest davon, sie zum Schneiden einzusetzen. Sie ist aber mehr als nur ein großes Messer am Stiel. Sie ist ein Magiemedium... du kannst mit ihr zaubern, wenn du dich anstrengst. Und das ist es, was niemand vermocht hat... außer dir.“ Zoras schnaubte erneut und zog verächtlich die Stirn in Falten.

„Wer es glaubt, Chenoa.“, schnarrte er und schwang die Waffe herum, „Warum sollte ausge-... wuah!“ Dann erschrak er sich beinahe zu Tode, als mit dem einfachen Schwung, den er ausgeführt hatte, ein kleiner Blitz aus der Klinge schoss und das Gras an der Stelle versengte, wo er den Boden traf. Hustend starrte der Schwarzhaarige wieder auf die Hellebarde und blinzelte. „Ähm... oh.“

„Du wirst natürlich üben müssen, die Macht zu kontrollieren, die in dieser Waffe steckt. Und es ist wichtig, dass du das tust, Zoras... die Zeit ist gekommen.“ Er blickte sie nur stumm an, als sie das bleiche Gesicht senkte und er ein flüchtiges, dämonisches Lächeln über ihre Lippen kriechen sah. „Das Zeitalter... ist quasi vorbei. Wenn du in den Schatten gehst, wirst du sie tragen und das Erbe antreten... das dir zusteht.“ Jetzt wurde es ihm allmählich zu bunt.

„Hör mal auf, hier solche Predigten zu halten, was für ein verdammtes Erbe?!“, empörte er sich, „Mein Vater ist ein Nichtsnutz, der nicht mal zaubern kann, was sollte ich da bitteschön erben? Erst recht nicht so ein Monsterding! Wer zum Geier war eigentlich dieser Yamir?“

„Das sind alles Fragen, die nicht ich dir beantworten kann.“

„Du bist doch auf Zuyya als die Weise Frau bekannt, weil du die begabteste Seherin überhaupt bist, oder nicht?!“, fauchte er, „Du weißt es, findest es nur lustiger, wenn ich mir den Kopf zerbreche, du sadistisches Weibsbild!“

„Nein.“, sagte sie erstaunlich scharf und er fuhr zurück bei ihrem befehlenden Ton, „Das sind Dinge, die mich nichts angehen. Du bist Schamane... ich bin Zuyyanerin. Dies hier ist eine Sache der Schamanen... du wirst schon noch früh genug erfahren, was du wissen willst.“ Zoras kniff die Lippen zusammen, während er die Waffe umklammerte und dann zischend zur Seite sah. Sagal hatte davon gewusst... er könnte ihm vielleicht sagen, was er hören wollte. Die Frage war nur, ob er das jemals täte. Hatte Neisa nicht von irgendeiner Seherin gesprochen, die behauptet hatte, sie und Karana müssten die Welt retten? Vielleicht wusste die ja etwas. Aber das nützte ihm wenig... er würde ganz sicher nicht den ganzen Weg nach Yiara hinauf latschen allein dafür – um dann womöglich noch von Karana zerfetzt zu werden, der sicher auch bis dahin dort war. Wenn er noch lebte...

Er hob das Gesicht wieder, als er über sich ein leichtes Flattern vernahm und beobachtete, wie auf einem der Äste des Baumes, neben dem sie standen, eine Krähe landete. Ohne ein Wort zu sagen beobachtete der Geist des Tieres ihn genau, das konnte Zoras spüren... es fühlte sich unheimlich an und gleichzeitig auf seltsame Weise vertraut.

„Die Vögel.“, murmelte er dumpf in Chenoas Richtung, „Es hat etwas damit zu tun, oder? Sagal nannte mich... Herr der Schattenvögel...“ Er wartete, ob die Frau etwas sagte, aber nichts kam. Als er schon bitter den Kopf wieder senkte, spürte er ihre Hand, die ihm sanft durch die Haare fuhr, sodass er wieder empor sah und in ihr hübsches, emotionsloses Gesicht blickte.

„Es ist deine Bestimmung.“, sagte sie, „Es war Wille der Mächte der Schöpfung. Zu diesem Zweck bist du... einmal geboren worden. Zu diesem Zweck hast du... deinen Namen erhalten, deinen Lebensgeist. Sieh nach Nordosten. Die Zeit der Sieben... ist gekommen. Die Zeit, dich von Kamien abzuwenden und deiner Bestimmung zu folgen, die dir auferlegt wurde. Tief in deinem Inneren kannst du es schon spüren, solange du lebst.“ Ohne noch etwas weiteres zu sagen löste sie ihre Hand von ihm, ehe sie ihm den Rücken kehrte und mit einer federleichten Bewegung in den schwarzen Nachthimmel sprang, um zu verschwinden. Der junge Mann blieb zurück und umklammerte empört über ihre Diskretion sein neu errungenes, vermeintliches Erbstück. Was fiel der ein, aufzutauchen, ihn daran zu hindern, Holia zu zermalmen, ihn auf bestialische Weise schamlos zu verführen, ihm dann ein ominöses Item zu übergeben und schließlich keine seiner Fragen zu beantworten? Er errötete heftig bei den Gedanken an die vorangegangene Vereinigung, während ihn alles, was danach geschehen war, eher verstimmte.

Die Hellebarde von Yamir, hm...? Seufzend blickte er in Richtung Nordosten, wie Chenoa gesagt hatte, in der Hoffnung, ihm würde dann ein Licht aufgehen in all den Rätseln. Aber es blieb schattig... die Nacht würde eiskalt werden.
 

In der Hütte roch es nach Rauch, obwohl das Feuer in der anderen Hälfte des Dorfes gewütet hatte. Ram Derran zischte ungehalten und rümpfte die Nase, während er spürte, wie seine Frau hinter seinem Rücken am ganzen Leibe zitterte. Er konnte es ihr nicht verübeln... nicht nach allem, was sie hatte erleiden müssen. Er war furchtbar...

Das Feuer war verschwunden und die Panik in Holia hatte sich gelegt, als das eigenartige Gewitter vorbeigezogen war. Ram wusste, dass es kein Gewitter gewesen war... es war der Zorn der Himmelsgeister gewesen, den jemand herab auf die Welt beschworen hatte, um sie alle zu vernichten... jemand. Er runzelte verstört die Stirn bei den Gedanken an sein einziges Kind und dessen unkontrollierte Wutausbrüche, die wohl Schuld an dem Inferno gewesen waren. Oh, wenn der Junge nach Hause kam, würde er ihn windelweich prügeln für den Irrsinn. Er hätte seine eigenen Eltern beinahe mit gegrillt mit seinen Blitzen, er konnte von Glück reden, dass ihre Familienhütte tatsächlich nicht dem Feuer zum Opfer gefallen war. Er fragte sich schaudernd, wo Arlon Zinca und sein dämlicher Sohn hin waren... ob sie umgekommen waren? Das wäre so schön...

Nein. Es war unrecht, Menschen den Tod zu wünschen, die Geister verstanden so etwas gerne miss. Dann würden sie es gegen ihn wenden und am Ende würde noch statt Arlon die arme Pakuna sterben... das wollte er nicht, nie im Leben. Schaudernd zog er sich die Felldecke über den Kopf, unter der sie gemeinsam lagen auf ihrem einfachen Schlaflager, als könnte er so die furchtbare Welt von sich abschirmen, obwohl er wusste, dass das nicht möglich war. Pakuna zitterte hinter ihm und sprach kein Wort. Nachdem er sie aus dem Feuer gezerrt und hierher gebracht hatte, hatte sie den Rest des Abends nur dort gelegen und gezittert, ohne etwas zu sagen. Es tat ihm leid... es hätte besser für sie sorgen sollen.

Ram erschrak sich fast zu Tode, als sie plötzlich doch sprach – ihre Stimme war heiser und klang verzerrt, als stünde sie kurz vor einer Ohnmacht.

„Warum... hast du zugesehen...?“ Er erstarrte; dann zog er sich noch tiefer unter die Decke zurück und wusste nicht, was er darauf antworten sollte. Sie wiederholte ihre Frage noch einmal und bemühte sich offenbar, ihr Zittern zu regulieren, was ihr nicht gelang. „Wieso... hast du zugelassen, dass sie... mir all das antun, Ram?“ Es brach ihm das Herz, sie so sprechen zu hören... obwohl er genau wusste, dass sie es zurecht sprach.

Er war ein furchtbarer Ehemann. Er war unfähig, sie zu beschützen... er war weder jemals ein guter Mann noch ein guter Vater gewesen. Und er hasste sich dafür... für seine gnadenlose Unfähigkeit, die sein Bastard von einem Sohn ihm Tag für Tag vor Augen hielt... zurecht. Er sagte nichts und hörte, wie sie fortfuhr.

„Du hast... einmal gesagt, als wir hier... ankamen... dass wir den Geistern danken sollen dafür, dass sie uns in der Not, die wir nichts hatten als unsere zerrissenen Kleider am Leibe, ein Dach über dem Kopf gewährt haben. Du hast gesagt, obwohl ich... von Anfang an wusste, dass Holia ein schlechtes Dorf sein würde... dass wir es ehren sollten, denn es gibt... uns Schutz. Ich habe dir vertraut... und ich habe auf mich genommen, was man von mir verlangte. Ich habe... so viele Nächte... unter diesen Widerlingen gelegen und es erduldet... um deinetwillen, Ram. Ich habe zugelassen, dass sie mich schänden, ich habe zugesehen, wie unser Sohn Tag für Tag mehr in den Schatten fällt... um deinetwillen. Ich wollte dir nicht die Schande machen, mich nicht an deine Worte zu halten... die Geister nicht zu ehren. Und jetzt... jetzt bin ich am Ende meiner geistigen Kräfte... und du sagst kein Wort. Was ist geschehen, Ram...? Sprich doch mit mir... bitte.“ Er schloss bebend die Augen, als ihr die Stimme versagte; plötzlich hatte er das Verlangen, sich selbst zu vierteilen für seine Unfähigkeit. Seinetwegen. Seinetwegen war seine Frau zerbrochen... die schöne, willensstarke Pakuna, die immer das Gute im Leben gesehen hatte, die nicht aufgegeben hatte... er spürte in seinem Inneren, dass die dünne, schwache Stimme, mit der sie sprach, nur der Anfang ihres Bruches war... an dem er Schuld war. Keuchend krümmte er sich neben ihr im Bett zusammen und fasste stöhnend nach seinem Kopf.

„Vergib mir... Pakuna. Ich bin... ich bin dir nie ein guter Mann gewesen... ich kann dich nicht angemessen beschützen und versorgen. Als wir im Krieg von meiner Familie getrennt worden sind... als du schwanger geworden bist... hatte ich immer Angst, dass es so enden würde. Ich bin nicht... wert, dass du hier bei mir liegst, fürchte ich.“ Er spürte sie hinter sich erstarren.

„Was redest du da?“, wisperte sie, „Du hast es... doch nie versucht, seit wir hier sind! Hast du jemals versucht, mich zu beschützen? Oder dein Kind?“

„Wie denn?!“, fuhr er auf, „Wie sollte ich, Pakuna, ich bin unfähig, ich kann nicht wirklich zaubern und ich kann auch sonst nichts! Ehe ich die Hand erhoben hätte, hätte Arlon mir das Genick gebrochen, wenn ich es wage, zu widersprechen! Du hättest... du hättest mit dem Jungen weglaufen sollen... es war mein Fehler, dass es soweit gekommen ist...“

„Weglaufen?“, keuchte sie, „Ich bin deinetwegen geblieben!“ Er fuhr zusammen, als ihre Stimme höher, brüchiger und verzweifelter wurde. „Ich bin geblieben, weil du geblieben bist, und ich würde niemals ohne dich fortlaufen! Wie kannst du so sprechen, Ram?! Tag für Tag leide ich Qualen und verfluche die Geister für das, was sie uns antun, und ich ertrage es um deinetwillen! Weil ich stark sein wollte... weil ich nicht wollte, dass du eine Frau hast, für die du dich schämen musst... eine Frau, die nur Probleme und Ärger macht. Aber wenn ich das alles doch getan habe, wieso... kehrst du mir dann jetzt den Rücken? Wieso hilfst du mir nicht... wenn ich im Inneren vor Angst schreie?“ Er schauderte.

„Nicht du bist die Frau, für die man sich schämen muss... ich bin der Mann, für den du dich schämen solltest. Es ist... einfach unmöglich, ich kann es nicht, Pakuna. Ich kann dir nicht der Ehemann sein, der ich hätte sein wollen... u-und... es frisst mich auf...“ Sie fiel ihm jäh ins Wort und schrie ihn an:

„Du hast keinen Grund, zu heulen, du Jammerlappen! Wie kannst du es wagen, zu flennen, wenn ich es bin, die alles erduldet?! Ich lasse mich schlagen und von anderen Männern besteigen, ich ertrage jede Schande für dich, für deinen Stolz, für unsere Familie, in der Hoffnung, mit dem, was ich tue, irgendetwas tun zu können, damit wir nicht auseinander brechen! Und du liegst da und bemitleidest dich, weil du so ein Nichtsnutz bist?! Das kann ja wohl nicht wahr sein!Wenn du wusstest, wie unfähig du bist, warum wolltest du hier bleiben?! Zoras und ich haben von Anfang an gesagt, das Dorf wird uns Unglück bringen, so wie Chayneh, wo unser Sohn geboren wurde, wo die Männer mich noch während meines Wochenbettes genauso gierig angestarrt haben wie die von hier jetzt! Wir könnten längst fort sein! Wir könnten weg, nach Thalurien, da ist es besser! Da werden wir nicht skeptisch angestarrt, weil wir Schamanen sind... wir sind gebürtig aus Kisara, wir haben jedes Recht, dort zu leben! Wir könnten-...“ Er zischte und kam unter seiner Decke hervor, um sich grimmig zu ihr umzudrehen.

„Nein! Nicht Thalurien. Thalurien ist eine Provinz der Verräter und Meuchler, du weißt das! Niemals setze ich einen Fuß dorthin, nicht, um wieder unter der Fuchtel dieser Bastarde zu sein, nicht, um mit der Schande leben zu müssen, vor ihren Füßen kriechen zu müssen, weil ich als Wurm es ja scheinbar nicht wert bin, in ihrem heiligen Land zu leben! Einen Dreck werde ich, Pakuna!“ Sie starrte ihn aus leeren Augen an und er stockte, als sie zu zittern begann und schließlich nach Luft schnappte. Das war falsch gewesen... er wusste es noch in dem Moment, in dem sie zum Sprechen ansetzte, und er wünschte sich abermals, sich vierteilen zu können.

„Dein Stolz ist alles?“, japste sie, „Weil du... irgendein unerklärtes Problem mit den Lyras hast, willst du hier verrecken? Nur deswegen gehen wir nicht nach Thalurien? Weil... Lyras in Thalurien wohnen?! Wohnten...“

„Lyras sind falsche Heuchler, sie tun freundlich, stechen dir dann aber von hinten in den Rücken!“, blaffte er sie an, „Du verdienst auch nicht, vor denen zu kriechen, und ich werde nicht in einem Land leben, in dem dieser Bastard von einem Kerl Senator ist und die Macht hat, mir zu sagen, was ich zu tun habe! Wie in Dokahsan, wo sie Herrscher waren, bah! Niemals würde ich dich der verräterischen Lügnerbande der Lyras aussetzen, Pakuna!“

Lügnerbande!“, schrie sie ihn wutentbrannt an, „Puran hat im Gegensatz zu dir den Mumm, seine Frau zu beschützen und sich nicht selbst zu bemitleiden!“ Er gab ihr eine schallende Ohrfeige, die sie zurück auf das Schlaflager schmetterte, von dem sie sich aufgesetzt hatte. Hustend fuhr die Frau herum und er keuchte noch entsetzt über seine eigene Hand, die seine Frau geschlagen hatte, während die Worte schon seinen Mund verließen, ohne dass er sie hätte aufhalten können.

„Erwähne nicht seinen Namen, wenn du in meinem Bett liegst, du verdammte Schlampe! Puran, ja?! Ich will nie wieder seinen Namen hören und nie wieder seine arrogante, verdammte Visage sehen müssen, dieser Heuchler, dieser Bastard, diese verdammte Scheißfamilie hat meinen kleinen Bruder auf dem Gewissen und du weißt das, Pakuna! Wie kannst du mich so verraten?! Puran! Pah! Warst du in seinem Bett und hattest Spaß?! Weil er ja so toll darin ist, seine Frau zu beschützen, ja?! Vielleicht solltest du einfach mal nackt vor ihm tanzen und ihn bitten, dich auch zu heiraten, damit dieser Dreckskerl dich auch so toll beschützen kann und dir jede Nacht Freude macht in seinem vergoldeten Bonzenbett mit dem Seidenbettzeug!“

Sie schlug ihm mit solcher Kraft ins Gesicht, dass er rückwärts vom Schlaflager rollte. Der Schmerz war tief... nicht der Schmerz ihres Schlages, sondern mehr der ihres Zorns. Und er hatte ihn verdient... es war unrecht gewesen, was er ihr unterstellt hatte. Sie war Pakuna... sie war nicht so erbärmlich, in eines anderen Mannes Bett zu kriechen. Aber seine Eifersucht ging einfach mit ihm durch, wenn er nur den Namen des verhassten Mannes hören musste... und dass Pakuna Lyras immer gemocht hatte, stieß ihm übler auf, als er jemals vor ihr zugegeben hätte. Es grenzte an Verrat seiner Familie, der seine Frau schon immer sehr nahe gestanden hatte, die Lyras zu mögen... die Familie, die Dokahsan beherrscht hatte, die Schuld daran war, dass einer seiner Brüder als Baby hatte verhungern müssen. Ram hatte ihnen niemals vergeben... und er würde es auch niemals tun. Wie verfluchte er den Zufall, dass Lyras genau wie er mit Pakuna nach dem Krieg gegen Zuyya dummerweise in benachbarten Gegenden gelandet waren... und es hatte ihn immer verblüfft, dass sein eigener Sohn sich ausgerechnet mit Purans Rotzgör geprügelt hatte, als sie noch in die Schule gegangen waren... es war, als hätten die Geister dafür gesorgt, dass seine Familie und die Lyras auch in Zukunft niemals miteinander auskommen würden. Das war eigentlich eine gute Sache.

Sich an die aufgeplatzte Lippe fassend rappelte der Mann sich auf und stierte seine schöne, zerbrochene Frau aus seinen giftgrünen, schmalen Augen eine Weile an.

„Ich muss dazu nichts sagen, Ram.“, sagte sie dumpf, „Du hast den Schlag verdient für deine Worte. Du hättest hundert verdient und einen Tritt zwischen die Beine für diese Abscheulichkeit... ich habe dich viel zu lieb, um dir noch mehr wehzutun...“ Jetzt senkte sie schluchzend den Kopf und er seufzte traurig, als er zu ihr zurück krabbelte und sie vorsichtig in seine Arme schloss.

„Vergib mir...“, murmelte er, „Ich... habe kein Recht darauf, dich anzurühren, Pakuna. Ich... ich habe nur... immer Angst, dich zu verlieren, wenn du seinen Namen sagst... mir... gefällt einfach nicht, dass ihr euch verstanden habt, als wir noch Kinder waren...“

„Lauf mit mir fort.“, wisperte seine Frau in seinen Armen und klammerte sich schutzsuchend an ihn, „Weg aus Kamien, Ram. Lyras sind doch gar nicht mehr in Thalurien... nachdem Arlon und die anderen Idioten es verwüstet haben. Wir könnten ja auch in eine andere Provinz... aber weg von hier. Ich flehe dich an... ich werde dich nie wieder um etwas bitte, Ram, als dieses eine Mal... wenn du mit mir fort läufst. Noch heute Nacht... wenn Zoras heim kehrt, brechen wir auf.“ Ram spürte, wie sich ihr Griff verfestigt, als sie sich an seine Brust klammerte, und er zitterte, während er versuchte, sie zu halten. Sie war so warm... es war angenehm, ihre Wärme und ihre Gutherzigkeit zu spüren, die er nicht im Geringsten verdient hatte.

„Vergib mir, Pakuna...“, flüsterte er erneut und küsste ihre schwarzen Haare, „Ich... habe dir jahrelang nur Kummer gemacht. Ich verspreche, dass ich es wieder gut mache... wenn du es wünschst, werden wir fortlaufen, ja. So schnell wir können... bevor Arlon aus der Asche seines Hauses aufersteht, oder wo auch immer er abgeblieben ist... wir können nicht auf Zoras warten, Pakuna.“

„Er ist mein einziges Kind.“, wisperte sie, „Ich liebe ihn und werde ihn nicht zurück lassen...“

„Er ist ein Geisterkind und entgegen meiner Blutslinie wahnsinnig begabt. Er hat die Gaben des Himmels... er kann sehen ohne Augen, hören ohne Ohren und die Geister beschwören. Ich denke, es dürfte für ihn nicht schwer sein, uns zu finden... vertrau mir. Wenn wir fliehen wollen... so wie Asta... dann müssen wir es jetzt tun, wenn keiner hinsieht. Gib mir deine Hand...“ Sie hob den Kopf, als er sie locker ließ und ihre kühlen Hände zärtlich in seine nahm. „Ich schwöre dir, Pakuna, ich werde... dich jetzt beschützen. Und wenn ich dabei sterbe... ich will nicht verrecken mit dem Wissen, dass dein Liebling Puran dich besser zufriedengestellt hätte als ich es vermag. Hab... keine Angst.“ Er sah sie vor sich schwach lächeln und spürte die Erleichterung darüber in seinem Inneren aufflammen wie ein angenehmes Kerzenlicht.

Sie würde nicht zerbrechen... noch nicht jetzt. Und er würde auch nicht zulassen, dass es soweit käme... nicht seine geliebte Pakuna, seine Blumenfee.

„Ich vertraue dir, Ram...“, wisperte sie, „Ich hätte... Puran Lyra niemals im Leben dir vorgezogen. Und auch dann nicht, wenn er... mich vor Arlon beschützt hätte.“ Ihre Worte rührten ihn so sehr, dass er aufpassen musste, nicht wieder in Selbstmitleid zu versinken...

Er war fürchterlich. Sie verdiente besseres... er liebte sie doch so sehr.
 


 

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blah... nicht viel passiert xD Zorchen hat sein Schwert am Stiel und Ram ist voll emo.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  -Izumi-
2011-01-19T20:01:36+00:00 19.01.2011 21:01
Viel passiert!
Ähm, wo fange ich an? Nehmen wir Iana und Karana. Aww, ich mag die beiden zusammen. ^///^
Ich fand ihre... Herz-Szene sehr herzig <3 Und Tabari-Karana hat mich irgendwie beinahe zu Tränen gerührt ._.
Insgesamt mag ich ihre Beziehung zueinander... aww.
Simu und Eneela fand ich auch toll... die arme Eneela, ja, sie weint stämndig, aber verdammt, welcher normale Mensch an ihrer Stelle würde das nicht?! XD
Und Simu ist so süß .///. Er ist so ein Herzi...
Dann: Ein großes Herz für Alona! Oh mein Gott, sie ist so arm, sie ist so genervt! Ich kann sie verstehen, wenn mein Haus plözlich voller Bekloppter wäre, würde es mir sicher nicht besser gehen... XD
Ryanne hat mir sehr gut gefallen. ^///^
Sie ist so poser und gleichzeitig so dumm... irgendwie habe ich Mitleid mit ihr, weil sie immer aller vergisst, ohne es zu wollen. Kann sie eigentlich schreiben?! oO Ich meine, ich weiß es ja nicht, sie kommt ja nicht aus dem zivilisiertesten Ort von Tharr, aber wenn sie es kann, dann wäre es ratsam, einfach mal alles, was sie fürchtet zu vergessen, einfach aufzuschreiben. XD
Ach ja, und dann, am wichtigsten, YAREK <33333333 LIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIEBE!!!!!!
Äsch menn, wat sol äsch son? XD Er ist bezaubernd, er klopft an, kommt rein und ist da. Einfach so. Und er raucht. AWWWWWWW! Er wurde auf einer Tabakplantage gezeugt... XDDD
Also, ich LIIIIEBE ihn und ich bin SEHR froh, dass er da ist!
LiePt!
Von:  Decken-Diebin
2011-01-11T17:31:34+00:00 11.01.2011 18:31
Ram und Pakuna sind so süß... ich will nicht, dass er irgendwann mal stirbt ;_____; Ich hoffe, das klappt alles, ich kann mich nicht mehr an diese Szene im letzten Buch erinnern... mh...
Ansonsten war es mal wieder ein Zorchen-Kapitel und er hatte Tzecks mit Chenoa °O° Amazing xD
Und natürlich hat er sein Schwert am Stiel... seine Reaktion wär göttlich... "Ähm... oh." XDDD
Herz <3
Von:  -Izumi-
2011-01-11T17:31:00+00:00 11.01.2011 18:31
Also den Anfang fand ich grauenhaft. Ich glaube, das hat sich auf meine Beta-Fähigkeiten ausgewirkt, ich habe gefühlte 100 Fehler mit Sicherheit übersehen...
Na ja, also Pakuna ist so unglaublich bemitleidenswert, dass es mir Bauchweh gemacht hat.
Zu Ram hege ich eine Art Hassliebe, wie mir an solchen Stellen immer wieder bewusst wird... aber Zoras hat sich dann ja gerächt. Zumindest ein bisschen.
Zoras ist lustig... vor allem mit Chenoa. Das einzig witzige in diesem Kapi war wohl, als er aus Versehen die Wiese versengt hatte...
Wobei die angedeutete Porno-Szene mit Chenoa auch was hatte... hm.
Ach ja, danach kamen noch einmal Ram und Pakuna. Fand ich bewegend und tiefgreifend. Und schön, dass Pakuna sich mal gewehrt hat... und Ram noch einmal gezeigt hat, was er für ein verblendeter Arsch ist.
Ich weiß auch nicht, weshalb ich ihn mag. Aber der Schluss war süß.
Nichts desto trotz hat mich das Kapi ziemlich herunter gezogen. Verzeih mir meine schlechten Beta-Leistungen...


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