Zum Inhalt der Seite

Wetteifer

Der Auslöser war das Pfirsichsorbet ...
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Wettkampf

Hallo!

Trotz Krankheit hab ich das Kapitel noch zum Wochenende fertig bekommen.

Ich hoffe, es gefällt!

Viel Spaß beim Lesen!
 

LG Kyra
 

---
 

Kapitel 3: Wettkampf
 

Ich hatte es wirklich nicht geschafft, der Einladung nachzukommen. Bis jetzt – drei Tage vor Ablauf meiner Frist. Und das hatte ich auch nur unglücklichen Umständen zu verdanken.
 

Während ich in den USA eine Spielemesse besucht hatte, war in Domino ein Schneechaos ausgebrochen. Die Schule fiel aus. Die öffentlichen Verkehrsmittel waren nur noch eingeschränkt nutzbar. Als ich wieder zurückkam, fuhr in der Stadt gar nichts mehr. Kein Bus. Kein Taxi. Keine U- oder S-Bahn. Privatleuten war dringend davon abgeraten worden, das Auto zu benutzen. Also war ich vom Flughafen nicht nach Hause gekommen.
 

Als ich mein Handy aus der Tasche gezogen hatte und den darin integrierten Stadtplan aufgerufen hatte, um ein Hotel zu wählen, war mir der kleine leuchtende Punkt am Bildrand aufgefallen. Einer der Punkte, die den Wohnort der Leute markierten, deren Adressen in meinem Handy eingespeichert waren. Dieser Punkt gehörte zu Aaran Lennox.
 

Ich hatte zwar gewusst, dass er etwas außerhalb von Domino wohnte, aber wo genau hatte mich nicht interessiert. Als ich mir den Weg hatte berechnen lassen, war herausgekommen, dass ich es zu Fuß problemlos schaffen konnte. Er wohnte nicht in direkter Nähe zum Flughafen, aber die Strecke zu laufen war machbar. Damit hatte meine Entscheidung festgestanden.
 

Jetzt stapfte ich durch den Schnee. Auch hier lag er bestimmt 15 cm hoch. Ich hatte für solch ein Wetter nicht die richtigen Schuhe an. Generell war ich nicht warm genug angezogen. Auf diese Temperaturen hatte ich mich nicht vorbereiten können. Als ich meine Sachen gepackt hatte, war dieser Wintereinbruch noch nicht vorhersehbar gewesen.
 

Ich stellte meinen Mantelkragen ganz auf, damit meine Ohren zumindest etwas Windgeschützt waren. Ich kränkelte so oder so schon. Da musste nicht noch eine Ohrenentzündung dazukommen. Auch wenn ich die nächsten Tage, so wie ich meinen Körper kannte, wohl im Bett verbringen würde.
 

Das war einer der zwei Gründe, warum ich mich entschlossen hatte, diesen Fußmarsch durch die Kälte auf mich zu nehmen. Wenn ich schon krank im Bett lag, brauchte ich wenigstens jemanden, den ich herumkommandieren konnte, damit ich bekam, was ich wollte. Und da bot sich Mister Lennox eher an als irgendwelches Hotelpersonal.
 

Der zweite Grund war die Wette. Die Bedingungen waren recht gut. Die Schule fiel aus. Er wohnte relativ abgelegen und der Schnee tat das Restliche. Das Risiko, dass jemand etwas von dem, was wir taten, erfuhr, beschränkte sich auf ein Minimum. Die Frage war nur, ob er wirklich mit mir schlafen wollte. Es würde sich zeigen.
 

Nach einer weiteren halben Stunde erblickte ich sein Haus. Er wohnte wirklich abgelegen. Soweit ich das beurteilen konnte, hatte er auf einem Kilometer Umfeld keine Nachbarn. Wirklich gut. Das kleine Haus, in dem er wohnte, war eher im westlichen Stil erbaut worden. Es gab nur wenige japanische Elemente.
 

Ich drückte die Klingel und stellte dann erst einmal meine Reisetasche und meine Laptoptasche auf den schneefreien Weg. Meine Arme und Schultern taten mir schon weh. Ich wartete, aber nichts passierte. Ich klingelte noch einmal und trat währenddessen von einem Bein aufs andere, um mich etwas warm zu halten. Wieder kam niemand. Verdammt.
 

Zu Hause war er, schließlich drang leise Musik an meine Ohren. Ich seufzte und zog mein Handy aus der Tasche. Die Musik war wahrscheinlich nur hier draußen nicht so laut. Hoffentlich hörte er wenigstens das Telefon.
 

„Aaran Lennox“, meldete er sich relativ schnell. Kurz davor war die Musik ausgegangen.
 

„Hier ist Seto Kaiba“, sagte ich. „Öffnen Sie ihre Haustür!“
 

„Seto“, erwiderte er verwundert, aber ich hörte, dass er sich freute. „Warum soll ich die Tür aufmachen? Draußen ist es kalt.“
 

„Da haben Sie allerdings recht“, antwortete ich und konnte kaum das Zähneklappern unterdrücken. „Öffnen Sie schon die Tür!“
 

„Geht’s dir nicht gut?“, fragte er. Im Hintergrund hörte ich, dass er sich bewegte. Na, geht doch! „Du sprichst durch die Nase.“
 

„Erkältung“, sagte ich nur, obwohl ich wusste, dass es bald wohl etwas mehr sein würde.
 

„Oh“, klang es aus dem Telefon. Einen Moment später öffnete sich die Tür und er blickte mich verwundert an. Wieder kam ein „Oh“ über seine Lippen. Er sah mich sprachlos aus großen Augen an.
 

„Kann ich reinkommen?“, fragte ich ein wenig genervt.
 

„Oh ... Entschuldigung. Klar, komm rein.“ Mister Lennox machte den Weg frei und ich beeilte mich, schnellstmöglich ins Warme zu kommen.
 

„Was machst du hier?“, fragte er. Es klang erfreut.
 

„Ich saß am Flughafen fest und habe bemerkt, dass Sie in der Nähe wohnen.“
 

„Und da hast du dich an meine Einladung erinnert?“ Es klang mehr wie eine Feststellung als eine Frage.
 

„So in der Art“, erwiderte ich ungenau. Meine Beweggründe wollte ich ihm lieber nicht offen legen.
 

Meine Antwort schien er als Bestätigung zu sehen, denn er ging nicht weiter darauf ein, sondern fragte: „Ich war gerade dabei, etwas zu Essen zu machen. Willst du auch?“
 

„Vorher würde ich gerne duschen“, sagte ich.
 

„Ja, klar. Komm mit. Du siehst echt durchgefroren aus.“ Mister Lennox ging den Flur entlang und wenig später die Treppe hinauf. Ich nahm meine Reisetasche und folgte ihm auf tauben Füßen. Es wurde Zeit, dass ich mich wieder aufwärmte. Im Bad gab er mir zwei Handtücher und erklärte mir den Weg in die Küche. Dann ließ er mich allein in dem geräumigen Raum zurück. Ich entledigte mich meiner nassen Kleidung und stieg in die Dusche. Bestimmt fünf Minuten ließ ich das heiße Wasser nur auf meinen Körper prasseln. Danach waren selbst meine Füße warm, auch wenn sie jetzt kribbelten, als stände ich in einem Ameisenhaufen. Ich wusch mich schnell, trocknete mich ab und zog mich an. Gut, dass ich immer mehr Kleidung mitnahm, als ich normalerweise brauchte.
 

Als ich die Küche betrat, roch es dort schon nicht schlecht. Mir lief das Wasser im Mund zusammen. Kein Wunder, dass ich hungrig war. Ich hatte seit heute Morgen nichts mehr gegessen.
 

„Es gibt Sahnekartoffelauflauf mit Steak. Ich hoffe, es stört dich nicht, dass es nichts Japanisches ist“, sagte er und warf mir einen kurzen Blick über die Schulter zu.
 

„Nein, das ist schon in Ordnung“, antwortete ich und musste kurz darauf niesen. Na prima. Langsam hatte ich wirklich genug davon. Und der Gedanke, dass es noch schlimmer werden würde, war alles andere als aufbauend.
 

Ich setzte mich an den Küchentisch – auf den Stuhl nahe dem Mülleimer – und blickte mich um. Ebenso wie das Bad war die Küche gut eingerichtet. Geschmackvoll und wie ich schätze relativ hochwertig. Ich musterte ihn. Wie hatte er sich dieses Haus samt Einrichtung leisten können? Er musste sich ziemlich verschuldet haben. Seltsam, dachte ich, das sieht ihm gar nicht ähnlich.
 

Direkt wollte ich nichts dazu sagen. Im Grunde ging es mich nichts an, aber es interessierte mich, weil es nicht ins Bild passte. Dank der Wette wusste ich nicht, wie ich mich ihm gegenüber verhalten sollte. Bisher hatte ich mir nicht überlegt, wie ich ihn rumkriegen wollte. Aber es erschien gar nicht so dumm, eine geringere Distanz zuzulassen. Außerdem musste ich mehr über ihn erfahren. Je besser ich ihn kannte, desto leichter würde es sein, ihn zu verführen.
 

„Wie haben Sie dieses Haus gefunden?“, fragte ich und musste schon wieder niesen. Meine Nase begann zu laufen. Geistesgegenwärtig warf Mister Lennox mir eine Packung Taschentücher zu. Ich hatte es inzwischen wirklich satt. Seit mehreren Tagen musste ich mir ständig die Nase putzen und ohne Nasenspray war ich gar nicht erst irgendwo hingegangen.
 

„Das hab ich meiner Schwester zu verdanken“, sagte er und grinste mich über die Schulter an. „Keine Ahnung, wie und wo sie es aus den Immobilienangeboten ausgegraben hat. Ich bekam nur irgendwann das Angebot vor die Nase gehalten.“
 

Mister Lennox lachte. Er stellte den Herd ab, und begann den Tisch zu decken. „Es war auf jeden Fall typisch für sie – etwas zu finden, was sehr genau meinen Geschmack traf, aber viel zu teuer war. Wäre sie nicht gewesen hätte ich es weder gefunden noch gekauft.“
 

Seine Schwester unterstützte ihn also. Damit lag die Sache etwas anders. „Was ist mit Ihren Eltern?“, fragte ich. „Haben sie nichts dagegen gesagt? Das ist doch für Sie und Ihre Schwester mit Sicherheit ein nicht geringes Risiko.“
 

Während er die Auflaufform auf den Tisch stellte, seufzte er. Da war irgendetwas an dem Thema über das er nicht gerne sprach. „Nein und nein“, sagte er schließlich und reichte mir einen Teller, auf dem schon ein Steak lag. „Tu mir den Gefallen und hör bei mir zu Hause mit diesem albernen ‚Sie‘ auf. In der Schule mag das ja angebracht sein, aber hier kommt es mir absolut lächerlich vor.“
 

„Wenn du meinst“, sagte ich nur und er lächelte. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mir das „Du“ anbieten würde, aber es war ein gutes Zeichen.
 

„Es ist kein Risiko für uns“, erklärte er dann. „Und selbst wenn es eins gewesen wäre und unsere Eltern protestiert hätten, wäre es meiner Schwester ziemlich egal gewesen. Sie hat schon früh gegen unsere Eltern rebelliert. Ich war zwar auch irgendwann mit ihren Wertvorstellungen und Erziehungsidealen nicht mehr einverstanden, aber ich hielt es für klüger, es nicht offen mit ihnen auszutragen. Letztendlich war ich aber doch derjenige, der den Vogel abgeschossen hat.“ Er lächelte leicht. „Meine Eltern sind abgedreht, als ich ihnen erzählt habe, dass ich schwul bin. Ich habe danach erst einmal das Weite zu meiner Schwester gesucht. Sie meinte nur, dass ich ab jetzt bei ihr wohnen würde. Bevor sie in nächster Zeit noch auf meine Beerdigung müsste, würde sie mir lieber dabei helfen, meinen Kram aus unserem Elternhaus zu holen.“
 

„Und eure Eltern haben nichts dagegen gehabt?“, fragte ich, während ich mir Mineralwasser einschenkte.
 

„Nein. Sie haben ihre staatlichen Verpflichtungen erfüllt und damit war’s erledigt. Ich glaub, ich war für sie in dem Moment gestorben, als sie bemerkt haben, dass ich nicht der Mustersohn war, den sie wollten. Seit dem Tag haben wir kaum miteinander gesprochen. Nur auf der Beerdigung und Testamentseröffnung meiner Oma haben wir uns noch einmal gesehen. Da kam es auch prompt zu einem Streit über das Erbe“, erwiderte er. Der Tod seiner Großmutter schien ihn trauriger zu stimmen, als das Zerwürfnis mit seinen Eltern. Aber das Erbe war eine Erklärung dafür, warum er sich dieses Haus leisten konnte, auch wenn seine Schwester ihn noch dabei unterstützen musste.
 

„Und das Zusammenleben mit deiner Schwester war unproblematisch?“, fragte ich zwischen zwei Bissen Kartoffelauflauf – der nebenbei erwähnt wirklich gut war.
 

„Na ja, am Anfang hat es schon öfter mal gekracht. Mel, also meine Schwester, war 19 und ich war 16, als wir zusammenzogen. Wir waren beide ziemlich selbstständig und beide relativ risikoreich – frei nach dem Motto ‚Wer nicht wagt, der nicht gewinnt‘ –, aber in unterschiedlichen Bereichen und dadurch wirkten wir regulierend aufeinander. Als wir das erst einmal eingesehen hatten, gab’s seltener Streit, auch wenn wir es bei bestimmten Dingen nicht gerne sahen, wenn uns der andere reingeredet hat. Aber im Grunde war das Zusammenleben klasse. Als ich dann ausgezogen bin, war das in der ersten Zeit echt hart für uns. Wir hatten uns ziemlich daran gewöhnt, dass der andere da war“, erklärte er, während ich ein weiteres Taschentuch aus der Packung zog. Meine Nase lief schon wieder.
 

„Dich hat es aber ziemlich erwischt“, stellte Aaran fest. „Wo hast du dir das eingefangen?“
 

„Wahrscheinlich draußen beim Badminton spielen mit meinem Bruder“, erwiderte ich relativ offen. Zumindest was seine Frage anging. Dass der Spaß vermutlich gerade erst richtig los ging, verschwieg ich. Wenn es so war, würde er das noch früh genug merken.
 

„Du spielst Badminton?“, fragte er überrascht nach.
 

„Sagen wir mal so: Ich kann Badminton spielen. Das ist für meinen Bruder gleichbedeutet mit: Ich habe jemanden mit dem ich Badminton spielen kann. Und das wiederum heißt für ihn, wenn er an irgendetwas Spaß gefunden hat, dass er sich sofort einige Angestellte schnappt und mit ihnen das einkauft, was er haben will. Ich werde dann vor vollendete Tatsachen gestellt.“ Ich hielt inne, drehte mich vom Tisch weg und nieste. „Im Grunde warte ich nur auf den Tag, an dem er sich über mein Verbot hinwegsetzt und mein Garten sich, wenn ich nach Hause komme, in ein Fußballfeld verwandelt hat.“
 

Aaran lachte. „Scheint so, als ob dein Bruder sportlich ziemlich aktiv wäre.“
 

„Er hat viel Energie“, erwiderte ich erst ausweichend, dann erinnerte ich mich daran, dass ich etwas offener hatte sein wollen. Kurz dachte ich darüber nach, ob es mir schaden konnte, kam aber zu dem Schluss, dass er es ruhig wissen konnte. „Nur leider hat er noch nichts gefunden, woran er dauerhaft Spaß hat. Und ich bin meistens der Leidtragende.“
 

Aaran legte fragend den Kopf schief. Als ich nicht fortfuhr, sagte er: „Aber du machst es gern für ihn.“
 

„Bis zu einem bestimmten Grad schon.“ Ich hatte selten Zeit für Mokuba, da machte ich ihm in den seltenen Fällen mit Vergnügen die Freude und spielte, was auch immer es gerade war, mit ihm. Und es wäre eine Lüge, wenn ich es als lästig betiteln würde. Ich machte gern etwas mit Mokuba zusammen und bestimmte Dinge waren sogar ganz spaßig, aber irgendwann war auch Schluss.
 

„Du denkst an etwas Bestimmtes“, sagte er und lächelte. Da hatte er allerdings recht. Das Stichwort war der letzte Urlaub.
 

„Im Urlaub ist es am Schlimmsten. Skifahren, snowboarden, rodeln, Schlittschuhlaufen. Wandern, klettern, Mountainbiking, Paragliding. Paddeln, rudern, segeln, Wasserskifahren. Er will immer alles ausprobieren und dabei übernimmt er sich gerne. Derjenige, der das jedes Mal ausbaden darf, bin ich.“
 

„Du denkst an etwas Bestimmtes“, wiederholte er grinsend.
 

„Du bist auch überhaupt nicht neugierig“, sagte ich. In meiner jetzigen Situation erschien es mir angemessen. Es war etwas, das eine gewisse Nähe vermittelte. So wie es von mir erwünscht war.
 

„Absolut nicht!“ Das Grinsen hielt sich hartnäckig in seinem Gesicht. Aber irgendwie störte es mich nicht so, wie es vielleicht sollte.
 

„Letztes Jahr im Sommer. Mokuba wollte unbedingt zu einer Insel hinaus paddeln. Auf dem Rückweg war er schließlich mehr damit beschäftig die Landschaft zu bestaunen, als zu paddeln. Und dann musste ich mir auch noch allen Ernstes anhören, dass ich mich doch mehr anstrengen sollte, wir führen ja so schief.“
 

Aaran lachte. „Und was ist für den nächsten Urlaub geplant?“
 

„Tretbootfahren und surfen“, sagte ich nur. Wäre es nicht Mokuba, hätte ich mir mit Sicherheit schon einen Plan überlegt, den Urlaub zu umgehen.
 

„Surfen ist echt spaßig!“, erklärte er und ich konnte einen freudigen Glanz in seinen Augen erkennen.
 

„Dann siehst du also nicht nur aus wie ein Surfer.“
 

Aaran blinzelte. „Was für ein Aussehen ist denn deiner Meinung nach typisch einen Surfer?“
 

„Groß, athletisch, braungebrannt“, zählte ich auf und fügte im Hintergedanken an die Wette hinzu: „Selbst wenn man das amerikanische Soup-Klischeé – blond und gutaussehend – noch dazu nimmt, trifft es immer noch exakt auf dich zu.“
 

Ich hatte erwartete, dass er grinsen würde. Aber im ersten Moment wurde er nur etwas rot um die Nase und schaute auf seinen Teller. Er wirkte ein wenig verlegen, aber ebenso geschmeichelt. Das war doch schon einmal ein gutes Zeichen.
 

„Hm“, meinte er und blickte mich, den Kopf auf einer Hand abgestützt, lächelnd an. „Wenn du das sagst.“
 

„Ist Surfen bei euch in der Gegend Usus?“
 

„Na ja, es gibt in Miami schon viele Surfer, aber als Brauch oder so würde ich es nicht bezeichnen. Wassersport bietet sich eben an und da macht jeder das, was ihm Spaß macht.“ Für mich würde es wahrscheinlich kein Spaß werden. Da konnte ich mir sehr sicher sein. Ich würde immer ein wachsames Auge auf Mokuba haben müssen. „An deiner Stelle würde ich mir nicht so viele Gedanken machen. Ich bin mir sicher, du bekommst das hin! Wenn man keine verrückte Schwester hat, kann da nicht allzu viel danebengehen.“ Er grinste und ich erkannte, dass er eine ganz bestimmte Situation im Kopf hatte. Dieses Mal war ich es, der nachbohrte, was ihn zum Lachen brachte.
 

„Mel hat es nicht so mit dem Surfen und da nimmt sie mich gerne mal auf die Schüppe“, sagte er und grinste schief. „Aber das ist nach der Situation, an die ich gerade denken musste, auch besser geworden. Damals hat sie „AARAN, ATTENTION. WAVE. WOOH. BIG WAVE“ über den halben Strand geschrien. Im ersten Moment war ich total verdutzt und musste dann so lachen, dass mich die Welle natürlich prompt erwischt hat. Und Lachen unter Wasser kann ich dir wirklich nicht empfehlen. Ich hab danach ne Weile gehustet, bis ich das ganze Wasser wieder ausgespuckt hatte, und das war Mel wohl ne Lehre, mich nicht unbedingt dann zu verarschen, wenn ich surfe.“
 

„Aber du nimmst es mit Humor“, stellte ich fest. Eine Bemerkung, die ich normalerweise nicht gemacht hätte. Aber unter diesen Bedingungen konnte es nur förderlich sein.
 

„Na ja, es ist platt – wirklich platt, aber in dem Moment kam es echt gut“, sagte er schulterzuckend.
 

Es war erstaunlich, wie einfach es war, Aaran gegenüber offener zu sein. Wir sprachen über alles Mögliche: unsere Interessen, unsere Berufe, unsere Ausbildung und nicht zu knapp über unsere Familie. Vieles davon waren Dinge, über die ich sonst nie sprach, es nun zu tun, verbreitete mir seltsamerweise kein Unbehagen.
 

Nachdem wir mit dem Essen fertig waren, sagte Aaran: „Ich hoffe, du willst keinen Film gucken oder Musik hören. Meine Geräte sind nämlich noch nicht angeschlossen.“
 

„Du hast vorhin Musik gehört“, erwiderte ich. Und zwar so laut, dass du die Klingel nicht gehört hast, fügte ich in Gedanken missmutig hinzu.
 

Er zeigte auf ein kleines Radio auf einem Schrank hinter mir. „Für die Küche ist es okay, da hab ich nicht ganz so große Ansprüche an den Sound.“
 

Ich hob eine Augenbraue. Er legte Wert auf guten Klang einer Musikanlage. Damit hatte ich nicht gerechnet. Im Grunde hatte ich mir keine Gedanken darüber gemacht. Aber viele Leute hörten inzwischen nur noch über MP3-Player oder den Computer Musik. Davon abgesehen hatte die Allgemeinheit auch früher nicht sehr große Ansprüche an den Klang gestellt. Hauptsache Musik schien das Motto zu lauten. Etwas, was ich überhaupt nicht nachvollziehen konnte.
 

„Warum hast du deine Anlage dann noch nicht angeschlossen?“, fragte ich.
 

Aaran lächelte verlegen. „Mel ist der Technikfreak. Bisher konnte ich mich immer auf sie verlassen. Aber wir hatten hier im Haus so viel zu tun, dass am Ende ihres Urlaubs noch gar nicht daran zu denken war, irgendwelche technischen Geräte auszupacken. Tja, ich hab sie zwar inzwischen an ihren Platz gestellt, aber ich fühlte mich schon überfordert, als ich nur in die Kiste mit den Anschlusskabeln gesehen hab.“ Er kratzte sich am Kopf.
 

„Soll ich mir das mal ansehen?“, bot ich an.
 

„Öhm ... gern“, erwiderte er etwas überrumpelt, „wenn es dir keine Umstände macht.“
 

Ich schüttelte den Kopf und er führte mich begeistert ins Wohnzimmer. Er hatte wirklich gute Geräte, stellte ich anerkennt fest. Zumindest für das Geld, das ihm wohl zur Verfügung stand. Für Technik galt das gleiche, wie für alles andere auch: Nach oben gab es preislich kaum ein Limit.
 

Die nächste Zeit verbrachte ich damit auf dem Boden herumzukriechen, und mir die Anschlüsse seiner Geräte anzusehen, um mir dann die richtigen Kabel zu suchen. Auch hier war kein Schund gekauft worden. Seine Schwester schien wirklich etwas davon zu verstehen. Dass Aaran das nicht tat, zeigte sich schnell. Liebhaber guten Klangs, aber keine Ahnung von der Technik. Ts. Zumindest gab er das offen zu.
 

Als ich endlich fertig war, streckte ich mich erst einmal auf dem Sofa aus. Das hatte länger gedauert, als gedacht ... was vermutlich daran lag, dass ich mir alle paar Minuten die Nase putzen musste. Nervig. Ich seufzte leise. Mir war warm, wärmer, als mir eigentlich sein sollte. Na riesig. Wahrscheinlich hatte ich Fieber. Selbst brauchte ich gar nicht zu versuchen, zu fühlen, ob ich recht hatte ... aber Aaran war schließlich auch noch da. Ich glaube, das kann ich wagen, dachte ich und konnte mir das Grinsen kaum verkneifen.
 

Er bedankte sich bei mir und ließ mich dann die Musik auswählen. Einen Moment überlegte ich, abzulehnen, einfach um nicht aufstehen zu müssen, aber es schien ihm auf irgendeine Art etwas zu bedeuten, mich entscheiden zu lassen, so dass ich es für unklug hielt, Nein zu sagen. Ich wählte eine Platte von Elton John und eine Weile lauschten wir nur stillschweigend der Musik.
 

Irgendwann fragte er, ob ich noch etwas trinken wollte. „Wasser“, sagte ich, wohlwissend, dass er am Sofa vorbei musste, wenn er in die Küche wollte. Als er bei mir war, hielt ich ihn am Arm fest und schob seinen Pullover ein Stück nach oben. Aaran blickte mich verwundert an und ich sah, wie sich eine leichte Röte auf seine Wangen legte. Prima. Ich zog sein Unterarm zu mir hinunter, strich mit ihm meinen Pony zur Seite und legte ihn auf meine Stirn. Überrumpelt ließ er alles geschehen. Einen Moment nach dem sein Arm meinen Kopf berührte, wurde sein Blick besorgt.
 

„Du hast Fieber“, sagte er.
 

„Dachte ich mir“, erwiderte ich leise und ließ seinen Arm los. Als er ihn zurückzog, fuhr seine Hand wie zufällig durch mein Haar. Allerdings hatte ich die Vermutung, dass es unter voller Berechnung geschah. Das stimmte mich zufrieden, zumal mir die Berührung, so einfach sie war, gefiel.
 

„Vielleicht solltest du dich schlafen legen“, meinte ich, obwohl wir noch gar nicht darüber gesprochen hatte, wo ich schlafen sollte.
 

„Vielleicht“, antwortete ich vage. Vielleicht solltest du mir Gesellschaft leisten, lag mir auf der Zunge, doch es war noch nicht angebracht. Aus irgendeinem Grund, den ich nicht nachvollziehen konnte, gefiel mir allerdings der Gedanke, dass er das tun würde.
 

„Na ja, ich hol dir erst einmal das Wasser“, murmelte er und fuhr sich durch die Haare. Es schien so, als hätte er Schwierigkeiten, von mir los zu kommen. Ich grinste leicht, als er ging. Anscheinend hatte Duke recht: Aaran Lennox war in mich verliebt.
 

Nachdem Aaran weg war, wurde mir langsam schlecht. Ich atmete tief durch und versuchte die wachsende Übelkeit zu unterdrücken. Es gelang mir nicht. Kein Wunder, wenn man bedachte, dass sie von einer Krankheit kam.
 

Auch das noch, dachte ich und rannte zur Toilette. Gut, dass ich Aaran vorhin schon gefragt hatte, ob es im Erdgeschoss ein Badezimmer gab. Dort kam ich gerade noch rechtzeitig an. Ich erbrach mich. Mehrmals. Es wollte gar nicht mehr aufhören. Mein Hals brannte. Ich drückte die Spülung.
 

„Da hast du dir aber etwas eingefangen“, sagte Aaran, was mich zusammen zucken ließ. Ich hatte ihn vorher gar nicht bemerkt. Mühsam wand ich den Kopf. Er sah besorgt aus. In einer Hand hielt er ein Glas Wasser. „Willst du dir den Mund ausspülen?“
 

Ich vertraute meiner Stimme nicht und nickte daher nur. Er reichte mir das Glas und ich nahm zittrig einen Schluck und befreite meinen Mund soweit es ging vom widerlichen Geschmack nach Erbrochenem. Aber ich merkte, dass das wohl nur von kurzer Dauer sein würde. Mit wurde wieder flau im Magen und wenig später hing ich abermals würgend über der Toilette.
 

„Kann ich irgendetwas für dich tun?“, fragte Aaran.
 

„Nein“, brachte ich hervor. Meine Stimme war total kratzig. Die gesamte Situation war erbärmlich.
 

„Okay“, murmelte er und ich konnte hören, wie schwer es ihm fiel. Aber er schien zu begreifen, dass es für meinen Stolz nicht im Geringsten förderlich war, wenn mir jemand beim Übergeben zusah. Er ging.
 

Es dauerte eine Weile bis ich meinen gesamten Mageninhalt in die Kanalisation befördert hatte. Inzwischen lag ich auf dem Boden vor der Toilette. Ich wusste nicht, ob ich die kühlen Fliesen als Wohltat bezeichnen sollte. Mal war mir zu warm, kurz darauf fror ich. Das Glas war leer. Der Geschmack in meinem Mund regte schon fast dazu an, sich noch einmal zu erbrechen. Aber mein Magen hatte sich beruhigt. Trotzdem fühlte ich elend. Schwach. Meine Glieder waren schwer – schmerzten. Meine Nase war verstopft und rief Kopfschmerzen hervor.
 

Ich schloss die Augen. Ich hatte das Gefühl, mich keinen Millimeter bewegen zu können. Einmal davon abgesehen, dass ich das gar nicht wollte. Schlafen, ich wollte einfach nur schlafen.
 

„Seto“, hörte ich im Halbschlaf. Nur am Rande realisierte ich, dass es Aaran war. Eine Bewegung ging durch meinen Körper. Eine Seite berührte etwas Warmes. Träge blinzelte ich und bemerkte, dass er mich trug.
 

„Schlaf ruhig“, sagte er sanft, während er mich auf etwas Weichem – einem Bett – ablegte. „Ich kümmere mich um dich!“
 

Es beruhigte mich. Irgendwie. Ich schloss wieder die Augen. Meine Lieder waren so schwer. „Schlaf, das wird dir gut tun!“, hörte ich von weit weg und ich glaubte eine sachte Berührung an meiner linken Wange zu spüren. So wie ... ein hauchzarter Kuss.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Currywurstbrot
2010-05-30T12:31:14+00:00 30.05.2010 14:31
*.* schööööön
hat mir voll gut gefallen, das kapi
mal sehen, ob seto ganz schnell wieder gesund wird xD
freu mich schon wenns weiter geht
lg
Von:  MiriaMiri
2010-05-29T14:32:30+00:00 29.05.2010 16:32
AAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAAh!!!
OMG, OMG, OMG, OMG, OMG, OMG!
das ist so geil! *kreisch*
man ich liebe deine Ideen! einfach nur Hammer! ^^
hehe, meine Nase rinnt auch die ganze Zeit. Ich kann Seto verstehen: das ist sowas von nervig!

lg Miri


Zurück