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Träume

Wichtel für aisling
von

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Ich bin der Läufer in einem Spiel, in dem es um Geschwindigkeit geht.

Ich bin der Blankscheck in einem Edeljuwelier.

Ich bin die leere Schaukel im Kinderparadies.

Ich bin...
 

... allein.
 

Während ich durch die Straßen gehe, immer neben dir, immer aufmerksam, hält mich nichts auf. Du siehst durch mich hindurch, weißt nicht, dass ich da bin. Aber du fühlst mine Anwesenheit dennoch, auch wenn du dir dessen nicht bewusst bist.

Ich sehe, wie dein Blick auf eine der Schaufensterpuppen fällt, die in den hell erleuchteten Fenstern stehen. Du siehst dir den Bikini an, lächelst selig und überlegst, ob du ihn dir am nächsten Tag in der Mittagspause kaufen sollst. Er ist noch nicht einmal teuer, höre ich dich überlegen. Und der alte ist schon ganz ausgeblichen, das Chlor hat ihm arg zugesetzt...

Ganz nah stelle ich mich, direkt hinter dich, so nah, dass ich dich fast berühre. "Denkst du wirklich, du solltest ihn kaufen?", frage ich so mitfühlend wie möglich. "Du hast über die kalten Tage doch recht viel zugenommen. Warum sparst du dein Geld nicht lieber für einen netten Badeanzug? Oder gibst es gleich gar nicht aus und sparst es für den Tag, wenn du weniger wiegst?"

Als ich merke, wie in ihr Frust aufsteigt und die leichte Fläue, die sie immer fühlt wenn ihr in ihrer eigenen Haut nicht ganz wohl ist, beschleicht mich etwas, das Menschen wohl als schlechtes Gewissen bezeichnen würden. Aber als mir einfällt, was sie ihrem Freund heute Morgen gesagt hat, ist es direkt wieder verschwunden. "Schau mal, die Frau links von dir", schiebe ich nach, "die hat eine tolle Figur." Ich drehe vorsichtig ihren Kopf in die richtige Richtung, indem ich sie so wenig wie möglich berühre. "Die könnte auch den Bikini anziehen. Aber du..." Seufzend schüttle ich den Kopf und höre ihrem unausgesprochenen Ärger zu. "Komm", sage ich schließlich sanft, "lass uns nach Hause gehen."
 

Während wir deinen Heimweg antreten, drehen sich deine Gedanken noch immer um dein Gewicht, deine Figur und den - tatsächlich sehr schönen - Bikini. Die Bedenken, die ich dir eingeflüstert habe, machen dir sehr zu schaffen. Ich hatte gewusst, wie viel sie dir ausmachen würden, aber im Nachhinein schäme ich mich doch.

Das ändert sich auch nicht, als du die Tür zu deiner Wohnung öffnest und wir beide hindurch schlüpfen, um direkt von deinem Freund empfangen zu werden... dem Freund, dem du heute Morgen erzählt hast, du hättest nicht geträumt, obwohl ich genau gehört habe dass du dich sehr wohl an das Gedankengespinst erinnert hast, das ich für dich in der Nacht gewoben hatte. Ich schaffe es nicht ganz, mich bei dir zu entschuldigen, aber ich versuche, dich ein wenig aufzumuntern. Während er dich in seine Arme schließt und dich fragt, wie dein Tag war und ob alles in Ordnung sei, streiche ich dir eine Haarsträhne aus dem Gesicht und erzähle dir dabei von Kindern, von eurer gemeinsamen Zukunft und lausche im Gegenzug dazu deiner Erzählung von deinem heutigen Tag.

Ich merke, dass sich deine Laune ein wenig hebt. Der Seitenhieb von vorhin ist nicht vergessen, aber er rückt in den Hintergrund.
 

Später, als du im Bett liegst, ganz eng an ihn gekuschelt, versuche ich, meinen Fehler wieder gutzumachen. Ich küsse deine Stirn, kraule dir deinen verspannten Nacken bis du lockerer als vorher in die Kissen sinkst und male dir die schönsten Bilder, die ich dir je geschenkt habe. Von Stränden, Wäldern und großen Städten, von der Freiheit des Fliegens, vom Leben unter Wasser und von deinem Alltag, wie ich ihn dir wünsche, wenn ich nicht gerade eifersüchtig auf ihn bin.

Der Traum, der neben deinem Freund liegt und ihn behutsam festhält, scheint zu ahnen was ich getan habe und sieht mich strafend an. Er hat Recht, und doch kann ich es nicht ungeschehen machen.
 

Und so begleite ich dich die Nacht hindurch, murmelnd, säuselnd und singend, bis du am nächsten Tag aufwachst und dich nur noch an Bruchstücke meines Geschenks erinnerst. Vielleicht flüstere ich dir eines Tages zu, all die Geschichten aufzuschreiben, die ich erfinde, nur für dich, eine schöner als die andere, damit du sie nicht mehr verleugnen kannst.

Aber bis du sie auf Papier festhältst, werden diese Geschichten etwas sein, das nur wir zwei kennen, etwas, das uns verbindet.
 

Etwas, das mir das Gefühl gibt, nicht mehr ganz so einsam zu sein.



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  DanteMaxwell
2012-04-25T18:28:38+00:00 25.04.2012 20:28
Woah, Gänsehaut! *.*
Der letzte Satz ist auf jedenfall sehr gelungen, denn er hat mir richtig zugesetzt.
Die Idee hinter deiner geschichte gefällt mir. Was, wenn es wirklich soetwas wie 'den Traum' gibt, welcher nachts Träume erschafft, jedoch auch Träume am Tag zerstören kann? (-> siehe die Szene mit dem Bikini).
Ein paar Tippfehler haben sich eingeschlichen, aber die wurden von der Person unter meinem Kommentar schon aufgelistet. Also werde ich sie hier nicht nochmal wiederholen.

Liebe Schreibziehergrüße
-RenTao-
Von: abgemeldet
2011-02-26T22:10:00+00:00 26.02.2011 23:10
Okay, hier zu den formalen Fehlern:

Das meiste sind vergessene Satzzeichen (Kommata). Aber weil du die Variante mit den häufigen Kommata benutzt, solltest du sie schon in jedem Satz einhalten.

„Aber du fühlst mine Anwesenheit [...]“ -> ist klar, oder?

„[...]und die leichte Fläue, die sie immer fühlt wenn ihr [...]“ Komma nach "fühlt"

„[...] von deinem Freund empfangen zu werden... dem [...]" -> "Dem" großgeschrieben

„ […] obwohl ich genau gehört habe dass du [...]“ -> ist auch klar xD

„[…] Ich küsse deine Stirn, kraule dir deinen verspannten Nacken bis du lockerer als vorher in die Kissen sinkst und male dir die schönsten Bilder [...]“ -> Komma nach "Nacken" und nach "sinkst"

„Der Traum, der neben deinem Freund liegt und ihn behutsam festhält, scheint zu ahnen was ich getan habe [...]“ -> Komma nach "ahnen"


Ich greif nochmal was von deinem Wichtelkind auf :)

"Am Anfang weiß man nicht so ganz, was eigentlich los ist. Und irgendwie ist mir die Begründung Aber als mir einfällt, was sie ihrem Freund heute Morgen gesagt hat, ist es direkt wieder verschwunden. ein wenig... wenig. Ich weiß nicht, warum das schlechte Gewissen des was-auch-immer weg ist."

Klar, das bezieht sich auf ihre/seine Sicht. Mir ist jedenfalls klar, warum das schlechte Gewissen verschwindet. Ich interpretiere das so, dass das, was die Heldin ihrem Freund erzählt hat, positive Gefühle bei ihr geweckt hat, die die Instanz natürlich mitfühlt. Ist das richtig so oder sollte das einfach offen bleiben?

LG
Vesuv
Von: abgemeldet
2011-02-25T23:50:13+00:00 26.02.2011 00:50

Ich finde es total faszinierend, dass du die Geschichte aus einer, ich würde sagen kafkaesken Sichtweie erzählst. Der auktoriale Erzähler ist eine übergeordnete Instanzt mit einem olympischen Überblick über alles, und dennoch tritt die Instanz hinter der Protagonistin zurück und verschwimmt mit ihr, also genau die Erzähltechnik, die Kafka verwendet.

Sie trifft sehr gut zu, da ich auch diese Kraft bzw Instanz fühle, die mich ständig unterbewusst begleitet und meine Gedanken und Träume webt und schließlich so viel Macht über mein Leben hat. Ziel ist es dieser Instanz bewusst zu werden, also nicht mehr einsam zu sein. So denke ich zumindest dürfte es passen. :)

Übrigens fasziniert mich auch der Aspekt, dass die Instanz der Heldin die Instanz des Freundes wahrnimmt. Für mich ergibt das sehr wohl Sinn. Wir sind alle verbunden.

Mir gefällt auch deine Wortwahl. Du benutzt lange Wörter mit mehreren Silben und das erinnert mich an einen romantischen Stil. Der passt wiederum zum Thema Träume. Ansonsten finden sich ab und zu formale Fehler, die das menschliche Gehirn aber eh ignoriert. :P

Eine sehr schöne, bedeutende Kurzgeschichte. ^^
Von: abgemeldet
2010-04-12T18:02:20+00:00 12.04.2010 20:02
Irgendwie erinnert mich, ich nenne ihn mal Traumweber, an das Traumfresserchen aus einem alten deutschen Kinderlied.
Das Traumfresserchen frisst alle bösen träume und hinter lässt nur die schönen Träume.

Nun denn, ich finde das es eine sehr traurige Geschichte ist und als zweites Thema hätte hier wunderbar Einsamkeit gepasst.
Demnach fand ich diese sehr gut dargestellt, man kann sich in dieses Wesen hinein versetzten und regelrecht mitfühlen.
Das eigentliche Thema, Träume, wurde wunderbar verarbeitet.

Was mich aber gestört hat, war der fehlende Aspekt, dass dieses Wesen auch unglaubliche Macht über jemanden haben muss.
Wenn es einem wie ein Gewissen ins Ohr wispern kann, sprich jemanden ein unglückliches Gefühl wegen überflüssiger pfunde geben kann, dann muss es auch noch mehr beeinflussen können.
Das heißt wieso sollte es sich anschließend die Mühe machen, für wunderschöne Träume zu sorgen.
Die Begründung "des schlechten Gewissens" finde ich irgendwie unbefriedigend.

Vorallem durch die Aussage

Der Traum, der neben deinem Freund liegt und ihn behutsam festhält, scheint zu ahnen was ich getan habe und sieht mich strafend an

bin ich etwas verwirrt.
Was hat das Wesen denn getan, dass es strafend angesehen wird?
Irgendwie geht das nicht so klar hervor, ob es wegen dem Vorfall am Schaufenster oder den schönen Traum ist.

Ansonsten finde ich die Idee und umsetzend sehr gut.
Mir gefällt auch der ruhige Stil, da er sehr gut die Gefühlswelt des Traumwesens wiedergibt.
Mir gefällt es also trotzallem sehr gut ;)
An dieser Stelle auch vielen Dank für das Wichtelgeschenk.

Liebe Grüße

aisling
Von: abgemeldet
2010-04-06T13:40:33+00:00 06.04.2010 15:40
Huhu,
Ach ja, genau, danke für die Teilnahme! Und beim nächsten Mal werde ich hoffentlich auch dabei sein - dieses Mal war es ja leider höhere Gewalt. (Seit eben hängt endlich die Karte von Middleearth! <3)

Ich finde es schade, dass in deiner Kapitelübersicht nichts steht. Wäre das Kapitel nicht von dir, und wäre ich nicht so schrecklich neugierig, was du in der letzten Zeit auf's virtuelle Papier gebracht hast, würde ich diese Geschichte nicht lesen.

...allein.
Interessanter Einstieg, aber ich würde nach den Pünktchen und vor dem "allein" noch ein Leerzeichen einfügen.

Aber du fühlst mine Anwesenheit dennock, auch wenn du dir dessen nicht bewusst bist.
Dennoch? Schön zu sehen, dass auch dir Tippfehler unterlaufen!

Huch? Gedanken lesen und Gefühle von anderen spüren? Mysteriös.

als du die Tür zu deiner Wohnung öffnest un dwir beide hindurch schlüpfen,
und wir?

Jetzt hab ich's! Wilde Reise durch die Nacht - dein Protagonist ist ein Traumprinz, oder? Wie Gustave Doré seine Prinzessin traf.
Wesen, die alles über einen wissen, immer bei einem sind - doch allenfalls in Träumen sichtbar. In irgendeiner Gestalt, unerkennbar, bis sie sich freiwillig offenbaren.

Interessanter Gedanke, aus dieser Sichtweise zu berichten, und die Gedanken eines solchen Wesens kennen zu lernen. Ich will es nicht mit deinem anderen Kapitel vergleichen, weil sie ja doch recht unterschiedlich sind.
Jedenfalls gefallen sie mir beide, wenn jedes doch auf seine ganz eigene Art. Wirklich schöne Arbeit!

Liebe Grüße, Polaris


Von: abgemeldet
2010-04-05T19:32:04+00:00 05.04.2010 21:32
Juju. ^^ Danke für deine Teilnahme - das kann man nicht oft genug sagen.
Eigentlich kommentiere ich ungern vor dem Wichtelkind, aber ich bin einfach neugierig.

Am Anfang weiß man nicht so ganz, was eigentlich los ist. Und irgendwie ist mir die Begründung Aber als mir einfällt, was sie ihrem Freund heute Morgen gesagt hat, ist es direkt wieder verschwunden. ein wenig... wenig. Ich weiß nicht, warum das schlechte Gewissen des was-auch-immer weg ist.

Ungefähr in der Mitte wird es dann greifbarer, doch das es am Ende ein Traum ist, der sie den ganzen Tag über verfolgt hat, ist eine ganz neue Idee. Ich mag es, wie der Traum sich um ihren Schlaf kümmert - alles andere empfinde ich als merkwürdig, da kommt er mir eher wie ein schlichtes Gewissen vor.

Besonders zum Schluss fand ich es sehr angenehm geschrieben. Dann bin ich doch schonmal auf das nächste Wichtelgeschenk gespannt.

Greetz


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