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Hidden Flowers III

Die letzte Reise
von

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Erschöpfung

Konoha-Gakure, Zeit seit Ausbruch der Seuche: 9h19min

„Naruto.“

Hinata sah erschöpft aus. Naruto betrachtete sie vorsichtig, während sie den langen Flur entlang ging. Ihre Schultern wirkten weniger aufrecht, ihre sonst so stolze, gerade Haltung war in sich zusammengesunken. Auch ihr Gesicht war bleicher als gewöhnlich und tiefe Ringe zeigten sich unter ihren Augen. Sie bemerkte seinen musternden Blick nicht, weil sie auf den Aktenordner sah, den sie in der Hand hielt. Kurz vor ihm hielt sie an – einen Meter und eine dünne Glasscheibe trennten sie voneinander.

„Bitte.“

Er hob die Hand und nahm eine Einleitung vorweg. „Bitte nicht noch mehr schlechte Nachrichten.“

Ein schwaches Lächeln blitzte an ihren Mundwinkeln auf. „Spar dir deinen Zynismus für jemand anderen auf.“

Der Hokage seufzte. „Für wen denn? Etwa für Momose, diese Nervensäge, der alle fünfzehn Minuten via Mikrofon hier reinschaut, den ich aber noch nie gesehen habe?“

„So?“ Hinatas Brauen hoben sich. „Tut er das?“

„Ja.“ Narutos Antwort war ein Seufzer. „Und er macht stündlich Meldung über die Anzahl der...“ Er suchte nach Worten. „Der Patienten.“

Hinata zuckte die Schultern. „Wahrscheinlich denkt er, es würde dich als Hokage interessieren.“

„Tut es auch. Aber hier zu sitzen und nichts tun zu können, das ist...“ Er schwieg. Mitleid spiegelte sich in ihren Augen, aber wie üblich sah er sie nicht an. Also sah sie auf den Ordner in ihren Händen.

„In deinem Blut wurden keinerlei Hinweise auf die Seuche gefunden wurden. Du bist gesund.“

Statt der Erleichterung, die sie gewohnt war, wenn sie Patienten solche Antworten überbrachte, war nur Tatendrang in seinem Gesicht zu lesen. Er rückte sein Stirnband zurecht, eine so Naruto-hafte Geste, dass sie an den kleinen Jungen erinnert wurde und beinahe lächelte.

„Prima – dann lass mich raus. Ich habe zu tun.“

Bedauernd schüttelte sie den Kopf. „Nein.“

„Wie bitte?“ Fassungslos starrte er sie an. Nun war er wieder der Hokage, der genauso hart und unerbittlich sein konnte wie freundlich und verständnisvoll.

„Die Ärztekammer und der Ältestenrat haben beschlossen, dass... Dass der Hokage sicherer ist, wenn er in Quarantäne verbleibt.“
 

Als Außenstehende hätte sie es geliebt, seinen Gesichtsausdruck bei ihrer Eröffnung zu sehen. Als Überbringerin der Nachricht versuchte sie, sich nicht anmerken zu lassen, wie klein und hilflos sie sich gerade fühlte, während ihr Vorgesetzter sie mit einem Blick bedachte, der Wasserdampf zu Eis hätte gefrieren lassen können. Dann verengten sich seine Augen zu Schlitzen, hinter denen es bedrohllich rot glühte.
 

„Ich schätze die Meinung der Ärztekammer und des Ältestenrates“, sagte Naruto gefährlich leise. „Aber wenn sie denken, sie könnten mich hier konservieren wie Trockenobst bis die ärgste Gefahr vorbei ist, dann haben sie niemals falscher gedacht.“
 

Hinata unterdrückte gleichermaßen den Wunsch zu Lachen und zu Fliehen.
 

...
 

Wütend starrte Naruto an der Ärztin vorbei.

22 Menschen in seinem Dorf – seinem Dorf – waren bereits krank, infiziert mit einer Seuche von der sie so gut wie nichts wussten. Und diese Leute wollten, dass er sich in einem gläsernen Kasten einschloss, bis es vorbei war? Er wusste sehr genau, dass es nicht die Schuld der dunkelhaarigen Frau war, die vor ihm stand und der es sichtlich unangenehm war, die Nachricht überbringen zu müssen. Wie auch er wollten diese Leute nur das Beste für Konoha, und leider war es eine Tatsache, dass das Dorf mit seinem Oberhaupt auch seine Führung verlor. Aber wie stellten sie sich das vor? Dass er aus der Quarantänezelle heraus kommunizierte, Berichte auswertete, Befehle erteilte?
 

Bemüht, sich zu beruhigen, schloss er kurz die Augen und atmete tief durch.

„Ich komme jetzt hier raus. Und dann würde ich gerne die Informationen sehen, die das Beobachterteam uns geschickt hat.“
 

Hinata verkniff sich die Bemerkung, dass er bei der Auswertung aufgrund mangelnden Fachwissens keine große Hilfe sein würde, und trat zur Seite. Ein Fingerabdruck ihrerseits auf dem Bildschirm neben der Tür war genug. Die Tür öffnete sich zischend und Naruto glitt wie ein Schatten an ihr vorbei. Das Grinsen auf seinem Gesicht war zufrieden – und im gleichen Moment bitter.

„Vielen Dank.“

„Spar dir endlich den Zynismus“, seufzte sie, drehte ihm den Rücken zu und ging voran. Hinter ihr erklang ein Geräusch, das an ein ersticktes Lachen erinnerte. Aber das konnte nicht sein, rief sich Hinata ins Gedächtnis. Naruto würde in ihrer Gegenwart nicht lachen. Wahrscheinlich hatte er sich geräuspert...
 

In Zeiten wie diesen hatte ein Dorfoberhaupt wahrhaftig nichts zu lachen.
 

...
 

Irgendwo im Nirgendwo, Norden des Feuerreiches, Zeit seit Ausbruch der Seuche in Konoha: 12h41min

Endlich erlaubte Yuka es sich, sich ihre Müdigkeit einzugestehen: Sie rollte sich in dem leeren Raum auf ihrer Decke zusammen und schloss die Augen. Sie gab auf, gegen den Schlaf zu kämpfen, und sofort drückte Erschöpfung sie zu Boden. Ino-San war nicht allein, diesmal hatte sie sichergestellt, dass Shikaru bei ihr war und bei ihr bleiben würde. Ihm vertraute sie vorbehaltlos.

Shikaru.

Sie erschauerte wieder, als sie an seinen Blick dachte, mit dem er sie nach der Entführung seiner Mutter angesehen hatte. Ihre Hände, die über ihrem Gesicht lagen, krampften sich zu Fäusten zusammen.

Obwohl es der Ärztin gut ging, obwohl nichts weiter geschehen war, fühlte sie sich schuldig. Sie traute Shikaru – aber würde er ihr jemals wieder vertrauen? Bisher hatte sie kaum die Gelegenheit gehabt, mit ihm zu sprechen, und sie fürchtete das Gespräch. Er hatte – bis auf seinen ersten Schock auf ihre Nachricht – nicht wirklich Gefühle ihr gegenüber gezeigt, die annehmen liessen, dass er sie hasste – aber andersherum hatte er auch nicht besonders deutlich gemacht, dass er ihr noch vertraute. Seine Mutter schien ihm sehr viel zu bedeuten. Yuka, die niemals eine Mutter in diesem Sinne gehabt hatte – zumindest konnte sie sich nicht erinnern – verstand dies vermutlich nur unzureichend. Andererseits wusste sie, wie es war zu glauben, dass man eine wichtige Person verloren hatte...

Sie atmete zittrig aus.

Da war noch Ino-Sans Krankheit, die ihr ein schlechtes Gefühl bereitete, unter der die Frau offensichtlich sehr litt und gleichzeitig – die sie noch immer vor ihrem Sohn versteckte. Sollte sie es ihm sagen? Durfte sie es überhaupt? War es gut, dass sie noch länger hier blieben, oder sollten sie schnellstens nach Konoha-Gakure zurückkehren? Wusste der Hokage von Ino-Sans Entführung? Vermisste man sie in ihrem Heimatdorf bereits? Hatte sie die richtige Entscheidung getroffen, als sie Camille in Xefua allein zurückgelassen hatten?
 

Tausende von Fragen stürzten auf sie ein und verursachten ihr hämmernde Kopfschmerzen. Zischend zog Yuka die Luft zwischen ihren fest zusammengebissenen Zähnen ein und drückte beide Hände gegen ihre Schläfen, um das Pochen zu mildern. Es misslang. Sie war müde – oh, so müde – vielleicht lag es daran, dass sie bei der Behandung der Kinder dieses kleinen Dorfes so viel Chakra gebraucht hatte. Aber warum lebten in diesem Dorf nur Kinder? Warum griff die Krankheit in einem Dorf nur Erwachsene und im anderen Dorf nur Kinder an? Und was war es, was sie übersah?
 

Ein kühler Luftzug strich über sie hinweg und sie vergrub sich zitternd in ihrer Decke, die Augen fest geschlossen und die Arme um sich selbst geschlungen. Bevor sie in einen Schlaf der Erschöpfung fiel, waren ihre letzten Gedanken: Wo sind Shikaru und Ino-San... Und dann nur noch:

Ich wünschte, wir wären wieder zu Hause.
 

...
 

Erleichtert atmete Ino auf und fuhr sich mit ihren immernoch nassen Händen durch das Gesicht. Die kühle Flüssigkeit wirkte belebend und kühlte angenehm ihre erhitzte Haut. Shikaru betrachtete silberne Tropfen, die sich im letzten Sonnenlicht des Herbsttages auf ihren Händen spiegelten, während die blauen Augen seiner Mutter in die Ferne sahen. Weit geöffnet und klar, als würde sie auf etwas warten. Sie wirkte oft so auf ihn: Als sei sie nicht vollständig dort, als sei ein Teil von ihr an einem weit entfernten Ort.

Aber auf jeden Fall wirkte sie deutlich weniger erschöpft und krank als an dem letzten Abend in Xefua, und dafür war er dankbar.

„Ist alles in Ordnung?“, frage er und sah sie an.
 

Shikarus Augen befanden sich mit den ihren auf einer Höhe bemerkte Ino nicht zum ersten Mal in vielen Jahren und schmunzelte. Stolz erfüllte sie genauso wie Erstaunen: Der kleine Junge, der so oft auf ihrem Schoß gesessen hatte, der Nachts aus seinem Bett verschwunden war, um den Nachthimmel anzuschauen – ihr kleiner Junge war erwachsen geworden.

Das schlechte Gewissen holte sie innerhalb von Sekunden ein. Solange er nichts gesagt hatte, hatte sie sich vorstellen können, es wäre nicht er, sondern jemand anderes, der an ihrer Seite war. Er war ein Abbild seines Vaters – mit seinen dunklen, schulterlangen Haaren, der grünen Weste und den Händen, die in den Hosentaschen vergraben waren. Aber Shikamaru war nicht hier. Sie lächelte.

„Ja“, sagte sie ehrlich. „Ich hatte gestern Nacht unfreiwillig die Gelegenheit, lange zu schlafen, und obwohl sich meine Reserven schon wieder aufbauen hat Yukatsuki es heute nicht zugelassen, dass ich zu viel Chakra verbrauche. Das Kind hat wahrscheinlich ihr eigenes Chakra vollständig aufgebraucht bei dem Versuch, schneller zu sein als ich – wofür bin ich eigentlich da?“
 

Die Wahrheit ihrer Worte war nur zu deutlich in ihrem Gesicht zu sehen. Sie sah tatsächlich besser aus.

„Wo ist Yukatsuki eigentlich?“, fragte seine Mutter, und Shikaru wurde bewusst, dass er seine Partnerin seit einigen Stunden nicht mehr gesehen hatte. Zusammen mit seiner Mutter hatte sie die Patienten des kleinen Dorfes untersucht und so gut es ging behandelt – auch, wenn dies in vielen Fällen nur bedeutete, dass sie ihnen die Schmerzen genommen hatten – und da er wusste, dass die Ärztin mit Yuka sicher war, hatte er sich darauf konzentriert, aus den Daten, die der Dorfarzt Takeo gesammelt hatte, neue Erkenntnisse zu gewinnen. Irgendwann war er zu den beiden Frauen gestoßen und hatte so gut es ging versucht zu helfen, was Yuka dazu veranlasst hatte, aufzustehen und sich leise zu entschuldigen. Er nahm an, dass sie noch weitere Patienten behandelt und sich dann zurückgezogen hatte – wenn seine Mutter Recht hatte, musste sie sehr erschöpft sein.

Gleichzeitig – gleichzeitig bekam er das Gefühl, dass sie ihn mied. Warum? War sie nicht einverstanden mit seiner Entscheidung, seine Mutter zu suchen anstatt nach Konoha zurückzukehren? Er beschloss, später darüber nachzudenken. Die Seuche hatte Vorrang.
 

„Etwas kommt mir merkwürdig vor“, sagte er nachdenklich und starrte in die wachsenden Schatten um sie. Es würde Abend, und die Temperaturen sanken beinahe spürbar. „In Xefua hat die Krankheit zunächst alle Kinder infiziert und endete in jedem Fall tödlich. Erst dann wurden die Erwachsenen angesteckt. Hier ist es umgekehrt – zunächst starben alle Erwachenen, nun sind die Kinder an der Reihe.“

Ino nickte zustimmend. „Du hast es also auch bemerkt. Um ehrlich zu sein, so etwas habe ich noch nie gesehen geschweige denn davon gehört. Natürlich gibt es Krankheiten, die nur Kinder betreffen, und umgekehrt, aber das hier scheinen Abarten voneinander zu sein, und regional wirken sie sich völlig unterschiedlich aus...“

„Ich frage mich“, grübelte Shikaru, „Warum Takeo-San noch am Leben ist?“

„Natürlich weil er nicht von hier stammt“, sagte seine Mutter erstaunt. „Hast du ihn nicht gefragt?“

„Nein“, gab Shikaru zu. „Ich wollte es noch tun. Er ist also nicht von hier?“

„Er war ein Wanderarzt, der zufällig hier vorbeikam, als die Seuche begann. Er ist geblieben, um auf die Kinder Acht zu geben.“

„Aber warum ist er nicht krank geworden?“

Ino zuckte die Achseln, selbst nicht zufrieden mit ihrer Antwort. „Vielleicht ist er ein Überträger, wie Camille. Oder vielleicht ist es wirklich regional bedingt, regional und genetisch...“

„Ziemlich viele Vielleichts, findest du nicht?“

Ino warf ihrem Sohn einen skeptischen Blick zu. „Woran denkst du?“

Shikaru seufzte. „Das ist ja das Problem: Momentan an nichts. Aber irgendetwas stimmt hier nicht, das weiß ich genau. Wenn ich nur wüsste was...“
 

Schritte hinter ihnen liessen sie aufhören. Takeo trat zu ihnen und liess erschöpft die Schultern hängen.

„Die Kinder schlafen alle, die Patienten sind zumindest schmerzfrei. Das ist mehr, als ich in vielen Wochen erreichen konnte...Vielen Dank!“

Ino schüttelte mitfühlend den Kopf. „Es muss anstrengend gewesen sein für Sie. Die Verantwortung für all die Kinder...“

Der Mann zeigte etwas zwischen einem Lächeln und einer Grimasse. „Zu Anfang war es nur eine lästige Pflicht. Aber dann... Irgendwann sind sie mir ans Herz gewachsen, Björn und Malin und all die anderen. Ich kann sie nicht sterben lassen.“

„Die Kinder sind erst einmal behandelt... Morgen werden wir nicht so viel wie heute zu tun haben. Was halten Sie davon, wenn wir uns noch einmal zusammen setzen und über alle Informationen gehen, die wir haben? Irgendwo muss die Lösung versteckt liegen, ich bin mir sicher.“

Müde Hoffnung zeigte sich in den Augen des Mannes.

„Das wäre schön. Morgen.“

„Also Morgen.“ Ino nickte bestätigend. Auch Shikaru deutete seine Zustimmung an. „Yukatsuki kann sich um die Kinder kümmern. Morgen.“
 

Morgen kam immer schneller als erwartet.
 

...
 

Den gesamten Vormittag, den Mittag und einen Großteil des Nachmittags des nächsten Tages verbrachten sie damit, ihre Ergebnisse zu vergleichen, analysieren und Hypothesen aufzustellen.

Zu dem Zweck hatten sich Takeo-San, Ino und Shikaru in einen leeren Raum des behelfmäßigen Krankenhauses zurückgezogen. Da es bei so vielen Opfern sinnlos was, sie alle in den begrenzten Raum der Station zu verlegen, hatte Takeo die meisten Kinder in ihren entsprechenden Schlafräumen belassen, sodass auf der Krankenstation eine unwirkliche Stille herrschte. Die Köpfe gebeugt über Pergamentrollen, Notizen und anderem Papier, berieten sie sich oder suchten schweigend und legten nur kurz eine Mittagspause ein, als drei Kinder mit drei Tabletts mit dampfendem Essen hereinwankten, ihnen freudestrahlend mitteilten, Yuka-Nee-San hätte sie beim Zubereiten der Mahlzeit helfen lassen und dann wieder juchzend hinausstürmten. Takeo-San betrachtete sie liebevoll.

„Sie waren lange nicht mehr so ausgelassen“, erklärte er auf Shikarus und Inos fragenden Blick hin.

„Yukatsuki“, sagte Ino stirnrunzelnd und brachte ihren Sohn dazu, aufzusehen. „Was ist mit ihr?“

„Wo ist sie eigentlich?“, stellte seine Mutter eine Gegenfrage. „Ich habe sie heute noch gar nicht gesehen.“
 

Das hatte er auch nicht, wurde Shikaru bewusst. Gestern Nacht, als sie zu dem kleinen Häuschen zurückkehrten, welches Takeo ihnen zur Verfügung gestellt hatte, hatte Yuka bereits geschlafen, unruhig und dennoch zusammengerollt wie eine Katze. Ihre Decke war verrutscht und bevor Shikaru seine Mutter vor ihren manchmal recht agressiven Reaktionen auf eine Berührung im Schlaf hinweisen konnte, hatte sie sich gebückt und die Decke beinahe liebevoll wieder hochgezogen. Erstaunt beobachtete der Shinobi, wie seine Partnerin sich unruhig hin- und herwarf, aber dennoch weiterschlief.

Als er am Morgen aufstand – Wachen waren nicht nötig, sie befanden sich in Sicherheit, das wusste er, weil Yuka nicht daran gedacht hatte, Wachen einzuteilen – war sie bereits verschwunden und aus einem anderen Haus ertönte Kinderlachen.
 

„Wir könnten ihre Hilfe gebrauchen“, murmelte er nun, sich selbst nicht ganz sicher ob er sie einfach nur sehen wollte oder ob er es tatsächlich so meinte. Takeo lächelte nur. „Ich bin froh, dass sich endlich einmal jemand ganz um die Kinder kümmert.“
 

...
 

Nach acht Stunden gaben sie auf.

Enttäuschung zeichnete sich auf Shikarus ernsten Zügen ab, spiegelte sich in Takeo-Sans Bewegungen, als er sämtliche Pergamentrollen aufsammelte und vorsichtig in ein Regal zurücklegte, und war schliesslich auf Inos Zügen zu sehen, als sie vorsichtig aufstand und ihre verkrampften Muskeln streckte. Den ganzen Tag in einer kauernden Position auf dem Boden zu verbringen forderte irgendwann seinen Tribut ein. Ihre Augen brannten vor Anstrengung – es war merklich dunkler geworden – und langsam kehrte die Erschöpfung in ihre Glieder zurück, verursachten, gepaart mit der schrecklichen Hoffnungslosigkeit, Erschöpfung und Enttäuschung, einen leichten und dennoch beharrlichen Schmerz in ihrem Hinterkopf. Sie wartete, bis auch Shikaru und Takeo-San aufgestanden waren, und ging langsam zur Tür, die sich in einen regnerischen Abend öffnete.

Es regnete nicht nur. Es schüttete.
 

Takeo runzelte die Stirn.

„Das Wetter ist umgeschlagen. Wie merkwürdig.“

Bereits der kurze Weg von der Krankenstation zum Vordach des nächsten Hauses durchnässte sie völlig.

„Das scheint eine Eigenart dieser Region zu sein“, sagte Yuka leise und trat aus dem Schatten des kleinen Vordachs. Das Wasser lief ihr aus den Haaren und über das Gesicht, und ihr Rock klebte an ihren Beinen. Hinter ihr materialisierten einige Kinder in Regenmänteln und Gummistiefeln, angeführt von Björn, dem dunkelhaarigen Zehnjährigen, und seiner ständigen Begleiterin Malin, dem hellhaarigen, etwa neunjährigen Mädchen. Sie trat vor und fasste nach Yukas Hand. Die anderen drei Shinobi lächelten.

„Gibt es Neuigkeiten?“, fragte Yuka, doch niemand antwortete. Die Stille war schwer vor Enttäuschung. Selbst die Kinder schwiegen, bis der vorlaute Björn Yuka am Rock zupfte.

„Was gibts zum Abendessen?“

Takeo verkniff sich ein Grinsen. „Wenn das, was es heute Mittag gab, Standard in Konoha ist, dann werden die Kinder mich alle verlassen, sobald sie können. Ich bin ein lausiger Koch.“

„Ätsch!“, rief Malin und drehte ihm eine lange Nase. „Yuka-Nee-San kocht viel besser als du!“ Mit einer lachenden Kinderschar verschwanden sie in dem Haus.

Ino lächelte. „Ich werde mich umziehen gehen“, sagte sie und trat vorsichtig aus dem Schutz des Vordaches in den strömenden Regen. Der Weg war aufgeweicht und rutschig von Matsch. Tief atmete sie ein:D er Geruch, dunkel und feucht, des Waldes rief hunderte von Erinnerungen in ihr wach: Ein anderer Wald, andere Menschen... Sie schüttelte den Kopf, um das Bild zu vertreiben. Und übersah einen Stein.

Stolperte.

Fiel.

Der Boden wurde ihr unter den Füßen weggezogen und sie ruderte verzweifelt mit den Armen, um ihr Gleichgewicht zu halten, aber es war zu spät. Instinktiv bereitete sie sich auf den Aufprall vor, das Wissen, wie man richtig fiel, vom ANBU-Training in ihre Muskeln gebrannt –
 

– und zwei Hände schlossen sich um ihre Oberarme, eine Hand packte ihren rechten, eine Hand ihren linken Arm, hielten sie aufrecht und verhinderten ihren Sturz.

Zu ihrer Linken stand Takeo und sah sie besorgt an, und in ihrem Blick stand etwas, das ihr nicht gefiel. Sein Griff brannte sich heiß und eine Spur unangenehm in ihre Haut. Sie schauderte unter der Intensität seines Blickes.
 

Der Griff der Hand zu ihrer Rechten war so fest und vertraut, dass sie ihn zunächst gar nicht bemerkte. Sie wandte sich um.

„Shikamaru!“
 

...
 

Stumm beobachtete Yuka, wie Shikamaru Nara, den Arm seiner Frau noch immer fest umfasst, sie zu sich drehte, um sie besser betrachten zu können. Er musterte sie prüfend, sagte nichts, lächelte nicht. Ohne ein Wort erwiderte Ino-San den Blick. Ihre zuvor noch mit Erstaunen geweiteten Augen nahmen langsam einen völlig anderen Blick an, weich und tief und klar. Nicht ein einziger Laut durchbrach das leise Rauschen des strömenden Regens.
 

Takeo liess den Arm der Ärztin los und sah hilfesuchend zu Shikaru und Yuka hinüber. Als niemand etwas sagte, trat etwas anderes in seine Augen und er verschwand im Regen, als sei er niemals dagewesen.

Noch immer sahen Ino-San und Shikamaru-San sich wortlos an.

Der Blick liess sie erschauern – Shikaru hatte Recht gehabt. Es war, als wären sie völlig allein auf der Welt. Yuka fühlte sich unwohl, aber dennoch starrte sie gebannt weiter. Deshalb entging ihr der Blick, den Shikaru ihr zuwarf.
 

Schließlich seufzte Ino leise auf, überbrückte die letzten Schritte zwischen ihnen und liess sich gegen Shikamaru sinken. Er roch nach Wald und nach Schweiß und nach Shikamaru. Er war genauso nass wie sie, aber das störte sie nicht im Geringsten.

Shikamaru schlang beide Arme um sie, beruhigend und besitzergreifend zugleich, und hob sie in einer einzigen Bewegung hoch.

„Ich hab dich vermisst“, flüsterte sie leise in seine Brust und spürte, wie er ihr Haar küsste. So folgte er seinem Sohn, der die Führung übernommen hatte und sie beide zu ihrem kleinen Haus brachte.
 

...
 

„Was wir brauchen, ist etwas, das uns aufmuntert“, sagte Ino-San nach dem Abendessen und lächelte ihrem Mann zu. „Und ich weiß auch was. Shikaru hat unsere Tradition übernommen, weißt du.“

Shikamaru zog nur die Brauen hoch.

Lächelnd wandte sich Ino an ihren Sohn. „Würdest du uns eine Geschichte erzählen, Shikaru? Eine lustige, wenn möglich. Such dir eine aus.“
 

„Du hast gar nicht geschlafen!“, beschuldige Shikaru sie. Ino zuckte nur lächelnd die Schultern.

„Leg los.“ Hilfesuchend wandte sich Shikaru an Yuka, aber die sah ihn nicht an. Seufzend fragte er sich, was er falsch gemacht hatte, und begann.
 

Er wusste, wer vor der Tür stand, noch bevor er sie geöffnet hatte.

Das Gesicht der Person war nicht mehr das Selbe, nicht mehr so jung und glatt und faltenlos wie einst. Die Augen waren tiefer, ruhiger, aber sie waren immernoch von dem selben Stahlgrau und die rotblonden Haare fielen noch immer schulterlang über ihren Rücken. Die vollen Lippen und der ausdrucksstarke Mund hatte sich nicht verändert.

„Kakashi“, sagte Rin zur Begrüßung, mehr nicht. Der silberhaarige JouNin schluckte alles hinunter, was ihm auf der Zunge lag.

„Rin.“
 

Sie war zurück.

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Ende des Kapitels

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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2011-10-03T22:46:36+00:00 04.10.2011 00:46
Ach liebe June-.-
was ist nur passiert, dass ich vergessen konnte, was für tolle Geschichten du schreibst? Ich habe doch tatsächlich den ganzen Abend damit verbracht noch einmal alle deine OS zu lesen... Und HF3 habe ich auch gleich mit verschlungen=)
Tue mir doch bitte den Gefallen und schreib mit wieder, wenn es weiter geht, ja?
lg
Lufix

P.S.: Ich habe wieder mit den Taschentüchern vor dem Laptop gesessen... Du bist einfach genial!
Von:  fahnm
2011-07-30T19:50:17+00:00 30.07.2011 21:50
Klasse Kapi


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