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Hidden Flowers III

Die letzte Reise
von

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Schmetterlingsträume

Konoha-Gakure, Erster Tag des Herbstes, Abend
 

Langsam versank die Sonne hinter dem Horizont, beleuchtete im roten Schein die große Dachterrasse des Haupthauses von Konoha-Gakure und wärmte mit ihren letzten Strahlen die erwartungsvollen Gesichter der versammelten Menge. In den länger werdenden Schatten der großen Bäume standen sie, alle Bewohner des Dorfes: Große und Kleine, Junge und Alte, Männer und Frauen. Auf der anderen Seite des Halbkreises standen vier stolze Gestalten der Bevölkerung gegenüber, in weiße, lange Mäntel gehüllt. Fünf der Sechs Clane Konohas wurden hier repräsentiert: Akimichi, Hyuuga, Inuzuka, Nara und Yamanaka.
 

*
 

Ino Yamanaka fühlte sich in ihrem violetten Kleid und dem langen, schweren Mantel ihres Clans wohl.

Noch wohler hätte sie sich gefühlt, wenn Shikamaru als Repräsentant des Nara-Clanes neben ihr gestanden hätte... Schwer hingen die beiden Lederbänder um ihren Hals und erinnerten sie daran, warum sie hier war. Warum sie alle heute hier waren.

Heute war ein guter Tag.

Das Gefühl der Zerbrechlichkeit, welches sie bereits seit Jahren begleitete, hatte sich in einen finsteren Winkel ihres Kopfes zurückgezogen, lauernd, aber nichtsdestotrotz beinahe verschwunden. Sie richtete ihre Konzentration auf den Gedanken, dass Shikamaru heute oder morgen aus Suna-Gakure zurückkehren würde... Sie hatte sich daran gewöhnt, dass er niemals nur ihr gehörte. Wenn der Hokage ihn brauchte, war er wieder unterwegs - egal, ob er nur wenige Stunden zuvor nach Hause gekommen war oder eigentlich Urlaub hatte. Manchmal verschwand er und nur der Hokage und er wussten, wohin. Manchmal tauchte er ebenso plötzlich wieder auf... Ein Teil von ihm würde immer Diplomat bleiben - weil es das war, womit er seiner Heimat am Besten dienen – und sie dabei beschützen – konnte. Ihm zu sagen, dass sie nicht beschützt werden wollte, war sinnlos. Da schaltete der so intelligente Shikamaru auf kindisch. Wenn er da war, konnte sie darüber lachen, aber wenn er nicht da war, dann...

Heute jedoch stand sie hier, an ihrer eigenen und an seiner Stelle, um den Hals das Lederband mit dem Symbol seines Clans, und es war als stünde er neben ihr und lächelte sie an.

Ino liess ihren Blick über die versammelte Menge schweifen. Sie konnte weder ihren Sohn noch ihre Tochter ausmachen.

In der Menge entstand ein kleines Gewühl, und eine junge Frau nahm, noch leicht nach Atem ringend, ihren Platz in den Menschenreihen ein. In Inoshias langen, blonden Haar steckte eine tiefblaue Blüte. Shikaru war vermutlich bei Shishiro.

Das altbekannte Gefühl des Stolzes wallte in Ino auf. Ihre Kinder. Ihre beiden geliebten Kinder. Ihr ganzer Stolz und vielleicht das Einzige in ihrem Leben, das sie perfekt nennen konnte...

"Sinnlos", hörte sie Shikamarus Stimme, als stünde er neben ihr. "Hör auf, dir um solche Sachen Gedanken zu machen! Konzentrier dich..."
 

Und in die plötzliche Stille, welche sanft wie Seide auf die Versammlung fiel, trat der Hokage der Sechsten Generation aus der Menge heraus und in die Mitte des Kreises hinein. Die Zeremonie begann.
 

Zuerst hallten Namen durch die warme Abendluft, gesprochen von einer klaren und tragenden Stimme. Der Zettel in der Hand des blonden Mannes mit dem Flammenzungenmantel blieb unberührt, als er an die Toten erinnerte, die ihr Leben für ihre Heimat gegeben hatten. Aus seinem Munde gesprochen, klangen sie wie die Namen von geliebten Freunden, selbst der älteste.
 

Es war eine lange Liste.
 

Selbst die kleinen Kinder blieben stumm, während sie ehrfürchtig lauschten, wie Geschichten, die sie nur aus dem Unterricht oder von bloßen Erwähnungen her kannten, plötzlich vor ihnen Gestalt anzunehmen schienen. Der Hokage bewies, wie viel Macht im Namen eines Menschen war.
 

Schliesslich verklang der letzte Name, und noch immer blieb es still.

Für einige Zeit überliess der Hokage es den Menschen, die Anwesenheit der Toten in sich aufzunehmen. Dann nickte er den vier Oberhäuptern zu, und wie eine Person traten sie gemeinsam einen Schritt nach vorne. Nicht einmal Neji Hyuuga lächelte nicht, als die Aufmerksamkeit der Menschen sich auf sie richtete. Dies war eine Gedenkzeremonie. Die Toten wünschten es nicht, dass man ununterbrochen trauerte.
 

Ino machte den Anfang.
 

Als sie an den Tisch trat, stieg ihr der betäubende Geruch der verschiedenen Blüten in die Nase. Der Duft erinnerte sie so sehr an ihre Kindheit, dass ihr beinahe Tränen in die Augen gestiegen wären. Hastig unterdrückte sie den Impuls. Ganz besonders fiel ein Strauß weißer Lilien in ihr Auge, als sie schliesslich davor stand. Zusammengehalten wurde er durch ein blassrosafarbenes und ein tiefblaues Band. Sakura, dachte Ino und schloss kurz die Augen. Sasuke... Sie konnte das Lächeln ihrer besten Freundin und ihrem Ehemann beinahe spüren.

Ich bin glücklich... Jetzt musst du es auch werden, Ino. Versprich es mir.

Ich bin glücklich, dachte Ino und öffnete die Augen wieder. Ein lautloses Lächeln bereitete sich über ihre Lippen aus und sie zog einen der beiden abgenutzten Lederbänder über den Kopf, welche sie um den Hals getragen hatte. Die Wärme ihres Körpers hatte sich auf den silbernen Anhänger in Blütenform übertragen. Angenehm warm und schwer lag er in ihrer Hand.

Vorsichtig legte Ino es auf den Tisch vor ihr, inmitten zwischen die Blumen und die Kerzen. Dann trat sie einen Schritt zurück und verbeugte sich.
 

Yamanaka. Das Gedächtnis Konohas.
 

Dann nahm sie auch den zweiten Anhänger. Die Kanten des silbernen Hirschgeweihs bohrten sich in ihre Handfläche. Und wieder war es, als stünde Shikamaru neben ihr und als wäre es seine Hand, die ihre nun vorsichtig ergriff und das Relikt neben das ihre auf dem Schrein platzierte. Ino lächelte, wiederholte die rituelle Verbeugung und trat zur Seite, um Neji Hyuuga Platz zu machen.
 

Nara. Die Beschützer aus den Schatten.
 

Hinata Hyuuga folgte den Bewegungen ihres Ehemannes mit den Augen, als er aus dem Halbkreis vortrat. Der zeremonielle Mantel bauschte sich in der Brise. Wie auch Ino vor ihm, nahm er eine Kette von seinem Hals. Anders als die des Nara- und des Yamanaka-Clanes war die Kette der Hyuuga aus einer einzigen, feingliedrigen, Silberkette gefertigt. Manchmal überlegte Hinata, ob ihre Vorfahren das Lederband durch eine Silberkette ersetzt hatten, um sich von den anderen Clanen Konohas abzusondern - oder ob diese eine Silberkette durch ein Lederband ersetzt hatten, um zu zeigen, wie sehr sie sich vom Hyuuga-Clan unterschieden.
 

Hyuuga. Bewahrer der Tradition.
 

Neji hob nach der Verbeugung seinen Blick und ihre Augen trafen sich. Ein leises Lächeln umspielte seine Lippen und für einen Augenblick blieb die Zeit stehen, für einen Augenblick gab es nur sie beide und ihr gemeinsames Versprechen, sich immer zu lieben, ihren gemeinsamen Wunsch, eine Familie zu führen und ihre Kinder zu beschützen - ihr Versprechen, zusammenzubleiben. Dann gesellte sich Neji zu Ino und das nächste Oberhaupt trat vor.
 

Inuzuka. Späher und Jäger.
 

Kiba Inuzuka trat vor, von einem bis zum anderen Ohr grinsend. In seinem Gefolge tappste sein riesiger Hund Akamaru, der ebenfalls zu grinsen schien. Der silberne Anhänger in Form eines Pfotenabdrucks glitt zwischen die Blüten und blitzte in einem letzten Strahl der Sonne auf, bevor er zum Liegen kam. Bei Kibas Verbeugung, stürmisch und tief, stiess Akamaru ein heiseres Bellen aus. Yuzuriha, mit ihrem aschblonden, langen Haaren und ihren dunklen Augen, kicherte beim Anblick ihres Ehemannes, der statt dem üblichen Ledermantel den weißen, ehrfurchtgebietenden Mantel des Oberhauptes trug. Dieser verlieh ihm einen Ausdruck an Gesetztheit, Erhabenheit und Würde - Eigenschaften, die im krassen Gegensatz zu dem stacheligen, braunen Haar und den blutroten Fangzähnen auf seinen Wangen standen. Grinsend erwiderte ihr Mann ihren Blick, ehe er zu den wartenden Oberhäuptern zurückkehrte und versuchte, so erhaben wie nur irgends möglich auszusehen. Choji Akimichi nahm seinen Platz ein.
 

Akimichi. Herren über die weiten Felder, die die Bewohner Konohas mit Nahrung versorgten.
 

Auf halbem Wege zum Schrein blieb der stämmige Mann stehen und drehte sich zu Ino um, der er kurz zunickte. Beide dachten an Menschen, die heute nicht mehr da waren... Und an Menschen, die heute einfach nicht da waren. Beinahe gleichzeitig flogen ihre Blicke über die Menge und hefteten sich auf eine kleine, schlanke Frau mit langen, schwarzen Haaren. Als sie den Blick der ehemaligen Schüler des Mannes bemerkte, den sie geliebt hatte, zogen sich ihre Mundwinkel ein wenig nach oben. Als sich auf Kurenai-Sans Gesicht ein zaghaftes Lächeln auszubreiten begann, atmeten sowohl Ino als auch Choji auf. Dann drehte Choji sich um und setzte den Weg zum Schrein fort.
 

Akimichi. Herren der Felder.

Aburame. Wächter der Luft.

Uchiha. Bewahrer des Friedens...
 

Beim letzten Namen trat niemand vor.
 

Minutenlang dauerte die Stille auf der Plattform an, während der Wind über die Menschen hinwegfegte. Und als der Hokage der Sechsten Generation erneut vortrag, lagen alle Augen nur auf ihm. Lächelnd liess er seinen Blick über die Versammelten schweifen, und jeder Einzelne hatte das Gefühl, direkt angesehen zu werden. Jeder Einzelne wusste: er gehörte dazu.

"Das sind wir", sagte der Hokage leise, aber seine Stimme war klar und verständlich.

"Das ist Konoha-Gakure."

Und alle Menschen um ihn herum brachen in Jubel aus.
 

*
 

Naruto trat lachend zurück und drehte den Kopf, um Neji Hyuuga zuzunicken, der zu seiner Rechten stand. Ausdruckslos - aber nicht ausdruckslos genug, um das Lächeln vor seinem Vorgesetzten verbergen zu können - nickte der zurück und trat erneut einige Schritte in den Kreis. Das Jubeln der Menge wurde, wenn möglich, noch lauter... In dem langen, weißen Mantel und mit seinen im Wind flatternden, langen schwarzen Haaren war Neji Hyuuga eine imposante Erscheinung. Langsam hob er die Arme – und rechts und links von ihm entstanden zwei Spaliere. Tuschelnd machten die Menschen Platz und reckten die Hälse, wohl wissend, was jetzt kam, und eifrig darauf bedacht, alles genau im Auge zu behalten.
 

Zu ihrer Rechten schwebte Henara Hyuuga durch das Spalier, gehüllt in ein - unförmiges, sackähnliches - Etwas.

Die Farbe ihrer Bedeckung war nicht ansatzweise zu benennen: eine eher dreckige Mischung aus weiß, beige, braun, gelb und grau. Ihr Gesicht lag im Dunkeln, in den Schatten unter dem kaputzenähnlichen Stoff über ihrem Kopf - selbst ihre Haare waren verdeckt. Hätte man nicht gewusst, um wen es sich - nach Ausschlussverfahren: Tellia, Yukatsuki und die Zwillinge, die Brautjungfern, waren da - handeln musste - sie hätte jeder Mensch sein können. Doch ihr weicher, schwebender Gang war unverkennbar der einer Hyuuga.
 

Shikaru Nara kannte die Hochzeitstradition des Hyuuga-Clans und war deshalb nicht weiter überrascht, dass er keine Braut weit und breit erkennen konnte - zumindest keine Braut in passendem Brautkleid. Die Braut war jedoch auch nicht die Person, die seine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Sein Blick lag eher auf der letzten, kleinsten Gestalt, die den drei anderen Brautjungfern folgte. Wer hatte beschlossen, sie in ein fast cremeweißes Kleid zu stecken? Sie bemerkte nicht, dass er sie beobachtete. Ihr Blick war überall zugleich: wachsam, aber heiter. Überall - bis auf bei ihm.
 

*
 

Yuka spürte seinen Blick mehr, als sie ihn sah. Lächelnd schaute sie in eine andere Richtung.
 

*
 

Ihr Vater erwartete sie mit stolz gestrafften Schultern. Neben ihm wirkte ihre Mutter winzig - sie war etwas mehr als einen Kopf kleiner als er. Liebevoll lächelte sie ihrer Tochter zu, trat einen Schritt nach vorne und umarmte sie. Dann löste sie sich von ihr und trat einen Schritt zurück, und Henara stand allein vor ihrem Vater.

Eine Erinnerung durchfuhr sie: Henara als kleines Mädchen, sieben Jahre alt, und ihr Vater, ebenso vor ihr stehend wie heute. Damals hatte er ihr erklärt, dass er sie immer lieben würde, ganz gleich, ob sie gut oder schlecht kämpfen konnte, ob sie kurzes oder langes Haar hatte und ob sie Erbin des Clans war oder nicht... An seine Worte erinnerte sie sich nicht genau, aber an seine Miene, als er ihr eine Last von den Schultern nahm, von der sie nicht gewusst hatte, dass sie sie trug.

Neji richtete sich auf und sah über ihren Kopf hinweg in die Menge.

"Ein Kind unseres Clans verlässt die Geborgenheit seiner Familie."

Wie alt diese Worte doch waren.

Henara sah an ihren Eltern vorbei und sah vor ihrem inneren Auge das Bild ihres Adoptivbruders - das Bild des Mannes, den sie liebte und dem sie heute folgen würde, wohin immer er sie bringen würde. Erstaunt von der Intensität des Gefühls sah sie zu Boden. Wann hatte sich die Geschwisterliebe in Liebe gewandelt? Sie konnte es nicht sagen.

"Als Kind meines Clans verlasse ich meine Familie."

Ihre Stimme zitterte leicht.

"Ich folge dem Weg, den ich erwählt habe. Ich weiß, dass meine Entscheidung die Richtige war. Ich erbitte den Segen meines Clans, den Segen meiner Vorväter und den Segen meines Vaters."

Die weißen Augen ihres Vaters schienen sich in ihre Seele zu bohren. Dennoch sprach er die Menschen um ihn herum an, ohne seine Tochter aus den Augen zu lassen.

"Sie erbittet unseren Segen", sagte er.

Alle Menschen fielen in den abschließenden Segenschor ein.

"Der Segen deiner Eltern, deiner Familie, deiner Freunde und all derer, die dich lieben und achten, sei mit dir, Kind des Clans. Wie Schmetterlinge ihre Flügel ausbreiten, so mögest auch du deine Flügel ausbreiten, um zu fliegen und zu leben - der Zukunft entgegen."

Henara umarmte ihren Vater. Völlig außerplanmäßig. Erschrocken riss das kampferprobte, kluge und erfahrene Oberhaupt seine Arme hoch, als wüsste er nicht, was er mit ihnen machen sollte - und dann legte er sie um die Schultern seiner Tochter und drückte sie fest an sich. Ein Seufzen ging durch die Menge.

Als sie sich schliesslich wieder voneinander lösten, behielt Neji Hyuuga eine Hand auf der Schulter seiner Tochter und wandte sich erneut an das Publikum.

"Wir rufen Denjenigen, den meine Tochter erwählt hat."
 

Durch das linke Spalier trat Shishiro Uchiha.

Sein schwarzes Haar was ungebändigt wie eh und je und seine grünen Augen blitzten eher reserviert als verliebt. Aber er trug das zeremonielle Gewand der Uchiha mit einer solchen Würde, dass kein Zweifel an der Richtigkeit seines Handelns zu erkennen war. Sein Blick lief über die Anwesenden und blieb auf Henara liegen.

Und etwas geschah, das Yuka in Laufe der Jahre noch kein einziges Mal bei der beherrschten und stolzen Henara gesehen hatte: Henaras Gesicht verfärbte sich blutrot. Das gebräunte Gesicht der Tochter der Hyuuga blühte auf wie eine Blüte in der Frühlingssonne und unwillkürlich streckte sie Shi eine Hand entgegen. Ohne zu zögern, nahm der ihre Hand und - lächelte sie an.
 

*
 

Neji betrachtete seinen Adoptivsohn mit einer merkwürdigen Faszination.

War das noch der Säugling, den seine Frau aufgenommen hatte? Den sie gemeinsam geliebt und erzogen hatten? Der kühle Junge, der den Raum verliess, wenn Henaras Freundinnen quietschend vor Begeisterung mit ihm sprechen wollten? Shi unterbrach seine Gedanken.

"Ich bin gekommen, um dieses Kind des Clans mit mir zu nehmen."

Neji fragte mit hochgezogenen Brauen: „Bist du nicht selbst ein Kind des Clans?"

Leicht amüsiert verfolgte er mit, wie auch Shishiros Augenbrauen seinen Haaransatz erreichten. Diese Frage stand nicht im Protokoll, und das wusste er, und das wusste auch Shi. Wie würde sein Sohn reagieren? Da senkten sich dessen Augen.

"In meinem Herzen werde ich es immer sein, Vater. Doch durch mein Blut bin ich an einen anderen Clan gebunden."

Neji merkte selbst kaum, wie sich das Gewicht, welches er mit sich herumtrug, seit Shi und Henara ihre Absichten kundgegeben hatten, zu heiraten, endlich löste. Tief atmete er aus und sah Shishiro an. Ein Mann stand vor ihm, jung an Jahren, aber weise und erfahren genug, um an dem festzuhalten, was er wünschte... Und genauso bereit, loszulassen, wenn es sein musste. Neji musste sich keine Sorgen darum machen, dass die gemeinsam verbachte Kindheit seiner Tochter und dieses Mannes ein Hindernis darstellen würde. Er musste sich überhaupt keine Sorgen machen.

Du hast den Test bestanden, mein Sohn.

"So sei es. Shishiro Uchiha, ich übergebe dir, im Namen der Hyuuga, Henara, Kind unseres Clans, welches du dir zur Frau und welche dich zum Mann gewählt hat. Zusammen sollt ihr in Zukunft leben, zusammen eure Entscheidungen fällen und euch gemeinsam Allem stellen, was kommen mag. Ihr habt unseren Segen..."

Und dann legte er, entgegen den Protokoll, eine Hand auf Henaras und eine Hand auf Shis Arm.

"Ihr seid die Zukunft, ihr gemeinsam", sagte er leise. "Macht etwas daraus."

Dann trat er zurück und überliess Shishiro und Henara die Bühne.
 

Unter dem aufbrandenden Jubel der Zuschauer drehte sich Shishiro Uchiha zu seiner Frau um. Auf seinen Lippen lag ein winziges Lächeln. Vorsichtig nahm er den schweren Stoff, der Henara einhüllte, in die Hand – und als der graue Stoff von ihr abfiel kam darunter eine wunderschöne Henara in ihrem hellen Kleid zum Vorschein, mit Blumen im Haar und glänzenden Augen, die aufjuchzte und ihm um den Hals fiel. Die Sonne blitzte zum letzten Mal auf, bevor sie endgültig hinter dem Horizont verschwand, und in einem einzigen Aufflackern entzündete sich ein Feuerwerk an Feuer und Farben.
 

*
 

In dem Gebrüll, Geklatsche und Gejohle, das nun aufkam, fragte sich Naruto Uzumaki vergeblich, ob er nun eigentlich das Oberhaupt des mächtigsten Ninja-Dorfes der fünf Kontinente oder nur ein drittklassiger Karnevalsprinz war. Da Sprechen unmöglich war, vertraute auf das Wissen, das Shinobi gewisse Dinge bereits in der Grundschule lernten, und bewegte lediglich die Lippen:

"Möge das Fest beginnen!"
 

*
 

Erster Tag des Herbstes, später Abend
 

Leise wandte sich der hochgewachsene, blonde Mann vom Fenster ab und liess sich in einen Sessel sinken.

"Na denn", murmelte er leise und nahm einen Schluck aus einem bereitstehenden Glas. Ein leises Lachen ertönte.

"Du wirst alt, Papa. Du redest mit dir selbst."

Geräuschlos glitt Yukatsuki zur Tür herein. Sie hatte ihr elegantes Kleid gegen eine weiße Bluse eingetauscht, über der sie ein grünes Top trug, und einen schlichten Rock angezogen.

"Wieso nicht? Solange du da bist, um meinen Platz einzunehmen..."

"Mach keine Witze", sagte sie und liess sich in den zweiten Sessel sinken. Naruto ersparte sich die Antwort, dass er es durchaus ernst gemeint hatte. Für eine Weile schwieg er und gab so ungewollt dem rothaarigen Mädchen einige Sekunden, um ihn genau zu beobachten. Was Yuka sah, gefiel ihr weniger: Obwohl er noch immer genauso aussah wie früher, schien Erschöpfung aus seinen Augen zu sprechen. Und aus seinen Bewegungen...

"Papa - hast du keinen Hunger?", fragte sie, um sich selbst und auch ihn abzulenken. Naruto sah erschrocken auf.

"Natürlich - was bin ich für ein Idiot! Erst lade ich dich zum Essen ein und mache dann keine Anstalten, dir etwas anzubieten... Lass uns uns unter das Volk mischen und uns etwas Essbares besorgen!"

Mit einem liebevollen Stubs bedeutete Naruto seiner Tochter lächelnd, voranzugehen.
 

*
 

Sie war, dachte Ino spöttisch, wahrscheinlich die einzige Person in ganz Konoha, die gerade nicht am Feiern war.

Von ihrem Aussichtspunkt auf der großen Mauer hatte sie einen perfekten Ausblick auf die "Festmeile" des Dorfes - auf die lange Straße, welche vom Haupthaus zum Tor führte. Auch in einigen Nebenstraßen war viel los: Lichter, Stimmen und Musik vermischten sich zu einer Geräuschkulisse, an die sie sich schnell gewöhnt hatte. Die Lichter erhellten ihre Umgebung ausreichend, für ihren Geschmack sogar viel zu viel... Im sanften Abendwind schloss sie die Augen und ignorierte das Lachen der Shinobi aus dem Wachturm.
 

... Und sie schrak hoch.

Es war still in Konoha, vielleicht Vier Uhr Morgens.

Etwas war falsch.

Vorsichtig erhob sie sich aus ihrer kauernden Stellung und erschrak, weil ihre Muskeln zunächst gegen die grobe Behandlung protestierten. Sie biss die Zähne zusammen und sah sich um. Konoha lag - nun endlich schlafend - unter ihr, die Lichter erloschen, die Musik verstummt. Lediglich die ewig brennenden Lampen innen und außen am Stadttor spendeten ihr Licht... Und ein schmaler Schein aus einem Fenster des großen Haupthauses. Ino verspürte Erleichterung. Im Ernstfall war Naruto also dort.
 

Ein metallischer Duft lag in der Luft, unangenehm und bekannt. Ino hob die Nase und sog die frische Nachtluft vorsichtig ein - und spürte, wie sich ihr Herz schmerzhaft zusammenzog.

Blut.

Unverkennbar Blut. Sie kannte den Geruch. Am gesamten Körper angespannt, ging sie leise auf der Mauer entlang, die Augen konzentriert auf die nur langsam weichende Dunkelheit außerhalb Konohas gerichtet. Als sich ihre Augen an die Finsternis gewöhnt hatten, welche hinter dem Schein der Lampen herrschte, sprang ihr mit aller Klarheit ein Bild aus ihrem Gedächtnis entgegen, welches sie verdrängt hatte.

Wie sie auf der Mauer gestanden hatte, vor 18 Jahren, und auf einen übel zugerichteten Shinobi hinunterstarrte... Und dann feststellte, dass sie ihn kannte. Die blonden Haare, die zerzaust abstanden, verklebt mit Dreck und Blut... Die grüne Weste und die Art, wie sein Stirnband seine Haare halbwegs zu bändigen versuchte... Naruto, so schwer verletzt, dass er sich kaum auf den Beinen halten konnte, ein Bündel im Arm.

Und dann, ebenfalls ohne Vorwarnung, klärte sich das Bild vor ihr auf und Ino erkannte, dass es keinesfalls Naruto war, sondern ein junger Mann, kaum mehr ein Kind. Wie tot lag er auf dem Weg zum Tor. Eine Hand war hilfesuchend ausgestreckt. neben ihm lag eine blutverschmierte Schriftrolle. Ino sah, wie der Junge ein letztes Mal seinen Kopf hob.
 

Seine flehenden Augen bohrten sich in die ihren und seine gesprungenen Lippen bewegten sich, aber kein Wort war zu hören. Nur der Wind rauschte plötzlich laut und bedrohlich in ihren Ohren - oder war es ihr eigenes Blut? Und ehe sie reagieren konnte, sank sein Kopf nach vorne und schlug hart auf dem Boden auf.

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Ende des Kapitels

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