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Bis ans Ende der Welt

Das Schwert folgt stets dem Herzen
von

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In der Messingburg

Als die Bewusstlosigkeit endete, wurde sie unsanft aus einer warmen Umarmung gerissen.

Unangenehm heiße Schmerzen flossen in Wellen durch ihren Körper, Übelkeit kam dabei in ihr auf.

Sie wollte sich aufsetzen, in der Hoffnung, dass das Gefühl abklingen würde, doch ihr Körper reagierte nicht.

Während sie tief ein- und ausatmete, um die Schmerzen zu bekämpfen, öffnete sie die Augen. Die Decke war weiß, anhand dieser konnte sie nicht erkennen, wo sie war. Aber da der Geruch von Meerwasser nicht existent war, nistete sich in ihr der Gedanke ein, dass sie sich nicht mehr in Vinay del Zexay befand. Aber wo war sie dann? Und wo war Hix?

Der Gedanke an ihn verdrängte den Schmerz, langsam kehrten die Erinnerungen an die letzte Nacht zurück. Der Albtraum, der Streit, das kleine Mädchen, die Wölfe und auch der Fremde, der sie auf die Arme genommen hatte, kurz bevor sie ohnmächtig geworden war.

Die Schmerzen, an die sie sich langsam gewöhnte, stammten also von ihren erlittenen Verletzungen. Sie spürte Bandagen, die um ihren Körper geschlungen waren, jemand hatte sich also darum gekümmert. Ob es auch das Werk dieses Mannes gewesen war?

Aber hatte er sie dafür wegbringen müssen?

Ein unangenehmer Gedanke zuckte durch ihren Kopf. War sie etwa entführt worden?

So vorsichtig wie möglich, um ihren Körper nicht gleich wieder zum Protestieren zu bringen, setzte sie sich auf, damit sie sich besser umsehen konnte. Ein Wandschirm neben dem Bett schränkte ihre Sicht auf den Rest des Raumes empfindlich ein, doch allein die steinerne Mauer sagte ihr bereits, dass sie sich nicht in einem normalen Haus befand. Von weit her erklangen unzählige Schritte, das Scheppern von Rüstungen und Stimmen, die so leise an ihr Ohr kamen, dass es wie ein Schwarm Bienen statt menschlichen Lauten klang.

Als sie sich drehte und die Füße auf den Boden setzte, bemerkte sie, dass sie nicht mehr ihr gelbes Kleid trug. Stattdessen war ihre zerstörte Kleidung durch etwas ersetzt worden, das Tengaar unangenehm an eine Uniform erinnerte. Das weiße Hemd war noch neutral, genau wie der bis zu ihren Knöcheln reichende, einseitig geschlitzte schwarze Rock. Auf der Gürtelschnalle war ein Symbol zu sehen, das an eine Kompassrose erinnerte – zumindest wenn sie den von Templeton aufgeschnappten Begriff richtig in Erinnerung hatte. Im Inneren eben dieser war noch etwas zu sehen, das an eine Rune erinnerte, wenngleich Tengaar eine solche noch nie gesehen hatte – allerdings war es auch schwer, etwas zu erkennen, wenn man die Gürtelschnalle nur kopfüber begutachten konnte und nebenbei Schmerzen in ihrem gesamten Körper pochten.

Möglicherweise war es das Wappen irgendeiner Vereinigung.

Eine Vermutung, die sich weiter festigte, als ihr Blick auf eine Jacke fiel, die über einen Stuhl hing. Sie war schwarz, mit weißen von Silberfäden durchzogene Ränder. An einem Arm war eine rote Binde befestigt, auf deren Untergrund sich dasselbe Symbol wie auf der Gürtelschnalle befand. Wenn Tengaar ganz genau hinsah, erkannte sie es sogar auf einem Knopf am Kragen wieder.

Warum trug sie diese Sachen? War sie überhaupt noch in ihrem Körper?

Ein lächerlicher Gedanke, doch sie prüfte ihn sofort, indem sie einige Strähnen ihres Haars vorzog. Erleichtert atmete sie auf, als sie feststellte, dass es sich um ihre altbekannten rote Mähne handelte.

Außerdem würden ihre Schmerzen sonst keinen Sinn machen, wenn sie noch einmal darüber nachdachte.

Da sie sichergestellt hatte, dass sie noch sie selbst war, dachte sie wieder an Hix. Bestimmt saß er gerade immer noch im Zimmer des Gasthauses und wartete auf sie. Sie müsste sich sofort auf den Weg zu ihm machen und dann könnten sie endlich wieder nach Hause gehen.

Noch nie zuvor hatte sie sich so sehr nach ihrem Heimatdorf und den langweiligen Geschichten ihres Vaters gesehnt.

Als sie sicher war, sich genug an die Schmerzen gewöhnt zu haben, um sich zumindest vorsichtig bewegen zu können, zog sie sich die weißen Stiefeletten an, die neben dem Bett standen. Zumindest diese gehörten eindeutig ihr, das bekannte Gefühl vermittelte ihr ein Stück Sicherheit.

Probehalber stand sie auf. Wie erwartet kehrten die Schmerzen noch einmal verstärkt zurück, doch nach wenigen Sekunden ebbten sie wieder ab und hinterließen das bereits bekannte Pochen. Damit könnte sie sich fortbewegen, ganz sicher.

Ein kalter Lufthauch streifte sie und ließ sie frösteln. Nach kurzem Nachdenken zog sie sich die Uniformsjacke an. Tengaar wusste zwar nicht, wofür die Symbole standen, aber sie war immerhin warm. Der Stoff war unerwartet leicht und schmiegte sich an sie, als ob der Schnitt nur für sie bestimmt wäre.

Langsam ging sie um den Wandschirm herum. Noch mehr Betten kamen zum Vorschein, dazu ein Pult mit einem Buch darauf. Die Seiten waren mit verschiedenen Namen in den unterschiedlichsten Handschriften übersät; es war ein Gästebuch, also war dies wohl so etwas wie ein Gasthaus.

Im Moment war es bis auf sie allerdings verlassen, nicht einmal Angestellte waren zu sehen. Vielleicht war das aber auch besser so, immerhin würde sie so niemand aufhalten, sofern niemand draußen stand. Etwas, wovon sie sich sofort überzeugen wollte.

Sie öffnete die Tür, die nicht nach draußen, sondern in einen Gang führte. Ritter in Rüstungen liefen diesen entlang. Anhand der Kleidung erkannte Tengaar, dass es Zexen-Ritter waren, also befand sie sich immer noch im selben Land. Sie wusste nicht, wie lange sie bewusstlos gewesen war, dieser Mann hätte sie in der Zwischenzeit überallhin schleppen können.

Aber nun wusste sie, wo immer sie war, es war nicht Vinay del Zexay, aber immer noch dasselbe Land. Das ermutigte sie wieder ein wenig. Immerhin müsste sie nicht allzu weit nach Hix suchen.

Hoffentlich war er so vernünftig, auf sie zu warten. Andererseits konnte sie sich nicht vorstellen, dass er irgendetwas ohne sie unternehmen würde.

Dann aber wiederum... war nicht gerade in diesen Situationen immer der Held in ihm erwacht?

Ihr blieb wohl nur zu hoffen, dass sein innerer Held ihn in die richtige Richtung führte oder dass sie rechtzeitig wieder bei ihm sein würde, bevor er in Schwierigkeiten geriet.

Da keiner der Ritter sie beachtete und auch sonst niemand sich als Aufpasser zu entpuppen schien, wandte Tengaar sich zur Seite. Schon nach wenigen Schritten fand sie eine Treppe nach unten. Wenn sie sich genau umsah, schien sie sich in einer Art Burg zu befinden, was auch die immense Anzahl von Ritter, die miteinander redend durch die Gänge liefen, erklären würde.

Erst in der unteren Etage offenbarte sich, dass dieses steinerne Gebäude auch einen Durchgang darstellte. Wenn sie nach links sah, erblickte sie Sonnenlicht, wenn sie den Kopf nach rechts wandte, ebenfalls. In dieser Richtung schien es allerdings eine Art Grenzkontrolle zu geben, an der sich in beiden Richtungen mehrere Menschen ansammelten, darauf wartend, durchgelassen zu werden.

Als Tengaar diese erblickte, wurde ihr sofort klar, wo sie war.

Die Messingburg, die Grenze zwischen Zexen und den Graslanden. Aber warum hat er mich hierher gebracht?

Sie hätte es den Fremden gerne gefragt, doch sie wollte ihm auch nicht noch einmal begegnen.

Zu wissen, wo sie sich befand, gab ihr aber auch endlich den Vorteil, dass sie wusste, wie sie wieder nach Vinay del Zexay zurückkehren konnte. Sofern sie die Landkarte richtig in Erinnerung besaß, würde sie auf dem Weg womöglich auch Hix begegnen – sofern er überhaupt irgendetwas unternahm. Vielleicht vermisste er sie auch gar nicht.

Dieser Gedanke stimmte sie traurig – und eine Sekunde später schon wieder wütend, als sie sich vorstellte, dass er sich womöglich bereits mit einer neuen Freundin vergnügte, ungeachtet der Tatsache, dass er so etwas nie tun würde.

Wütend stapfte sie den Gang links entlang. Nach wenigen Schritten trat sie ins Sonnenlicht hinaus, geblendet schirmte sie ihre Augen mit einer Hand ab. Mehre Häuser, einige davon Geschäfte säumten die Straße zum Torbogen, der in Richtung Vinay del Zexay führte. Sie musste nur dort hindurchgehen, um zu Hix zurückzukehren. Die Wut machte der Sehnsucht Platz, so schnell wie möglich lief sie los – nur um sich von den Schmerzen wieder ausbremsen zu lassen, aber nicht vollständig anzuhalten.

In ihrem Inneren erwachte plötzlich die Sorge, dass der Fremde von zuvor sie abfangen und wieder irgendwohin bringen würde. Auch in diesem Zustand würde sie sich nicht gegen ihn wehren können, vor allem da ihre Waffen immer noch in Vinay waren. Jedes Mal, wenn sich eine Ladentür öffnete, zuckte sie erschrocken zusammen und hielt inne. Ihr Herz schlug ihr dann bis zum Hals – bis sich herausstellte, dass die herauskommende Person nicht der Mann von zuvor war und sie sich langsam wieder beruhigend wieder weitergehen konnte.

Nach der Hälfte der Strecke blieb sie stehen. Erschöpft lehnte sie sich gegen die Wand eines Ladens, um wieder zu Atem zu kommen. Normalerweise hätten diese paar Schritte nie genügt, um sie so auszulaugen, aber im Moment kam es ihr vor, als hätte sie ganz Toran durchquert.

Während sie sich noch ausruhte, ging die Tür direkt neben ihr auf. Sie konnte einen Umhang sehen, als sich die Person rückwärts aus dem Laden hinausbewegte – es war derselbe wie der des Fremden!

Geistesgegenwärtig zog sie sich hinter die Ecke des Gebäudes zurück. Sie presste sich gegen die Mauer, wäre am Liebsten noch mit dieser verschmolzen und betete inständig zu ihren Vorfahren, dass sie nicht entdeckt werden würde.

Mit angehaltenem Atem blickte sie zur Straße hinüber, der Umhang kam in Sicht – und als sein Träger ebenfalls zu erkennen war, pustete sie die angestaute Luft erleichtert aus. Zwar besaß dieser Mann Ähnlichkeit mit dem Fremden, doch er wirkte jünger, die Frisur war anders und bei genauerem Hinsehen unterschieden sich auch ihre Mäntel voneinander.

Puh, die Panik nimmt mir die Fähigkeit, klar zu denken. Dabei bin ich doch sonst nicht so.

Eine Frau mit purpurfarbenem Haar trat neben den Mann. Die schulterfreie Kleidung bot einen guten Blick auf ihr Dekolletee, ansonsten befand sich außerordentlich viel wehender Stoff an ihrer Kleidung, der gemeinsam mit ihren schenkelhohen Stiefeln den Großteil ihres Körpers verbarg. Mit Sicherheit war sie keine Kämpferin – all dieser weite Stoff wäre doch sicher hinderlich.

Sie wirkte recht wütend und begann auch sofort zu schimpfen. „Dieser Idiot! Er wird uns bestimmt wieder in Schwierigkeiten bringen!“

Ihr Begleiter schmunzelte amüsiert. „Nein, wird er nicht, keine Sorge. Wir gehen jetzt zu ihr und erklären ihr alles, in Ordnung?“

Sie nickte und ging gemeinsam mit ihm los. Keiner von beiden hatte Tengaar beachtet, nun da sie weg waren, traute diese, sich wieder zu bewegen und auf die Straße zurückzukehren. Es war nicht mehr weit, den Rest der Strecke musste sie auch noch schaffen.

Während sie weiterlief, fragte sie sich unwillkürlich, wer die beiden wohl gewesen waren und worüber sie sich unterhalten hatten. Er besaß eine frappierende Ähnlichkeit zu dem Fremden, sogar die Stimmen ähnelten sich, es wäre ein viel zu großer Zufall gewesen, wenn die beiden gar nichts miteinander zu tun gehabt hätten.

Ob mit Idiot also ihr Entführer gemeint gewesen war? Und wem wollten die beiden alles erklären?

Nein, nein, fang jetzt nicht damit an, schalt sie sich selbst. Du gehst jetzt zu Hix zurück, dann schnappst du dir diesen – und ihr kehrt beide nach Hause zurück. So mache ich das.

Je näher sie dem Bogen kam desto sicherer wurde sie sich, dass sie es schaffen würde. Nur noch ein paar Schritte, nur noch ein wenig und sie wäre in Sicherheit.

Als sie schließlich im Torbogen stand, blieb sie wieder stehen. Erleichtert blickte sie auf die Straße die sie zum Zexen-Wald und schließlich nach Vinay del Zexay führen sollte. Reisende und Ritter, ob zu Fuß oder auf einem Pferd, hielten sich hier auf, liefen entweder von einem Punkt zum anderen oder betrachteten die Wälder und Berge der Umgebung.

Doch Tengaar hatte dafür keinen Blick, sie wollte nur zu Hix zurück. Aber in dem Moment, in dem sie den Fuß hob, verspürte sie einen zuckenden Impuls in ihrem Inneren und ihr Körper versagte seinen Dienst. Hätte sie sich in diesem Moment von außen betrachten können, wäre ihr aufgefallen, dass jeglicher Glanz aus ihren Augen verschwunden war, ihr Gesichtsausdruck dem eines Schlafwandlers glich.

Sie vernahm eine sanfte Melodie in ihrem Inneren, das Lied, das sie zuvor selbst im Gasthaus von Vinay gesummt hatte, ohne dass es ihr bewusst gewesen war. Durch die einzelnen Töne konnte sie schließlich eine Stimme hören, dieselbe, die sie nach Zexen beordert hatte, desjenigen, der sie zuvor vor den Wölfen gerettet und dann hierher gebracht hatte.

Aber all diese Gedanken erreichten in ihrem Inneren kein Ziel, sie war erfüllt von den Worten, die erklangen: „Lauf nicht weg. Ich habe so lange nach dir gesucht. Komm hierher.“

Ungelenk, wie eine Marionette, die von einem unerfahrenen Spieler geführt wurde, fuhr sie herum. Nur wenige Schritte entfernt von ihr stand ihr Entführer. Er winkte sie zu sich und ihre Beine setzten sich in Bewegung. Sie hörte nicht, wie eine ihr wohlbekannte Stimme, dessen Besitzer sie vor kurzem noch vermisst hatte, ihren Namen rief. Erst als sie die Hand des Fremden ergriff, registrierte sie die schnellen Schritte hinter sich, doch es kümmerte sie nicht. Genausowenig wie die erhobene rechte Hand des Unbekannten, als er im Begriff war, ihren Verfolger anzugreifen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  LeanaCole
2010-05-31T10:00:58+00:00 31.05.2010 12:00
Auch wenn das Kapitel nicht sooo spannend war, hat es mir doch sehr gefallen. Denn ich mag es, wenn aus verschiedenen Sichten erzählt wird, diese aber am Ende das selbe Ziel erreichen (also eine bestimmte Szene).
Außerdem fand ich es toll, wie du Tengaars Anspannung zusammen mit den Schmerzen beschrieben hast. Da war ich direkt mit angespannt XD
Allgemein haben mir deine Beschreibung von Tengaars Zustand und der Umgebung sehr gefallen. Ich mags einfach, wenn eine Szene mit Beschreibungen geschmückt ist (man sollte es natürlich nicht übertreiben XD).

Während wie weiterlief
Da habe ich einen Rechtschreibfehler übersehen. Sorry ^^"


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