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Bis ans Ende der Welt

Das Schwert folgt stets dem Herzen
von

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Von bösen Wölfen und wütenden Pflanzen

Alle Wälder, die Hix bislang betreten hatte, waren Labyrinthe gewesen. Wege führten aus unersichtlichen Gründen in Sackgassen, wieder andere führten einen nur im Kreis und dann gab es noch die Pfade, die einen an einen ganz anderen Ort als das Ziel führten.

Im Vergleich dazu war dieser Wald erstaunlich geradlinig. Helles Sonnenlicht fiel durch das Blätterdach und schien Hix den Weg zu weisen – auch wenn es ohnehin nur einen gab. Das hing mit Sicherheit damit zusammen, dass dieser Wald die direkte Verbindung zur Messingburg und noch einigen anderen Bereichen von Zexen war. Zu komplizierte Wege wären kontraproduktiv gewesen, da war sich Hix sicher und für ihn war es auch gut, immerhin konnte er sich so nicht verlaufen.

So sehr er diesen Wald auch mochte, etwas sehr Entscheidendes störte ihn doch, er konnte nur nicht den Finger darauf legen. Aber früher oder später würde er noch darauf kommen.

Ansonsten irritierte ihn nur noch eines: Er fühlte sich verfolgt.

Er war vielleicht nicht der beste Schwertkämpfer, aber dafür sehr feinfühlig – oder auch paranoid.

Wann immer er sich umsah, war niemand zu sehen, aber das Gefühl blieb bestehen.

Während er dem Weg weiterfolgte, wandte er sich immer wieder überraschend um, doch es blieb immer dasselbe Bild. Er stellte sich vor, wie eine DoReMi-Elfe sich einen Scherz daraus erlaubte, jedes Mal im Gebüsch zu verschwinden, sobald er sich umdrehte. Dabei wusste er nicht einmal, ob es in diesem Wald so etwas überhaupt gab. Aber die Vorstellung beruhigte ihn und sorgte dafür, dass er an etwas anderes denken konnte.

Warum entführte jemand Tengaar?

Sie war nicht reich oder Tochter eines hohen Anführers, sie war einfach nur Tengaar aus dem Dorf der Krieger in Toran, das einzige Kind von Zorak – und bislang letzte Nachfahrin des großen Klifts.

Lag es vielleicht daran? In Gedanken versuchte er, alle Geschichten über den Gründer des Dorfes durchzugehen, doch es waren enorm viele. Zorak verstand zwar nichts davon, Geschichten spannend zu erzählen, allerdings war er gut darin, einem etwas so oft zu berichten, dass man es garantiert nicht mehr vergessen konnte. Auch wenn es Hix manchmal lieber wäre, denn so hörte man ein- und dieselbe Sage immer wieder und wusste schon vorher genau, was passierte, was das alles noch langweiliger als ohnehin machte.

Was er aber wusste, war, dass Tengaar eine äußerst gute Magierin war, ihr Umgang mit Runen war in ihrem Dorf unerreicht und selbst in den Armeen war sie immer eine der Besten gewesen. Zorak verkündete stets mit stolzgeschwellter Brust, dass es an Klifts Blut, das durch ihre Adern fließt, liegen würde. Ob das wirklich der Grund war, konnte natürlich niemand bestätigen, aber vielleicht steckte das hinter ihrer Entführung. Hix würde das auf jeden Fall herausfinden... zumindest hoffte er das.

Als er das Rauschen von Wasser hörte, fiel ihm auch ein, was in diesem Wald eindeutig fehlte: Vogelgezwitscher.

Der ganze Hain lag vollkommen ruhig da, kein einziger Vogel sang sein Lied in den Bäumen. Es war der erste Wald, in dem ihm so etwas unterkam.

Ob es so etwas in den Wäldern von Zexen gar nicht gab? Nein, das war doch lächerlich. Warum sollte es ausgerechnet in diesem Land keine Vögel in den Wäldern geben?

Er wollte gerade einen kleinen Bach überqueren, als er hinter sich ein Geräusch vernahm. Abrupt hielt er inne. Es war unverkennbar ein Knurren. Während er schluckte, fiel ihm wieder ein, was das Mädchen gesagt hatte: „Sie wurde von den Wölfen angegriffen und schwer verletzt.“

Und auch die Geschichten, die Zorak ihm als Kind erzählt hatte von den bösen Wölfen, die Menschen mit einem Haps verspeisen konnten – später wurden daraus Geschichten von ganzen Horden, die einen brutal zerteilten, bevor sie ihn fraßen.

Innerlich schickte er ein Stoßgebet an die Runen, dass er nicht einem ganzen Rudel gegenüberstehen würde, dann drehte er sich langsam um.

Was er erblickte, erschreckte ihn mehr als eine Meute Wölfe es je getan haben könnte.

Es war nur ein einziges Wesen, das halb im Schatten stand und nur diese vor dem Licht verborgenen Körperteile waren klar zu sehen. Die Sonne machte es fast unmöglich, das rauchige Haupt und die Vorderbeine zu erkennen, aber die rotglühenden Augen und die weiß blitzenden rasiermesserscharfen Zähne waren genug, um Hix' Knie weich werden zu lassen.

Das Wesen knurrte noch einmal, sein Gegenüber wich zurück. „L-Lieber Hund~ G-ganz brav. Du wirst mich doch nicht fressen? I-ich bin s-sehr zäh, wirklich!“

Er wusste nicht, ob das Wesen ihn überhaupt verstehen konnte oder ob es darauf hören würde. Aber er war sich sicher, dass es zu denen gehörte, die Tengaar in der Nacht zuvor angegriffen hatten und auch für seinen Verfolgungswahn verantwortlich war.

Der Wolf senkte den Oberkörper zum Sprung, Hix griff hastig nach seinem Schwert und ärgerte sich darüber, dass er genau in diesem Augenblick vor aufkeimender Panik Probleme damit hatte, die Waffe zu ziehen.

Doch schon im nächsten Augenblick schien das vollkommen unnötig zu werden.

Aus dem Nichts schoss eine Wurzel hervor und begrub den Wolf unter sich. Das Tier konnte nur noch ein letztes Winseln von sich geben, bevor es sich bereits auflöste.

Hix atmete erleichtert aus – bis ihm auffiel, dass es nicht sonderlich normal war, wenn Wurzeln plötzlich auftauchten und Monster töteten.

Sofort kehrte die Anspannung zurück, sein Blick wanderte an den Wurzeln entlang, die Füße darzustellen schienen, zu einem massiven Ast von dem zwei kleinere wie Arme abgingen. Das große Blatt einer Stechpalme bildete den Oberkörper des Wesens, rote Früchte dienten als Augen. Es war eindeutig ein Papa Ilex wie es sie im Wald zwischen Greenhill und Mathilda gab – nur dass dieser hier um einiges riesiger war.

Hix konnte nichts anderes tun als dieses Wesen nur anzustarren. Es stand inzwischen wieder völlig ruhig da, wie ein Baum. Hätten sich die Wurzeln nicht eben bewegt, wäre es Hix zwischen all den anderen Stämmen nicht weiter aufgefallen.

Doch warum hatte sich der Papa Ilex überhaupt bewegt?

Noch bevor Hix sich einbilden konnte, dass es zu seinem Schutz geschehen war, hüpften mehrere kleine Stechpalmenblätter aus dem Gebüsch hervor.

Das müssen seine Kinder sein.

Offenbar war der Wolf als Bedrohung für die kleinen Ilexe eingestuft und deswegen getötet worden. Es war also ein Glücksfall gewesen, dass er genau an dieser Stelle zu knurren begonnen hatte, nachdem er zuvor nicht einmal sichtbar gewesen war.

Keines der aufgetauchten Wesen machte Anstalten, ihn anzugreifen. Die Ilexe standen um ihren Vater herum, die roten Fruchtaugen glubschten den Schwertkämpfer aus gebührendem Abstand neugierig an, als ob er der erste Mensch in ihrem Leben wäre. Bei genauerem Nachdenken war das vielleicht auch so.

Hix atmete erleichtert auf, fuhr herum und lief weiter – nur um einen hohen Schrei zu hören, der von etwas unter seinem Fuß ausgestoßen wurde.

Ein Blick nach unten war überflüssig, er wusste auch so, dass er gerade auf einen der neugierigen Ilexe getreten war. Er musste auch nicht hinter sich sehen, um zu wissen, dass Papa Ilex und seine Kinder nun äußerst sauer waren. Das laute Brüllen und das empörte Kreischen waren ihm Zeugnis genug dafür.

Statt sich noch einmal umzudrehen, rannte er los. Doch kaum hatte er den Bach überquert, spürte er wie sich etwas um seinen Fußknöchel wickelte. Schon im nächsten Moment stürzte er mit dem Gesicht voran auf den Boden. Heftige Schmerzen zuckten durch seine Brust und Kiefer.

Papa Ilex zog ihn, angefeuert von seinen Kindern, langsam wieder zurück.

Panik durchfuhr Hix. Seine Hände gruben sich in die lockere Erde, hinterließen aber nur tiefe Rillen, während er weitergezogen wurde.

In Dunan hatte er nicht einmal gegen die kleineren dieser Art allein bestehen können, wie sollte er da so ein riesiges Exemplar besiegen können?

Aber wenn er nichts tat, wäre nicht nur er selbst bald nur noch eine Erinnerung, auch Tengaar wäre davon betroffen, denn wer sollte sie retten, wenn nicht er?

Der Gedanke an seine Freundin gab ihm neue Kraft und Elan. Wieder griff er nach seinem Schwert, diesmal glitt es erstaunlich leicht aus der Scheide. Umständlich richtete er sich auf, problemlos zerteilte die Klinge die Ranke. Der Papa Ilex schrie auf, sein Brüllen war mit Sicherheit bis nach Vinay zu hören. Die drei verbliebenen Äste schlugen unkontrolliert um sich, Dreck wurde dabei aufgewirbelt. Die Ilexe sprangen panisch umher, um den Schlägen auszuweichen, es wirkte wie ein bizarrer Tanz, bei dem einige der Kleinen die Choreografie durcheinanderbrachten und so gegeneinander sprangen und wieder zurückflogen.

Sofort sprang Hix auf. Er wollte weiterrennen, doch ein Impuls ließ ihn innehalten. Sein Blick war auf die verbliebene Wurzel gerichtet, die als Ranke fungieren konnte. Im nächsten Moment sah er sie bereits auf sich zukommen. Geistesgegenwärtig duckte er sich darunter hinweg.

Der Papa Ilex traf mit Wucht auf einen Baum, der bedrohlich zu schwanken begann, Blätter regneten herab als wäre der Herbstanfang vorgezogen worden.

Hix atmete gerade aus, als die Ranke ihn beim Rückziehen traf und brutal zu Boden schleuderte. Die Luft wurde ihm aus den Lungen gepresst, gleichzeitig entflammten brennende Schmerzen an seiner rechten Schulter. Er wusste gar nicht, was er in diesem Moment als schlimmer empfinden sollte – doch der fehlende Sauerstoff gewann schließlich das Rennen.

Hektisch schnappte er nach Luft, um seine Lungen wieder zu füllen. Kaum war das geschehen, sprang er zum zweiten Mal auf.

Die lauernde Ranke sagte ihm, dass ein erneuter Fluchtversuch nur zu noch mehr Verletzungen führen würde. Auch wenn der Papa Ilex immer noch mit blinder Wut beschäftigt zu sein schien, so war sich Hix ganz sicher, dass er nur darauf wartete, dass sein Gegner noch einmal wegzulaufen versuchte. Aber was sollte er dann tun? Auch stilles Rumstehen half nicht weiter, wie ihm eben demonstriert worden war.

Blut lief, unangenehm warm, seinen rechten Arm hinunter, was seinen Blick auf die Rune an seiner Hand lenkte – und ihn auf eine Idee brachte. Entgegen der Schmerzen hob er seinen Arm. Ein sanftes, blaues Leuchten ging von seiner Hand aus, das Tropfen-Symbol erschien schemenhaft in der Luft. Klirrende Kälte ging davon aus und zerschnitt die vorherrschende Wärme.

Schnee kam auf, eine feine Eisschicht legte sich auf das Wasser des Baches und auch über die Wesen. Die Ilexe hielten in ihrem Tanz inne, als sie zu Eisklötzen erstarrten, die Bewegungen des Papa Ilex wurden langsamer, ein tiefes Brummen ging von ihm aus. Den Bruchteil einer Sekunde später war auch das große Wesen erstarrt und zur Bewegungsunfähigkeit verdammt.

Hix senkte die Hand wieder und atmete zum wiederholten Male erleichtert auf. Diesmal geschah tatsächlich nichts mehr, die Erleichterung war gerechtfertigt.

In seinem Kiefer, seiner Brust und Schulter pochten immer noch Schmerzen, aber er ignorierte es. Tengaars Sicherheit war nun wichtiger, bestimmt war es nicht mehr weit, bis er die Messingburg erreichen würde und wer wusste schon, was der Entführer ihr antat, während Hix im Wald herumspielte?

Nach einem letzten Blick auf das im Sonnenlicht funkelnde Eis fuhr er herum und lief weiter.

Tatsächlich dauerte es nicht lange, bis er den Ausgang des Waldes erreichte. Von dort sah er das gewünschte Ziel schon ein wenig mehr aus der Nähe, so wirkte es noch um einiges imposanter als zuvor von Vinay aus. Tengaar schien endlich wieder greifbar zu werden, auch wenn er nicht wusste, wo genau der Fremde sie hingebracht hatte. Aber möglicherweise hatte hier jemand sie gesehen.

Mit beschwingten Schritten lief er weiter und erreichte so nur wenige Minuten später einen langen gepflasterten Pfad, der einer Brücke ähnelte. Mehrere Menschen liefen darauf herum, Ritter saßen hoch zu Ross und bewegten sich so vorwärts, Hix fühlte sich endlich wieder ein wenig sicherer und bemerkte so nicht die abfälligen Blicke, die ihm von den anderen aufgrund seiner schmutzverkrusteten Kleidung und seinem blutigen Arm zugeworfen wurden.

Er lief hastig weiter. Nach dem Waldweg fühlte sich das eben Pflaster angenehm unter seinen Füßen an, so dass ihm die Bewegungen trotz der pochenden Schmerzen nicht schwerfielen.

Als er die Hälfte des Wegs hinter sich gebracht hatte, blieb er stehen. Sein Blick war frei auf einen Torbogen – doch seine Augen waren nur auf eine einzige Person gerichtet, die darin stand. Die Kleidung war anders und sie stand einige Meter entfernt, aber dennoch erkannte er sie sofort, nicht zuletzt durch ihre roten Zöpfe.

Sie lebte also noch! Freude durchströmte sein Inneres und überdeckte seine Schmerzen, doch noch bevor er ihr zuwinken konnte, fuhr sie plötzlich herum und entfernte sich langsam von ihm.

Tengaar!

Sein Schrei schreckte einige Leute um ihn herum auf, doch sie alle warfen ihm nur einen kurzen Blick zu, bevor sie sich wieder abwandten. Tengaar reagierte gar nicht darauf.

Ohne weiter zu zögern rannte er los. In seinem Kopf ging er derweil alle Varianten durch, die erklären könnten, warum sie ihn ignorierte.

Leider war Hix nicht unbedingt sehr fantasievoll, weswegen ihm nur der Gedanke kam, dass sie wütend auf ihn war. Möglicherweise hatte sie gar nicht gewollt, dass er ihr half.

Nein! Das durfte er gar nicht erst denken!

Er rannte durch den Torbogen hindurch. Tengaar ergriff gerade die Hand eines fremden Mannes, der möglicherweise ihr Entführer war, wenn es denn einen gegeben hatte. Hix lief weiter auf die beiden zu, selbst als der Fremde den kalten Blick auf ihn richtete und seine erhobene rechte Hand bedrohlich zu glühen begann.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  LeanaCole
2010-05-27T06:49:18+00:00 27.05.2010 08:49
Yay! DoReMi-Elfe! XD

„L-Lieber Hund~ G-ganz brav. Du wirst mich doch nicht fressen? I-ich bin s-sehr zäh, wirklich!“
Mein lieber Hix. Das bringt dir gar nichts. Da wird der Wolf dich erst recht angreifen und fressen wollen XD

Der Papa Ilex traf mit Wucht auf einen Baum, der bedrohlich zu schwanken begann, Blätter regneten herab als wäre der Herbstanfang vorgezogen worden.
MIr gefällt der letzte Teil des Satzes ^^

Armer Hix. Da hat er Tengaar gefunden und die beachtet ihn nicht mal. Wie gemein~ XD

Jedenfalls hat mir das Kapitel gefallen. Ich mochte es, wie Hix mit dem Papa Ilex fertig wurde. Mir haben auch deine Beschreibungen wieder gut gefallen. Du kommst sogar immer auf Sachen, auf die ich nie kommen würde XD


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