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Die Geschichte des legendären Sullivan O'Neil 2

Zwischen Gott und Teufel
von

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Vorbereitungen

„Was zur Hölle tut Ihr hier?!“, war das erste, was ich sagte, als Nevar und ich uns vor die Haustür zurückzogen und ein wenig spazieren gingen. Er hatte darum gebeten, alleine mit mir zu sprechen und nun starrte ich ihn fassungslos an. Die ganze Zeit über haben wir gebetet und gegessen, Nevar hat mich sogar aus der Bibel vortragen lassen. Ich verstand nicht, was hier gespielt wurde und sein amüsiertes Grinsen machte es nicht besser.

„Aber Falcon, ich bitte Euch, solche Worte vor Gottes Haus?“, lachte er.

„Hört auf damit!“, zischte ich nur zur Antwort und funkelte ihn düster an. „Was treibt Ihr hier?!“ Mich packte unbändige Wut, als er nun auch noch anfing, mich zu verspotten.

Abwehrend hob der – angebliche - Mann Gottes die Hände und nickte einem Passanten freundlich zu, der den scheinbar Geistlichen begrüßte. „Falcon, beruhigt Euch erst einmal.“, lächelte er dann ruhig. Das war leichter gesagt, als getan, schließlich litt ich nun bereits mehrere Wochen und hatte ihn nie erreichen können. Ich fühlte mich, als hätte Nevar sich über mich lustig gemacht und durch sein jetziges Auftreten wurde dieses Gefühl nicht gerade weniger stark. Wir liefen ein wenig umher und ich merkte, dass der Frühling allmählich zum Sommer wechseln wollte. Es wurde wärmer, der gelbe Löwenzahn wurde weiß und trocken und die Sonne blieb immer länger am Himmel. Wie viel Zeit ich vergeudet hatte, verschwendet, vor mich hin existiert ohne Sinn und Verstand!

Nach einigem Schweigen dann - wahrscheinlich erhoffte Nevar sich, dass ich nun ruhiger war – ließen wir uns auf eine Bank nahe dem Platz sinken, an dem die vielen Säulen standen. Fast wirkte es blasphemisch auf mich. Zwei Lügner und Betrüger sitzen beisammen, betrachten die Gebote des Herrn und unterhalten sich womöglich noch über den christlichen Glauben. Wie viele der Passanten waren wohl wie wir? Bei meiner Ankunft hatte ich darüber nachgedacht, wie viele der Menschen den Sternen und Bildern keine Aufmerksamkeit zollten und jetzt fiel mir das erste Mal auf, wieso:

Wahrscheinlich gab es viele Dinge, die sie getan hatten, Dinge, die diesen Geboten nicht entsprachen und wenn sie die Blicke heben würden, wäre es, als stünden sie vor einer Beichte. Sie wurden daran erinnert wie missraten sie waren, wie gottlos, wie unehrenhaft und genauso wie ich senkten sie spätestens jetzt demütig den Blick. Ich starrte Nevar an, musterte die Umgebung und anschließend beobachtete ich den Boden vor mir. Betrachtete die vorbeigehenden Füße und wollte niemandem ins Gesicht sehen mit Gedanken wie „Können sie erraten, welche Sünden ich begangen habe?“ oder „Ob man mir ansieht, dass ich ein Lügner bin?“ Im Grunde gab es nichts mehr, dem ich nicht widersprochen hätte.

Ich hatte Wesen verletzt, getötet, gestohlen, ich war wollüstig gewesen, ich habe gelogen, gelästert, geflucht, verspottet und meine wahrscheinlich größte Sünde: Noch immer träumte ich von einem besseren Leben.

Als Nevar endlich den Mund aufmachte und etwas sagte, zuckte ich zusammen, wie ein erwischtes Kind. Wieder starrte ich ihn an, doch diesmal war mein Blick weder zornig oder voller Reue, sondern nachdenklich und suchend. Wenn ein Mensch wie ich schon so sehr von Gottesfurcht gepackt wurde, nur, weil er vor solchen Säulen saß, wie musste Nevar sich fühlen? Und wie viel Stärke brauchte es, um Gott gänzlich den Rücken zukehren zu können? Wie viel Stärke brauchte ich?

„Wir haben uns lange nicht gesehen, Falcon.“, lächelnd ließ auch Nevar seine Blicke schweifen, begutachtete das Nicken und Verbeugen der Vorbeigehenden mit einem sanften Schmunzeln und erwiderte jeden Gruß, sei er auch noch so gering.

„Ihr habt keine Ahnung, was für einer Hölle Ihr mich aussetzt.“, merkte ich bitter an, doch Nevar lachte nur tonlos, etwas amüsiert vielleicht.

„Oh doch, das weiß ich durchaus. Glaubt mir, ich weiß nur zu gut, wie es in diesem Haus ist. Gleiches gilt für Domenico und das ist der wichtige Punkt bei dieser Sache.“, der Gottesdiener beugte sich leicht zu mir und flüsterte eindringlich: „Als er hörte, dass Ihr hier Quartier bezogen habt, muss er es genossen haben, jedes einzelne Wort. Denkt nur, welch ein Wohlgefühl es für ihn sein muss, zu wissen, was für einer starken, christlichen Gemeinschaft Ihr Euch ausgesetzt habt. Ich weiß nicht, ob sein Wille ist, Euch zu bestrafen, Euch Gottes Macht gegenüberzustellen oder ob beides für ihn in einen Topf gehört. Aber was ich weiß, ist, dass Domenico ein Mann der Genugtuung ist.“, wie immer, wenn Nevar sprach, schwieg ich und hörte ihn mit meiner gesamten Aufmerksamkeit zu. Vielleicht lag es an dem Respekt, den ich vor diesem Mann hatte, vielleicht war es auch unbewusste Unsicherheit gegenüber einer so starken Persönlichkeit. So oder so sagte ich kein Wort, sah nur zu wie er sich wieder aufsetzte und wartete wie ein geduldiger Schüler, dass er weiter sprach. Eine Eigenschaft, die ich mir abgewöhnen wollte, aber niemals vollkommen ablegen konnte. Nach einiger Zeit dann fuhr er fort, so sanftmütig und zufrieden, als würde er über das Wetter sprechen und ich konnte nicht sagen, ob das seine Rolle war oder gar Zuversicht in Hinblick auf die Zukunft. „Ich kann mir denken, dass Domenico Euch vorerst vergessen hat. Er wird anfangs nur danach gefragt haben, ob Ihr noch immer vor Ort seid. In seinen Augen habt Ihr verloren, Falcon.“

„Verloren?“, mit krauser Stirn schüttelte ich den Kopf. „Ich habe nicht verloren, das ist Unsinn und das wird auch er wissen. Ich werde seine Füße nicht küssen, selbst, wenn er mich ins Kloster stecken würde.“

„Was wir den dortigen Mönchen lieber nicht antun wollen.“, wieder lachte er. „Ich hörte von Euren Streitereien mit der Hausmutter. Schwester Anneliese lässt der Deo Volente regelmäßig ein Schreiben zukommen und Ihr könnt von Glück reden, dass ich nicht weiter gebe, was dort drin steht.“

„Worauf wollt Ihr hinaus, Ne-… Bruder Raphael?“, drängte ich. Mit jedem seiner Worte wurde ich nervöser. Wollte Nevar mir nun helfen? Worauf sollte dieses Gespräch hinaus laufen und lenkte er nur wieder ab, damit ich keine Antwort bekam, was er hier wollte?

„Ganz einfach: Domenico hat Euch mittlerweile längst wieder vergessen. Nicht gänzlich, aber genug, damit Ihr mehr Spielraum bekommt.“, die Stimme meines Gegenübers wurde ernster. „Domenico ist arrogant, sehr arrogant. Als er hörte, dass Ihr in Marias Obhut lebt, hat ihn das amüsiert und befriedigt, er fühlt sich als Sieger und dieses Gefühl wurde dadurch, dass Ihr so lange hier geblieben seid, nur bestärkt. Er ist so von sich eingenommen – auch aufgrund anderer Dinge – dass er den Überblick etwas verloren hat. Aus diesem Grund kann ich auch hier sein. Francesco hat mich für die Betreuung eingeteilt, es war eher als Test gemeint und Domenico hat die gesamte Eintragungsliste bestätigt, ohne sie auch nur zu überfliegen. Versteht Ihr, worauf ich hinaus will?“, da man meinem Blick scheinbar ein eindeutiges ‚Nein’ entnehmen konnte, beugte er sich erneut vor und flüsterte: „Domenico hat mir die Erlaubnis erteilt, dieses Gebäude zu betreuen, ohne es zu merken. Ich kann jede Woche hier erscheinen, darf die Briefe entgegen nehmen, organisierte die Unternehmungen zu Gottesdiensten. Ich gebe zu, es war ein Glücksspiel, aber wenn nicht ich die Erlaubnis bekommen hätte, hätte Francesco jemand anderes gefunden, da bin ich mir sicher.“

„Das heißt, Ihr habt mich hier untergebracht und wusstet nicht einmal, ob Ihr mich voran bringt?!“, nun war ich wirklich wütend. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und hätte ihn angeschrieen, stampfend wie ein kleines Kind, aber ich kam nicht einmal zu Wort.

„Manchmal muss man eben alles auf eine Karte setzen und so lange seid Ihr nun auch nicht an dieses Haus gebunden. Es ist ein Haus Gottes, gut, aber bis auf Gottes Segen erhaltet Ihr nichts, was Euch zu Lasten fallen könnte – von der geistigen Folter mal abgesehen, aber ich denke, da habt Ihr Erfahrung genug. Was jetzt viel wichtiger ist: Ich möchte die uns gegebene Zeit in vollen Zügen nutzen. Aus diesem Grund werde ich wöchentlich erscheinen um einen guten Eindruck zu machen. Des Weiteren werde ich Euch in regelmäßigen und geringen Abständen zu mir rufen lassen. Die Weibsbilder aus dem Haus haben großes Vertrauen zu mir und es kann der Deo Volente nur gut tun, wenn wir uns mehr für euch verloren gegangene Schafe einsetzen, richtig?“, er grinste kurz, wurde dann aber wieder ernst und mich schockierte es, wie blasphemisch er werden konnte. „Ihr werdet zwei Mal die Woche zu mir kommen, die Adresse sage ich Euch, sobald ich sie weiß. Es ist wichtig, dass die Deo Volente davon nichts erfährt. Das, was alle wissen sollen, ist, dass ich mich Eurer annehme. Damit es nicht auffällt, werde ich auch noch zwei andere des Hauses betreuen, aber das lasst meine Sorge sein. Wir werden uns gemeinsam hinsetzen und den folgenden Monat dafür nutzen, Euch das Kämpfen zu lehren.“, nun stockte mir der Atem. Das Kämpfen? Nevar ließ mir Zeit etwas zu entgegnen, doch ich konnte nur verwirrt blinzeln. Eine Frau ging vorbei, begrüßte Bruder Raphael lächelnd und er erwiderte den Gruß, erkundigte sich nach dem Wohl ihres Mannes und verabschiedete sie nach ein paar ausgetauschten Höflichkeiten. Dennoch bekam ich keinen einzigen Ton heraus und konnte ihn nur fassungslos anstarren. Nevar hatte förmlich abgelehnt, als ich ihn gefragt hatte und nun das? Nach gut zehn Minuten dann wandte er sich endlich wieder mir zu, lächelte fast abstoßend gütig und sagte ernst: „Für das, was uns bevor steht, ist es wichtig, dass ich davon ausgehen kann, dass es mir möglich ist, mich auf Euch zu verlassen. Ich brauche jemanden, der mir den Rücken freihält, Falcon.“

„Ich kann Euch in dieser Sache nicht begleiten und das sagte ich bereits.“, zischte ich nun sofort. „Ich werde Euren Kampf nicht führen und damit wart Ihr einverstanden.“ doch Nevar schüttelte nur den Kopf.

„Nein, meinen nicht. Aber Euren. Es geht los, Falcon, schon sehr bald.“

„Was geht los? Mein Kampf?“ Welchen meinte er? Den gegen Domenico, gegen die Deo Volente, gegen O’Hagan? Ein knappes Nicken war die einzige Antwort, die Nevar mir gab und er wollte aufstehen, doch ich hielt ihn am Handgelenk zurück. Wahrscheinlich war mein Griff fester, als beabsichtigt, doch war ich es leid, nie Antworten zu erhalten. „Sprecht mit mir, jetzt, hier. Kein weiteres Mal werdet Ihr gehen und mich unwissend lassen, ich habe genug davon. Ich kann Euch nicht vertrauen, wenn ich nicht weiß, was Ihr vorhabt.“

Unsere Blicke trafen sich und es dauerte einige Zeit, bis Nevar wirklich reagierte. Es schien, als müsste er sich erst überzeugen, wie ernst ich es meinte. Nach einigen Sekunden dann ließ er sich sinken, löste sich bewusst ruhig aus meinem Griff und musterte mich, etwas nachdenklich. „Domenico wird Euch entsorgen, sobald er erfährt, was für eine Bedeutung Ihr habt.“

„Bedeutung?“, unterbrach ich ihn, ehe er wirklich zu reden begann.

Wieder ein Nicken. „Vorerst seid Ihr aus dem Weg geräumt. Aber Ihr habt die Folter überlebt und es ist nur eine Frage der Zeit, bis O’Hagan Euch findet. Da ich Euch geschützt habe, noch immer schütze, ist Domenico bereits verdächtig geworden. Bald wird er Nachforschungen anstellen, vielleicht tut er es schon und wenn er in der richtigen Richtung sucht, dann wird er wissen, warum O’Hagan Euch jagt. Und dann müsst Ihr darauf gefasst sein.“

„Und warum Ihr?“, verständnislos zog ich die Stirn in düstere Falten, starrte die Säulen an und jetzt war mir sogar ihre Bedeutung völlig egal. Was zählte waren jetzt nur noch O’Hagan, Domenico, Nevar und ich. „Warum müsst Ihr darauf gefasst sein? Ihr könntet Euch abwenden und mich mit diesem riesigen Chaos einfach alleine lassen.“

„Ihr seid O’Hagans Schwachpunkt. So lange Ihr lebt, sucht O’Hagan euch. Das lenkt ihn von den wesentlichen Dingen ab, die meine Sache vereinfachen. So lange Ihr nicht wirklich gefasst seid, ist O’Hagan unaufmerksam.“, wieder stand er auf und diesmal hielt ich ihn nicht fest. „Es tut mir leid, Falcon, aber jetzt ist nicht die Zeit zu reden. Ihr müsst zurück. In zwei Tagen werde ich Euch zu mir holen und ich verspreche Euch, es werden keine Fragen mehr bleiben.“

„Ihr versprecht es?“, zögernd stand auch ich auf und nickend erwiderte Nevar:

„Ihr habt mein Wort.“, doch eine innere Stimme sagte mir, dass sein Wort in diesem Moment nicht viel wert war. Das Versprechen eines Ketzers, verkleidet als Geistlicher, mitten unter den Geboten Gottes? Blasphemischer konnte es nicht werdet, außer, er hätte es vielleicht auf die Heilige Schrift geschworen.

Mir blieb nichts anderes übrig, als mich dem zu beugen und zurück zu ‚Marias Obhut’ zu gehen. Im Grunde hatte Nevar Recht, wie so häufig. Jetzt war nicht die Zeit dazu, zu reden, denn es wäre auffällig, wenn wir so lange zusammen säßen. Davon abgesehen war es wohl auch nicht der richtige Ort. Ich musste mich in Geduld üben, auch, wenn es mir unglaublich schwer fiel.

Im Gebäude angekommen erklärte Nevar gütig, dass ich gebeichtet hätte, entschuldigte sich für die Dauer und irgendwann dann ging er, nach mehreren, längeren Unterhaltungen mit den anderen Leuten. Kaum war der angebliche Geistliche aus dem Haus, es dauerte nicht einmal zehn Sekunden, verfielen alle wieder in den gewohnten Alltag. Kälte und Unfreundlichkeit, Näharbeiten, scharfe Kommandos und dazu stets Gottes Worte im Hintergrund, da einer uns die heilige Schrift vorlas. Wie erleichtert ich war, als man mich Tage später dann wirklich fort schickte. Anneliese brachte mich zu einem Gebäude, versprach mir mich zeitig wieder abzuholen und unsicher trat ich in das ganz normale Wohnhaus ein. Es wurde zur Gewohnheit für mich wie ein Kind hin und her geführt zu werden und ganze drei Wochen wiederholten wir das immer und immer wieder, ohne, dass der geringste Verdacht geschöpft wurde. Ich besuchte Nevar in einem normalen Haus, das kurzerhand von der Deo Volente übernommen und nun zu katholischen Zwecken verwendet wurde. Alles, was es irgendwie katholisch aussehen ließ, war ein Holzkreuz über der Eingangstür und mir kam der Gedanke, dass Nevar das hätte mit jedem Haus tun können. Ob die Deo Volente wusste, dass er ein Haus besetzt hatte, um persönliche Gespräche mit Gottes Schafen zu führen? Wir hatten jeden Tag nur gut vier Stunden, aber diese wenige Zeit nutzten wir vollkommen aus. Nevar und ich sprachen nicht pausenlos, aber er erklärte mir jeden Tag ein bisschen mehr. Während er mir viele Handgriffe und Tricks beibrachte, mit denen ich mich wehren könnte, begann ich langsam immer mehr zu verstehen.

Domenico arbeitete zwar unter O’Hagan, aber nicht in direkter Verbindung zu ihm. Es gab mehrere Unterstufen von Herrschaft und natürlich wollte jeder Herrscher sein eigenes, kleines Reich haben. Domenico tat viel hinter O’Hagans Rücken und als er hörte, dass Nevar mich gefunden hätte, denjenigen, den O’Hagan so eifrig suchte, erhoffte er sich einen Trumpf im Ärmel. Domenico wusste allerdings nicht genau warum O’Hagan mich suchte und als er mich dann vor sich sitzen sah, überkam ihn die dunkle Vorahnung, dass es ein Fehler gewesen war. Er überprüfte es und fand Gewissheit. Der Gouverneur hatte behauptet, ich wäre ein Mörder und Betrüger, doch das war eindeutig eine Lüge gewesen. Nevar hatte mich versteckt, die Morde waren mir also unmöglich gewesen. Der große Domenico, der es geschafft hatte den verfluchten Ketzer und Mörder zu fangen, hatte nichts anderes als einen unschuldigen Mann vor sich. O’Hagan hatte mich nicht gesucht, weil ich jemanden umgebracht oder mich ihm widersetzt hatte, nein, es musste andere Gründe geben, dreckige Gründe. Wenn er mich O’Hagan ausgeliefert hätte, dann hätten Fragen kommen können. Domenico hätte seinen Verdacht äußern müssen und vielleicht hätte O’Hagan versucht ihn los zu werden. Vielleicht hätte Domenico seinen Posten verloren, die Deo Volente ihre Unterstützung und vielleicht wäre alles kaputt gegangen, wofür der alte Narr gekämpft hatte. Also was tun mit mir, wie den Fehler beseitigen? Domenicos Vermutung war, dass ich als Mönch einen Fehler gemacht hatte, den O’Hagan jetzt bestrafen wollte – ein Fehler, der vielleicht nie einer gewesen war. Von der Kiste, die Black hatte haben wollen, wusste er nichts.

Er versuchte mich verschwinden zu lassen, bot mir ein neues Leben, hoffte dabei ich würde sterben. Stattdessen zog ich nur noch mehr Aufmerksamkeit auf mich, was zur Folge hatte, dass ich sterben musste. Das alles klang für mich völlig absurd und Nevar machte mir deutlich, dass es noch viel, viel mehr Informationen gab, die allerdings nicht mal er wusste. Aber Fakt war: Wenn jemand erfahren würde, dass ich, Sullivan O’Neil, noch lebte, dann könnte das Probleme geben. Domenico war ungewollt in eine Sache hinein gerutscht, in der er nicht hatte hinein rutschen wollen. Sein einziger Wunsch war gewesen den Verbrecher Sullivan zu fangen und dafür O’Hagans Gunst zu gewinnen, stattdessen erwies sich das alles als ein großer Fehler. Eine Information, die er nicht hatte herausfinden dürfen.

Nun, wo ich ruhig war und meinem Leben in Marias Obhut nachging hatte Domenico auch wieder ein friedliches Leben. Er brauchte nicht fürchten, dass O’Hagan bei ihm suchen würde. Er hatte mich versteckt, richtig? Wenn man es anders drehte könnte man behaupten, dass Domenico mich vor O’Hagan schützen würde, er war in einem Teufelskreis gefangen. Wenn er mich umbrachte, so wie er es fälschlicher Weise geplant hatte, würde er O’Hagans ausdrücklichem Ausruf widersprechen, mich lebend abzuliefern. Wenn er mich zu ihm brachte, würde man sich wundern warum erst jetzt. Ich bräuchte nur den Mund aufmachen, von seinen Angeboten erzählen und alles wäre aus. Wenn er mich irgendwie zum Schweigen brachte, würde O’Hagan Verdacht schöpfen und denken, dass Domenico von seinen bösen Machenschaften wüsste.

Es war nur eine Frage der Zeit, bis Domenico eine Notlösung gefunden hatte. Ich brauchte nur zu laut atmen und er würde sich dazu entscheiden, mich zu entsorgen. Unbemerkt, heimlich, leise. Vielleicht würde er die Kreuzer schicken, vielleicht einen Mörder beauftragen, vielleicht anderes. Sollte ich noch einmal auf mich aufmerksam machen wäre das mein Todesurteil. O’Hagan würde die jahrelange Suche nach mir abbrechen, die Samariter hätten wieder mehr mit ihm zu tun und ihre Kämpfe, wo auch immer diese waren, würden um einiges erschwert werden. Ich verstand nicht genug von den Rebellen, um zu verstehen, inwiefern diese Kämpfe beeinflusst waren, aber Nevar erklärte mir die Dringlichkeit. Ich war wichtig für sie, für O’Hagan und für Domenico. Noch war Domenico ruhig, aber bald würde er nervös werden und für diesen Tag musste ich gewappnet sein. Mich beschlich die böse Vorahnung, dass das Startsignal nervös zu werden von Nevar kommen würde. Eine innere Stimme sagte mir, dass die Samariter entschieden, wann er mich tot sehen wollte, aber diese Stimme beunruhigte mich nicht. Ich wusste, dass Nevar zu ihnen gehörte und ich wusste auch, dass ich mich auf ihn verlassen konnte.

Während meiner Zeit mit ihm wurde ich immer selbstsicherer und auch ruhiger. Ich bereitete mich auf die nächsten Treffen vor, dachte nach und versuchte mir die Fragen zu merken, die mir in den Sinn kamen, um sie beim nächsten Mal zu stellen. Die blauen Flecken und den Muskelkater ignorierte ich, denn mit der Zeit wurde er zur Gewohnheit. Er zeigte mir Bewegungen, lehrte mich Griffe abzuwehren, zuzuschlagen ohne mir selbst zu schaden und auch, einfachen Attacken auszuweichen. In allem war er jederzeit besser als ich, schon allein, da sein Körper viel stärker war. Ich hatte weder die Zeit noch den nötigen Raum, um mich heimlich zu üben und zu stärken, er schon. Dennoch brachten mich alle erlernten Dinge voran. Zwar hatte ich keinerlei Chance, wenn ich ihm beweisen sollte, was ich konnte, aber Nevar versicherte mir, wenn er nicht wüsste, was ich tun würde, hätte er verloren. Ich glaubte ihm nicht. Dennoch: Durch das viele Reden wurde ich aufgebaut, gewann an Selbstbewusstsein und fasste neues Vertrauen. Ich stellte mir vor, wie ich O’Hagan mit diesen kleinen Handgriffen überraschte, wie ich Verfolger abschüttelte, sogar, wie ich Kämpfe führte. Natürlich war das alles mehr als nur fantastisch, aber ich wusste auch, dass es nur Fantasien waren und machte mir immer und immer wieder bewusst, dass ich mit Ernsthaftigkeit bei der Sache sein musste. Wenn ich in meinem ‚Bett’ lag ging ich alles noch einmal durch, wiederholte Nevars Grundsätze und manchmal kam es, dass ich träumte ich wäre er.

Es war nicht sein Kampf, für den ich übte.

Aber es war auch nicht mein Kampf.

Es war unser Kampf, der von Nevar und mir und ich würde ihn nicht enttäuschen.

Das wusste ich.



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Kommentare zu diesem Kapitel (1)

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Von:  Pataya
2010-09-03T07:31:18+00:00 03.09.2010 09:31
Hi,
als erstes muss ich dir sagen, ich hab jetzt in den letzten 2 wochen (ohne we) deine geschichte, band1 und 2 - bis zu diesem Kapitel -, gelesen und zweitens...ich finds einfach nur klasse. ich liebe ja historische romane und da ist deine geschichte genau das richtige. es ist so autentisch, dass ich mich beim lesen sofort hineinversetzen konnte. und das ist einfach großartig.

ABER: (jetzt das große aber^^...nur keine angst)... sullivan tut mir schon irgendwo leid. was der alles abbekommt. ich hoffe, er kann sich im Laufe der Geschichte noch n bissl mehr durchsetzten und bekommt mehr durchsetzungsvermögen^^

so. das wars auch schon von mir.

sry, das ich keine kommentare zu den anderen kapiteln geschrieben habe, ich hatte es als unnötig abgestempelt, da ich ja jetzt hier alles reingeschrieben habe, aber das ändert sich in zukunft^^

Lg, Pat..... neuerdings ein treuer leser

*schon aufgeregt auf das nächste akpitel warte*


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