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Eragon - Kind des Mondes

Murtagh x OC
von

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Shruikan

Araya wusste nicht, wie lange sie schon auf dem kalten und steinernen Boden im Drachenhort saß, doch nach einer Weile spürte sie einen suchenden Geist, der ihre Barriere wie neugierige Finger abzutasten schien. Unwillkürlich öffnete Araya ihren Geist und umschloss den des Suchenden. Das gequälte Fauchen eines Drachen riss sie schließlich endgültig aus ihrer Trance.

Dorn hatte den riesigen Kopf gesenkt und stieß ebenjenen Klagelaut aus. Erst da wurde Araya bewusst, dass sie die fremde Präsenz immer noch mit ihrem Geist umschlossen hielt und ihn somit einsperrte und zusammenpresste. Sofort ließ sie das Bewusstsein los und Dorn verstummte.

Murtagh hingegen hatte sich die Fingerspitzen an die Schläfen gepresst, als hätte er Kopfschmerzen. Während der Drachenreiter versuchte, sich wieder hoch zu hieven, wischte Araya sich mit zittrigen Händen die Tränen von den Wangen und schlich leise zu dem unterirdischen Fluss, um auch die letzten Tränenspuren verschwinden zu lassen.

Murtagh trat mit festen Schritten neben sie. „Ich wollte dich nicht zum Weinen bringen“, sagte er zerknirscht und starrte zur Seite, als sie ihm den Kopf zuwandte. „Das glaube ich dir sogar“, erwiderte Araya leise und setzte dann hinzu: „Aber mir macht etwas Anderes Sorgen.“

Verwirrt sah ihr Murtagh in die Augen. Sie schienen nur die eine Frage zu kennen. „Wenn Galbatorix jetzt deine Erinnerungen durchforstet, wird er sehen, was du gerade gesehen hast. Und das macht mir Angst. Du gibst ihm unfreiwillig eine Waffe, die eigentlich nie in seinen Besitz gelangen sollte.“

Schweigen hüllte die Höhle in eine kalte Decke ein. Murtagh hatte nicht daran gedacht, dass er Galbatorix in die Hände spielen könnte, indem er einen Zauber bei Araya wirkte. Er hatte sie vielleicht in ihren Untergang geschickt …

„Wie hast du das gemacht?“, durchbrach Arayas Stimme plötzlich die Ruhe. Auf den Seitenblick, den Murtagh ihr zuwarf, ergänzte sie: „Das mit meiner Stimme!“ Demonstrativ zeigte sie mit dem Zeigefinger der rechten Hand auf ihren Kehlkopf.

„Ich habe Magie benutzt, um deine Stimmbänder anzuhalten“, antwortete er schließlich desinteressiert. Araya legte den Kopf schief. „Und wie benutzt man Magie?“ Murtagh seufzte. Er hatte wohl gehofft, sie würde sich mit dieser einfachen Antwort zufriedengeben.

„Zuerst muss man in den Strom der eigenen Magie eintauchen. Dann muss man sich von ihr durchströmen lassen, woraufhin man sie schließlich mit Worten formen kann.“

„Was für Worte?“, stellte Araya sofort die nächste Frage. Ihr wurde ein genervter Blick zuteil, doch Murtagh antwortete trotzdem: „Worte der Magie. Die Sprache der Magie wird die »Alte Sprache« genannt. Es heißt, sie wurde früher von allen Lebewesen gesprochen, doch mit der Zeit geriet sie in Vergessenheit.“

Unbewusst legte Araya den Kopf schief. Alle Lebewesen hatten einmal diese Sprache gesprochen? Aber nicht alle Lebewesen konnten sprechen. Unauffällig musterte sie Murtagh und wog ab, ob sie es riskieren konnte, ihm noch eine Frage zu stellen. Wenn sie es sich recht überlegte, hatte sie an diesem einen Tag so viele Fragen gestellt wie noch an keinem anderen Tag. „Was bedeutet »Letta«? Du hast es benutzt, um mir meine Stimme zu nehmen.“

„Es bedeutet »stoppen«“, erwiderte Murtagh in einem Tonfall, der klarmachte, dass er nicht weiter gelöchert werden wollte. Jedenfalls nicht zu diesem Thema. Erst jetzt wurde Araya bewusst, dass ihre Wut auf Galbatorix und ihre Bestürzung über den Verlust ihrer Stimme verflogen waren. Sie hatte sich so auf das Mysterium der Magie konzentriert, dass sie alles andere völlig verdrängt hatte. Und sie beschloss, ihren Groll ruhen zu lassen.

Unsicher sah sie zu Dorn. Vielleicht konnte ihr der Drache einen Hinweis auf Murtaghs Gemütszustand verraten. Doch wenn dieser genauso dunkel war wie die kleinen Rauchwolken, die nun aus dessen Nüstern aufstiegen, dann hatte sie wohl keine Chance, ihn noch zu einem Gefallen zu überreden. Besser gesagt zu zwei, fügte sie in Gedanken hinzu, als sie ihr Kleid musterte.

Schließlich nahm sie allen Mut zusammen und öffnete den Mund, um zu sprechen. Doch sie konnte nicht einmal ein Wort hervorbringen, da wurde sie von Murtagh bereits mit einem barschen „Keine Fragen über Magie!“ unterbrochen. Sie sah es ihm nach und nickte überdeutlich, sodass er es aus den Augenwinkeln eigentlich gesehen haben müsste.

„Du sagtest, in drei Tagen sei Vollmond. In dieser Nacht brauche ich einige ganz bestimmte Kräuter und ich wollte dich fragen, ob du vielleicht gewillt bist, mir dabei zu helfen, sie zu beschaffen. Ich stände in deiner Schuld.“ Sie machte eine kurze Pause, und als Murtagh nichts weiter sagte, fügte sie rasch hinzu: „Und wäre es eventuell noch möglich, mir andere Kleidung mitzubringen? Dieses hier eignet sich nicht wirklich für einen Drachenhort!“

Augenblicklich hallte ein tiefes Grollen durch die Höhle. Dorn meldete sich wieder zu Wort: Soll das heißen, dass es hier zu viel Dreck gibt, Menschenkind?!! Doch bevor er nach Araya schnappen konnte, ging Murtagh dazwischen. „Lass es, Dorn! Sie hat recht. Ich werde dir gleich morgen früh neue Kleidung mitbringen. Was die Kräuter betrifft, müsstest du mir erst einmal sagen, welche du brauchst …“

Überglücklich klatschte Araya in die Hände. Er war tatsächlich bereit, ihr bei den Vorbereitungen des Rituals zu helfen. „Oh! Ich brauche rosemary, arnica, und vermouth!“, rief sie begeistert aus. Murtagh sah sie jedoch nur gereizt an.

„Geht das vielleicht auch in einer Sprache, die ich verstehe?“, blaffte er sie an und erst verstand Araya nicht, doch schließlich fiel der Groschen. „I-ich kenne leider keine Kräuternamen in deiner Sprache. Die, von denen ich es gelernt habe, hatten Besseres zu tun, als ganze Listen mit Kräutern durchzugehen“, erwiderte sie unsicher. Selbst wenn er unzählige Kräuter aufzählen würde, könnte sie ihm nicht sagen, welche sie bräuchte. Wie auch, wenn sie den Zusammenhang der Worte nicht herstellen konnte?

„Dann werde ich dich gleich bei Sonnenaufgang in die Küche schleusen müssen!“, seufzte der Drachenreiter ergeben und erhob sich. „Aber es ist spät und du möchtest bestimmt deinen wohlver-dienten Schlaf genießen und nichts davon missen. Ich hole dich ab, wenn die Sonne gerade den Horizont berührt.“ Er war schon an der Treppe angekommen, als Murtagh sich noch einmal umwandte. „Und Dorn? Sei brav!“, knurrte er in einem mahnenden Ton und verließ schließlich den Hort.

Murrend zog sich der rote Drache in eine der dunkleren Ecken der Höhle zurück und peitschte währenddessen mit dem schuppenbesetzten Schweif über den Boden. Araya hörte noch das Knir-schen der kleinen Steine unter seinen Schuppen, als er sich auf der Erde niederließ, dann war alles ruhig. Sie senkte den Kopf. Dorn schien sie aus unerfindlichen Gründen nicht besonders zu mögen, doch Araya selbst war sich keiner Schuld bewusst.

Das schabende Geräusch, das der schließende Geheimgang hervorrief, schallte durch den Drachen-hort und kündigte an, dass Murtagh die Halle verlassen hatte. Araya kam sich verlassen und allein in diesem riesigen Raum vor. Für einen Menschen war dies hier viel zu gewaltig, als dass er sich hier wohlfühlen konnte.

Suchend sah sie sich um. Es gab nirgendwo einen Platz, der mit Decken als Schlafstätte gekenn-zeichnet war. Sie hatte nicht wirklich erwartet, dass es ihr hier ein wenig gemütlicher gemacht wurde als in ihrer Zelle im Keller, doch ein paar Decken, um nicht auf dem so harten Erdboden schlafen zu müssen, hatte sie schon erwartet. Aber anscheinend war selbst das zu viel verlangt.

Seufzend entschied Araya, dass sie, wenn sie schon auf dem Boden schlafen musste, nicht wie auf dem Präsentierteller liegen wollte. Sie zog sich in ein halbdunkles Areal des Horts zurück. Vorher holte sie sich jedoch ihr altes und mittlerweile fast trockenes Kleid von dem unterirdischen Fluss und benutzte es als eine Art Kopfkissen.
 

Erneut frierend erwachte Araya am nächsten Morgen. Sie hatte wieder den Traum gehabt, unter Eis gefangen zu sein, und fand es langsam seltsam. Auch diese wunderschönen schwarzen Augen hatte sie wiedergesehen, doch sie war erwacht, bevor sie das Gesicht zu ihnen sehen konnte. Es war frustrierend …

Müde schloss sie erneut die Augen, worauf jedoch sofort ein Schütteln ihren Körper erfasste und sie sich hastig aufsetzte. Sie starrte genau in Murtaghs Augen. Und sie kam nicht umhin zu bemerken, dass seine Seelenspiegel fast genauso schwarz waren wie die aus ihren Träumen.

Mühsam riss sie sich von den Tiefen los, in die sie Araya ziehen wollten, und registrierte Dorn, der ungeduldig hinter Murtagh thronte. Endlich! Wurde aber auch Zeit, dass du aufwachst, kleine Fremde. Murtagh versucht bestimmt schon seit fünf Minuten, dich aufzuwecken!!, kommentierte er ihren schlaftrunkenen, fragenden Blick, der ihn auffordern sollte, ihr doch zu sagen, was ihm nun schon wieder nicht passte.

Verwirrt sah sie nochmals in Murtaghs Gesicht, bevor sie verschlafen fragte: „Was ist denn los?“ Die Augen verdrehend antwortete er, die Sonne sei aufgegangen und er wolle sie abholen. „Abholen? Wohin gehen wir denn?“, erwiderte Araya nur verwirrt. Sie hätte vielleicht erwähnen sollen, dass sie kurz nach dem Aufwachen nicht gerade der hellste Stern am Abendhimmel war, denn dann hätte Dorn sicher keinen Satz auf sie zugemacht, während er bedrohlich knurrte. Jedoch verfehlte diese Aktion seine Wirkung nicht, denn nun war sie hellwach.

„Ach so. Du willst mich in die Küche bringen, oder?“, fragte Araya sicherheitshalber noch mal nach und erhielt ein ungeduldiges Nicken als Antwort. „Ja. Aber wenn du dich nicht bald mal beeilst, wird das heute nichts mehr. Ich will nicht riskieren, dass der König von unserem Ausflug Wind bekommt“, antwortete Murtagh.

Also beweg dich!, setzte Dorn noch unhöflich hinten an und unterstrich seinen Befehl, indem er seinen rubinroten Schweif über den Boden sausen ließ. Gemächlich gähnend erhob sich Araya von ihrer unbequemen Schlafstätte und machte sich auf zum unterirdischen Fluss, in dem sie schon gestern gebadet hatte. „Ich hab dir deine Kleidung schon dorthin gelegt!“, rief ihr Murtagh noch nach, worauf er nur ein Winken von Araya bekam, das bedeuten sollte, dass sie verstanden hatte.

Sie sprang schnell in den kalten Fluss, wusch sich und versuchte schließlich, so trocken wie möglich zu werden, bevor sie in das von Murtagh mitgebrachte Kleid stieg und es sich überzog. Sie konnte erst an sich hinuntersehen, als sie wieder in dem künstlichen Licht stand. Es war ein einfaches Baumwollkleid ohne jede Verzierung, aber Araya fand, dass es unangenehm sowohl ihre blässlich schimmernde Haut als auch ihr schwarzes Haar betonte. In Cyrianna hätte sie so etwas niemals getragen.

Murtagh hingegen nickte zufrieden und wandte sich dem Ausgang zu. Ohne ein sichtliches Zeichen, dass er sie begleiten durfte, erhob sich Dorn und machte ebenfalls Anstalten, sich dem Loch in der Wand zu nähern. Araya beeilte sich, die beiden einzuholen und fragte dann: „Kommst du mit, Drache Dorn?“ Der rubinrote Drache starrte sie mit einem seiner Augen an, doch eine Antwort erhielt sie nicht. Für einen kurzen Moment drängte sich ihr der Gedanke auf, dass jetzt womöglich der Drache selbst nicht mehr so weit in ihr Bewusstsein vorstoßen konnte, um ihr seine Worte zu übermitteln, doch dann war Araya sich sicher, dass er sie einfach ignoriert hatte.

Dorn passte ohne Probleme durch den Gang mit den Treppen, auch wenn es sicherlich nicht sehr angenehm für ihn war, über die für ihn kleinen Erhöhungen im Boden zu gehen, da sie ihm in die Haut unter seinen Klauen drückte. Araya stellte sich die Frage, ob dieser Gang von jeher für Drachen gedacht gewesen war. Wenn ja, dann hatten die Erbauer nicht sonderlich viel auf das Wohl dieser magischen Geschöpfe geachtet.

Auch an der Wand in der Höhle gab es eine handtiefe Versenkung, in die Murtagh nun die Hand mit dem silbernen Mal legte und ein paar unverständliche Worte murmelte. Nun, da Araya dieses Schauspiel schon zum zweiten Mal sah und sie wusste, dass Murtagh ein Magier war, sträubten sich Araya die Nackenhaare. Sie war sich sicher, dass er Worte in der Alten Sprache aufsagte, um die Wand zu öffnen, und dieser Gedanke behagte ihr seltsamerweise nicht. Ihre Gefühle mussten so stark von ihr ausstrahlen, dass selbst Dorn sie erspüren konnte und in der kurzen Zeit unruhig mit dem Schweif peitschte.

„Still, Dorn!“, ermahnte Murtagh seinen rubinroten Drachen, während der Fels zurückglitt. Schuldbewusst biss sich Araya auf die Unterlippe und überlegte, ob sie ihm sagen sollte, dass Dorns Unruhe ihre Schuld war. Doch als sie schließlich den Mund öffnen wollte, gab der Drache nur ein abgehacktes Grollen von sich. Araya wunderte sich zwar, dass er ihren Fehler ausbügelte, aber die Taten eines Drachen waren von Natur aus undurchschaubar.

Die Schwarzhaarige beeilte sich, dem Drachenreiter zu folgen, bevor dieser wieder ungeduldig nach ihr rufen konnte. Dorn folgte rasch und die steinerne Wand glitt wieder an ihren ursprünglichen Platz zurück. Araya konnte gar nicht so schnell schauen, wie das geflügelte Wesen lautstark Anlauf auf dem Marmorboden genommen hatte, auf dem seine Krallen ein hohles Geräusch erzeugten, und durch eines der großen Fenster im Himmel verschwunden war.

Ehrfürchtig schaute Araya dem Himmelsherrscher nach und riss sich erst von dem Anblick des Feuer speienden und brüllenden Drachen los, als Murtagh sie an der Hand gepackt und quer durch den Thronsaal schleifte, sodass sie das Fenster aus den Augen verlor. Rasch hatte Araya wieder aufgeholt und lief nun neben Murtagh her.

Sie mussten nur einen Stock tiefer gehen, um die Küche zu erreichen. Sie lag am Ende eines schmalen Ganges, in dem man hintereinandergehen musste, um die Wände nicht zu berühren, was denkbar ungünstig war. Nicht selten kam ihnen mitten im Gang ein Diener entgegen, der sich mitsamt Tablett in eine kleine Nische drängen musste, um Murtagh vorbeizulassen. Er war höhergestellt als die Diener, daher wäre es unschicklich gewesen, ebenjenen den Vortritt zu lassen. Die höfischen Sitten scheinen also überall gleich zu sein, dachte sie und bedachte den vorbeilaufenden Jungen mit einem entschuldigenden Blick.

Die Küche war im Gegensatz zum Gang riesig. Das Dreifache des anwesenden Küchenpersonals hätte in den insgesamt drei Räumen Platz gefunden, und selbst dann hätte noch eine Heerschar von Kellnern Essen holen und Geschirr zurückbringen können. Der größte Teil der Küche wurde natürlich von den Kochfeuern und Arbeitsplatten eingenommen. Araya hatte noch nie so viele Kochstellen in einem Raum gesehen. Es waren weit mehr als fünfzig, und sie fragte sich, wie viele Menschen allein hier in Galbatorix Herrschaftsgebiet leben mussten, um eine solche Anzahl zu rechtfertigen.

Der zweitgrößte Raum war der Schlafraum des Gesindes, das nur aus einem einzigen Grund ihre Schlafstätten so nahe an der Küche hatte: Um in kalten Winternächten nicht zu erfrieren, in denen es reine Verschwendung wäre, Kaminfeuer brennen zu lassen. Natürlich nicht, weil es dadurch nicht wärmer wurde, sondern weil die hohen Herren, die die oberen Zimmer benutzten, das kostbare Holz nicht an ihre Lakaien und Bediensteten verschwenden wollten.

Der kleinste Raum war die Vorratskammer. Trotzdem übertraf diese alle Dimensionen, die Araya von Zuhause gewohnt war. Fünf große Regale standen an den Wänden und waren bestückt mit allen möglichen Lebensmitteln, die sie sich nur vorstellen konnte. Auf dem Boden lagen Kartoffeln, die ihr seltsam rund erschienen, und getrocknete Fleischstreifen hingen von der Decke. Doch ihre ganze Aufmerksamkeit richtete sich auf das breite Fensterbrett, auf dem Kräuter zum Trocknen lagen.

Araya suchte sich vorsichtig einen Weg durch das Gemüse, das auf dem Boden verstreut lag. Murtagh folgte ihr in einigem Abstand. Sie brauchte nicht lange, um die jeweiligen Kräuter zu identifizieren. „Das da! Das ist vermouth“, erklärte sie Murtagh. Der Brünette verzog das Gesicht und rief nach einer Köchin: „Hey, du! Komm her und sag mir, wie diese Kräuter heißen!“

Eilig suchte sich die mollige Frau einen Weg zu dem Fensterbrett, dann strich sie sich eine lose Haarsträhne zurück in ihren Dutt und fragte, welches Kraut der Herr gerne beim Namen wissen würde. Aufgeregt deutete Araya auf das gewünschte Grün. Ein unsicherer Blick streifte Murtagh, doch als der nur eine ungeduldige Handbewegung machte, erklärte sie schnell: „Das ist Wermut, edles Fräulein!“

„Wermut …“, murmelte Araya vor sich hin und versuchte, sich den Namen gut einzuprägen. Er fühlte sich seltsam befremdend auf ihrer Zunge an. „Und … und wie heißt rosemary in eurer Sprache?“ Um der Köchin zu zeigen, welches der Kräuter sie genau meinte, wies sie mit dem Zeigefinger auf die hellblauen Blüten hin. „Rosmarin“, antwortete die Frau mit einem Knicks.

Ein Nicken zeigte ihr, dass Araya verstanden hatte. Auf diese Weise erfuhr sie auch, dass arnica in Murtaghs Sprache Arnika hieß. Nachdem Araya die mollige Frau freundlich gefragt hatte, ob sie sich etwas von den drei Kräutern ausleihen könne, und eine zustimmende Geste erhalten hatte, hatte sie jeweils ein paar Zweige jeden Krautes genommen und in die Rocktaschen ihres Kleides verstaut. Dann fing die Fragerei unkontrolliert an: Araya nannte Begriffe in ihrer Heimatsprache und zeigte auf Dinge im Raum, die die Köchin dann für sie übersetzte.

Die arme Frau war völlig überfordert mit diesem fremdländischen Mädchen, dass sie über Küchenzutaten ausfragte. Jedoch erfuhr Araya auf diese Weise, dass nettle, thyme, fennel, rose hip, cumin, nutmeg und juniper hier Brennnessel, Thymian, Fenchel, Hagebutte, Kümmel, Muskat und Wacholder hießen. Als Arayas Wissensdurst endlich gestillt war, stand die Sonne schon um einiges höher und andere Köche hatten murrend die Schicht der molligen Frau übernommen, die eigentlich für das Frühstück verantwortlich gewesen war.

Erst jetzt bemerkte Araya ihren Hunger, und da es Murtagh zu umständlich war, erst wieder in den Drachenhort zu gehen und dann auf das Essen zu warten, beschloss er, sich darauf hinabzulassen, in der Küche zu essen. Araya freute sich über die Gesellschaft, und als Saliha in die Küche kam, um das benutzte Geschirr Seiner Majestät in die Küche zu bringen, bestand sie auf deren Anwesenheit und bescherte ihrer besten Freundin damit ein reichhaltiges Frühstück.

Leider wäre es auffällig gewesen, wenn Saliha noch länger ihrem Dienst ferngeblieben wäre, trotzdem war Araya glücklich, zu sehen, dass es ihrer Freundin weitestgehend gut ging. Sie schien es nicht so schwer zu haben wie sie selbst, ihr altes Leben hinter sich zu lassen und zu vergessen. Sie wirkte sogar richtig zufrieden.

Araya selbst vermisste den Geruch des Meeres und die weiten Ebenen in Drakon-Ryuu. Und ihre Familie. Sie konnte sich einfach nicht dazu überwinden, sie zu verdrängen oder sogar zu vergessen. Immer wieder rief sie sich die glücklichsten Momente mit ihrer Familie vor Augen; das Lachen ihres Vaters, den strengen und doch stets besorgten Blick ihrer Mutter und die unbeschwerte Ausgelassenheit ihres jüngeren Bruders.

Während sich Saliha und Araya miteinander unterhielten, saß Murtagh mit grimmiger und finsterer Miene neben ihnen, da er nichts von dem verstand, was die Mädchen miteinander redeten. Das war auch etwas gewesen, was sie genossen hatte: Sich wieder mit jemanden in ihrer Muttersprache zu unterhalten.

Lange hielt es Murtagh nicht mehr in der Küche aus, als Saliha sich entfernt hatte. Araya hatte sich zwar noch mit der netten Köchin und einigen Dienern unterhalten, die in der Küche auf Essen warteten, das sie ihren Herren bringen sollten, doch sie wurde rasch von dem Dunkelhaarigen unterbrochen, der sie dazu drängte, in den Hort zurückzukehren.

Sie ahnte, dass Murtagh einfach nicht weiter in der Küche stehen und ihr zusehen wollte, da er sich dort nicht wohlfühlte. Araya musste jedoch zugeben, dass sie sich in seiner Situation ähnlich fühlen würde. Sie bemerkte sehr wohl, wie befremdlich und manchmal auch feindselig die Diener ihn ansahen. Also ließ sie sich bereitwillig aus der Küche führen, ließ sich jedoch Zeit dabei, durch den engen Gang zurück in den Treppensaal zu gehen.

Sie wollte nicht schon wieder zurück in den Drachenhort mit seinem künstlichen Licht, wenn sie genauso gut die Strahlen der Sonne auf ihrer Haut genießen könnte. Vor allem, da sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte, vielleicht wenigstens wieder eine leicht bräunliche Hautfarbe zu bekommen.

Um Murtagh das mitzuteilen, griff sie nach seiner Hand, als sie das Erdgeschoss erreicht hatten, da er vorging, um sie zu führen, und ignorierte das unangenehm Gefühl, das ihr Körper daraufhin zu ihr zurücksandte. Verwundert drehte er sich zu ihr um. „Was ist?“, fragte er, während er eine Augenbraue hochzog. Etwas verunsichert schielte Araya zu der kleinen Seitentür, die ihrer Meinung nach auf den Hof hinausführen könnte.

„Müssen wir schon zurück?“, erwiderte sie bedauernd und schaute dieses Mal direkt aus einem naheliegenden Fenster. Ihr war nicht wohl dabei, ihn zu bitten, mit ihr nur für ein paar Minuten nach draußen zu gehen. Sie wollte ihn nicht dazu zwingen, ihr einen Wunsch so offensichtlich abschlagen zu müssen. Außerdem könnte sie sich in diesem Fall immer noch selbst einreden, er habe ihre Andeutungen einfach nicht verstanden.

Doch Murtagh seufzte, als er ihrem Blick folgte. „Von mir aus“, antwortete er auf ihre unausgesprochene Frage und als sich Arayas Gesicht erhellte, fügte er schnell noch hinzu: „Aber nur für eine kurze Weile! Galbatorix wird es gar nicht gut aufnehmen, wenn er dich auf dem Hof sieht.“

Das war ihr schon genug. Zur Bestätigung nickte sie kräftig und wartete dann mit erwartungsvollem Blick darauf, dass Murtagh wieder vorging. Mit einem Kopfschütteln wandte er sich ab, umschloss ihre Hand fester und zog sie in Richtung der unauffälligen Holztür, zu der Araya noch kurze Zeit zuvor gesehen hatte.

Als sie durch die Tür traten, konnte Araya ein seliges Lächeln nicht verhindern. Sie wandte ihr Gesicht mit geschlossenen Augen dem Himmel zu und genoss die Wärme auf ihrer Haut. Das Mädchen sog die frische Luft tief in ihre Lungen, registrierte mit einem Stirnrunzeln jedoch die starke rauchige Note des Windes. Und als sie die Augen öffnete, sah sie die hohen Mauern, von denen das riesige Gebäude, in dem Galbatorix in Urû‘baen hauste, umgeben war. Dahinter musste sich die Stadt befinden, in der wohl auch viele Eisenhütten standen.

Araya warf einen weiteren Blick in den Himmel und bemerkte Dorn, der wohl die kurze Zeit der Freiheit ausnutzte, um unbeschwert seine Schwingen ausbreiten und wieder fliegen zu können. Er wirkte ausgelassen und fröhlich, und plötzlich kam er Araya viel jünger vor, als sie ihn aufgrund seiner Größe und Statur geschätzt hatte. Dann verdunkelte ein Schatten die Stelle, an der Murtagh und Araya standen.

Sie warf einen erneuten Blick auf Dorn, nur um festzustellen, dass er viel zu weit entfernt war, um gerade über sie hinweggeflogen zu sein. Erschrocken warf Araya den Kopf in den Nacken und erblickte einen zweiten Drachen. Auch Murtagh hatte den zweiten Herrscher der Lüfte entdeckt, und als dieser sich dem Boden näherte, kniete der Gefangene des Königs ohne zu zögern nieder.

Fast instinktiv folgte Araya seinem Beispiel, senkte jedoch nicht den Kopf, wie der junge Mann es tat. Ein pechschwarzer, männlicher Drache landete vor ihnen, hoch erhobenen Hauptes und stolzen Blickes. Aber Araya sah sofort die Ketten, die auch dieses wunderschöne Geschöpf in ihren Fängen hielten. Und das erste Mal in ihrem Leben stiegen ihr die Tränen aus einem Mitleid, das nahezu überwältigend war, in die Augen.

Als Murtagh bemerkte, das Araya den Drachen wie hypnotisiert anstarrte, packte er ihren Hinterkopf und drückte ihr Gesicht gen Boden. „Das ist Shruikan, Galbatorix‘ Drache“, zischte er ihr erklärend zu und hielt ihren Kopf unten. Nach oben schielend behielt sie den schwarzen Drachen trotzdem im Blickfeld. „Er liegt in Ketten“, erwiderte sie nur, und Murtagh drehte irritiert den Kopf zu ihr. Anscheinend war ihm ihre tieftraurige Stimmlage unangenehm aufgefallen.

Shruikan senkte den Kopf zu Araya, die stark dem Drang widerstehen musste, sich von Murtagh loszureißen und zurückzuweichen. Doch der Drache schnupperte nur an ihrem Haar, wandte sich dann wieder ab und erhob sich erneut in den Himmel. Allerdings blieb er in der Nähe des Hofes, sodass Araya bald darum bat, doch wieder in den Drachenhort zurückzukehren, da sie sich von Shruikan unangenehm beobachtet fühlte.

Murtagh stimmte dem erleichtert zu, denn so verringerte sich natürlich auch das Risiko, von Galbatorix entdeckt zu werden. Allerdings sorgte er sich darüber, dass Shruikan sie entdeckt hatte. Er konnte nur hoffen, dass der Drache über dieses Detail hinwegsah und schwieg, wenn er wieder auf seinen Herrn traf. Denn sonst müsste er die Konsequenzen für ihren Ausflug tragen.
 

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Ihr werdet es nicht glauben, aber ich habe in den Ferien fast DREI KAPITEL fertig geschrieben. Bin ich stolz auf mich. Ich versuche also, daran zu denken, das vierte möglichst bald hochzuladen^^
 

Hoffe, es hat euch gefallen und würde mich natürlich SEHR über Kommis freuen. Wie jeder Autor eben xDD
 

HDL Mara



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