Er konnte heißen Atem auf seinem Gesicht spüren,
eine schnüffelnde Nase, die über seine Wange strich.
Er kicherte und Draco machte ein fragendes Geräusch, tief unten in der Kehle.
„Du kitzelst mich!“ lachte Harry.
Draco schob ihm seine breite Nase in den Nacken und schnaufte, was nur noch mehr kitzelte und lachend klammerte sich Harry an Draco fest, um nicht vom Baum zu fallen.
Er wagte einen kurzen Blick nach unten.
Er konnte Remus und Severus nur als weit entfernt Punkte erkennen.
Gut, das er durch Quidditch und Hippogreifflüge geschult war, so dass ihm diese Höhe nichts ausmachte!
Draco hatte ihn geschnappt, hatte ihn kurz beschnuppert und ihn dann in luftige Höhe befördert, um ihm hier ein Nest zu bauen.
Harry hätte beinahe gelacht, aber er wollte Dracos Gefühle nicht verletzten. Er hatte nicht gewusst, dass der Slytherin so häuslich war!
Ober das seine Natur war oder doch der Fomoraig in ihm?
Zuerst waren sie alle erschrocken gewesen, Harry hatte mit dem schlimmsten gerechnet und die Augen bereits in Resignation geschlossen, als das große Wesen mit ausgefahrenen Krallen auf ihn zugestürmt war. Severus und Remus waren vorgestürzt, bereit, ihn zu verteidigen, aber sie waren zu langsam gewesen.
Draco war in seiner anderen Form unglaublich schnell und wendig.
Er war mit Harry in seinem Arm auf dem Baum, ehe die beiden Zauberer überhaupt nur einen Spruch hatten abfeuern können.
Harry fragte sich, ob Dracos andere Form vorhatte, ihn jemals wieder von dem Baum herunterzulassen. Hoffentlich war ihm bewusst, dass Harry kein Vogel war!
Er selbst hatte mit der Höhe natürlich keine Probleme, beim Aufstieg hatte Harry bemerkt,
das sich am Rücken des großen Wesens lange schmale Flügel befanden.
Sie waren flach an den Körper gelegt, aber Draco breitete sie aus, um sein Gewicht auszubalancieren. Sie waren fein, beinahe durchsichtig, wie Fledermausflügel,
schienen ihn aber tragen zu können.
Von Flügeln hatte Draco nichts gesagt, als er seine andere Form beschrieben hatte. Hatte er es vergessen oder wusste er es vielleicht gar nicht?
Soweit Harry wusste, hatte Draco es weitestgehend vermieden, seine andere Form anzunehmen. Er hatte Meditationstechniken und Beherrschung gelernt, damit sie nicht hervorbrach, also hatte er sich vielleicht nie die Zeit genommen, seinen anderen Körper zu erforschen.
Draco hatte Harry nahe dem dicken Baumstamm in einer Astgabelung abgesetzt und war nun dabei, aus Blättern und Zweigen so etwas wie einen bequemen Hochsitz zu formen.
Eine Weile lang beobachtete Harry ihn interessiert,
dann war er der Meinung, dass er genug hatte. Außerdem hatte er Bedenken, was Remus und Severus unten am Boden anstellten, sie machten sich sicher Sorgen und er wollte nicht, dass sie eine große Rettungsaktion angingen, obwohl mit ihm alles in Ordnung war.
„Draco?“ fragte er, etwas unsicher, er wusste nicht, inwieweit Draco ihn in seiner anderen Form verstehen konnte.
Keine Reaktion.
Unsicher begann Harry in seinem Sessel in luftiger Höhe hin und her zu rutschen, bis ihm aufging, das dass wahrscheinlich keine gute Idee war.
Plötzlich ging ihm ein Gedanke durch den Kopf und er versuchte Draco über ihre Gedankensprache zu erreichen. „Draco?“
Das große Dracowesen drehte sich um und sah ihn an, so etwas wie Überraschung in seinen schmalen Augen. Es hatte tatsächlich geklappt!
„Ich möchte gern wieder runter“, sagte Harry in seiner Gedankenstimme und wies dabei hinunter zum Boden. „Allein schaffe ich das nicht.“
Draco legte den Kopf etwas schief, eine Geste, die Harry an Hedwig erinnerte.
„Ich weiß, du machst es uns gerade bequem, aber ich möchte lieber zurück auf den Boden, okay? Ich habe keine Ahnung, wie lange du jetzt in deiner anderen Form bleibst und ich möchte wirklich nicht bis morgen früh hier auf dem Baum sitzen.“
Harry wusste, dass er plapperte, aber er konnte es nicht unterdrücken.
Er hatte nicht wirklich Angst vor Draco in seiner anderen Form,
er war sich ziemlich sicher, dass dieser ihm nichts tun würde,
momentan war es einfach die luftige Höhe, die ihm etwas zu schaffen machte.
Draco lief gebückt über den Ast auf dem Harry saß und zog ihn in seine Arme. Er blieb nah am Baumstamm, als er vorsichtig hinabkletterte, so dass Harry sich sowohl an ihm als auch an den Zweigen festhalten konnte. Es dauerte nicht lang, dann konnte Harry bereits den besorgten Ausdruck auf Remus Gesicht erkennen, das zu ihnen heraufstarrte.
Der Werwolf sah gar nicht glücklich aus.
Severus Snape lief mit wallender Robe auf und ab, wütend aufstampfend.
Auf Remus Zuruf hin kam er ebenfalls herangeeilt und nun starrten beide Männer den Baum hinauf zu Harry und Draco.
Plötzlich erschien ein Bild in seinem Kopf und brauchte einen Moment, bis er verstand, das Draco mit ihm kommunizierte. Er lachte leise. „Ja, sie sind anscheinend zusammen. Sie versuchen es zu verheimlichen, sind aber nicht sehr unauffällig!“
Ein weiteres Bild schimmerte durch seine Gedanken.
„Ja, Severus lächelt häufiger. Ich bin auch froh für die beiden.“
Harry drehte etwas den Kopf und rief Beruhigungen zu den beiden aufgebrachten Männern hinunter, damit sie nicht auf die Idee kamen, Draco anzugreifen, sobald sie wieder auf dem Boden standen. Beide antworteten mit halbherzig wütenden Erwiderungen. Sie hatten sich Sorgen gemacht und neigten beide dazu, darauf mit Wut zu reagieren.
Harry grinste in sich hinein. Da würden sie sich ja noch etwas anhören können!
Sanft und vorsichtig setzte Draco Harry auf dem Boden ab und wandte sich dann den beiden aufgebrachten Zauberern zu, die aufgeregt auf sie zustürzten.
Er zog die Lippen nach hinten, zeigte seine Reißzähne und gab ein leises Knurren von sich, das Severus und Remus mitten im Schritt stoppen ließ.
Deutlich langsamer bewegten sie sich dann weiter auf die beiden jüngeren Männer zu.
„Harry, alles in Ordnung?“ fragte Remus gedämpft, während er seine Augen niemals von der großen Gestalt Dracos nahm.
„Ja, ja, sicher, alles in Ordnung. Hört auf so aufgeregt zu sein, das verwirrt Draco nur. Er glaubt sonst, uns droht Gefahr!“
Die beiden älteren Männer nickten und versuchten ruhiger zu werden,
was nicht ganz leicht war, nach dem vorangegangen Überfall.
Ihnen beiden war das Herz in die Hose gerutscht, als Draco so plötzlich auf Harry losgegangen war. Sie beide hatten nicht wirklich damit gerechnet, dass Harry Gefahr drohte. Sie waren sich selbst und ihrer Kräfte zu sicher gewesen.
Auch wenn im Endeffekt alles gut gegangen war, so machten sie sich doch Vorwürfe, was hätte passieren können, wenn Draco Harry Böses gewollt hätte.
Remus griff nach Harrys Oberarmen und zog ihn zu sich, um schauen zu können, ob er verletzt worden war, aber nur Sekunden später wurde Harry wieder zurück gezogen.
Einen Moment war er das Seil bei einem kuriosen Tauziehen, bis sich Harry lautstark zu wehren begann. Widerwillig ließen sowohl Remus als auch Draco seine Arme los und mit vorwurfsvollen Blicken auf sie beide begab er sich etwas aus ihrer Reichweite.
„Also wirklich!“ schimpfte er. „Ich bin doch kein Kartoffelsack!“ Er klopfte sich Blätter und Schmutz vom Pullover. „Es ist alles in Ordnung, mir ist nichts passiert“, sagte er dann in sanfteren Ton, als er die Besorgnis in den Gesichtern von Remus und dem Tränkemeister sah.
„Draco hat uns einen bequemen Hochsitz gebaut, aber es war dann doch etwas zu luftig da oben, also sind wir wieder hinab gestiegen.“ Er strahlte zu Draco hinüber. „Habt ihr Dracos Flügel gesehen? Cool, oder?“
Remus und Severus wechselten einen amüsierten Blick. „Ja, Dracos zweite Form ist ziemlich cool!“
