Zum Inhalt der Seite

Oscar Francois Von Fersen

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Ein neues Leben beginnt

„Wo ist Oscar?“, blickte der General Andre fragend an.

„Sie ist nach Versailles geritten!“

„Nach Versailles? Aber wieso? Sie hat doch Dienstfrei und außerdem ist sie nicht mehr der Kommandant des königlichen Garderegiments!“

„Das kann ich Euch auch nicht genau sagen. Ich weiß nur, dass die Königin nach ihr verlangt hat.“

„Dann kannst du mir wahrscheinlich auch nicht sagen, wann sie wieder kommt.“

„Nein, tut mir leid. Sie wusste selbst nicht, wie lange es dauert.“

„Gut, dann werde ich mich wohl oder übel gedulden müssen, bis sie wieder zurück ist. Gib mir Bescheid, sobald sie wieder da ist.“

„Ist in Ordnung General, Ihr könnt Euch auf mich verlassen.“
 

Andre hätte gerne gewusst, warum der General so dringend mit Oscar sprechen wollte, aber er wagte es nicht nachzufragen. Schließlich kannte er diesen einfach zu gut um zu wissen, dass er es nicht gern hatte, wenn man sich in seine privaten Angelegenheiten einmischte.

//Ob das etwas mit dem Besuch von Graf Hans Axel von Fersen zu tun hat? Ich muss mich wohl auch gedulden bis Oscar wieder da ist, ehe ich mehr erfahre//.

Andre machte sich große Sorgen. Ihm war nicht entgangen, wie glücklich der General wirkte, als er nach Oscar fragte. Tief in seinem Innern hatte er eine Befürchtung, was der Graf mit dem General besprochen hatte. Während Andre tief in Gedanken die Pferde draußen striegelte, ging der General die ganze Zeit im Wohnzimmer hin und her und überlegte, wie er die freudige Nachricht seiner Tochter überbringen sollte.

„Liebster, setz dich doch bitte. Oscar wird sicher schon bald zu Hause eintreffen“, versuchte Madame Jarjayes ihren Ehegatten zu beruhigen.

„Ich versuche mich ja zu beruhigen, aber dafür bin ich momentan einfach zu aufgeregt. Ich kann es noch immer nicht fassen. Endlich wird sich alles zum Guten wenden. Ich bin ja so glücklich“, sagte der General unter Tränen.

Es war lange her, dass Emilie ihren Gemahl so fröhlich gesehen hatte und innerlich lachte ihr Herz bei seinem Anblick. Auf der anderen Seite, hatte sie Angst, dass Oscar die Angelegenheit nicht so fröhlich stimmte. Emilie wusste nur zu genau, was das bedeuten würde. Letztendlich würde das dazu führen, dass der General mit oder ohne Oscars Zustimmung über ihr weiteres Leben bestimmen würde, so wie er es bei ihrer Geburt getan hatte. Die Ehre und das Ansehen der Familie Jarjayes standen für ihn über das Glück seiner eigenen Töchter. Gerechtfertigt wurde diese Ansicht von ihm mit der Behauptung, dass die Ehre der Familie das wichtigste sei. Diesmal jedoch war er sicher, dass die Entscheidung, die er getroffen hatte, auch Oscars Wille war. Der Grund dafür war, dass Oscar ihrem Vater in ein kleines Geheimnis eingeweiht hatte, dass sie nur einen gegenüber vorher ausgesprochen hatte.
 

Als Oscar das Anwesen ihrer Eltern erreichte, war es bereits sehr dunkel, so dunkel, dass man seine eigene Hand vorm Gesicht nicht sah. Dieser kalte Dezembertag hatte ihr sehr zugesetzt und sie freute sich schon darauf, eine heiße Dusche zu nehmen und sich anschließend in ihr warmes Bett zu legen. Ihre Hände waren so durchgefroren, dass sie Schwierigkeiten hatte, ihr Pferd vom Sattel zu befreien. Verzweifelt rüttelte sie daran. Plötzlich vernahm sie ein Geräusch. Blitzartig drehte sie sich um und dann erst bemerkte sie, dass jemand direkt vor ihr stand. Wegen der tiefen Dunkelheit konnte sie nicht erkennen wer es war und zum ersten Mal hatte sie große Angst um ihr eigenes Leben.

Sie wollte nach seinem Namen fragen, aber ihr Mund gehorchte ihr nicht. Kein Ton kam raus und ihre Beine ließen sie im Stich, als sie in Erwägung zog, wegzurennen. Umso erleichterter war sie, als sie eine ihr bekannte Stimme vernahm:
 

„Brauchst du Hilfe Oscar?“,richtete er sich emotionslos an Oscar.

„Ach, du bist es Andre“,sagte sie, während sie sich an ihr Herz fasste und tief ausatmete.
 

Für Sekunden gaben die dunkeln Wolken den Blick auf den Mond frei und Oscar sah nun in das Gesicht Andres, der sich anscheinend nicht gut fühlte. Er sah aus, als hätte er seit Tagen nicht geschlafen. Oscar war in diesem Moment aber so sauer, dass er sie so erschreckt hatte, dass sie nicht daran dachte ihn zu fragen, was mit ihm los war.

„ Wie kannst du mich nur dermaßen erschrecken? Und überhaupt, was machst du zu so einer späten Stunde noch hier im Stall? Leistest du den Pferden Gesellschaft?“,fragte ihn Oscar in einem sehr wütenden und sarkastischen Ton.

Andre hingegen schien Oscars Worte gar nicht wahr zu nehmen. Er starrte nur ins Leere und richtete nur trocken die Worte „ Dein Vater erwartet dich“ an sie, ohne sie eines Blickes zu würdigen. Ohne ein Wort nahm er ihr die Zügel aus der Hand und demonstrierte ihr damit, dass er sich um ihr Pferd kümmern würde.

//Vater will mich sprechen? Wenn er mich so spät noch zu sprechen wünscht, dann muss es wirklich wichtig sein//. Und so drehte Oscar Andre den Rücken zu und ging ins Haus. Sie bemerkte sofort, dass ihr Vater noch wach war, denn in seinem Arbeitszimmer, an dem sie zwangsweise vorbei musste, um zu ihr Gemach zu gelangen, brannte eine Kerze. Das Licht der Kerze schien unter der Tür durch.

Kurz blieb sie vor seiner Tür stehen, ehe sie einmal leise klopfte und dann eintrat.
 

„Guten Abend Vater. Andre hat mir gesagt, dass Ihr mich sprechen wollt.“
 

Der General stand von seinem Sessel auf und ging mit einem Lächeln auf Oscar zu.
 

„Oscar, mein Kind, es ist soweit.“
 

Oscar verstand gar nicht was los war.
 

„Soweit für was Vater?“

„Ich habe mich dazu entschlossen, dich zu verheiraten!“ , verkündete er freudig.
 

Bei dem Wort „verheiraten“ zuckte Oscars Körper zusammen .Sie hatte sich nach dem Ball, auf dem sie in einem Kleid erschienen war, geschworen, dass sie nie wieder in das Leben einer Frau schlüpfen würde. Und jetzt sollte sie die Frau eines Mannes werden? Das Leben als Mann, als Befehlshaber, aufgeben, um zu heiraten? //Niemals!Das kommt nicht in Frage, ganz gleich wie sehr mein Vater sich das wünscht. Ich habe mich entschieden und niemand wird mich dazu zwingen können, mein Leben für einen Mann aufzugeben//.
 

„Ich will nicht heiraten Vater. Niemals!“ ,sagte sie aufgebracht.

„Lass mich doch erstmal zu ende reden.Du weißt doch noch gar nicht, wer um deine Hand angehalten hat.“

„Das ist mir völlig gleichgültig. Wer immer es auch ist, ich bitte Euch, lehnt das Angebot ab. Ich will nicht heiraten, unter keinen Umständen.“

„Aber Oscar, ich bin mir sicher es wird dich freuen zu hören, dass Graf Hans Axel von Fersen um deine Hand angehalten hat.“
 

Nicht mehr fähig irgendetwas zu sagen oder zu tun, blickte Oscar ihren Vater nur voller Unverständnis an. Tausend Gedanken schossen ihr durch den Kopf. Jahrelang hatte sie von diesem Augenblick geträumt und nun war er Wirklichkeit geworden. Voller Mühe und Qual hatte sie ihre Gefühle für den Grafen verdrängt und nun kamen all diese Gefühle wieder hoch. Sie wusste nicht so recht, ob sie lachen oder weinen sollte. In ihr drehte sich alles und sie wollte nur noch in ihr Zimmer, um das zu verdauen und über alles nachzudenken. Daher gab sie ihrem Vater nur die Worte: „ Ich werde darüber nachdenken“ und verließ auf schnellstem Weg sein Büro.
 

Wie unter Schock öffnete Oscar ihre Schlafzimmertür, trat ein und lehnte sich anschließend daran. Mit starrem Blick schaute sie wie eben Andre ins Leere. Es war ihr unmöglich auch nur einen klaren Gedanken zu fassen. Hatte ihr Vater gerade wirklich gesagt, dass Von Fersen um ihre Hand angehalten hat oder spielte ihr Verstand ihr einen Streich?

// Er will mich heiraten?!//. Ein breites Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. Endlich würde sich ihr größter Traum erfüllen und sie würde die Frau an der Seite des schönsten Edelmannes Europas werden. Alles schien so surreal, so, als würde sie sich in einem Traum befinden, doch sie wusste, dass sie nicht träumte. Um einen klaren Gedanken fassen zu können, entschied sich Oscar dazu, eine Dusche zu nehmen, um sich etwas abzukühlen. In ihr brannte das Feuer der Liebe, das nun endlich ausgebrochen war wie ein Vulkan. Mit ein paar schnellen Griffen hatte sie sich ihrer Kleidung entledigt und ging ins Bad. Bevor sie sich in die Dusche begab, betrachtete sie sich im Spiegel und stellte fest, dass der Glanz ihrer Augen zurückgekehrt war. Überglücklich sagte sie vor sich hin „ Ich werde die Frau von Graf Hans Axel von Fersen.“ Tränen der Freude rannten ihr über ihre glühenden Wangen. Ihr Anblick war ihr fremd, aber die neue Oscar, die zukünftige Ehefrau Oscar, gefiel ihr. Sie schien glücklicher, netter und ruhiger zu sein als der Befehlshaber Oscar. Endlich würde eine neue Zeit anbrechen, eine bessere und schönere Zeit. Ihre Knie schienen bei all den schönen Gedanken an diesem Mann unter ihr zu versagen. An dem Waschbecken stütze sie sich ab, um ohne Probleme in die Dusche zu gelangen. Während sie sich duschte, kam ihr ein wichtiger Gedanke, den sie die ganze Zeit über völlig außer acht gelassen hatte. Warum nur hatte er es sich anders überlegt? //Damals, als ich ihm davon erzählte, was ich für ihn empfinde, hatte er nur gesagt, dass es für uns nur die Liebesqual geben würde. Er liebte die ganze Zeit die Königin und das soll nun nicht mehr der Fall sein?//. In Oscar machte sich ein ungutes Gefühl breit. //Kann es sein, dass er mich nur heiraten will, weil er die Königin nicht haben kann oder weil er sie dadurch vergessen will?//. Immer mehr zweifelte sie an den Gründen dieses Antrags und ihre Freude darüber schwand immer mehr. Am liebsten hätte sie ihn noch in derselben Nacht aufgesucht, um Gewissheit zu bekommen. Die andere Möglichkeit wäre, dass sie ihren Vater danach fragen könnte, was er genau gesagt hatte. Sie entschied sich dazu bis zum nächsten Tag abzuwarten, um dann in Ruhe mit ihm über alles zu sprechen. Ihre Augen fielen ihr vor lauter Müdigkeit immer wieder zu, daher stieg sie aus der Dusche, trocknete sich so schnell wie es ging ab und machte sich fertig fürs Bett.

Gerade als sie die Vorhänge zuziehen wollte, sah sie aus dem Fenster, dass Andre erst jetzt den Stall verlassen hatte und im Hauseingang verschwand. Sie schämte sich dafür, dass sie keinen Gedanken an ihren besten Freund verschwendet hatte. Durch ihre Liebe zu Von Fersen, wusste sie genau, wie schmerzvoll die Liebesqual war. Andre hatte sie ihr ganzes Leben geliebt und wahrscheinlich hatte er gehofft, dass diese Liebe von Oscar früher oder später erwidert werden würde. Es würde nicht leicht für ihn sein, ihre Entscheidung zu akzeptieren. //Wie er wohl reagieren wird?// fragte sich Oscar und machte sich große Sorgen. Seit sie fünf Jahre alt war, hatte sie beinahe jeden Tag mit ihm verbracht und jetzt sollte jemand anderes an ihrer Seite stehen, um sie zu beschützen. Innerlich trauerte sie dieser Freundschaft nach, denn ihr war bewusst, dass sie an ihrer Liebe und der Heirat mit dem Grafen endgültig zerbrechen würde. Vor ihrem geistigen Auge sah sie jene schöne Momente in ihrem Leben, die sie mit Andre verbracht hatte. Ohne dass sie es merkte, entwich eine Träne ihren Augen und fiel zu Boden. Gerne hätte sie sich bei Andre, für alles was er für sie getan hat, bedankt.//Aber wie bedankt man sich bei jemanden, der mehr als 25 Jahre treu an deiner Seite war, dich stets mit seinem eigenen Leben beschützt und seine gesamte Liebe entgegengebracht hat?//. Tief in ihrem Inneren war sie sich im Klaren darüber, dass sie ihm in den ganzen Jahren der treuen Freundschaft nicht annähernd das gegeben hatte, was er ihr entgegengebrachte. Einmal hatte sie ihm das Leben gerettet, als er von dem König zum Tode verurteilt wurde, weil das Pferde der damaligen Prinzessin durchgegangen war, was letztendlich zu einem Unfall geführt hatte.//Und wie oft hat er mich in irgendeiner Art und Weise gerettet?//. Ihr vielen auf Anhieb mehrere Vorfälle ein, u. a als sie als 5jährige beinahe im See ertrunken war oder wo der Kronleuchter in Versailles sie fast erschlagen hatte. Dann fiel ihr auch noch das Ereignis ein, als sie Jeanne de la Motte festnehmen wollte. Ihr Ehemann Nicolas hatte versucht sie zu erwürgen. Andre hatte sie auf den Schultern aus der Kirche getragen, ehe diese von Jeanne in die Luft gesprengt wurde. //Und was geben ich ihm als Dank dafür zurück? Ich schenke meinem Herz einem anderen Mann und lass ihn in seiner Qual einsam und allein zurück.// Nun konnte Oscar ihre Gefühle nicht mehr zurückhalten und die Tränen flossen nur so über ihre Wangen. Mit einem weiten Sprung warf sie ihren Körper auf ihr Bett und vergrub ihr von Tränen genässtes Gesicht in ihr Kissen bis sie einschlief.
 

Am nächsten Tag stand Oscar früher auf als sonst. Es war noch stockdunkel draußen, was im Dezember nicht sehr verwunderlich war. Erst zwischen 8 und 9 Uhr morgens wurde es allmählich hell. Ihr erster Gedanke an diesem Morgen war, ob sie wohl alles nur geträumt hatte, was ihr Vater ihr gestern mitgeteilt hatte. Glücklich kam sie zur Erkenntnis, dass es kein Traum war, sondern die Wirklichkeit. Obwohl sie nur ein paar wenige Stunden geschlafen hatte, fühlte sie sich ausgeschlafen und war voller Energie. Sie konnte es nicht erwarten einen kleinen Abstecher nach Versailles zu machen, um mit Von Fersen zu sprechen. Noch wusste sie nicht genau wie sie ihm begegnen sollte und wie sie die Sache ansprechen sollte. Es waren ca. 4 Monate her, dass sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Das war jener Tag, an dem sie die Königin darum gebeten hatte, ihren Dienst quittieren zu dürfen. Die Freude darüber,ihn endlich wieder zu sehen, ließ ein Welle der Aufregung durch ihren Körper fließen. Daher beeilte sie sich dabei, ihre Kleidung zu wechseln und ihre Haare zu bürsten. Ehe sie nach Versailles reiten wollte, entschied sie sich dazu, Andre von ihren Absichten zu berichten. Vermutlich würde er dann sehr niedergeschlagen sein, aber das konnte sie nicht ändern.Da musste er durch, denn es war die Wahrheit... sie würde die Gemahlin eines anderen Mannes werden. Schnell ging sie in die Küche, wo sie hoffte,ihre Amme zu sehen und sie wurde nicht enttäuscht.
 

„Guten Morgen Sophie, hast du gut geschlafen?“

„Ah… guten Morgen Lady Oscar, ich habe wunderbar geschlafen, ihr anscheinend auch. Ihr seid heute aber sehr früh auf, gibt es einen bestimmten Grund?“

Ohne auf ihre Frage einzugehen, entgegnete Oscar :

"Schläft Andre noch? Ich muss dringend mit ihm sprechen.“

„Vermutlich schon. Seht doch mal in seinem Zimmer nach, wenn es so dringend ist.“

„Vielleicht sollte ich einfach warten bis heute Abend.“
 

Das schien ihr sinnvoller, denn heute würde sie sich mit Von Fersen unterhalten und dann würde sie erst sicher sein können, dass sie wirklich heiraten würde. Ohne ein Wort verließ sie das Haus und beschloss, schon mal ihr Pferd zu satteln. Sie wollte weg sein, ehe ihre Eltern zum Frühstück runter kämen. Der General würde sie sofort fragen wie sie sich entschieden hatte und sie hatte morgens nie wirklich Lust zu reden. Der Mantel, den ihr ihre Mutter vor ein paar Jahren gekauft hatte, hing in dem kleinen Schrank, direkt neben der Eingangstür. Ohne hin zu sehen griff sie danach, zog ihn an und nahm sich noch wegen der Dunkelheit eine Kerze mit und verließ anschließend leise das Haus. Als sie den Stall betrat, erschrak sie für eine Sekunde. Am Boden lag Andre, der sich in dieser Kälte bloß mit einer Wolldecke zugedeckt hatte und schlief. Beinahe wäre sie über ihn gestolpert.Die Pferde wieherten, doch Andre schien das nicht zu stören. In aller Ruhe schlief er weiter.

Darüber musste sie schmunzeln, denn als Kind hatte er oft mit dem Kochlöffel von seiner Großmutter einen Schlag auf dem Kopf bekommen, weil er ständig nicht gewillt war früh aufzustehen. Nichts und niemand schien ihn aus der Ruhe bringen zu können.

Leise ging Oscar zu der Box ihres Schimmels und strich sanft über seine Mähne, um ihn zu beruhigen. Anschließend nahm sie seine Zügel, legte sie ihm um und zog ihn dann behutsam aus seiner Box ins Freie. Andre hatte von all dem nichts mitbekommen und schlief seelenruhig weiter. Währenddessen sattelte Oscar ihr Pferd zu Ende und sprang auf seinen Rücken. In Schrittgeschwindigkeit verließ sie das Anwesen der Jarjayes und machte sich auf den Weg in das 20 Minuten entfernte Schloss.

Je näher sie dem Schloss kam, umso mehr kribbelte es in ihrem Bauch. Es war das erste Mal das Oscar nicht dahin galoppiert war, sondern ganz langsam hin ritt. Dadurch erreichte sie Versailles auch erst in 35 Minuten. Ihren Schimmel übergab sie einem Stallburschen und ging dann mit leichten Schritten ins Schloss. Es fiel ihr schwer ihr sonst so selbstsicheres Verhalten an den Tag zu legen. Wie auch gestern fühlten sich ihre Beine an wie Pudding und sie hatte alle Mühe nicht nach hinten zu fallen und die Ruhe zu bewahren. Sie versuchte sich nichts anmerken zu lassen. Es war noch sehr früh, jedoch waren die meisten in Versailles schon auf den Beinen. Da Soldaten stets sehr früh mit ihrem Dienst beginnen, war sie sich sicher, dass Von Fersen bereits aufgestanden war. Als sie so durch Versailles ging, kam ihr zum ersten Mal auch die Königin in den Sinn, die den Grafen auch liebte. Wie sollte sie ihr nun jemals wieder unter die Augen treten? Marie Antoinette würde es mit Sicherheit erfahren, da jeder Mann, der eine adlige Frau ehelichen wollte, die Einwilligung des Königs benötigte. Für ein paar Sekunden blieb Oscar stehen und lehnte sich gegen eines der großen Fenster im Gang. Ihr Blick schweifte umher und machte Halt beim Anblick von Graf Von Fersen, der draußen bereits eine Inspektion mit den Soldaten durchführte. Als er Oscar sah, winkte er sie zu sich. Das Herz von Oscar schlug immer schneller und sie fürchtete ernsthaft, dass sie gleich einfach umfallen würde. Ohne jeden Gedanken schritt sie die Treppen hinunter und ging zu einer der hinteren Eingangstüren. Um sich auf das Gespräch vorzubereiten, atmete sie einmal tief ein und aus und bewegte sich schließlich auf ihn zu. Der Wind wehte so stark, dass er alle Blätter und Äste auf den Boden durch die Luft fegte. Die eisige Kälte des Windes ließ Oscars Lippen blau anlaufen und ihre Zähne klapperten. Aus ihrem Munde kam nur ein mühevolles „ Guten Morgen.“ Dieser erwiderte ihren Gruß mit einem lächelnden „ Ich wünsche Euch auch einen guten Morgen Oscar.“

Am liebsten hätte sie ihn gleich auf seinen Antrag angesprochen, jedoch war er zu beschäftigt. Daher beschloss sie neben ihm zu warten, bis er mit der Inspektion fertig war. Immer mehr zitterte ihr Körper. Der Graf bemerkte dies und gab ihr zu verstehen, dass es besser wäre, wenn sie drinnen auf ihn wartet, bis er mit seiner Arbeit fertig war. Ohne zu zögern willigte Oscar ein und ging hinein.

Die Minuten, in denen sie auf ihren Liebsten wartete, kamen ihr vor wie Stunden. Alle möglichen Gedanken gingen ihr durch den Kopf. Die Befürchtung, alles könnte sich um ein bedauerliches Missverständnis handeln, zerrte an ihre Nerven, die sowieso schon blank lagen.

Nachdem Oscar nun schon eine ganze Weile auf ihn gewartet hatte, wurde sie langsam sehr ungeduldig. Die Ungewissheit ließ ihr keine Ruh. Mit ihren Beiden wackelte sie die ganze Zeit hin und her, während sie die Knöpfe ihres Mantels öffnete, nur um sie dann wieder zu zuknöpfen. Das Warten war für sie wie eine Qual, schon als Kind war sie stets ungeduldigen und wurde dann von ihrer Amme zurechtgewiesen. Als sie es nicht mehr aushielt, wollte sie runter zu ihm, als er plötzlich durch die Tür, die zum Gang führte, reinkam. Geschockt blieb sie stehen und blickte ihm die Augen. Er ergriff das Wort, um die Lage zu entspannen.
 

„Es tut mir leid, dass Ihr solange warten musstet“, entschuldigte er sich ehrlich.

„Aber das macht doch nichts. Ihr könnt ja Eure Arbeit nicht einfach vernachlässigen“, sagte sie lächelnd.

„Wenn Ihr mir bitte folgen möchtet, wir können uns in meinem Büro weiter unterhalten.“

„Aber gerne Graf“, antwortete Oscar freudig.
 

Während Oscar mit dem Grafen in dessen Büro saß, ging Andre seiner Arbeit im Hause der Jarjayes nach. Wie immer im Winter, musste er täglich Holz hacken für den Kamin. Die Kälte machte ihm dies nicht gerade leicht. Seine Hände froren so sehr, dass er sie irgendwann nicht mehr spürte. Dennoch wurde er selten krank, da sich sein Körper durch die Übernachtungen im Stall an die Kälte gewöhnt hatte. Anstatt der Holzstücke, sah er ständig das Gesicht Oscars und Von Fersens vor sich. Es tat ihm gut, dass er seine Wut und Verzweiflung bei seiner Arbeit raus lassen konnte. Noch immer hatte Oscar nicht gesagt, was ihr Vater von ihr wollte. Im Prinzip wusste Andre was es war, aber er wollte es nicht wahr haben. Die Wahrheit, da war er sich sicher, würde sein Herz nicht verkraften.

Die Zukunft machte ihm Angst, er hatte stundenlang gegrübelt, was er tun konnte. Als er zu der Erkenntnis kam, das er dazu verdammt war nichts zu tun, weil er nur ein Stallbursch war, fühlte es sich für ihn so an, als hätte seine Seele seinen Körper verlassen. Jedes Gefühl in ihm schien sich zu verabschieden und diese menschliche Hülle war Oscar an jenem Abend im Stall begegnet.

Ihm war bewusst, dass er Oscar für immer verlieren würde. Er wartete bloß noch darauf, dass Oscar ihm das ins Gesicht sagte, aber nicht einmal das schien sie für nötig zu halten.// Wie lange ist es her, dass wir uns wir richtige Freunde benommen haben?// fragte er sich, während er weiterhin das Holz hackte. In diesem Augenblick kamen ihm die Bilder wieder hoch, als er vor ein paar Monaten Oscar geküsst hatte, sie anschließend auf ihr Bett gedrückt und ihr zum krönenden Abschluss noch seine Liebe gestanden hatte. Noch immer schämte er sich zutiefst für das, was er ihr angetan hatte.
 

„Andre, mein Junge, Abendbrot ist gleich fertig. Du kannst morgen weiter damit machen, komm jetzt rein“, sagte seine Großmutter so laut, dass er aufschreckte.

„Ist gut Großmutter, ich komme.“
 

Er hackte noch das Stück, was er bereits aufgestellt hatte und ging anschließend ins Haus. Ehe er sich zu den anderen gesellte, nahm er eine Dusche und zog sich frische Kleidung an.

Am Tisch saßen lediglich der General und seine Gemahlin.

//Oscar ist also immer noch nicht zurück//,dachte er traurig.
 

„Komm Andre, setz dich doch“, forderte Reynier Andre freundlich auf.

„Danke, gerne General. Sagt, wieso ist Oscar nicht daheim? Wir haben doch Urlaub, ist sie etwa in die Kaserne geritten?“

„Das kann ich dir nicht mit Sicherheit sagen, aber ich denke, dass sie nach Versailles geritten ist!“

„Nach Versailles? Aber wieso? Hat die Königin schon wieder nach ihr verlangt?“
 

Er kannte die Antwort bereits darauf, aber er wollte er es aus dem Munde eines anderen hören.
 

„Nun mein Junge, wie es aussieht,wird unsere Oscar bald heiraten. Der Graf Hans Axel von Fersen hat gestern um ihre Hand angehalten und ich habe meine Zustimmung gegeben.“
 

Die Augen des Generals strahlten bei seinen eigenen Worten, Andres hingegen waren ausdruckslos. Nicht den kleinsten Anzeichen von Freude oder Trauer, Wut oder Entzückung konnte man in seinem Blick sehen. Seine schlimmsten Befürchtungen hatten sich bewahrheitet und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Es stand außer Frage, dass Oscar dieses Angebot annehmen würde. Was sollte nun aus ihm werden? Würde er gezwungen sein, das Haus ihrer Eltern zu verlassen, weil man ihn nicht mehr brauchte?

Während Andre in seinen Gedanken versunken war, erwartete der General noch immer seiner Reaktion. Aber er wartete vergeblich.Mit einer kleinen Notlüge schaffte er es, dass der General ihm gestattete auf sein Zimmer zu gehen. Wie eine Leiche stieg er die Treppen empor zu seinem Gemach.

Keinen Muskel in seinem Gesicht verzog sich, während er weinte.
 

Andre stand vor seinem Fenster und trauerte. Zur gleichen Zeit befand sich Oscar noch immer im Büro des Grafen. Die ganze Zeit über hatten sie über die Armee und die wirtschaftliche Lage in Frankreich gesprochen. Fast hätten sie vergessen, weshalb sie zusammen in diesem Raum saßen. Als beide ein paar Sekunden schwiegen, fiel es Oscar wieder ein. All ihren Mut nahm sie zusammen, um ihn auf seinen Antrag anzusprechen.
 

„Von Fersen?“

„Ja? “, kam es sehr abwesend von ihm, mit dem Blick zur Wand gerichtet.

„Mein Vater hat mir gestern von Eurem Besuch erzählt.“
 

Nun drehte er sich zu ihr um und sah in ihre neugierigen blauen Augen.
 

„Hat er das?!“

„Bevor ich dem ganzen zustimme, gibt es noch einiges, das ich vorher wissen muss.“

„Natürlich, ich verstehe.“

„Als erstes möchte ich wissen, warum Ihr Eure Meinung über mich so plötzlich geändert habt? Ihr wusstet die ganze Zeit was ich für Euch empfinde und nach so langer Zeit wollte ihr mich plötzlich zur Frau? Warum der Sinneswandel Graf?“

„Das ist eine berechtigte Frage, die ich Euch gerne beantworten möchte:

Nachdem Ihr Euren Dienst in Versailles quittiert habt und ich Euch solange nicht gesehen habe, bemerkte ich erst, was ich für Euch empfinde. Jeden Tag habe ich nur Euer Gesicht vor meinem geistigen Auge gesehen, wie ihr in Eurem Kleid getanzt habt. Ihr saht aus wie ein Engel. Außerdem ward Ihr immer ein sehr guter Freund. Daher kommt nur Ihr für mich als Ehefrau in Frage.“ Er starrte die ganze Zeit an die Wand und bewegte seine Arme, um seine Worte zu verdeutlichen.

Oscar wollte noch eine sehr wichtige Frage stellen und da sie ein sehr direkter Mensch war, redete sie auch nicht lange um den heißen Brei herum.
 

„Liebt Ihr die Königin noch?“ ,kam es direkt und selbstsicher von Oscar.

"Ich gebe zu, dass ich immer noch etwas für die Königin empfinde, aber das ist keineswegs Liebe. Ich würde es als Zuneigung bezeichnen. Das was ich für Euch empfinde ist Liebe, Lady Oscar!“
 

Man konnte die Erleichterung in Oscars Augen sehen. Sie erhob sich von ihrem Stuhl und ging auf ihn zu. Dieser stand ebenfalls auf und sah in ihre Augen,die sich nun mit Tränen der Freude füllten.

Ganz langsam schritt er auf sie zu und nahm sie in die Arme. Die Kerze warf ihren Schatten auf die Wand. Oscar verschränkte ihre Arme hinter seinem Rücken und weinte. Vorsichtig warf er seine Hände zurück und befreite sich aus der Umarmung. Ihr ganzer Körper zitterte und sie war durch seine Handlung verunsichert.Die Unsicherheit verflog jedoch sehr schnell, als dieser sie plötzlich küsste. Wie lange hatte sie hier von geträumt? Immer und immer wieder hatte sie sich gefragt, nach was seine Lippen wohl schmecken mochten.All der Schmerz, den er ihr zugefügt hatte, schien für immer vergessen.

Während sie sich unterhielten, saß sie auf seinem Schoß und sie unterbrachen das Gespräch oft, um sich zu küssen. Schweren Herzens verabschiedeten sie sich mit einem Kuss und Oscar machte sich auf dem Weg nach Hause. Es war bereits sehr spät, aber sie hoffte, dass ihr Vater noch wach war, damit sie ihm ihre Zustimmung zu dieser Hochzeit geben konnte.Der Ritt nach Hause kam ihr unendlich lang vor. Sie wollte so schnell wie möglich jedem von ihrem Glück erzählen.
 

Zur ihrer großen Enttäuschung schliefen alle bereits. Die Freude über die Beziehung zu Von Fersen ließ ihre Müdigkeit dahin schwinden.Innerlich hörte sie die schönsten Klänge der Welt und sie tanzte etwas zu der imaginären Musik. Wie sollte sie ihrem Glücksgefühl Ausdruck verleihen?

Ihre Bewegungen nahmen immer größere Ausmaße an. Durch den Krach wachte Andre auf und er konnte sich schon denken, wer zu so später Stunde erst nach Hause gekommen war. Er konnte ihr glückliches Gesicht förmlich vor sich sehen und ihr Blick dabei bohrte sich in sein Herz wie ein Messer. Ein Teil von ihm hatte sich bereits von Oscar verabschiedet, aber vollständig konnte er sie nicht vergessen. Seine Hoffnungen setzte er in die Zeit und in die Gnade Gottes.Wenn sie erstmal verheiratet war, so würde er sie nur noch selten sehen und das würde eine Chance für ihn bedeuten.Eine Chance, sich endgültig von ihr zu lösen. Jedoch war ihm bewusst, dass es sein Schicksal war, für immer Liebe für eine Frau zu empfinden, die diese Liebe weder erwiderte noch schätzte. Sein Herz war schon lange taub, wegen der Schmerzen, die er ihretwegen erlitt. Andererseits hatte sie seinem Leben einen Sinn gegeben und dafür war er ihr mehr als dankbar.

Er überlegte krampfhaft, ob er sie auf den Treppen abfangen sollte, aber er war noch sauer auf sie, weil er durch ihren Vater von ihren Heiratsplänen gehört hatte. Nach all dem was zwischen ihnen war, hatte sie die Pflicht, ihn davon in Kenntnis zu setzten. Daher legte er sich wieder ins Bett und starrte die Decke an.

Was er nicht wusste: Oscar stand vor seiner Tür und rang mit sich hineinzugehen. Doch wie sollte sie ihrem besten Freund, der sie ihr ganzes Leben treu begleitet hatte, von ihrer Entscheidung erzählen ohne dabei vor Glück zu strahlen und ihn damit endgültig zu zerstören? Doch Oscar wusste, dass sie da durch musste, weil er es verdient hatte. Also klopfte sie ganz leise.

Andre wusste das sie es war und war sehr überrascht. Er überlegte kurz, ob er sie herein kommen lassen sollte oder so tun sollte, als ob er schlief. Ersteres erschien ihm angemessener,daher sagte er „ herein“.

Oscar trat ein und sah Andre in seinem Bett sitzen. An seinen Augen sah sie, dass er schon etwas länger auf war. Das seine Augen rot waren vom weinen, konnte sie durch das wenig Licht, dass die Kerze bot, nicht erkennen. Sie wusste nicht recht was sie tun sollte, daher setzte sie sich erstmal auf seinen einzigen Stuhl im Raum, der vor seinem Schreibtisch stand. Ihre Hände zitterten schon wieder. Wie sollte sie nur anfangen? Während sie sich Gedanken darüber machte, kam Andre ihr zuvor.
 

„Was hat dich zu dieser späten Stunde zu mir geführt Oscar?“
 

Natürlich wusste er es, aber er wollte es noch einmal von ihr hören.

Er bemerkte, dass Oscar sichtlich nervös war.
 

„Ich bin hier hin gekommen, weil ich dir etwas sagen wollte. Nun …“

„Da kommst du reichlich spät, ich habe es bereits von deinem Vater gehört“, sagte er in einem etwas gereizten und verletzten Ton.Als Oscar nichts erwiderte, redete er einfach weiter.

„Wann hattest du denn vor, mir davon zu berichten Oscar? Wer oder was bin ich eigentlich für dich?

Ich habe oft das Gefühl, dass selbst dein Pferd dir wichtiger ist als ich. Kannst du dir vorstellen, wie es für mich war, dass ich durch einen dritten von deiner zukünftigen Hochzeit gehört habe? Es war wie ein Schlag ins Gesicht.Du weißt das bereits seit gestern…“ er wollte weitersprechen, aber er wischte sich erstmal die Tränen aus seinem Gesicht, ehe er fort fuhr. Seine Tonlage zeigte seine Wut.

„Mein ganzes Leben habe ich nur dich geliebt und obwohl diese Liebe keine Chance hatte, so hat mich stets der Gedanke daran, dass du trotzallem meine beste Freundin bist und wir in ewig unser Leben zusammen verbringen werden, am Leben erhalten. Und in den letzten Tagen habe ich erst realisiert, wie weit du dich emotional von mir distanziert hast. Wie soll ich jetzt nur weiter leben Oscar, sag es mir? Wie nur?“
 

Oscar hatte die ganze Zeit mit ihm geweint, als er sprach. Sie wollte ihm gerne sagen, dass es nicht so war wie er eben gesagt hatte. Im Gegenteil,er war ihr wichtig, sehr wichtig. Niemals hatte sie einen besseren Freund gehabt als er. Aber aus ihrem Munde kam kein Ton. Sie war überfordert, dass Andre auf einmal so direkt war und ihr gestanden hatte, was er fühlte. Selbst wenn sie das jetzt beteuern würde, hätte er ihr nicht geglaubt. Er hatte sich körperlich wie auch emotional von ihr abgewendet. Ihr blieb keine andere Möglichkeit, als still und traurig das Zimmer zu verlassen. All die Freude die sie vorhin noch summen ließ, war nun in Traurigkeit umgewandelt. Mit gebeugtem Kopf ging sie in ihr Zimmer. Die gesamte Nacht konnte sie nur an Andre denken. Einen Freund wie ihn, den trifft man nur einmal im Leben, wenn überhaupt. Und sie hatte diesen Freund nun endgültig verloren. Wann immer sie versuchte sich durch den Gedanken an Von Fersen abzulenken, verdrängte Andres Bild sein Gesicht in ihrem Gedächtnis.Wie oft hatte sie von Menschen aus allen Schichten gehört, dass die wahre Freundschaft das einzige auf der Welt war, dass nie zerbrach. Die Liebe zu einem Menschen konnte mit den Jahren verblassen oder gar erlöschen, aber die Freundschaft, die hielt in der Regel ein Leben lang. Sie jedoch, Oscar, hatte ihre tiefe und ehrliche Freundschaft der Liebe wegen geopfert.

Würde sie dies einmal bitter bereuen?

Darüber dachte Oscar die ganze Zeit nach, bis sie schließlich einschlief.
 

Am nächsten Tag war Oscar immer noch getrübt wegen der Sache mit Andre.

//Wie soll ich mich ihm gegenüber nun verhalten? Einfach so tun, als ob nichts geschehen wär?// Damals, als er an diesem einem Abend die Kontrolle über sich verloren hatte, fiel es ihr überhaupt nicht schwer mit ihm umzugehen ,aber jetzt war es das für sie. //Aber warum? Als erstes sollte ich frühstücken gehen und später werde ich vielleicht versuchen, meinen Stand der Dinge zu erläutern//.

Als sie das Esszimmer betrat, wartete ihr Vater bereits sehnsüchtig auf sie. Ihre Mutter, Sophie und Andre waren auch anwesend. Der Blick von Andre bohrte sich in ihr Herz. Er blickte sie voller Schmerz und Verachtung an. Vielleicht bildete sie es sich auch nur ein.
 

„Oscar, da bist du ja endlich mein Kind. Du bist gestern so früh nach Versailles geritten und bist so spät wieder gekehrt, dass ich keine Zeit hatte, mich mit dir zu unterhalten.“

„Verzeiht Vater, ich hatte noch etwas zu erledigen“, sagte sie in ihrem gewohnten kalten und emotionslosen Ton.

„Nun aber raus mit der Sprache, wie hast du dich entschieden? Wirst du das Angebot des Grafen annehmen?“
 

In dem Gesicht ihrer Eltern und der von Sophie konnte sie pure Neugierde entdecken. Doch Andres Gesicht wirkte desinteressiert und sogar abwesend. Das tat ihr in der Seele weh.
 

„Ich habe mich entschieden, dass ich den Grafen Hans Axel von Fersen heiraten werde!“
 

Dem General entfuhr ein Glücksschrei. Einer seiner größten Wünsche würde sich erfüllen. Endlich würde er seine jüngste Tochter in einem Brautkleid sehen und dazu noch neben einem Edelmann.

Ihre Eltern wie auch Sophie waren überglücklich und der Reihe nach, umarmten sie Lady Oscar und beglückwünschten sie. Keiner von ihnen bemerkte, dass Andre den Raum verlassen hatte.
 

„Vater, ich habe eine Bitte.“

„Alles was du willst Oscar.“

„Ich möchte so schnell wie möglich heiraten.“
 

Alle waren über diese Bitte mehr als überrascht. Oscar hatte das zum Wohle Andres entschieden. Je länger sie damit zögerte, desto schmerzhafter würde es für ihn sein.
 

„Aber natürlich mein Kind, von Herzen gern. Ich werde mich mit den Grafen darüber unterhalten und dann werden wir nächste Woche eure Verlobung feiern und in der Woche darauf, könnt ihr schon heiraten.“
 

Ohne einen Bissen zu sich zu nehmen, verließ auch Oscar das Esszimmer um nach Versailles zu reiten und den Dienst bei der Söldnertruppe zu quittieren. Sie war sehr nervös, weil sie der Königin nun von ihren Heiratsplänen in Kenntnis setzten musste. Erneut ließ sie sich viel Zeit beim Ritt nach Versailles.

Als sie dort ankam, traf sie draußen am Brunnen auch sofort die Königin. Sie begrüßten sich gegenseitig und Oscar bat die Königin, mit ihr unter vier Augen zu sprechen. Die Königin kam der Bitte Oscars gerne nach und ging mit ihr in eines der vielen Räume im Schloss.
 

„Ich bin schon ganz gespannt, was Ihr mir sagen wollt Oscar.“

„Bevor ich anfange Majestät, möchte ich Euch sagen, dass es mir leid tut. Ich hoffe inständig, dass ihr meinem Vorhaben Verständnis entgegenbringt.“

"Ihr habt meine Neugierde ins Unermessliche gesteigert. Nun sagt schon, warum Ihr mich sprechen wollt.“

„Ich bitte Euch erneut darum, mich von meinem Dienst zu befreien.“

„Aber Oscar, Ihr arbeitet da doch erst seit ein paar Monaten, warum wollt Ihr Euren Dienst jetzt schon quittieren? Gefällt es Euch da nicht?“

„Doch Majestät, das tut es.“

„Aber warum dann Oscar oder könnt Ihr mir den Grund erneut nicht nennen?“

„Doch Hoheit. Ich habe mich dazu entschlossen, zu heiraten.“
 

Die Augen der Königin strahlten vor Freude, als Oscar von ihren Plänen erzählte.
 

„Aber Oscar, nichts braucht Euch leid zu tun. Ich finde es wunderbar, dass Ihr heiratet. Ich bin doch hoffentlich eingeladen?“

„Aber natürlich Majestät, es wäre uns eine Ehre Euch unter den Gästen zu wissen.“

„Wer ist es Oscar? Darf ich raten, darf ich…?“
 

Die Königin war ganz außer sich vor Freude und hüpfte auf der Stelle während sie sprach.

Oscar hatte ein ganz schlechtes Gewissen ihr gegenüber, weil Marie Antoinette sie immer so gut behandelt hatte und nun würde sie den Mann heiraten, den sie von Herzen liebte.
 

„Majestät, ich bitte Euch…“

Noch ehe sie zu ende sprechen konnte, kam von der Königin

„Ist es Andre? Er ist es doch nicht wahr Oscar? Ich finde es toll, dass der König seine Zustimmung gegeben hat, obwohl er dem dritten Stand angehört.“
 

Oscar war sichtlich geschockt. Wie kam die Königin nur auf die Idee, sie würde Andre heiraten?
 

„Aber Majestät, wie kommt Ihr denn nur auf diese Idee ?“

„Wieso Oscar? Ist er etwa nicht Euer Verlobter?“

„Aber nein Majestät, was hat Euch dazu veranlasst, dass zu glauben?“

Marie Antoinette schien traurig darüber zu sein, dass Andre nicht ihr Auserwählter war. Sie ging auf den Balkon, richtete ihren Blick zum Himmel und antwortete Oscar, die dicht hinter ihr stand, in einem verträumten und ehrlichen Ton:

„Ich hatte schon immer das Gefühl, dass Ihr einander liebt. Es ist die Art wie Ihr miteinander sprecht, miteinander umgeht, euch anseht und euch gegenseitig beschützt. Ständig seid ihr zusammen gewesen, selbst bei Eurem Dienst stand Andre stets hinter Euch. Ihr habt sogar Euer Leben für ihn riskiert, als der alte König ihm wegen meinem Reitunfall zum Tode verurteilt hatte.“

Nun drehte sich die Königin zu Oscar und sah ihr eine schweigsame Sekunde in die Augen und sagte dann: „Wenn das nicht Liebe ist, was ist es dann, Oscar?“
 

Bei diesen Worten der Königin musste Oscar schwer schlucken. Blitzartig öffnete sie ihren Mund um ihr eine ansprechende Antwort zu geben, doch aus ihrem Munde kam kein Ton. Sie wusste keine Antwort darauf. In ihr machte sich eine Befürchtung breit, die sie aber dann ganz schnell verwarf. Das war einfach zu absurd um wahr zu sein.
 

„Ich hoffe Ihr könnt mir irgendwann verzeihen.“

„Aber Oscar, was soll ich Euch verzeihen? Ich verstehe nicht.“

„Mein zukünftiger Mann, Hoheit, ist Graf Hans Axel von Fersen“
 

Die Königin hielt geschockt ihren Fecher vor ihrem Mund. Sie konnte nicht glauben, was ihr Oscar eben gesagt hatte. Wutentbrannt und voller Schmerz rannte Marie Antoinette weinend hinaus. Sie fühlte sich hintergangen und betrogen. Oscar war die einzige, dem sie immer wieder von ihrer Liebe zum Grafen berichtete und nun war sie es, die ihn ihr endgültig wegnahm.

Oscar rannte ihr nach und holte sie ein, ehe sie sich in Ihrem Schlafgemach einschließen konnte. Fest umklammerte sie den Arm der Königin, woraufhin diese ihr in die Augen blickte. Die Tränen flossen nur so aus den Augen von Marie Antoinette. Das versetzte Oscar einen Stich. Sie wollte die Chance nutzen, um ihr begreiflich zu machen, was in ihr vorging.
 

„Majestät, ich bitte Euch, lasst mich wenigstens erklären, wie es dazu gekommen ist.“
 

Tief verletzt und weinend antwortete die Königin ihr „ Da gibt es nichts mehr zu erklären. Ihr habt mir das letzte genommen, was mir in diesem Leben geblieben war, was mir Kraft gegeben hat. Aber das schlimmste ist, Oscar, dass Ihr mein Vertrauen missbraucht habt. Niemandem habe ich so getraut wie Euch. Meine tiefsten Gefühle, meine Ängste, meine Liebe …all das habe ich Euch offenbart. Wie konntet Ihr mir das nur antun Oscar? Wir sind seit mehr als 15 Jahren befreundet … wie könnt Ihr mir das nur antun Lady Oscar?“

Die Königin befreite sich aus dem Griff und lief mit gebeugtem Kopf in Ihr Schlafzimmer. Sie hinterließ eine geschockte und traurige Oscar.
 

Oscar ging es sehr schlecht. Sie hatte zwei Menschen, die ihr sehr nahe standen, zutiefst verletzt.

Sollte das der Preis sein, den sie zahlen musste, um ihr Glück zu leben, so würde sie es hinnehmen, auch wenn es ihr sehr schwer fiel.

Ohne den Grafen zu treffen, ritt sie nach Hause. Selbst den Grafen wollte sie nicht sehen. Zeit brauchte sie, Zeit zum überlegen, zum planen und zum verdauen.

Als sie zu Hause ankam, ging sie schnell in den Stall und führte ihren Schimmel in seine Box.

Sie verspürte eine Erleichterung, als sie feststellte, dass Andre nicht anwesend war. Das hätte sie in diesem Moment nicht ertragen, ihm auch noch in die traurigen Augen sehen zu müssen. Schnell verließ sie den Stall und rannte sofort in ihr Zimmer.
 

Die Bilder von Andre und Marie Antoinette tauchten immer wieder in ihren Gedanken auf und quälten sie. Je mehr sie an sie dachte, umso wütender wurde sie. Warum konnte sich keiner von beiden für sie freuen? Warum sollte sie ihr Glück nicht ausleben, wenn sich ihr die Chance dazu bot?

Über sich selbst überrascht erkannte Oscar, während sie auf ihrem Klavier spielte, dass sie sich damals auch nicht für die Königin freuen konnte, dass ihre Liebe durch Von Fersen erwidert wurde. Ihre eigenen Qualen übertrafen damals alles. //Und so muss es ihnen wahrscheinlich gehen. Aber ich werde trotzdem keinen Rückzieher machen. Damit wäre auch keinem geholfen//. Der Tag war noch lange nicht zu Ende, aber Oscar wusste nichts mit sich anzufangen. Kurz kam ihr der Gedanke, sie könnte raus gehen um ihre Fechtkünste zu verbessern. Kaum das sie das gesagt hatte, verwarf sie diesen Gedanken schon wieder // Mit wem sollte ich denn schon trainieren? //Auf einmal klopfte es an ihrer Tür. Ohne zu überlegen, gab sie dem Besucher ein „ Herein“.
 

„Hallo Mutter, schön dass Ihr mich besucht.“

„Ich wollte mal nach dir sehen und mich noch ein bisschen mit dir unterhalten.“

„Gehe ich richtig in der Annahme,dass Ihr über meine bevorstehende Heirat mit mir sprechen wollt?“

„Ja, meine Tochter, das siehst du richtig.Ich möchte nur sicher stellen, dass es wirklich dein Wunsch ist.“

„Aber ja Mutter, das ist es. Noch nie in meinem Leben war ich mir so sicher wie jetzt. Aber sagt, warum zweifelt Ihr daran?“

„Um ehrlich zu sein Oscar, ich hatte immer das Gefühl, dass du jemanden anderen liebst, aber nicht dazu stehen kannst oder willst“,antwortete sie ehrlich.Dabei dachte sie an Andre.

„Wovon sprecht Ihr Mutter, ich verstehe kein Wort.“

„Ach, das ist nicht so wichtig. Hauptsache ich weiß jetzt, dass diese Heirat dich glücklich stimmt … Oh, nun muss ich aber wieder gehen.Ich werde in Versailles erwartet. Auf Wiedersehen mein

Liebling.“

„Auf Wiedersehen Mutter.“
 

Damit verließ Emilie ihre Tochter.Ihre innere Stimme sagte ihr,dass Oscar einen Fehler beging, einen großen Fehler,aber sie wusste nicht woher dieses ungute Gefühl kam.Oscar hatte ihr bestätigt, dass sie wusste, was sie tat und sie vertraute ihrer Tochter. Außerdem war es ihre Entscheidung. Es stand ihr nicht frei, darüber zu urteilen. Die vergangen Jahre hatten Oscar reifer gemacht und das zeigte sich in allen möglichen Situationen. Stolze 31 Jahre alt war sie. Da konnte man nicht mehr behaupten, dass sie ein Kind war.Sie war erwachsen geworden und sie mussten sie frei geben.
 

***
 

Wie vom General angekündigt,fand eine Woche nach der Zustimmung Oscars die Verlobung statt. Alle hatten sehr hart dafür gearbeitet,dass die Verlobung so kurzfristig stattfinden konnte.

Es fand in einer kleinen schönen gemieteten Halle statt,so wie Oscar es sich gewünscht hatte.

Unter den Gästen befanden sich die Schwestern von Oscar mit ihren Ehemännern und Kindern, Girodel, Alain und Rosalie mit ihrem Mann Bernard. Die Augen der Gäste strahlten vor Begeisterung, als Oscar die Treppen hinab stieg. Sophie hatte ein schlichtes hellblaues Kleid für Oscar geschneidert, welches das Blau ihrer Augen betonte. Ihr Anblick war fremd für sie, aber sie tat es für ihren Geliebten. In diesem Kleid wirkte sie wie Engel. Ihr blondes Haar war hochgesteckt worden und an der Seite mit einer großen weißen Rose geschmückt. Wie immer hing ihr Pony zwischen ihren großen Augen und bedeckte größtenteils ihre Stirn. Über die Bewunderung der Gäste freute sich Oscar.

In der Menge fielen ihre Augen auf Andre und es versetzte ihr ein Messerstich ins Herz. Zu ihrer Überraschung lächelte er sie sanft an und seine Mimik verriet ihr, dass er es ehrlich meinte. Eine gewisse Wärme ging von ihm aus, dem sich Oscar nicht zu entziehen vermochte. Ihr Herz lachte und in ihr kam die Hoffnung auf eine Versöhnung auf.

Am Treppenende stand Von Fersen und wartete auf seine zukünftige Frau. Zuvorkommend hielt er ihr seine Hand hin, welche sie dankend annahm. Ihr Zukünftiger führte sie in die Halle und setzte sich mit ihr zusammen an einen der Tische. Gemeinsam feierten sie stundenlang. Es wurde gegessen, getrunken und den ganzen Abend getanzt. Alle waren guter Dinge, nur Andre konnte sich nicht dazu durchringen auf die Tanzfläche zu gehen.

So ging der Abend zu Ende, ohne das Oscar die Chance hatte, sich mit Andre auszusprechen.

Die darauffolgende Woche sollte es auch nicht zur Versöhnung zwischen Oscar und Andre kommen. Zu sehr war sie mit den Hochzeitsvorbereitungen beschäftigt. Gab es doch solche Tage, an denen sie etwas Zeit hatte, so verbrachte sie es mit ihrem Verlobten. Immer wieder musste Andre zurückstecken, aber das war er sein Leben lang von Oscar gewöhnt. Gedanken versunken und total apathisch war der Eindruck, den die meisten nun von Andre hatten. Ein Teil von ihm war gestorben, gestorben mit dem Einverständnis Oscars zur Heirat. Jede Freude und jeder Sinn hatte sich aus seinem Herzen geschlichen. Oft fragte er sich, wenn er abends wieder nicht einschlafen konnte, warum er überhaupt noch lebte.
 

Mitte Dezember fand die Vermählung von Oscar und Von Fersen statt. Trotz eisiger Temperaturen entschied man sich dazu, die Feier im weit entfernten Notre- Dame zu verbringen. Der frisch gefallene Schnee ließ die Augen der anwesenden Kinder strahlen. Sorglos spielten sie im Schnee, während man auf das Antreffen des Brautpaares vor der Kathedrale Notre- Dame de Paris aufgeregt wartete. In Notre- Dame hatten schon so einige bedeutende Persönlichkeiten in ihren Liebsten das Ja- Wort gegeben, wie Franz II seiner geliebten Maria Stuart und nun würde Oscar hier heiraten. Ihrem zukünftigen Gemahl war dies besonders wichtig. Oscar hätte lieber in einer kleinen Dorfkirche geheiratet, doch sie beugte sich ihm zuliebe seinem Wunsch. Zur Trauung wurden nur die engsten Vertrauten und Freunde eingeladen. So kam es, dass nur diejenigen anwesend waren, die sich auch unter den Gästen bei der Verlobung der zwei befunden hatten.

Graf von Fersen kam etliche Minuten vor seiner Braut an und wartete ungeduldig auf ihr Antreffen vor dem Eingang der Kathedrale. Um sich abzulenken, lief er hektisch hin und her. Sein Verhalten zauberte ein Schmunzeln auf die Lippen der Gäste, denn es lag nicht in seiner Natur ungeduldig und nervös zu sein. Die innere Ruhe des Grafen war bekannt. Ausgerechnet eine Frau setzte das außer Gefecht.

Man spürte regelrecht die Erleichterung Von Fersens, als endlich die Kutsche der Jarjayes eintraf.

Als erstes stieg der General aus und hielt seiner Tochter dann seine Hand hin. Der Kutscher war kein anderer als Andre, der sich dachte //Sehr schön, jetzt fahre ich sie schon höchstpersönlich zu ihrem Liebhaber.// Ein ironisches Lächeln zeichnete sich auf seinem Gesicht ab. Wie konnte er sich nur von seiner Großmutter und dem General dazu überreden lassen? Nie in seinem ganzen Leben kam er sich so hilflos vor, wie in diesem Moment. Seine große Liebe würde einen anderen heiraten und ein Bett mit ihm teilen und er, Andre, würde sein Leben lang darunter leiden. Es war ihm nicht vergönnt glücklich zu werden. Still in seinem Inneren nahm er Abschied von seinem Leben an der Seite von Oscar. Die Zeit war reif für Veränderungen, die er hinnehmen musste, ob er wollte oder nicht.
 

Wieder waren die Gäste von Oscars Anblick entzückt. Wie schon bei ihrer Verlobung trug sie ein sehr schlichtes Kleid, diesmal jedoch ganz in weiß und aus feinster Seide. Das Kleid wurde speziell für sie gefertigt. Oben rum war es etwas eng und in der Gegend ihrer Beine war es breiter. Ihre Ärmel gingen bis zum Ellbogen und ihr Ausschnitt war so tief, das man den Ansatz ihrer rundlichen Brüste sehen konnte. Ganz bewusste hatte sie alle Schleifen und Blümchen verbannt. Damit wollte sie verhindern, dass sie kitschig wirkte. Kleider waren einfach nichts für Oscar, aber zu ihrer Hochzeit kam sie nicht drum herum ein Kleid zu tragen, auch wenn sie sich nicht wohl fühlte. Inständig hoffte sie, es möge der letzte Tag in ihrem Leben sein, an dem sie ein Kleid trug und ihre Haare fest zusammen band. Warum die Damenwelt das freiwillig mitmachte, konnte sie beim besten Willen nicht verstehen.
 

Oscar stieg die Treppen empor. Das Kleid bereitete ihrer Schwierigkeiten dabei, aber sie hatte sich bei ihrem Vater eingehakt, was ihr Halt gab. Hinter ihr war Andre, der sich traurig und mit gesenktem Kopf auf den Eingang zu bewegte. In den darauffolgenden Minuten verfiel Andre wieder in sein altes depressives Muster. Von der Vermählung bekam er nicht sehr viel mit. Erst bei den Ehegelöbnissen kehrte er allmählich wieder in die Realität zurück.
 

Oscars Hände zitterten als sie ihr Gelöbnis in ihrer Hand hielt. Bevor sie anfing, es vorzubringen, hob sie ihren Kopf und sah in die gespannten Augen des Grafen. Mit zittriger Stimme begann Oscar ihr Gelöbnis vorzulesen.
 

„Liebster Hans, ich, Oscar Francois de Jarjayes, möchte Euch heute vor allen Anwesenden sagen, dass ich Euch liebe. Nur für Euch Liebster werde ich mein altes Leben hinter mir lassen, um mit Euch, als die Frau an Eurer Seite, glücklich zu werden. Ich schwöre Euch, dass ich alles tun werde, um Euch glücklich zu machen und Euch eine gute Frau zu sein. Denkt immer an diese Worte. Ich liebe Euch.“
 

Tränen der Freude flossen aus den Augen der Gäste. Andre schien es als einzigen nicht berührt zu haben. Er ließ es nicht an sich heran, weil er wusste,dass er dann den Verstand verlieren würde.
 

Nach dem der Graf diese Worte eigenermaßen verdaut hatte, fing er an, sein Ehegelöbnis vorzulesen.
 

„Geliebte Oscar, ich kann mich noch ganz genau an den Tag erinnern, als ich Euch das erste Mal begegnet bin. Ich hielt Euch für einen Mann... Mit der Zeit wurden wir gute Freunde und ich habe Euch in mein Herz geschlossen. Und als ich Euch dann noch in einem Kleid sah, war es um mich geschehen.

Ich, Graf Hans Axel von Fersen, schwöre Euch ewige Treue und ich werde mein bestes tun, um Euch glücklich zu machen.“
 

Wieder begannen einige leise vor sich hin zu schluchzen. Andres Verstand hatte sich nach dem Gelöbnis von Oscar wieder verabschiedet. Seine Großmutter hatte ihn am Arm gerüttelt und ihn aus seiner Teilnahmslosigkeit gerissen. Er stellte fest, dass sie gerade die Ringe tauschten. Wie in Trance beobachtete er das Geschehen und als sie sich küssten, hatte er das Gefühl, als hätte man ihm soeben das Herz rausgerissen. Er fühlte nichts mehr, abgesehen vom Schmerz.
 

Die Feier erschien ihm wie eine Ewigkeit. Er hatte nicht sonderlich viel davon mitbekommen. Hin und wieder wanderten seine Augen zu Oscar rüber, aber sie bemerkte es nicht.
 

Nach einigen Stunden der Qual, kam die Feier zum Ende. Es war allseits bekannt, dass Oscar sofort nach dem Ende der Hochzeit mit ihrem Mann nach Schweden aufbrechen würde. Dort hatte er ein Haus gekauft, in dem er mit Oscar leben wollte.

Die Gäste beglückwünschten das Brautpaar und verabschiedeten sich. Oscars Augen waren vom weinen schon ganz rot. Selbst ihr sonst so selbstbeherrschter Vater verlor die Kontrolle über seine Gefühle, während er Oscar in die Arme nahm. Viele Tränen flossen an diesem Tag seine Wange herunter. Oscar sah ihm tief in die Augen und sagte nur: „Ich danke Euch Vater“. Wieder umarmten sie sich und lagen sich eine Weile schweigend in den Armen. Oscar war eine solche Nähe zu ihrem Vater nicht gewohnt, aber es fühlte sich schön an. Schweren Herzens befreiten sich die beiden aus der Umarmung und der General legte seine Hand auf den Arm vom Grafen und bat ihn darum, sein kleines Töchterchen glücklich zu machen. Lächelnd willigte dieser ein.

Andre stand 5 Meter hinter dem General und als dieser Oscar aus der Sicht ging, trafen ihre Blicke sich. Sekunden lang ruhten ihre Augen aufeinander. Gespannt warteten die Gäste auf eine Regung, während in Andre ein Kampf statt fand. Sein Körper bewegte sich nicht von der Stelle, während sein Herz und sein Verstand etwas begriffen hatten. Wenn er Oscar schon nicht als Frau haben konnte, so wollte er sie wenigstens als beste Freundin behalten.

Mit viel Mühe brachte er seine Beine in Bewegung.

Einige Zentimeter vor ihr kam er schließlich zum stehen. Immer noch blickten sie sich an. In Oscar kribbelte alles und ihre Beine knickten immer wieder leicht ein. Für einen kurzen Moment schloss Andre seine Augen und senkte sein Kopf. Krampfhaft überlegte er, was er sagen sollte. Als er glaubte zu wissen, was er ihr mit auf dem Weg geben wollte, hob er seinen Blick und sah ihr wieder in ihre verheulten Augen. Kaum hörbar sagte er: „Oscar … Ich bete nur dafür, dass du glücklich wirst. Das sich all deine Wünsche erfüllen und du einmal auf ein schönes und glückliches Leben voller schöner Momente zurückdenken kannst. Meine Liebe wird dich stets begleiten, wenn du krank vor Kummer bist und die Trauer dich innerlich zerfrisst. Und wenn du einmal nicht weiter weißt und das Leben dir jede Freude nimmt, so denke stets daran, dass es wenigstens einen Menschen auf der Welt gibt, der dich von Herzen liebt und immer an dich denkt.“

Seine Worte hatten sie zutiefst berührt. Sie legte ihre Hand auf seine Wange „ Ich danke dir mein Andre, hab Dank für deine Worte“. Aus lauter Glück und Trauer legte Oscar nun ihr Gesicht in die Hände und fing laut an zu weinen. Andre legte ihr eine Hand auf die Schulter. Ihr ganzer Körper fing an zu zittern bei seiner Berührung und sie hob ihren Kopf und sah ein kleines Lächeln auf seinem Gesicht. Seine Hand wanderte runter zu ihrem Rücken und schob sie direkt in seinem Arme. Sein rechter Arm ruhte auf ihrem Rücken, während die andere Hand sich auf ihrem Kopf befand. Das war der Moment des Abschieds und sie fiel beiden sichtlich schwer. Erst jetzt erkannte Oscar, wie viel ihr Andre eigentlich bedeutete und sie dachte:

//Da ist es wieder, das Gefühl der Geborgenheit//.

Wann immer er in ihrer Nähe war, wusste Oscar, dass alles gut werden würde. Er gab ihr stets dieses Gefühl der Sicherheit. Niemand konnte ihr etwas tun, solange er bei ihr war.

//Wie gern würde ich für immer in seinen starken Armen liegen. Aber Oscar … was hast du denn nur für Gedanken? Das ist deine Hochzeit mit Graf Von Fersen//ermahnte sie sich selber. Plötzlich hörte sie die Stimme der Königin, die sagte: „ Wenn das nicht Liebe ist, was ist es dann Oscar?.“

Diesen Satz hatte sie immer und immer wieder in ihrem Kopf gehört, aber sie wehrte sich dagegen, ernsthaft darüber nach zu denken. Es war einfach absurd. Und dennoch ….

// Warum scheint mir der Gedanken daran, das ich ihn verlasse, unerträglich? Was ist nur los mit mir? // Oscar redete sich ein, dass es vermutlich daran lag, dass Andre immer bei ihr war und dass sie von nun an alleine zurecht kommen musste. // Ja, das wird es sein. Daher die Angst vor der Trennung von ihm//.

Als sie die Umarmung lösten, richtete Andre noch die Worte „Ich wünsche Euch viel Glück“ an den Grafen und verließ fluchtartig die Kathedrale.
 

In derselben Nacht machten sich Oscar und Von Fersen auf den Weg nach Schweden.

Der General war dagegen, dass sie noch in derselben Nacht aufbrachen. Die Ehe sollte in Paris vollzogen werden, damit er mit eigenen Augen sehen konnte, dass Oscar keine Schande über ihre Familie gebracht hatte. Der Graf jedoch hatte darauf bestanden sofort nach der Hochzeit in sein Heimatland zurückzukehren. Widerwillig akzeptierte der General den Wunsch Von Fersens.
 

Die Heimreise des Grafen dauerte mehrere Tage und Oscar hatte die meiste Zeit mit dem Kopf auf seiner Brust geschlafen.

Als sie schließlich Schweden erreicht hatten, waren sie mehr als glücklich. Auf den Armen trug Von Fersen seine Frau in das neue gemeinsame Haus. Wie ein kleines Kind rannte Oscar, die noch immer ihr Hochzeitskleid trug, durch die Räume und begutachtete alles genau.

Am Abend nahmen beide hintereinander eine Dusche und gingen in ihr gemeinsames Schlafzimmer, das sich im ersten Stock befand. Der Raum war sehr groß. Die Wände waren mit zwei großen Bildern, auf denen Blumenwiesen abgebildet, geschmückt. Rechts neben der Tür stand ein großer Schreibtisch mit einem Stuhl, die aus Ebenholz gefertigt wurden. Die Fenster gegenüber der Tür waren in etwa so groß wie die Fenster in ihrem alten Schlafgemach. Die schweren dunkelbraunen Vorhänge schützten sie vor neugierigen Blicken von draußen. Aus dem Fenster hatte man einen herrlichen Blick auf den großen Garten, der voll mit Blumen war. Das hölzerne Bett war etwas zu klein für zwei Personen.//Wahrscheinlich hat er sich was dabei gedacht//.Die Kissen waren wie die Vorhänge dunkelbraun, so auch die federleichten Decken.Das Zimmer entsprach nicht gerade ihren Vorstellungen von einem schönen Zimmer,aber sie wollte nicht, dass er sich schlecht fühlte.Er hatte sich schließlich viel Mühe gegeben, daher schwieg sie und ließ es auf sich beruhen.
 

Sie setzte sich mit dem Rücken zu Von Fersen auf den Bettrand und strich mit dem Finger über ihren Ehering. Ihr kamen die Bilder der Hochzeitsgäste in den Sinn, wie sie sich von ihr verabschiedet hatten. Beim Gedanken an Andre glühte ihr Körper und sie verspürte eine unerträgliche Sehnsucht.

Während sie noch in Gedanken war, spürte sie eine Hand über ihren Kopf streichen. Sie wusste nur zu gut, was ihr jetzt bevor stand und sie hatte Angst davor. Noch ehe Oscar realisieren konnte, was mit ihr geschah, hatte der Graf sie bereits entkleidet. Zu ihrem Entsetzen stellte sie fest, dass er auch bereits nackt war. Mit der Hand zog er ihr Gesicht zu seinem und küsste sie voller Begierde. Oscar ging das etwas zu schnell, aber sie ließ sich drauf ein. Der Kuss war kurz und hatte sich so angefühlt, als ob sie einen Fremden geküsst hatte. Plötzlich musste sie zurück denken an jenem Abend, an dem Andre sie geküsst und ihr dann seine Liebe gestanden hatte. Obwohl er ihr an diesem Tag Angst gemacht hatte, hatte sie oft an diesen Kuss zurück denken müssen. Es hatte sie lange beschäftigt und selbst jetzt spürte sie noch den Druck seiner Lippen auf ihren.

Sie begriff nicht, was gerade mit ihr geschah.

Oscar schreckte aus ihren Gedanken auf, als sie bemerkte, wie der Graf sie nach unten drückte.

Nun spürte sie, wie er sich mit seinem gesamten Gewicht auf sie legte. Und ehe sie sich versah, spürte sie einen unerträglichen Schmerz im Unterleib. Ein Kurzer Schrei entfloh ihrem Mund. Die Schmerzen wurden immer stärker,je mehr der Graf sich in ihr bewegte. Die Hochzeitsnacht kam ihr wie ein Albtraum vor und sie hoffte, sie würde endlich aufwachen. Als er endlich zu einem Ende kam und sein Körper zu anderen Seite des Bettes rollte, stand Oscar noch etwas unter Schock. Ihn schien das nicht zu stören. Mit abgewendeten Rücken, wünschte er ihr eine gute Nacht und schlief kurz darauf ein. In dieser Nacht lag sie noch lange wach und dachte an alles Mögliche, wobei es immer mit Andre zu tun hatte.Sie beruhigte ihr Gewissen damit, dass Andre schließlich immer bei ihr war.

Und sie schlief mit dem Gedanken an Andre ein.
 

Am nächsten Morgen, als sie aufwachte,hatte der Graf bereits den Raum verlassen. Sie setzte sich im Bett aufrecht hin und streckte sich. Müde erhob sie sich und als sie das Bett richten wollte, fiel ihr Blick auf das blutverschmierte Laken. //Ach diesen Beweis wollte Vater sehen//.Die ganze Zeit über hatte sie nicht verstanden, wie ihr Vater feststellen wollte, dass sie unberührt war, jetzt tat sie es.

Schnell wechselte sie die Laken, ehe sie sich wusch, sich umkleidete und das Zimmer verließ, um frühstücken zu gehen. Der Graf musterte sie,als sie die Treppen hinab stieg. Oscar trat glücklich auf ihn zu und wollte ihm einen guten Morgen Kuss geben, aber ehe sie das tun konnte, sprach der Graf sie auf ihre Kleidung an „ Wieso trägst du denn bitte eine Hose und ein Hemd? Du bist doch jetzt meine Frau und nicht mehr der Befehlshaber der Söldnertruppe.“

Ihr drehte sich der Magen und sie brachte nur ein „ Was?“ heraus.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  stefanie22
2009-08-29T15:52:03+00:00 29.08.2009 17:52
das war sehr sehr schon und die gefühle haste sehr schon beschrieben freue mich jetzt schon auf nachste kapittel sag mir dann bescheid wenn es kommt

lg stefanie22
Von:  chrizzly
2009-08-29T12:55:34+00:00 29.08.2009 14:55
Wundervoll....einfach nur Klasse. Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll!!!! Ich bin ja so gespannt wie es weiter geht. Das hast du sehr schön rüber gebracht. Die ganzen Emotionen aller Beteiligten, hast wirklich sehr Bildhaft dargestellt.
Bitte, bitte stell das nächste Kapitel ganz schnell online!!!! :-)))
Freue mich riesig darauf!!!! Mach weiter so. Meinen allergrößtes Respekt!!!!

Liebste Grüße
Chrizzly


Zurück