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Es hätte alles so einfach sein können...

Glaube an dich selbst!
von

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Wenn alles eher bescheiden läuft...

Um mich vorzubereiten

auf die Belagerer

lernte ich

mein Herz immer kürzer zu halten
 

Das dauerte lange

Jetzt nach Jahren der Übung

versagt mein Herz

und ich sehe im Sterben das Land
 

als hätte nur ich

mich belagert

von innen

und hätte gesiegt:
 

Alles leer

Weit und breit

keine Sturmleitern

keine Feinde

- Erich Fried
 

Akis Sicht
 

„Wann willst du weg?“ Meine Eltern fixierten mich mit besorgten Blicken. Sie waren zwei Tage nach Frau Tudosas Besuch zurück nach Hause gekommen und etwas geschockt über meinen Zustand gewesen, ebenso wie über die Tatsache, dass wir plötzlich einen Hund hatten.

Und dass ich für ein halbes Jahr nach England wollte.

„In zwei Wochen.“

„Ist das nicht etwas kurzfristig?“, fragte meine Mutter bestürzt.

Ich musterte sie aus müden, ausdruckslosen Augen und schenkte ihr ein leichtes Schulterzucken. „Momentan gibt es billige Flüge.“

Sie schien nicht wirklich überzeugt. „Ich weiß nicht, Aki… du machst auf mich keinen… gesunden Eindruck.“

Aha. Warum sagte sie mir nicht direkt ins Gesicht, dass ich ein depressives Häufchen Elend war?

Doch trotz aller Bemühungen schaffte ich es nicht, in irgendeiner Form Emotionen auszudrücken. Weder bekam ich ein gezwungenes Lächeln zustande, noch war es mir möglich zu weinen.

Im Leben hatte ich mich noch nie so leer gefühlt.

„Ich glaube, ein Auslandsaufenthalt wird mir gut tun. Ein kleiner Umfeldswechsel ist bestimmt nicht das Schlechteste…“, wiederholte ich monoton Frau Tudosas Worte und schaute aus dem Fenster in einen seltsam trüben, regnerischen Spätsommertag, an dem sich selbst die Sonne wehrte, richtig aufzugehen und die Welt in ein merkwürdiges Licht zwischen Tag und Nacht tauchte.

Mein Vater, der bis dato nicht viel gesagt hatte, seufzte und legte mir eine Hand auf die Schulter.

„Aki. Was ist los? Möchtest du darüber reden?“

Langsam wanderte mein Blick hinauf zu seinem Gesicht. So einfühlsam hatte seine Stimme selten geklungen. Er wollte mich nicht drängen. Er hatte Mitleid mit mir.

In Gedanken erzählte ich ihm alles. Alles über Yusei, alles über Nicky, alles, was in der letzten Zeit passiert war, wie ich Peanut gefunden und wie ich mich mit Crow gestritten hatte… und wie ich mich fühlte.

So unverstanden. So allein. So müde. So trostlos. So schlapp. So ungeliebt.

Doch all das schien er nicht zu hören.

Papa, bitte sei still und höre mir einfach zu. Bitte, bitte… versuch es einfach.

Lange hielten wir Blickkontakt. Und trotzdem. Er verstand mich nicht.

Ich legte meine ganze Verzweiflung in meinen Blick.

Er runzelte nur die Stirn. Schüttelte den Kopf. Schaute betreten zur Seite. Seufzte erneut.

„So können wir sie unmöglich irgendwo hin lassen. Weder zur Schule, geschweige denn nach England.“ Meine Mutter klang fast hysterisch.

Die Hand meines Vaters, die immer noch auf meiner Schulter ruhte, wurde mir plötzlich zu schwer. Sie war eine Last.

Ich wollte keine Lasten mehr tragen müssen!

Ohne zu zögern schüttelte ich sie ab und spürte zum ersten Mal seit zwei Tagen wieder etwas wie ein Gefühl.

Mir war völlig egal, dass es Wut war, die da allmählich in mir anschwoll. Sie füllte zumindest diese unangenehme Leere zu einem gewissen Teil und ließ mich handeln. Denn mit der Wut kehrte auch meine Entschlossenheit zurück.

Eine willkommene Abwechslung!

„Ich denke“, sagte ich kalt, „dass ich mittlerweile alt genug bin, um selbst einzuschätzen, wozu ich in der Lage bin und wie ich mich fühle!“

Die Sorge in den Augen meiner Mutter trat in den Hintergrund. Stattdessen zogen sich ihre Augenbrauen zusammen, bei ihr ein klares Zeichen dafür, dass sie anderer Meinung war und noch längst nicht aufgegeben hatte.

Doch noch während wir beide uns zornig anfunkelten und sie zu einer Erwiderung ansetzte, schaltete sich mein Vater ein und sagte das vollkommen Unerwartete.

„In Ordnung.“

Meine Mutter und ich blickten ihn bestürzt an. Beide hatten wir nicht mit seiner Zustimmung zu meinem Vorhaben gerechnet. Doch wie so häufig fiel es mir auch diesmal schwer, meinen Vater richtig einzuschätzen und scheinbar hatte ich in diesem Punkt erneut versagt.

„Und was ist mit dem Hund?“ Typisch. Meine Mutter ergriff auch die letzte Rettungsleine, die sie zu fassen bekam!

Während Peanut freudig auf meinen Vater zu gerannt kam, als dieser in die Knie ging und ihn zu sich rief, machte sich in mir das Gefühl breit, dass der Hund wohl das geringste Problem in der ganzen Situation darstellte.

Mein Vater lächelte. „Nun, ich wollte schon immer einen Hund haben. Meine Eltern haben mir das nie erlaubt. Ich möchte nicht, dass Aki das ihren Kindern auch irgendwann mal sagen muss.“

Ich versuchte, den erneuten Stich in meinem Magen zu ignorieren.

Aber: hey! Mit mir ging es steil bergauf! Hatte ich doch eben noch gedacht, nie wieder IRGENDETWAS zu fühlen, belehrte mich das Leben mal wieder eines Besseren.

„Aki, verlässt du bitte den Raum?! Ich glaube, ich muss noch einmal allein mit deinem Vater reden.“

Das ließ ich mir nicht zweimal sagen! Die Stimme meiner Mutter klang bedrohlicher, als ich sie je zuvor gehört hatte und was zweifellos bedeutete, dass der nächste handfeste Streit zwischen den beiden bevorstand.

Noch während ich die Treppe zu meinem Zimmer hochging, machte sich in mir das schlechte Gewissen bemerkbar. Doch ich überhörte die mahnende Stimme.

Und ich wusste noch bevor meine Eltern mich eine Stunde später wieder zu sich riefen, dass ich gewonnen hatte.

Ich durfte für ein halbes Jahr nach England!

Doch das erwartete Triumphgefühl blieb aus. Stattdessen kehrte ein Teil der Leere zurück, der mir wohl auch die letzten zwei Wochen vor meiner Abreise erhalten bleiben würde.
 

- 1 1/2 Wochen später -
 

In meine Gedanken versunken stand ich vor meinem Schrank. Dabei war die Wahl der Klamotten, die ich mitnehmen wollte, das geringste Problem!

Vor nicht mehr als zehn Minuten hatte Crow bei uns angerufen und sein Kommen angekündigt. Ich selbst hatte nicht mit ihm gesprochen – ich mied nun schon seit mehr als einer Woche konsequent Telefon und Tür –, aber meine Mutter war doch so nett gewesen, den Anruf zu beantworten und hatte mich widerwillig über seinen Besuch in Kenntnis gesetzt. Seit dem Streit über meinen geplanten Auslandsaufenthalt hatte sie kaum noch mit mir gesprochen, was nicht unbedingt zur Besserung meiner Laune beitrug. Ich war froh, die Gegend bald verlassen zu können.

Crow wollte um halb drei bei uns sein – mir blieb also noch eine halbe Stunde, um mich auf eine Konfrontation mit ihm vorzubereiten und mir eine angemessene Erklärung für mein Verhalten und mein Vorhaben parat zu legen.

Als ich plötzlich auf meiner Lippe etwas Warmes, Nasses spürte und der unangenehme Geschmack von Eisen sich in meinem Mund ausbreitete, bemerkte ich geschockt, dass ich so fest auf ihr herumgebissen hatte, dass meine Unterlippe aufgeplatzt war.

Hastig rannte ich ins Badezimmer, wischte das Blut mit einer handvoll Wasser fort und drückte ein Tuch zum Stoppen der Blutung auf die Lippe, während meine Gedanken sich schon wieder Crows Besuch gewidmet hatten.

Langsam erhob ich mich vom Badewannenrand, auf den ich mich gesetzt hatte, legte das Tuch beiseite und schaute in den großen Spiegel, der über unserem Becken hing.

Ich war blasser als sonst, meine Haare hingen mir leicht verfilzt in mein Gesicht. Der Blick meiner Augen war stumpf, aber nicht leblos; ich meinte, etwas von der Panik in ihnen erkennen zu können, die sich langsam, aber sicher in meinem Körper ausbreitete.

Ich schnappte mir die Bürste, die auf einem kleinen Tisch neben dem Becken lag und begann, mich vorsichtig zu kämmen.

Es ziepte teilweise unangenehm, doch ich machte weiter, bis auch der letzte Knoten verschwunden war und mein Haar zumindest etwas weicher geworden war.

Gegen die Bleiche in meinem Gesicht wollte und konnte ich nicht wirklich etwas tun; ich war kein Fan von Make Up und benutzte es so gut wie nie.

Schlürfenden Schrittes ging ich zurück in mein Zimmer und ließ mich erneut auf dem Bett nieder, während der Minutenzeiger langsam auf zwanzig nach zwei vorrückte.

Noch zehn Minuten.

Was sollte ich ihm bloß sagen?

Doch während ich dort saß und mir den Kopf über mögliche Erklärungen zermaterte, wurde mir plötzlich noch etwas ganz anderes bewusst: wenn Yusei und Nicky wirklich zusammen waren, dann war ich nicht die Einzige, die darunter litt.

Immerhin war Crow doch angeblich in Nicky verliebt.

Was war ich doch nur für eine egoistische Kuh! Statt mich um meinen Freund zu kümmern und für ihn da zu sein, sah ich nur meinen eigenen Schmerz, meine eigenen ruinierten Hoffnungen. Ich wollte gar nicht daran denken, wie oft Crow möglicherweise schon bei uns angerufen hatte oder vorbeigekommen war; wahrscheinlich war ihm schon viel eher aufgefallen, dass wir beide gerade das Gleiche durchmachten.

Doch ich hatte wieder nur mich selbst gesehen, hatte nicht bemerkt, dass es vielleicht Menschen in meinem Umfeld gab, denen es genauso erging und mit denen ich hätte reden können.

Ich sprang auf, ging geradewegs zum Kleiderschrank und nahm mir eine Jeans und ein T- Shirt heraus. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass ich es ihm zumindest schuldig war, nicht in Jogginghose und Schlabberpulli bekleidet vor ihm zu erscheinen.

Als ich mich kurz darauf umgezogen hatte, verließ ich den Raum, setzte das beste Lächeln auf, das ich zustande brachte und ging hinunter in die Küche, wo ich Teewasser aufsetzte.

Ich war gerade dabei, nach etwas Essbarem zu suchen, was ich Crow anbieten könnte, als ich hörte, dass unsere Haustür aufgeschlossen wurde und mehrere Personen das Haus betraten, die sich laut unterhielten.

Mit zwei von diesen Stimmen hatte ich gerechnet. Mein Vater war mit Peanut unterwegs gewesen, und Crow hatte sein Kommen immerhin angekündigt.

Doch es waren noch zwei andere Personen mit von der Partie. Zwei unüberhörbare Stimmen, deren Besitzer mich beide, ohne es vielleicht wirklich zu wollen, so fürchterlich verletzt hatten.

Ächzend stützte ich mich auf der Küchenarbeitsplatte ab und schaute mit weit aufgerissenen Augen aus dem Fenster. Und tatsächlich: dort draußen stand nicht nur Crows D- Wheel. Ein Feuerrotes war unweit von dem Schwarzen abgestellt worden.

Ich hatte es unterbewusst geahnt und dennoch nicht damit gerechnet.

Ein fataler Fehler!

Was die Sache allerdings noch verkomplizierte und verschlimmerte war die Tatsache, dass Yuseis Anwesenheit allein scheinbar schon nicht Folterung genug war; nein, begleitet wurden die zwei von niemand anderem als Nicky, deren Stimme klar und deutlich selbst durch die geschlossene Küchentür drang und mein Herz augenblicklich gefrieren ließ. Es hatte mal eine Zeit gegeben, da hatte ich diese Stimme mit meiner besten Freundin assoziiert. Doch nun gehörte sie der Frau, der ich fälschlicher Weise immer wieder aufs Neue vertraut hatte, obwohl ich es eigentlich hätte besser wissen müssen.

Haltsuchend krallte ich mich an der Arbeitsplatte fest.

Wenn es stimmte und Crow das Gleiche durchmachte wie ich, warum ließ er es dann zu, dass Nicky und Yusei ihn begleiteten? Warum ließ er es als mein Freund zu, mich so leiden zu lassen?

Warum tat er das?

Als die Küchentüre sich öffnete, drehte ich mich nicht um.
 

Nicht nichts

ohne dich

aber nicht dasselbe
 

Nicht nichts

ohne dich

aber vielleicht weniger
 

Nicht nichts

aber weniger

und weniger
 

Vielleicht nicht nichts

ohne dich

aber nicht mehr viel

- Erich Fried
 

Yuseis Sicht
 

Sie hatte uns den Rücken zugekehrt, als wir den Raum betraten, und stützte sich auf der Arbeitsplatte ab.

Erst drehte sie sich nicht zu uns um. Ich dachte schon, sie würde weinen und wollte nicht, dass wir ihre Tränen sahen. Doch bevor einer von uns etwas sagen konnte, drückte sie sich von der Platte ab und wandte sich uns mit einem strahlenden Lächeln zu.

Doch dieses Lächeln konnte ihre Augenringe nicht unsichtbar machen, ihre Gesichtszüge nicht echter wirken lassen.

Ich wusste, dass sie Nicky und mich nicht hier haben wollte. Ich wusste, dass wir sie furchtbar verletzt hatten. Und ich wusste, dass es ganz und gar meine Schuld war.

Allerdings wusste ich auch, dass ich das Missverständnis, das es zwischen uns gegeben hatte, unbedingt aus der Welt schaffen wollte.

„Hallo“, sagte sie betont freundlich, das gekünstelte Lächeln erhielt sie gekonnt aufrecht. „Wie schön, euch noch mal zu sehen.“ Ihre Stimme versagte, ihre Mundwinkel zitterten.

Nicky trat einen Schritt vor.

„Hör auf damit, Aki“, sagte sie. „Du musst uns nichts vorspielen. Wir wissen, was du denkst und was wir dir dadurch angetan haben.“

„Ich? Vorspielen? Was soll ich euch denn vorspielen? Mir geht es gut, dann darf man doch wohl lächeln.“ Doch dieses war tatsächlich von Akis Gesicht verschwunden. An seine Stelle war ein harter, unbarmherziger Zug getreten, der schon viel mehr zu dem Rest ihres Gesichtes passte und mir einen Stich versetzte, als ich mir vorstellte, dass sie die letzten paar Tage ständig so geguckt haben musste. Und das nur wegen mir!

„Nein. Nein, dir geht es nicht gut. Und wir wissen, dass das an uns liegt.“ Nicky war ganz ruhig und ich bewunderte sie dafür. So laut und nervig sie sonst auch sein konnte: wenn es darauf ankam, brachte sie den nötigen Ernst auf, den die Situation erforderte. „Wir haben dich sehr verletzt, Aki, und ich weiß aus Erfahrung, wie du auf emotionalen Schmerz reagierst. Du schottest dich ab, ziehst zwischen dich und die Realität eine große, unüberwindbare Mauer, versteckst dich immer mehr in dir selber, meidest andere Leute, denn trotz all dieser Schutzvorkehrungen hast du dennoch das Gefühl, dass du verwundbar bist.“

Akis Augen blitzen. „Hör auf damit, Nicky!“, flüsterte sie drohend.

Diese fuhr unbeirrt fort. „Ich kann nicht sagen, dass ich deine Methode gut finde, aber es ist deine Form der Bewältigung. Ich glaube nicht, dass es in meiner Macht liegt, daran etwas zu ändern.“ Nicky atmete tief ein. „Aber, Aki: ich möchte nicht, dass du dich aufgrund eines Missverständnisses dieser Folter unterziehst!“

„Das Einzige, durch das ich gerade gefoltert werde, ist euer Besuch!“, sagte Aki giftig und schaute die Blonde herausfordernd an.

Nicky lächelte leicht. „Ja. Auch das kann ich mir vorstellen. Ich werde dich auch nicht lange belästigen. Ich wollte dir nur sagen, wie leid mir das alles tut! Ich war keine gute Freundin für dich, obwohl ich mich so sehr bemüht habe!“

„BEMÜHT?“, schrie Aki. „Bemüht? Wann hast du dich denn je BEMÜHT?! Das Wort kommt in deinem Wortschatz doch überhaupt nicht vor! Genauso wenig wie das Wort Freundschaft! Wie kannst du es überhaupt wagen, das Wort in den Mund zu nehmen, nach all dem, was du dir geleistet hast? Hast du eine Ahnung davon, kannst du dir überhaupt vorstellen, wie es mir gerade geht?“

Und sowohl zu Crows, als auch zu meiner Bestürzung brach bei beiden Mädchen der Damm praktisch gleichzeitig. Beide schluchzten plötzlich auf, beiden liefen unaufhörlich Tränen über die Wangen, beide versuchten sie trotz ihrer vom Weinen erstickten Stimmen die Konversation aufrecht zu erhalten.

„Ja, ich kann mir vorstellen, wie es dir geht, Aki. Aber es ist nicht so, wie du denkst!“

„Das sagen immer alle!“ Energisch wischte Aki sich die Tränen fort, doch an ihre Stelle traten sofort neue und schließlich gab sie auf.

Auch Nicky wurde jetzt lauter, wütender. „Glaubst du eigentlich, dass Crow und du die Einzigen seid, die versuchen, sich in Liebesdingen unter die Arme zu greifen?“

„Nicky, beruhige dich“, flüsterte Crow und legte ihr eine Hand auf die Schulter. Die Blonde rutschte ein Stück zu ihm heran und ließ es zu, dass er einen Arm um sie legte.

Aki sog in abgehackten Stücken die Luft ein. Ihre Augen weiteten sich vor Überraschung.

„Ähnlich wie das Abkommen, das wir beide geschlossen haben“, begann nun Crow zu erklären, „hat Nicky mehr oder weniger ungefragt Yusei geholfen.“

„Eher komplett ungefragt!“ Die Sache wenigstens wollte ich klarstellen.

„Es ist meine Schuld, Aki“, schluchzte Nicky. „Ich wollte dir eine Freude machen und euch – schlichtweg gesagt – miteinander verkuppeln. Aber so wie es aussieht habe ich etwas übertrieben…“

Akis Augenbrauen zogen sich zusammen, ihr Mund öffnete sich leicht zu einer Erwiderung, doch Nicky ließ sie nicht zu Wort kommen.

„Erst habe ich gedacht, dass du wütend werden würdest, wenn ich versuche, bei Yusei zu landen, und diese Wut eventuell deinen Ehrgeiz hervorrufen würde.“

Himmel, was für eine Ausdrucksweise!

„Es HAT mich auch wütend gemacht, Nicky!“, warf Aki ein, ihre Augen blitzten zornig.

Das Mädchen schaute betreten zu Boden. „Ich weiß. Das ist mir dann später auch aufgefallen. Nur das die gewünschte Reaktion deinerseits leider ausgeblieben ist. Und als du dann im Unterricht zusammengebrochen bist, sah ich die Chance, dich bei den Jungs unterzubringen. Aber auch das hat scheinbar nicht so gut geklappt, wie ich es mir erhofft hatte. Und dann“ – sie stampfte wütend mit dem rechten Fuß auf – „rufe ich ausgerechnet in dem Moment an, um zu erfahren, was für Fortschritte ihr macht, als ihr euch küsst! Schlechter abgepasst hätte es gar nicht sein können!“

Unbewusst nickte ich zustimmend.

„Ach ja. Du weißt schon, dass du gerade versuchst mir weis zu machen, dass du nie etwas von Yusei wolltest?!“ Aki stemmte die Hände in die Hüften. „Zufälligerweise weiß ich, dass aber genau das der Fall war!“

„Das habe ich doch nur gesagt, damit du dich etwas mehr anstrengst und dich traust, ihn anzusprechen.“ Sie deutete mit dem Finger nach draußen. „Dort gibt es tausende Mädchen, die dir dein Glück ruinieren können, nur weil sie sich dazu überwinden, auf den Jungen, der ihnen gefällt, zuzugehen. Das war alles, was ich wollte! Glaubst du wirklich, ich könnte dich so hintergehen? Ich habe gedacht, wir wären Freundinnen!“

„Das habe ich auch“, fauchte Aki, doch der Sicherheit und dem Trotz in ihrer Stimme war scheinbar ein Dämpfer versetzt worden. „Und was war mit dem Telefonat? Hast du dafür auch eine Erklärung parat?“ Ihr Kopf schnellte zu mir hinüber. „Warum hast du gesagt, dass sie dir fehlt? Und was zum Teufel wolltest du mir sagen?“

„In der Zeit, in der du nicht mit mir gesprochen hast“, begann ich in ruhigem Tonfall, „habe ich oft mit Nicky telefoniert, weil sie wissen wollte, ob sich an der Situation etwas verändert hat und wir wieder miteinander sprechen würden. Sie war diejenige, die mir immer wieder gesagt hat, dass ich nicht den Kopf hängen lassen und einfach abwarten soll. Wir sind schnell Freunde geworden, auch wenn ich etwas wütend darüber war, dass sie versucht hat, dich eifersüchtig zu machen.“ Ich warf Nicky einen kurzen Blick zu, die den Kopf geneigt hatte und betreten zu Boden schaute. „Und genau das sollte ich dir in einer günstigen Minute sagen, weil sie selbst Angst vor deiner Reaktion hatte. Sie wusste, dass du wütend auf sie warst und ihr ganzer Plan fehlgeschlagen war. Allerdings hatte sie die Hoffnung, dass du ihr verzeihen würdest, wenn ich es dir an ihrer statt beichte.“

Aki hatte die Hände sinken lassen, ihre Gesichtszüge hatten sich wieder halbwegs entspannt, doch immer noch liefen Tränen über ihre Wangen. Während sie sprach, zitterte ihre Unterlippe.

„Das… war also… alles? Das solltest du mir sagen? Nicht, dass ihr zusammen seid oder etwas Ähnliches?“

Ich schüttelte nur den Kopf und schenkte ihr ein leichtes Lächeln. „Nein, nichts dergleichen. Aki, überleg doch mal bitte: hätte ich dich geküsst, wenn ich in Wahrheit in jemand anderen verliebt wäre? Denkst du, dass ich so ein Mensch bin?“

„Und… warum fehlt sie dir?“, flüsterte Aki mit einer so leisen Stimme, dass ich mir nicht sicher war, ob sie es wirklich gefragt hatte.

Ich zuckte entschuldigend die Schultern. „Du kennst mich doch. Freunde fehlen mir immer. Du fehlst mir auch. Sehr sogar!“

Und bevor irgendwer von uns irgendetwas tun oder sagen konnte, jaulte Aki laut auf, rannte auf mich zu und warf sich in meine Arme.

Herrgott, wie gut das tat! Sie verbarg ihr Gesicht an meiner Brust, schluchzte, heulte, schniefte und krallte sich an mir fest, während ich behutsam meine Arme um sie legte und sie fest an mich zog.

Ich bekam nur halb mit, dass Crow und Nicky die Küche verließen und die Türe hinter sich zuzogen; ich war zu beschäftigt damit, Aki zu trösten, sie hin und her zu wiegen und ihr vorsichtig über den Rücken und die Arme zu streicheln, damit sie sich wieder beruhigte.

Lange Zeit standen wir so da, Arm in Arm. Und obwohl sie so traurig zu sein schien, war ich noch nie glücklicher gewesen.

Ich hatte sie dort, wo ich sie schon immer hatte haben wollen: in meinem Arm, an meiner Brust. Ich wollte sie beschützen, alles Unheil von ihr fernhalten.

Und genau dabei hatte ich so jämmerlich versagt, war sogar das Unglück selbst gewesen.

In diesem Moment nahm ich mir fest vor, dass das nicht noch einmal passieren würde!

Irgendwann hob sie schließlich ihren Kopf und schaute mich aus verquollenen roten Augen durchdringend an.

„Es tut mir leid. Es tut mir so leid, Aki. Ich…“

Sie hob eine Hand, legte einen Finger auf meine Lippen und brachte mich so zum verstummen.

„Du hast dich oft genug entschuldigt. Jetzt bin ich dran!“

„Aber…“, stieß ich an ihrem Finger vorbei hervor.

„Bitte, sei kurz still, ja?!“ Ich hob eine Augenbraue, nickte aber. Aki lächelte schwach. „Es tut mir leid, dass ich einfach weggelaufen bin. Es tut mir leid, dass ich mich nicht bei dir gemeldet habe. Es tut mir leid, dass ich euch, ohne es überhaupt richtig zu wissen, solche Vorwürfe gemacht habe. Nicht nur du hast mich verletzt, Yusei, auch ich habe dir weh getan. Das ist mir bloß nie aufgefallen, weil ich immer nur an mich selbst gedacht habe. Ich war so egoistisch, wollte mich selbst nur einfach vor Schmerzen bewahren und habe gar nicht daran gedacht, dass andere Leute sich vielleicht um mich sorgen könnten.“ Erneut traten Tränen in ihre Augen. „Es tut mir so furchtbar leid!“

Mein Herz dehnte sich plötzlich auf eine seltsame Weise aus und wurde größer; eine Mauer, die es bis dato umgeben hatte, wurde eingerissen und somit zerstört: ohne weiter darüber nachzudenken, beugte ich mich zu ihr hinunter und küsste sie.

Ich spürte ihre Tränen auf meinem Gesicht, fühlte ihre bebenden Lippen auf meinen, hörte ihre erstickten Schluchzer. Kein Telefon klingelte, niemand störte uns.

Als wir uns schließlich voneinander lösten, schnappten wir beide nach Luft und lächelten uns erst verlegen, dann absolut glücklich an.

„Ich liebe dich.“ War es Zufall, dass wir beide diese drei Worte gleichzeitig sagten, oder hatte es einen Grund? Hielt eine Liebe länger, wenn zwei Verliebte diesen Satz gleichzeitig sagten, ohne sich vorher abzusprechen?

Wer konnte das schon wissen?

Alles, was ich wusste, war, dass ich in dieser Sekunde eine solche Liebe für Aki empfand, dass es fast schon weh tat.

Ich liebe dich!

Noch nie zuvor war ich so glücklich gewesen!



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Kommentare zu diesem Kapitel (9)

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Von:  HekaChebiut
2010-12-05T17:22:45+00:00 05.12.2010 18:22
oh mein gott war das schön!!!
ich bin ganz berauscht. ich will mehr!
das gesamte kapitel war einfach spitzenklasse.
ich hoffe bald mehr von dir zu lesen....

lg Heka
Von:  Kami_no_Kev
2010-12-03T16:42:40+00:00 03.12.2010 17:42
oh man! ist das eine schöne Geschichte! wie du einiege Parts humorvoll hingekriegt hast! hatte fast immer einen Lachflash!
Von:  Vanilla_Coffee
2010-11-30T09:22:06+00:00 30.11.2010 10:22
*sich Taschentuch schnapp und Tränchen wegwisch*
*quitschend vor Freude durch den Raum renn*
WIE SÜß o_o
*schnief*
Die beiden sind ja so das süße Pärchen ^.^
Schade, dass das nächte Kappi auch das letzte is ._.
Freu mich aber trotzdem drauf^^

LG Amalia
Von:  fahnm
2010-11-29T23:36:20+00:00 30.11.2010 00:36
Super Kapi!^^
Nun hat sich doch alles aufgeklärt.^^
Von:  CreamCake
2010-11-29T21:55:48+00:00 29.11.2010 22:55
mein erster gedanke bei deiner Ens war: yay es geht weiter! x3
nun zum kapitel xD
das kapitel ist auf ne komische art und weise total süß geschrieben xD
ich find das supi wie du die Gefühle der beiden beschrieben hast :D
ich hab richtig mitgefühlt >_<
hach ~ das ende war soo genial *-*

Liebe Grüße <3

Von:  Inu-ky
2010-11-29T17:35:34+00:00 29.11.2010 18:35
echt schön.
War ein tolles Kapitel, die beiden sind ein süßes Paar.
Ist zwar schade, dass es das letzte Kapitel nun kommt aber ich freu mich trotzdem es weiter zu lesen :D
Lg Inu-ky
Von:  DarkDragon
2010-11-29T16:14:10+00:00 29.11.2010 17:14
Wow und endlich ging es weiter^^ Als beide anfingen zu weinen, damit hätte ich nicht gerechnet.
Ich mochte auch den anfang gerne wo Aki ihre Eltern überzeugen wollte, nach England zu fliegen. Der Schluss war sowie so geniel.
Bin schon auf das letzte Kapitel gespannt.
lg
Von: ShioChan
2010-11-29T09:46:08+00:00 29.11.2010 10:46
Schööööööööööööööööön >/////< *fieps* *fiepsend durch den Raum hüpf*
wie süß... argh... ich weiß gar nicht wie ich mich ausdrücken soll! Q_____Q Es ist einfach umwerfend...

ich hoffe die beiden kommen nun auch wirklich in der Serie zusammen... >////< Andeutungen darauf gibts ja schon genügen! *Q*

Ich freu mich schon auf das nächste/letzte Kapitel! >////<

LG
ShioChan
Von:  _Sungmin_
2010-11-29T00:52:49+00:00 29.11.2010 01:52
Yay >D
Erste

also nach wie vor mag ich deinen Schreibstil sehr sehr gerne
und du schaffst, was nur wenigen FF-Autoren gelingt! Du beschreibst - hier die Gefühle der Person-, ohne dabei die Hauptstory aus den Augen zu verlieren
und das ist es, was ich sehr gut finde

zur story des Kapitels:
find ich das Kapi einfach klasse!!!
man fiebert richtig mit Aki, Yusei, Crow und Nicky mit
und es freut mich echt, dass es zwischen den jeweiligen Paaren nun doch geklappt hat >3
sehr lustig fand ich die Stelle, wo Nicky und Aki, zu Yuseis und Crows Entsetzen, anfangen zu weinen XD
ich konnte mir ihre Gesichter echt gut vorstellen
*lach*

ich freu mich schon auf's nächste (letzte) Kapitel

LG
Aki


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