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Liebe ist tödlich

Kaibas Maxime. Irrtum ausgeschlossen?
von

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Bärenchaos

Kapitel 7: Bärenchaos
 

Es war absurd. Einen Hauch infantil. Oder vielleicht pubertär. Wahrscheinlich war es hormonell bedingt. Und obwohl ich das wusste, gefiel mir die Vorstellung. Der Plan würde drei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Keine elenden Berührungsängste. Keine Okami Arina. Aber Tsuki für mich allein. Natürlich würde ich ihn nicht umsetzen. Die Blöße jemanden zu bitten, mir zu helfen, würde ich mir gewiss nicht geben. Dennoch ... die möglichen Ergebnisse stellten eine Verlockung dar.
 

Ich wusste nicht, wo diese Absurdität von einem Plan hergekommen war. Letztendlich interessierte mich das auch nur, wenn ich ihn wieder dorthin verbannen konnte. Einmal da, hielt er sich hartnäckig. Dabei war es eigentlich gar nicht in meinem Sinn, mir vorzustellen, wie es wäre, Tsuki für mich zu haben. Es war lästig. Und es half mir sicherlich nicht dabei, diese Gefühle zu ignorieren oder gar ganz loszuwerden.
 

Ein kühler Wind wehte mir um die Nase. In letzter Zeit ging ich abends oft nach draußen, wenn mich diese Idee verfolgte, in der Hoffnung einen klaren Kopf zu bekommen. Manchmal funktioniert es, leider nicht immer. Dann wälzte ich mich unruhig im Bett hin und her und fragte mich, wie es wohl wäre, wenn Tsuki neben mir läge. Dagegen half auch das Aufschreiben kaum. Allerdings war das immer noch angenehmer, als die Alpträume, die mich in letzter Zeit wieder verstärkt quälten. Vielleicht war daraus auch die Idee erwachsen, Tsuki zu bitten, mir mit meinen Berührungsängsten zu helfen.
 

Mein Weg führte mich einmal um die ganze Villa herum. Wenn ich nicht eilte, brauchte ich dafür etwa eine halbe Stunde. Dabei kam ich jedes Mal an Tsukis Zimmer vorbei. Dort lief ich immer unter den Balkonen entlang. Ich wollte nicht, dass er mich sah.
 

Bisher war nichts Bedeutsames passiert. Ab und an hörte ich Musik aus dem ersten Stock, aber meistens war es still. Im Gegensatz zu heute. Lautstark drangen Stimmen an mein Ohr. Ich konnte nicht wiederstehen, blieb stehen und lauschte.
 

„ ... gedacht, ich werd nicht mehr. Was fällt dem Kerl eigentlich ein, meinem Vater gegenüber zu behaupten, ich würde eine Beziehung mit dir führen.“ Okami Arina war außer sich. Ich grinste nur. Ich wusste nicht, wie Okami mit seiner Tochter umgegangen war, aber nachdem ich nebenbei eine Andeutung über Tsuki und Okami Arina fallen ließ – er hatte sofort nachgefragt –, war er schockiert gewesen. Eine Beziehung seiner Tochter mit einem Callboy schien ihm ganz und gar nicht zu gefallen, so wie ich es erwartet hatte.
 

Tsuki lachte. „Was hast du denn gedacht? Dass er es sich einfach bieten lässt, wenn du versuchst seine Geschäftsbeziehung zu deinem Vater zu sabotieren? Ich bitte dich, im Grunde kannst du froh sein, dass er dir danach nicht Hausverbot erteilt hat.“
 

Tsuki war auf meiner Seite. Ein Punkt für mich. Ein Minuspunkt für Okami Arina. Das war gut. Ebenso wäre es wirklich eine Überlegung wert, ihr Hausverbot zu erteilen. Nur leider hatte ich die Befürchtung, dass sich Tsuki dann in der Stadt mit ihr treffen würde. Das wollte ich noch weniger. Schließlich war zu erwarten, dass die Auftragsmörder es noch einmal versuchen würden und in der Stadt war die Gefahr bedeutet größer, dass die Polizei ihn nicht beschützen konnte.
 

„Hör auf, ständig auf seiner Seite zu sein.“ Ständig? Das wurde ja immer besser. „Ich weiß nicht, was du in ihm siehst, aber es entspricht nicht der Realität. Der Mann ist gnadenlos.“
 

Ich glaubte, ein leises Schnauben von Tsuki zu vernehmen. „Du bist diejenige, die nur Gerüchten folgt. Ich wohne jetzt schon eine Weile hier und kenne ihn wohl besser als du.“
 

„Was findest du an ihm? Zugegeben, er sieht gut aus. Aber charakterlich –“ Was hatte mein Aussehen damit zu tun? Wenn sie sich über mich stritten, schön und gut, solange Tsuki auf meiner Seite war, aber was für eine Rolle spielte mein Äußerliches dabei, dass ich sie indirekt bei ihrem Vater angeschwärzt hatte?
 

„Er sieht nicht nur gut aus. Er ist regelrecht heiß!“, erwiderte Tsuki. Aus seinem Mund klang das wie ein großes Kompliment. Normalerweise tat ich solche Aussprüche als schleimendes Geschwafel ab. Dieses Mal schmeichelte es mir. Und ich begriff, dass sie sich grundsätzlich über mich zu streiten schienen. Mit der Neuigkeit konnte ich doch etwas anfangen.
 

„Ich garantiere dir, dass du dir die Finger verbrennst!“, zischte sie, fuhr dann sanfter und eindringlicher fort. „Hör einmal auf mich, Tsuki. Der Typ hat keinen guten Einfluss auf dich. Ich will nicht, dass er dich verletzt!“
 

„Ich hab deine Zweifel zur Kenntnis genommen. Aber es ist mein Leben und es sind meine Entscheidungen. Außerdem mag ich es warm!“ So langsam schien Tsuki in Fahrt zu kommen. Ich hatte ihn nur bei den Auseinandersetzungen mit Wheeler so wütend erlebt.
 

Apropos Wheeler. Ich hatte ihm immer noch keine richtige Antwort gegeben. Das würde ich auch nur indirekt. Entschieden, wie diese ausfallen würde, hatte ich bisher nicht. Er meinte es wohl wirklich ernst. In den letzten Tagen waren seine Beleidigungen nicht so wüst gewesen. Auf irgendeine Art und Weise musste ich darauf reagieren. Im Grunde erschien es mir sinnig, einen Gang zurückzuschalten. Langsam bekam er mehr meiner Aufmerksamkeit, als ihm zustand. Es wurde lästig.
 

Über mir war es lauter geworden. Plötzlich hörte ich zwei klackernde Schritte auf dem Balkon und einen Moment später landete etwas im Gras. Da ich mir sicher war, dass die beiden viel zu sehr mit ihrem Streit beschäftigt waren, um mich zu bemerken, ging ich hin und hob es auf. Ein Plüschbär. Er war warm.
 

Ich zog mich gerade wieder unter den Balkon zurück, als mir Tsukis Testbogen für die Partnerarbeit in den Sinn kam:
 

Name: Aozora Tsuki
 

Alter: 23
 

Kreuzen Sie die drei Charaktereigenschaften an, die sie am besten beschreiben!

Selbstbewusst. Fleißig. Extrovertiert.
 

Wie teamfähig sind Sie? Markieren Sie auf der Skala!

Sehr teamfähig.
 

Kreuzen Sie einen schulischen Themenbereich an, der Sie interessiert. Wenn gewünscht, tragen Sie ein bestimmtes Schulfach ein.

Kunst.
 

Welchen Beruf wollen Sie später ergreifen?

Künstler/Grafiker.
 

Nennen Sie Ihre drei Lieblingshobbys!

Zeichnen. Musik hören. Sex.
 

Was ist Ihr Lieblingstier?

Bär.
 

Was trinken Sie am liebsten?

Fanta.
 

Was ist Ihre Lieblingssüßigkeit?

Twix.
 

Wunschpartner: Kaiba Seto
 

Die meisten seiner Antwort hatte ich mit der Zeit verstanden. Nur sein Lieblingstier war mir ein Rätsel geblieben. Aber hier war er nun. Der Bär. Weich und Warm. Ich konnte dem Drang nicht wiederstehen, einmal an ihm zu schnuppern. Er roch nach Tsuki. Und so wie der sich gerade mit Okami Arina fetzte, weil sie das Stofftier aus dem Fenster geworfen hatte, schien es wirklich ein Grund zu sein, warum er Bären so mochte.
 

Als es oben ruhiger wurde und die beiden sich auf den Weg machten, um das Plüschtier wiederzuholen, ging ich weiter. Vorher wog ich ab, wo sie lang kommen würde, und wählte einen anderen Weg.
 

***
 

Ich starrte auf den Bildschirm. Es war kaum zu glauben, wie infantil ich in letzter Zeit war. Auf grandiose Weise hatte ich mir selbst wieder bewiesen, warum ich nie etwas von Liebe gehalten hatte. Sie verdrehte einem den Kopf, ließ einen Dinge tun, die man unter normalen Umständen nicht einmal in Betracht gezogen hätte.
 

Nicht genug, dass ich den Bären mitgenommen hatte, nun lag er in meinem Bett. Auf meinem Kopfkissen. Weil er nach Tsuki roch und ich hoffte, dass ich so besser schlafen konnte. Tsukis Geruch hatte, seitdem ich ihn kannte, etwas Beruhigendes gehabt.
 

Wie erniedrigend war das bitteschön? Ging es noch schlimmer? Es ging. Definitiv.
 

Seitdem ich das Gespräch zwischen Tsuki und Okami Arina mitgehört hatte, wollte mir mein Plan gar nicht mehr aus dem Kopf. Nach den neuen Informationen schien er geradezu danach zu schreien, in die Tat umgesetzt zu werden. Die Voraussetzungen waren gut.
 

Erstens war Tsuki nicht mit Okami Arina zusammen. Das hatte ich zwar geahnt, aber sicher war ich mir nie gewesen. Zweitens stritten sich Tsuki und Okami Arina öfter über mich, wobei Tsuki auf meiner Seite war. Drittens stand endgültig fest, dass Tsuki auch Gefallen an Männern, ebenso an mir, fand. Viertens hatte Okami Arina gerade seinen Plüschbären aus dem Fenster geworfen, worüber sich Tsuki lautstark aufgeregt hatte.
 

Es schien also relativ einfach, den Plan umzusetzen. Dazu müsste ich Tsuki nur um Hilfe bitten. Und das würde ich bestimmt nicht tun. Ich kam alleine zurecht.
 

Kaum hatte ich Tsuki aus meinen Gedanken halbwegs verdrängt, klopfte es an der Tür.
 

„Herein.“ Ich hatte noch gar nicht geendet, da kam Tsuki schon herein. Er wirkte ein wenig panisch.
 

„Mein Bär ist weg“, platzte es aus ihm heraus. Oh. War das Viech etwa so wichtig? Aber warum kam er deswegen zu mir? Er konnte unmöglich wissen, dass ich ihn hatte.
 

„Dein Bär ist weg?“, wiederholte ich skeptisch. Am besten stellte ich mich ahnungslos.
 

„Ja“, erklärte Tsuki. In diesem Moment wirkte er eher verlegen. „So ein Kleiner. Liegt auf den Bauch und streckt alle Viere von sich.“
 

„Weswegen kommst du damit zu mir?“, fragte ich, als ich nicht die gewünschten Informationen bekam.
 

„Tja, ich weiß, dass klingt lächerlich,“ Er fuhr sich unruhig durchs Haar. „aber ich wollte dich bitten, ein paar Leute loszuschicken. Arina hat ihn aus dem Fenster geworfen und wir finden ihn jetzt nicht wieder.“
 

Für einen Moment war ich sprachlos. Warum fragte er mich das überhaupt? Er musste doch wissen, dass zu dieser Zeit nur noch das Sicherheitspersonal da war. Und von denen würde ich für einen Teddybären niemanden abziehen. Das Stofftier musste ihm sehr wichtig sein, wenn er hierher kam.
 

„Ist sie noch da?“, fragte ich. Vielleicht konnte ich ihm das Ding einfach in die Hand drücken. Auch wenn ich dann eingestehen musste, dass ich Teile des „Gesprächs“ mitgehört hatte. Aber realistisch gesehen, musste ich das sowieso irgendwann. Jetzt würde ich es nur tun, wenn nicht die Gefahr bestand, dass der Bär nachher noch im Mixer landete. Nicht, dass mir etwas an dem Vieh lag, nur hatte ich überhaupt keine Lust, auf einen aufgelösten Tsuki.
 

„Äh, ja“, erwiderte er etwas verwirrt.
 

„Dann ist er wohl da, wo er jetzt ist, besser aufgehoben.“
 

„Sie hat mir versprochen, es nicht noch mal zu tun.“
 

„Ich glaube ihr kein Wort.“
 

„Aber es sieht nach Regen aus. Stofftiere mögen keine Feuchtigkeit.“ Da konnte ich ihn beruhigen, ich würde wegen des Bären heute bestimmt nicht damit anfangen, mein Bett mit einer Gießkanne zu wässern.
 

„Tsuki, ich kann niemanden vom Sicherheitspersonal dafür abziehen.“
 

„Aber …“ Er wirkte so trotzig wie ein kleines Kind. Aber ich sah, dass er wusste, warum ich diese Entscheidung traf. Innerlich seufzte ich. Im Grunde wollte ich ihm nicht vor den Kopf stoßen, auch wenn ich nicht verstand, warum der Bär so einen Aufstand wert war.
 

„Ich garantiere dir, dass er nicht nass wird!“
 

Tsuki blinzelte. Er blickte mich verwirrt an. Nach einem Moment schien er zu verstehen, dass ich nur etwas garantierte, wenn ich es auch konnte.
 

„Oh. Okay.“ Damit war er wieder verschwunden. Fast hatte ich erwartet, dass er nachfragte, warum ich mir so sicher war. Aber er schluckte es, ohne zu Murren. Anscheinend vertraute er mir. Obwohl der Bär nach diesem Auftritt zweifellos wichtig sein musste.
 

***
 

Ich schreckte auf, sah mich desorientier um. Mein Zimmer. Ich war allein. Das Blut rauschte in meinen Ohren. Mein Atem ging stoßweise. Keuchend. Nur ein Traum, versuchte ich mich zu beruhigen. Es gelang mir nicht so recht. Die Bilder hielten sich vor meinem geistigen Auge. So realistisch war es noch nie gewesen. Ich zog meine Beine zu mir heran. Fast rechnete ich damit, dass mein Körper bei jeder Bewegung schmerzte, so wie er es im Traum getan hatte. Aber das Einzige, was meine Bewegungen behinderte, war das Zittern, das mich ergriffen hatte.
 

So einen Traum hatte ich noch nie gehabt. Bisher war in meinen Alpträumen immer nur mein Entführer aufgetaucht, in diesem waren es andere Personen gewesen, die mich missbrauchten. Personen, aus meinem Alltag, jene, bei denen meine Berührungsängste am stärksten gewesen waren.
 

Ich tastete nach Tsukis Bären, den ich irgendwo neben mein Kopfkissen gelegt hatte, drückte ihn hilfesuchend an mich und inhalierte den Geruch, der von ihm ausging. Später würde ich mich dafür sicherlich verabscheuen, aber im Moment war es mir reichlich egal. Es beruhigte mich ein bisschen. So sehr, dass ich begriff, dass mein Verstand meine Panik nicht mehr länger kontrollieren konnte. Mit rationalen Gedanken konnte ich mich nicht beruhigen. Sie gaben mir keine Sicherheit.
 

Ich wusste, dass es nicht so weiter gehen konnte. Ich musste etwas dagegen unternehmen, und das einzige, von dem ich wusste, das es mir half, war Tsukis Geruch, Tsukis Gegenwart. Und egal, wie sehr ich mich darüber im Nachhinein ärgern würde, jetzt war mir klar, dass es der Weg war, wieder Herr der Lage zu werden.
 

Den Bären immer noch an meine Brust gedrückt, hastete ich los. Bei Tsuki Zimmer angekommen, machte ich mir gar nicht erst die Mühe zu klopfen. Ich ging davon aus, dass er sowieso nicht mehr wach war und ein Klopfen ihn nicht wecken würde. Als ich eintrat, bemerkte ich das Gegenteil. Die Nachttischlampen waren noch an. Von Tsuki keine Spur. Ich nahm an, dass er im Bad war.
 

Der Bär roch inzwischen mehr nach mir als nach Tsuki. Ich brauchte Ersatz. Außerdem war mir kalt. Also schlüpfte ich in sein Bett, vergrub mein Gesicht im Kopfkissen und zog die Decke bis zum Kinn. Ob Tsuki das vielleicht störte, war momentan irrelevant. Die Hauptsache war, dass von überallher Tsukis Geruch kam.
 

Nach einigen Minuten hörte ich, dass die Tür zum Bad geöffnet wurde. Tsuki bemerkte mich anscheinend sofort. Bevor ich überhaupt den Kopf gehoben hatte, kam schon ein überraschtes „Oh“ über seine Lippen. Er blinzelte verdutzt, wurde aber gleich ernst, als sich unsere Blicke trafen.
 

„Seto“, murmelte er besorgt, während er das Bett umrundete. Sobald er sich auf der Bettkante niedergelassen hatte, setzte ich mich auf und vergrub mein Gesicht in seiner Halsbeuge. Ich handelte, ohne zu denken. Er strahlte Sicherheit und Geborgenheit aus, und ich konnte nicht widerstehen. Mein Kopf hätte mir gesagt, dass es nur trügerisch war. Meine Gefühle wollten davon nichts wissen.
 

Tsuki schien im ersten Moment verdutzt, dann legte er seine Arme um mich. So locker, dass ich jederzeit aus seiner Umarmung ausbrechen könnte. Er verstand mich wieder einmal blind. Er sagte nichts, war nur da.
 

Es dauerte ein wenig, bis die Angst und die Kontrolllosigkeit nachließen. Vielleicht sollte ich Tsuki jetzt fragen, ob er mir weiterhelfen kann, dachte ich. Ich wusste, dass ich etwas tun musste, aber sobald die Angst wieder ganz abgeklungen war, würde ich mich wahrscheinlich dagegen sperren, meinen Plan umzusetzen.
 

„Geht es wieder einigermaßen?“, fragte Tsuki leise. Er schien zu spüren, dass es so war.
 

„Ja“, murmelte ich und löste mich von ihm. Er sah mich besorgt an.
 

„Du solltest dich lieber hinlegen. Du siehst erschöpft aus“, sagte er. Ich hatte das Gefühl, dass er merkte, dass ich bleiben wollte. Dies war sozusagen seine Einverständniserklärung, die es mir zudem abnahm, danach fragen zu müssen. Dankbar legte ich mich hin. Sofort umfing mich Tsukis Geruch. Abermals fühlte ich mich sicher. Tsuki setzte sich auf den Boden. Er wollte wohl halbwegs auf Augenhöhe mit mir sein.
 

„Es war anders“, sagte ich. Plötzlich überkam mich wieder das Gefühl, mit Tsuki über alles reden zu können. Dieses Mal wollte ich sprechen, vielleicht auch nur, weil es eine gute Einleitung zu meiner Frage war.
 

„Was?“, fragte Tsuki und legte leicht den Kopf schief.
 

„Der Traum“, erwiderte ich leise. Es fiel mir schwer das Folgende auszusprechen. „Normalerweise träume ich von den Geschehnissen des Abends und manchmal, was passiert wäre, wenn du nicht gekommen wärst. Aber heute waren es andere Leute, die mich missbraucht haben.“
 

„Konntest du ihre Gesichter erkennen?“, hakte Tsuki nach, als ich abbrach.
 

„Ja, ich kannte alle“, murmelte ich und wiederstand nur knapp dem Drang mein Gesicht im Kopfkissen zu vergraben. Den Blick wendete ich dennoch beschämt ab. „Es waren diejenigen, bei denen die Berührungsängste relativ ausgeprägt waren. Ich weiß, dass es in der Realität nicht dazu kommen würde. Einer ist zum Beispiel erzkonservativ. Der würde sich wahrscheinlich schon erschießen, wenn er nur den Gedanken hegen würde, Sex mit einem Mann zu haben. Ich versteh es einfach nicht.“
 

„Ich denke, die Berührungsängste sind eine unterbewusste Schutzmaßnahme. In Wirklichkeit hast du keine Angst vor einfachen Berührungen, sondern davor dass jemand mehr wollen könnte. Um das zu verhindern, blockiert wohl irgendetwas alles“, antwortete er. Hier war der Punkt, an dem ich meine Frage stellen konnte. Es widerstrebte mir immer noch, jemanden um Hilfe zu bitten. Dabei würde es nur eine indirekte Bitte sein. Allerdings wusste ich keine andere Möglichkeit. Außerdem gefielen mir die möglichen Ergebnisse schon länger.
 

„Kannst du meinem Körper beweisen, dass ich diese Angst nicht haben muss?“, fragte ich also.
 

Tsuki blickte mich überrascht an. Ich bemerkte, wie er mehrmals zum Sprechen ansetzte, doch keinen Laut über seine Lippen brachte, außer einem verwunderten „Seto“. War das ein schlechtes Zeichen?
 

„Ich weiß nicht, ob ich das kann“, meinte er dann irgendwann. „Ich möchte dir helfen, aber ich habe Angst, es nur noch schlimmer zu machen.“
 

„Ich vertrau dir!“, erwiderte ich. Er durfte nicht nein sagen. Jemand anderen konnte ich nicht fragen. Selbst wenn ich es noch einmal über mich bringen sollte, die Bitte zu formulieren. Niemand anderes hatte es geschafft, mir das Unwohlsein zu nehmen. „Bisher bist du der Einzige, dessen Berührungen ich mit der Zeit akzeptiert habe.“ Einen Moment herrschte Stille. Ich sah es Tsuki an, dass er nachdachte.
 

„Ich werd‘s versuchen“, erklärte er irgendwann. „Aber du musst mir versprechen, sofort Bescheid zu sagen, wenn ich eine Grenze überschreiten sollte.“
 

Ich nickte. Erleichtert. Das war ein Anfang. Und vielleicht ging mein Plan wirklich voll auf. Daran glaubte ich momentan noch nicht.
 

„Wie weit willst du gehen?“, fragte Tsuki. Er wollte die Grenze wohl von Anfang an recht klar definiert haben. Da musste ich ihn enttäuschen.
 

„Soweit wie nötig ist“, erwiderte ich.
 

„Okay“, sagte Tsuki nachdenklich und fuhr sich durchs Haar. „Ist es für dich in Ordnung, wenn ich auf der anderen Seite des Bettes schlafe?“
 

Abermals nickte ich. Ich hoffte, dass es die beruhigende Wirkung hatte, die ich mir davon versprach und Tsuki plötzlich nicht doch noch als Bedrohung angesehen wurde. Anscheinend war das nicht der Fall. Das Doppelbett war so groß, dass wir uns nicht einmal berührten, bis Tsuki nach meiner Hand griff und seine Finger mit meinen verschränkte. Es war nicht unangenehm, sondern gab mir Halt.
 

„Schlaf gut“, murmelte Tsuki. „Wenn etwas sein sollte, weck mich einfach auf.“
 

Als Tsuki eingeschlafen war, lief mein Verstand wieder auf Hochtouren. Ich ärgerte mich nicht besonders darüber, dass ich ihn gefragt hatte. Ich schob es auf die Nachwirkungen des Traumes. Noch konnte ich nicht einordnen, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war. Eins war aber klar: Ab jetzt balancierte ich auf einem schmalen Grad. Wo ich schon die Chance hatte, ihm nahe zu sein, würde ich sie auch nutzen. Dabei durfte ich nur nicht zu weit gehen. Zu viel verlangen. Damit würde ich mir selbst schaden. Ich teilte nicht gerne, deswegen hoffte ich, dass Tsuki wirklich von sich aus aufhörte, mit Okami Arina zu schlafen.
 

Ich wusste nicht, ob es eine Möglichkeit gab, meine Gefühle für Tsuki aufzugeben. Wenn ja, dann hatte ich sie bisher nicht gefunden. Im Moment wollte ich auch gar nicht, dass sie verschwanden. Sie schienen mir hilfreich dabei, Tsuki näher an mich heranzulassen. Und wenn es wirklich keine Option war, den ganzen Gefühlskram zu verbannen, dann hatte ich nach diesem Tag auch ein wenig Hoffnung, dass es vielleicht gar nicht nötig sein würde. Vielleicht musste ich nicht immer allein sein.
 

Es war lächerlich, so etwas zu denken. Ich kam hervorragend alleine zurecht und eine Beziehung hatte ich nie gewollt. Es erschien mir unnütz. Nur stressig. Aber meine Gefühle versuchten mir zu vermitteln, während ich in Tsukis schlafendes Gesicht sah und seinen warmen Händedruck spürte, dass eine Beziehung es vielleicht wert war. Ich konnte mir nicht erklären warum, aber im Moment störte mich der Gedanken gar nicht so sehr.
 

Ich seufzte leise. Das klang geradezu nach dem Stoff für den restlichen Song. Ich setzte mich auf und schaltete die Nachtischlampe wieder ein. Wie der Zufall es wollte, lag der Ausdruck des Anfangs, den ich Tsuki gegeben hatte, auf dem Schrank neben einem Zeichenblock und einem Bleistift.
 

Ohne Tsukis Hand loszulassen – wohlmöglich würde er noch aufwachen, worauf ich im Augenblick nicht erpicht war –, nahm ich den Stift und begann zu schreiben.
 

Oh, mein Geliebter

Oh, mein Geliebter

Wenn es so schlimm schmerzt, will ich dich in den Armen halten

Lass mich, mich fühlen, als wolltest du mein Geliebter sein

Bitte lass mich frei oder gibt mir einen Grund

Zu versuchen es am Leben zu halten

Es gibt keinen Grund für uns allein zu sein

Gibt mir ein bisschen Hoffnung

Ich wandere auf einem schmalen Grad

Oh, mein Geliebter

Oh, mein Geliebter

Wenn es so schlimm schmerzt, will ich dich in den Armen halten

Lass mich, mich fühlen, als wolltest du mein Geliebter sein

Lass mich, mich fühlen, als wolltest du mein Geliebter sein
 

Wieder übersetzte ich alles ins Englische und ließ mich dann in die Kissen sinken. Damit hatte ich wenigstens diese Aufgabe hinter mir. Und ich wäre nicht Kaiba Seto, wenn ich mein restliches Leben nicht wieder strukturieren könnte.
 

Oh, lover of mine.

Oh, lover of mine.

When it hurts so badly I wanna hold you in my arms.

Make me feel like you wanna be a lover of mine.

Please set me free or give me a reason.

For tryin' to keep it alive.

There is no need for us to be lonely.

Give me some kind of hope

I’m walking a fine line.

Oh, lover of mine.

Oh, lover of mine.

When it hurts so badly I wanna hold you in my arms.

Make me feel like you wanna be a lover of mine.

Make me feel like you wanna be a lover of mine.
 

***
 

Am nächsten Morgen begriff ich, warum Tsuki so oft verschlief. Schon seit zehn Minuten versuchte ich, ihn mit den unterschiedlichsten Methoden aufzuwecken. Dass der Lärm des Weckers allein, es nicht schaffte, erschien mir im Moment nur verständlich. Nach weiteren zwei Minuten hatte ich ihn halbwegs wachgerüttelt.
 

„Was ist denn?“, fragte er verschlafen.
 

„Es ist fast halb zehn. Ich will aufstehen, aber du lässt meine Hand nicht los!“ Demonstrativ hob ich unsere verschränkten Hände.
 

„Hm. Manchmal kann ich ohne Bär so schlecht schlafen.“ Was hatte das jetzt damit zu tun? Apropos Bär. Wo war das Vieh gestern verschüttet gegangen? Ich war mir sicher, dass ich ihn mit hierher gebracht hatte. Mit meiner freien Hand tastete ich unter der Deck nach ihm. Er lag fast am Fußende.
 

„Hier. Dein Bär. Jetzt lass mich los“, sagte ich grimmig. Tsuki dachte gar nicht daran. Er legte nur einen Arm über den Teddybären, den ich ihm auf die Brust gedrückt hatte.
 

„Das ist toll“, murmelte er schläfrig. „Dann hab ich hier ja jetzt zwei.“ Zwei? Er hatte noch so ein Vieh? Was wollte er mit ... Oder meinte er mich? Seine Aussagen ließen darauf schließen. Aber wie kam er dazu, mich mit einem Bären zu vergleichen?
 

„Ich hoffe für dich, dass du nicht mich meinst“, sagte ich verstimmt und rüttelte noch einmal an seiner Schulter, damit er nicht wieder einschlief.
 

„Doch. Natürlich.“ Er sprach mit so einer Überzeugung, wie ich sie ihm im Halbschlaf niemals zugetraut hatte. „Du bist manchmal genauso brummelig, kannst ungemein gefährlich sein, bist kraftvoll und hast einen starken Beschützerinstinkt Mokuba gegenüber.“
 

Aha. Ganz toll. Ich hatte seiner Meinung nach also Ähnlichkeit mit einem Bären. Das sah ich anders. Wenn einer von uns charakterliche Übereinstimmungen mit einem Tier zeigte, dann war das wohl er.
 

„Und du bist eine verdammte Katze“, erwiderte ich. Daraufhin hob er den Zeigefinger seiner freien Hand.
 

„Kater“, bestimmte er. Na großartig. Er gab es sogar zu. Langsam hatte ich wirklich genug von diesem „Gespräch“.
 

„Tsuki, wenn du nicht augenblicklich meine Hand loslässt, mach ich deinen Bären kaputt.“ Das erzielte das gewünschte Ergebnis. Er legte auch den zweiten Arm über den Bären und drehte mir den Rücken zu.
 

„Na also. Geht doch“, murmelte ich und konnte nur knapp ein Seufzen unterdrücken. Warum war das Plüschtier nur so wichtig? Ich verstand es nicht.
 

„Seto“, sagte Tsuki, als ich gerade aufstehen wollte. Er klang wacher. „Du wolltest ihn nicht kaputt machen, oder?“
 

„Nein, ich wollte, dass du meine Hand loslässt“, antwortete ich. Tsuki drehte sich wieder um. Er sah jetzt auch wach aus.
 

„Entschuldigung“, sagte er. „Du solltest, das was ich tue, wenn ich nicht ganz wach bin, nicht allzu ernst nehmen. Ich bin dann noch nicht so ganz zurechnungsfähig.“ Er kratzte sich verlegen am Kopf. Das hatte ich gemerkt. Allerdings beschäftigte mich im Augenblick mehr die Frage, warum ihm das Stofftier so wichtig war.
 

„Warum benimmst du dich wie ein halbes Kind, wenn es um den Bären geht?“
 

„Meine Mutter hat ihn mir zum Geburtstag geschenkt. Das war während des einzigen Urlaubs, den ich mit meiner Mutter und meinem Vater gemacht hab. Ich war damals so unglaublich glücklich. Na ja, und jetzt ist er das einzige, was ich von meiner Mutter bekommen habe, das ein Gesicht hat. Ich weiß nicht, aber immer wenn ich an meine Mutter denken muss, hat er etwas Tröstliches.“



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Kommentare zu diesem Kapitel (4)

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Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Nachsommer
2010-05-06T19:29:57+00:00 06.05.2010 21:29
Hier das Kommentar zu Kapitel 7 :) Ich fang ja sowieso immer mit den Zitaten an, deswegen brauch ich dich ja darauf nicht mehr hinzuweisen. In diesem Kapitel waren die Tippfehler ziemlich zahlreich (und für eine Ff dieses Kalibers nicht unnötig.) Deswegen bitte Acht geben auf:

>Letztendlich interessierte es mich auch nur, wenn ich ihn wieder dorthin verbannen konnte.

Dieser Satz hat, soweit ich erkennen kann, keinen Zusammenhang...wohin will er was wie wo verbannen?

>Einmal da hielt er sich hartnäckig.

>Dabei kam ich auch immer an Tsukis Zimmer vorbei. Dort lief ich immer unter den Balkonen entlang.

2mal immer, sonst ok.

>Schließlich war dort die Gefahr bedeutet größer, dass ihm etwas passierte.

...das ihm etwas passierte??? denkt er da an einen Amoklauf im Supermarkt oder einen Autounfall??...Er spricht doch von Sex mit dieser Tussi....

>Und sowie der sich gerade mit Okami Arina fetzte,

>schien es wirklich ein Teil des Grundes zu sein, warum er Bären so mochte.

ein Teil des Grundes mmmh....vielleicht ein Grund :D

>und die beiden sich auf

>Zweitens schritten sich Tsuki und Okami Arina öfter über mich

>So ein kleiner

>Stofftieren mögen keine Feuchtigkeit.

>Sah mich desorientier um.

>Aber das einzige, was meine Bewegungen behinderte, war das Zittern

>Er blinzelte verdutzt, wurde aber gleich ernst, als sich unsere Blicke tragen.

>mehrmals zum Sprechen ansetze, doch keinen

>die Bitte zu formulieren, niemand anderes hatte es geschafft, mir das Unwohlsein zu nehmen.

2 Sätze

>du der einzige, dessen Berührungen ich mit der Zeit akzeptiert habe.“

>und seine Finger mit meinen verschränkte.

???

>Eins war aber klar, ab jetzt balancierte ich auf einem schmalen Grad.

Ich glaub, hier muss ein Doppelpunkt stehen.

>Du bist manchmal genauso brummelig. Kannst ungemein gefährlich sein. Bist kraftvoll. Hast einen starken Beschützerinstinkt Mokuba gegenüber.“

Ellipsen hin oder her, aber das sind eindeutig Aufzählungen :P

>Daraufhin hob den Zeigefinger seiner freien Hand.

Huh? der Zeigefinger hat plötzlich ein Eigenleben und hebt sich selbst? Ôo

>Du solltest, das was ich tue, wenn ich nicht ganz wach bin nicht allzu ernst nehmen.

ein Komma fehlt...hahahah wer findet's?

>Augenblick mehr die Frage, worum ihm das Stofftier so wichtig war.

Tsuki, worum ost dor orgontloch Stoftoer wochtig??? Joah, iosh soecoe iommoer so.

So, Inhalt:

Ich hab das doch richtig verstanden und Seto hat Tsuki aufgefordert mit ihm Sex zu haben, oder? Ôo....wie kann denn Tsuki sich dann einfach so wieder hinlegen?

Ansonsten war die Storyline schön :) Obwohl Kaiba durch seine Gefühle manchmal sehr abweicht von dem Kaiba aus der Serie. Das ist Interpretation und dein gutes Recht, aber manchmal sieht er wirklich etwas zu gefühlvoll rein.

Na ja, das mit dem Bären war auf jeden Fall eine gute Idee :D Vorallem Tsuki im Halbschlaf den Vergleich vormurmeln zu lassen, gab einem einen Lachkrampf.

Und für den Teddybären, find ich es sehr schön, dass er nicht nass geworden ist...meinen Teddy hätt ich damals wahrscheinlich auch so verteidigt.

Also, was kann ich noch sagen, außer: gutes Kapitel, nur bitte pass auf die Tippfehler auf?

Schön!

Blubb!

Bär!

Meld mich beim Nächsten...das heißt Morgen...

Ashley
Von:  Currywurstbrot
2010-02-15T14:06:01+00:00 15.02.2010 15:06
hey =)
die sache mit dem Bärchen
ist i-wie niedlich xD
mach weiter so
bin gespannt
lg
Von:  Yoshy03
2010-02-14T22:50:33+00:00 14.02.2010 23:50
wah sagmal was genau wird das jetzt am ende? wegen dem Pairing????
Von:  JK_Kaiba
2010-02-14T18:03:17+00:00 14.02.2010 19:03
hi
ist mal wieder ein super kapitel
deine FF ist echt super toll
bin schon gespannt wie es weiter geht^^
lg


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