Zum Inhalt der Seite

Liebe ist tödlich

Kaibas Maxime. Irrtum ausgeschlossen?
von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Eifersucht

Kapitel 5: Eifersucht
 

Kaum hatte ich die Villa betreten, tauchte Tsuki vor mir auf. Als hätte er auf mich gewartet.
 

„Hey, zieh nicht so ein Gesicht. Du solltest dich glücklich schätzen: Du hast den beliebtesten Callboy Dominos ganz für dich allein und musst nicht mal dafür bezahlen.“ Tsuki zwinkerte mir lächelnd zu.
 

„Was für eine seltsame Begrüßung“, erwiderte ich. Zugegebenermaßen etwas irritiert. Aber wer wollte es mir verübeln?
 

„Tja, damit musst du rechnen, wenn du nach Hause kommst und dreinblickst, wie drei Tage Regenwetter. Da fühle ich mich verpflichtet, dich etwas aufzumuntern.“
 

„Erstens: Ich schau immer so, wenn etwas in der Firma nicht so läuft, wie es sollte“, bestimmte ich, „und zweitens: Das nennst du eine Aufmunterung?!“
 

Sobald ich meine Schuhe ausgezogen hatte, griff er nach meiner rechten Hand und zog mich mit sich. Überrumpelt folgte ich ihm.
 

„Erstens: Zu Hause solltest du nicht an die Firma denken. Was zweitens betrifft: Viele würden sich über diese Tatsachenlage freuen. Außerdem hab ich für dich gekocht.“
 

Tsuki grinste wie ein Honigkuchenpferd. Abrupt blieb ich stehen. Er sah mich verwirrt an.
 

„Ich bin nicht ‚Viele‘ und das klingt wie eine Drohung.“ Daraufhin verzog er das Gesicht.
 

„Mokuba hat es geschmeckt“, erklärte er und lief um mich herum. Im nächsten Moment spürte ich seine warmen Hände auf meinem Rücken. Sie drückten mich sanft weiter in Richtung Küche. „Probier wenigstens.“
 

Ich gab es auf, zu wiedersprechen.
 

***
 

Musik drang an meine Ohren. Etwas recht Schweres lag auf meinem Bauch. Schläfrig öffnete ich die Augen. Ich blinzelte mehrmals. Vom Fernseher kam etwas Licht. Ich blickte an mir hinunter. Es war nur Tsuki. Sein Kopf lag auf meinem Bauch, ein Arm quer über meiner Brust. Beruhigt schloss ich wieder die Augen, genoss die Wärme, die sein Körper ausstrahlte und schlief schnell wieder ein.
 

***
 

Mit der Zeit hatte sich zwischen mir und Tsuki etwas verändert. Ich vertraute ihm. So sehr wie ansonsten nur Mokuba. Schläfrig hatte auch mein Unterbewusstsein ihn nicht als Bedrohung eingestuft, trotz meiner Berührungsängste. Ich wusste nicht, wie es dazu gekommen war.
 

Wir hatten uns abends oftmals noch im Fernsehzimmer getroffen. Manchmal war auch Mokuba dazu gekommen. Mal spielten wir etwas, ein andermal schaute wir fern oder einen Film, aber meistens redeten wir nur, beziehungsweise Tsuki redete. Ich hörte zu, stellte Fragen. Es störte ihn nicht, dass ich nicht gerne über mich sprach. Er akzeptierte den nur kleinen Grad, den ich mich ihm öffnete. Nach jedem Gespräch hatte ich das Gefühl, ihn ein bisschen besser zu kennen. Langsam begann ich, ihn zu verstehen. Tsuki erlaubte mir einen Einblick in sein Leben, der das bei weitem übertraf, was ich über ihn erfahren hatte, als ich mir seine Kontoauszüge und Kassenbons sowie den Testbogen der Partnerbestimmung angesehen hatte – letzteren zugegebenermaßen unerlaubt. Er sprach recht offen über seinen Job – die Probleme und Unannehmlichkeiten, die er teilweise hatte, obwohl er seine Klienten selbst bestimmen konnte. Genauso erklärte er mir die Regeln, die er für sich selbst aufgestellt hatte, was beruflichen Sex betraf. Nur über seine Eltern erzählte er wenig, er sagte, der Verlust täte ihm immer noch weh. Das glaubte ich ihm. Mir ging es auch nicht viel anders, auch wenn ich mir wünschte, dass es anders wäre.
 

Mit den Abenden hatte sich auch der Körperkontakt intensiviert. Am Anfang war mir das noch unangenehm gewesen. Ich wusste, dass Tsuki mir nicht wehtun würde. Aber meine Berührungsängste begründeten sich nicht in meinem Verstand. Was auch immer der Auslöser für sie war, gegenüber Tsuki traten sie immer wenig auf. Vertrauen schien sich aufzubauen, nicht nur vom Kopf aus. Und ich genoss es, wann immer er da war.
 

Ich seufzte leise und rieb mir die Augen. Meine Gedanken schweiften regelmäßig zu ihm ab. Ich schaffte kaum noch etwas. Es ärgerte mich. Ich steckte so schon in einer schwierigen Lage, da konnte ich es mir am allerwenigsten erlauben, nicht voll bei der Sache zu sein. Inzwischen war ich froh, dass der Geschäftspartner, mit dem ich für diese Zeit einen Termin ausgemacht hatte, abgesagt hatte. Ich gestand es mir nicht gerne ein, aber ich hätte mich wahrscheinlich nicht richtig konzentrieren können. Vielleicht würde ein Kaffee helfen.
 

Als ich auf dem Weg in die Küche durch die langen Gänge der Villa lief, erschienen sie mir kahl und freundlos. Es war unsinnig. Was erwartete ich? Bunte Farbklekse, irgendwelche verrückten Muster? Ich schüttelte den Kopf. Nur im Gegensatz zu Tsukis ständiger Heiterkeit, konnte eine schlichte, aber warme Farbwahl trostlos erscheinen. Ich schüttelte innerlich den Kopf. Ich sollte zusehen, dass ich Tsuki aus meinem Kopf bekam. Warum auch immer er überhaupt dort war.
 

Mokuba versuchte gerade die Kakaopulverdose aus einem der oberen Schränke zu holen, als ich eintrat.
 

„Hilfst du mir mal“, bat er. Ich gab ihm die Dose. Während er großzügig Kakaopulver in seinen Becher mit Milch schaufelte, setzte ich Wasser auf und holte mir einen Becher aus dem Schrank.
 

„Es ist schön, dass du zu Hause bist, großer Bruder!“ Mokuba schob seinen Kakao in die Mikrowelle. Für einen Moment hielt ich inne. Der Teebeutel baumelte in meiner Hand. Hatte ich ihm für heute irgendetwas versprochen? Nein. Also worauf wollte er mich aufmerksam machen. Ich ignorierte das Wissen, dass er irgendeinen Hintergedanken hatte, als ich antwortete.
 

„Ich arbeitete freitagnachmittags schon eine Weile zu Hause.“
 

„Ja, aber du bist da. Und wann immer du Feierabend machst, bist du gleich bei mir.“ Das war der zweite Wink mit dem Zaunpfahl.
 

„Mokuba, was willst du?“
 

„Seit wann trinkst du Tee bei der Arbeit?“, stellte er die Gegenfrage. Er schien nicht vom Thema abweichen wollen. Die Tatsache verwunderte ihn wohl. Mich auch. Für einen Augenblick starrte ich nur das dampfende Gebräu in meiner Tasse an. Ich hatte Kaffee machen wollen, also warum jetzt der Tee. Ich sah auf das Etikett. Tsukis Tee. Der, den er uns manchmal abends machte. Innerlich schüttelte ich den Kopf. Das war doch wohl nicht wahr. Ich hatte nicht mal bewusst realisiert, was ich da tat.
 

„Ich hatte einfach Lust auf eine Tasse“, antwortete ich Mokuba, wusste aber selbst sehr genau, dass es nicht die ganze Wahrheit war. Auch wenn mir nicht klar war, was diese Wahrheit war.
 

„Oh. Ach so.“ Mehr sagte er nicht. Gut, jetzt wollte er mir ausweichen. Also wiederholte ich meine Frage.
 

Mokuba beobachtete interessiert die Anzeige der Mikrowelle. Ich rührte zwei Löffel Zucker in meinen Tee und wartete. Er würde es mir schon sagen. Ich behielt Recht.
 

„Ähm Seto“ Er blickte mich aus großen Augen bittend an. Es war nicht sein Bettelblick. „Darf ich mich heute Abend zu Tsuki und dir setzen?“
 

Ich hob verwundert eine Augenbraue. „Natürlich.“
 

„Ehrlich? Ich stör euch nicht?“
 

„Nein, du störst nicht.“ Nun strahlte er übers ganze Gesicht. Ich fragte mich einen Moment, wie er überhaupt auf die Idee kam, beließ es dann aber dabei. Die Mikrowelle piepte und Mokuba holte seinen Kakao heraus. „Ich frag nachher sicherheitshalber auch Tsuki“, erklärte er, schien aber zuversichtlich.
 

„Nachher?“, fragte ich.
 

„Hm, ja. Er hat im Moment Besuch. Hast du das nicht mitbekommen?“
 

„Nein. Aber es geht mich auch nichts an.“ Das war wohl so. Dennoch war ich neugierig, mit wem er sich traf. Es interessierte mich auf eine Art und Weise, die ich nicht kannte. Teilweise hatte es mit dem Gefühl einer Bedrohung etwas gemein.
 

„Ich geh wieder auf mein Zimmer“, verkündete Mokuba und verschwand. Ich entsorgte den Teebeutel, und ging zurück in mein Arbeitszimmer. Ich hatte noch einiges vor mir.
 

Ich hatte gerade meinen Becher auf dem Schreibtisch abgestellt, als mein Blick in den Garten fiel. Ich erstarrte. Ein giftiges Gemisch aus Enttäuschung und Wut kochte in mir hoch. Das war doch wohl nicht wahr. ... Was erlaubte er sich? ... Es versetzte meinem Herzen einen Stich. Ich fühlte mich betrogen.
 

Wie paralysiert sah ich aus dem Fenster. Ich hatte keinen Blick für den sorgfältig angelegten Garten. Das Arrangement aus Büschen, Blumen und dem künstlich angelegten Bach, der in dem Teich mündete, hatte keine Bedeutung mehr. Meine Augen klebten an dem Paar, das sich dort, eng verschlungen, miteinander vergnügte. Das rote Haar, die rhythmischen Bewegungen seines Körpers ... ich konnte meinen Blick nicht abwenden. Ich sah hin, obwohl es weh tat. Hatte er nur mit mir gespielt? War seine Freundschaft nur geheuchelt? Wollte er mich in Wirklichkeit auch nur verletzen? Ich traute es ihm nicht zu oder wollte es ihm nicht zutrauen. Ich konnte keinen Unterschied mehr machen. Plötzlich schaute die Frau mich an. Ihre lustverschleierten Augen blickten zu mir hoch. Mir war bewusst, dass sie mich nicht sehen konnte. Die Scheiben waren verspiegelt. Dennoch war es, als ob sie mir direkt in die Augen sehen würde. In ihrem Gesicht las ich Triumpf zwischen all dem Hochgefühl. Sie warf den Kopf in den Nacken und es wirkte so, als ob sie sich noch stärker an Tsukis Schultern klammerte.
 

Dieses Miststück. Am liebsten hätte ich ihr den Hals umgedreht. Sie wusste genau, wo sie es gerade trieb. Das hatte mir ihr Blick verraten. Und Tsuki? Ich wusste es nicht. Aber allein die Tatsache, dass er es sich erlaubte, mitten in meinem Garten Sex zu haben, war unverschämt. Was dachte er sich dabei? Hatte er sein rationales Denkvermögen verloren oder wollte er mir wirklich schaden? Ich fand keine Antwort, aber ich würde es herausfinden, und wäre die Erklärung nicht halbwegs zufriedenstellend, würde er es mir büßen. Egal, was er mir bedeutete. ... Der Gedanke tat weh, aber ich wollte nicht einsehen, dass es so einfach nicht werden würde. Was dieses dreiste Miststück betraf, ich würde sie dafür zur Rechenschaft ziehen. Das würde ich mir nicht gefallen lassen. Irgendwoher kannte ich ihr Gesicht.
 

Ich drehte mich zu meinem Computer herum, um Nachforschungen anzustellen. Mein Blick blieb dabei an meinem aufgeschlagenen Terminkalender hängen. Okami. Richtig. Ich hatte heute Besuch erwartet. Das war ein Anhaltspunkt. Ich begann im näheren Umfeld meines Geschäftspartners zu suchen und wurde schnell fündig. Okami Arina. Seine Tochter. Ich suchte Informationen über sie heraus, nippte dabei immer wieder an meinem Tee, aber nach kurzer Zeit konnte ich mich nicht mehr konzentrieren. Immer wieder tauchte Tsuki in meinen Gedanken auf.
 

„Es wäre mir eine Ehre, Eure Sachen tragen zu dürfen, schönste aller Prinzessinnen!“ Er küsste meine Hand.
 

„Gibt mir die Chance, ein Freund zu sein.“ Er sah mich bittend an.
 

„Ich hab dich in mein Herz geschlossen.“ Er lächelte sanft.
 

„Hey, zieh nicht so ein Gesicht. Du solltest dich glücklich schätzen: Du hast den beliebtesten Callboy Dominos ganz für dich allein und musst nicht mal dafür bezahlen.“ Er zwinkerte mir aufmunternd zu.
 

Ich vergrub frustriert mein Gesicht in den Händen. Mein Kopf war voll von seinem Lachen, voll von irgendwelchen Nettigkeiten, voll von seinem Geruch, einfach voll von ihm. Und ich wusste nicht warum. Genauso wenig konnte ich mir erklären, wieso mir diese Situation so zusetzte. Es tat auf eine Art und Weise weh, die ich nicht verstand. Eine Weile saß ich einfach in meinem Sessel und versuchte Herr über meine Gefühle zu werden. Es gelang mir nicht. Das Gefühlschaos wütete weiter in mir.
 

Es klopfte an der Tür und ich schreckte aus meinen Gedanken auf. Ich vertrieb jegliche Gefühlsregung aus meinem Gesicht. Wenn es mir schon nicht gelang, die Gefühle in meinem Innern zu kontrollieren, so sollten sie zumindest nicht nach draußen dringen.
 

„Herein.“
 

Nagamo Tomiko trat ein. Sie trug ihre Haare zu einem Zopf zusammen gebunden. Das weiße Haarband hob sich gut von ihrem schwarzen Haar ab. Ihre Kleidung war schlicht und sportlich. So wie bisher jedes Mal, wenn ich sie getroffen hatte.
 

„Guten Tag, Mister Kaiba.“
 

„Gibt es Neuigkeiten?“, fragte ich ohne Umschweife. Ich wollte das Gespräch so schnell wie möglich über die Bühne bringen. Es behagte mir nicht, über das Geschehene zu sprechen. Die Erinnerungen verfolgten mich danach immer besonders.
 

„Wir sind mit der Spurensicherung in Tsukis Wohnung fertig. Sie war wenig ergiebig. Keine Anzeichen darauf, dass noch jemand dort gewesen ist. Wir haben einige verdächtige Personen auf den Bändern der Überwachungskameras, aber die Überprüfungen haben bisher noch nichts ergeben. Ich habe hier Abzüge, vielleicht erkennen Sie ja jemanden.“
 

Sie reichte mir eine Mappe mit Überwachungskamerabildern. Ich besah mir ein Gesicht nach dem anderen. Niemand kam mir bekannt vor, bis zum drittletzten Bild. Ein hagerer Mann saß an einem kleinen Tisch in einem Bistrot und trank Kaffee. Sein Gesicht war kantig, aber nicht sehr auffällig. Dennoch war ich mir sicher, ihn schon einmal gesehen zu haben.
 

„Kennen Sie ihn?“, fragte mich Nagamo, die mein Innehalten bemerkt hatte. Ich dachte nach.
 

„Ich habe ihn schon einmal gesehen. Das war auf einer Feierlichkeit. Er gehörte zum Sicherheitspersonal.“
 

„Wissen Sie noch wo das war und wer die Feier ausgerichtet hat?“
 

„Plaza Hotel, London. Den Veranstalter kann Ihnen meine Sekretärin mitteilen, aber ich denke nicht, dass es relevant ist. Jemand, der schon einmal mit ihm in der Öffentlichkeit zusammen gearbeitet hat, wird ihn sicherlich nicht für einen Mord angeheuert haben. Die Verbindung wäre viel zu offensichtlich.“
 

Nein, viel wahrscheinlicher war es, dass jemand bei irgendeinem Event auf den Typen aufmerksam geworden war, und ihn später für seine Pläne angeworben hatte. Aber das grenzte den Kreis der Verdächtigen nicht weiter ein. Ein Mitglied der Highsociety. Das war schon klar gewesen, als herausgekommen war, dass es ein Auftragsmord war.
 

„Das ist wahrscheinlich richtig. Aber ich möchte es gerne ausschließen können.“
 

Es gab drei Gründe, warum ich mich selbst nicht mit der Suche nach dem Auftraggeber und den Komplizen beschäftigte. Ich wollte die Geschehnisse so wenig wie möglich an mich heran lassen, denn immer wenn ich mich damit beschäftigte, wurden die Alpträume schlimmer und schlimmer. Natürlich war mir bewusst, dass ich nicht ewig wegrennen konnte, aber momentan hatte ich wirklich genug mit der Sicherung des Fortbestehen meiner Firma zu tun, was der zweite Grund war, warum ich die Ermittlungsarbeit der Polizei überließ. Und drittens war ich der Meinung, dass Nagamo kompetent war. Sie machte ihre Arbeit gut – war gründlich, engagiert und hatte ein gutes Gespür sowie einen messerscharfen Verstand.
 

„Ja, natürlich. Ich werde meiner Sekretärin Bescheid geben, dass Sie Ihnen die Information zukommen lässt.“
 

„Warum ist er Ihnen im Gedächtnis geblieben?“, fragte sie weiter.
 

„Er hatte mit Pegasus eine kleine Auseinandersetzung. Worum es ging, weiß ich nicht. Aber vielleicht erinnert er sich noch.“
 

„Ich werde mich mit ihm in Verbindung setzen. Danke.“ Sie hielt einen Moment inne. „Ich habe eine Bitte.“
 

„Ich höre.“
 

„Wir können Tsukis Wohnung jetzt wieder freigeben, aber es ist leichter hier für seine Sicherheit zu sorgen. So wie ich ihn kenne, würde er sicher bald wieder anfangen zu arbeiten, was die Lage noch schwieriger machen würde. Deswegen wäre es besser, wenn er noch etwas länger hier wohnen könnte.“
 

Wieder verspürte ich einen Stich. Ich konnte mir nicht erklären, warum es mich so verletzte. Tsuki. Das Thema hatte ich in diesem Gespräch eigentlich vermeiden wollen. Es kostete mich Mühe, nach außen kalt zu bleiben. Über das Chaos in meinem Innern hatte ich kaum Kontrolle. Ich wollte, dass Tsuki blieb. Auch nach der Aktion in meinem Garten. Es tat mir weh und machte mich wütend, aber dennoch wollte ich nicht, dass er ging. Warum konnte ich mir nicht recht erklären. Allerdings wusste ich auch, dass ich das nicht alleine entscheiden konnte.
 

„Meinetwegen kann er das. Aber klären Sie das mit ihm“, antwortete ich also.
 

„Vielen Dank!“
 

Auch wenn ich es versucht hatte, mir keine Gedanken über mögliche Zusammenhänge zu machen, war es mir nicht ganz gelungen. Mir war eine Idee gekommen. Und mit etwas Glück würde sie mir auch beruflich weiterhelfen.
 

„Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, dass die Anteile an der duell-454 Technologie vielleicht nicht nur ein bloßer Köder war?“
 

„Ja, aber wir sind auf keine ähnlichen Fälle gestoßen.“
 

„Was ist wenn jemand nicht nur versucht, seine Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen, sondern auch versucht, mit unlauteren Mitteln an weitere Anteile zu kommen.“
 

„Das wäre möglich. Aber es wäre auffällig, wenn jemand viele Anteile besitzt, deren frühere Eigentümern etwas zugestoßen ist, oder nicht?“, warf Nagamo ein.
 

„Wenn man die Käufe über einen Zwischenhändler abwickelt, und dabei dafür sorgt, dass man nicht der Einzige ist, der solche Anteile erhält, nicht unbedingt. Die meisten Anteilseigner sind nur im Besitz von wenigen Prozenten. Dass ein Unternehmen also eine absolute Mehrheit, allein über den Kauf bei Anteilseignern, erlangt, ist unwahrscheinlich. Letztendlich wird es zu einem Treffen von Firmenvertretern kommen. Und dabei ist es nur wichtig, dass man einen relativ großen Prozentsatz besitzt und auf andere Firmeninhaber seriös wirkt. “
 

Es würde auf eine Kooperation herauslaufen. Die Anteile gegen eine bestimmte Gewinnbeteiligung. Dabei hatte ich recht gute Karten, da ich schon Erfahrung mit der Produktion von Duellmonster Hologrammen hatte. Mein Problem war, dass ich nicht über einen genügend großen Basisprozentsatz verfügte. 8% waren viel zu wenig. Mit mindestens 25-30% hätte ich vielleicht eine Chance, aber so wie die Sache im Moment lag, erfüllte ich die Voraussetzungen nicht.
 

„Und man kann die Anteile an Firmen verkaufen, von denen man denkt, dass sie am Ende zu einem stehen werden. Damit würde man die Verluste noch weiter reduzieren“, führte Nagamo den Gedanken weiter.
 

„Richtig. Der Plan ist zwar etwas gewagt, aber die Erfolgschancen sind deutlich höher. Ich denke, Sie sollten es zumindest in Erwägung ziehen.“
 

„Ja, ich werde dem nachgehen. Ich halte Sie weiterhin auf dem Laufenden. Ich werde jetzt mit Tsuki sprechen, vielleicht fällt ihm ja noch etwas ein“, sagte Nagamo und nahm die Mappe mit den Fotos wieder an sich.
 

Mein Hintergedanke schien aufzugehen. Mit etwas Glück bekam ich über die Polizei Informationen über weitere Anteilseigner.
 

Ich nickte. „Schicken Sie ihn bitte zu mir, wenn Sie alles abgeklärt haben.“
 

„Das mach ich. Auf Wiedersehen!“
 

„Auf Wiedersehen.“
 

Ich sank in mich zusammen, als sie gegangen war. Es war nicht einfach, die ganze Zeit der eiskalte Geschäftsmann zu sein. Immer wieder hatte sich der Gedanke an Tsuki aufdrängen wollen. Ich hatte kaum noch Kontrolle darüber. Ich spürte den Schmerz, konnte ihn mir aber nicht erklären.
 

Leise seufzte ich und beschloss, noch einen weiteren Versuch zu starten, es zu verdrängen. Genügend Arbeit hatte ich ja. Es funktionierte nicht. Sobald ich die Maus bewegte, erschien Okami Arinas Foto auf dem Bildschirm und in mir kochte wieder die kalte Wut hoch. Ich verspürte einen nicht gekannten Drang, sie in Stücke zu reißen und danach an irgendwelche Raubtiere zu verfüttern. Sie würde es noch bereuen, versucht zu haben, meinen Ruf und das Arbeitsverhältnis zu ihrem Vater zu zerstören. Sie würde es mir büßen, vor meinem Büro mit Tsuki Sex gehabt zu haben.
 

Ehe ich den Gedanken noch weiter vertiefen konnte, klopfte es abermals an der Tür. Wieder versteinerten sich meine Gesichtszüge. Ich warf einen Blick auf die Uhr und stellte überrascht fest, dass schon eine halbe Stunde vergangen war, seitdem Nagamo mein Büro verlassen hatte. Es war also Tsuki.
 

„Herein.“
 

Wie erwartet trat Tsuki ein. Sein Blick schweifte durch den Raum. „Du hast ein schönes Büro“, stellte er anerkennend fest. Ich verkniff es mir, zu sagen, dass ich normalerweise auch einen schönen Ausblick in den Garten hatte. Erst wollte ich herausfinden, ob er wusste, wo er es getrieben hatte.
 

„Danke“, erwiderte ich, und kam nicht umher festzustellen, dass seine Meinung mir schmeichelte. Verdammtes Gefühlschaos.
 

„Nein, ich danke dir, dass ich noch etwas bleiben darf.“ Er lächelte mich an und ließ sich in einem der Stühle vor meinem Schreibtisch nieder. Freude breitete sich in mir aus. Jedoch rief ich mich sofort wieder zur Ordnung. Ich wusste nicht, warum er nicht gehen wollte.
 

„Kein Problem“, murmelte ich und klickte energisch die Informationen über Okami Arina weg. Um sie würde ich mich später kümmern. Ihr Anblick entflammt immer wieder meine Wut. Aber ich brauchte jetzt einen halbwegs klaren Kopf. Ich wollte nicht überreagieren. Tsuki sollte für die Aktion bekommen, was er verdiente, was immer das auch war.
 

„Den Typen, der dir bekannt vorkam, hab ich auch schon mehrmals gesehen. Tomiko glaubt, dass er mich beschattet hat. Sie nimmt ihn genauer unter die Lupe. An Auseinandersetzungen mit Geschäftsmännern kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich denk noch mal darüber nach. Manchmal hab ich ein Gedächtnis von zwölf bis mittags.“ Er lächelte verlegen.
 

„Aber an das, was du heute Nachmittag gemacht hast, kannst du dich noch erinnern?“, fragte ich und dankte ihm innerlich für die Vorlage.
 

„Ja, doch.“ Tsuki grinste fröhlich.
 

„Hört sich an, als hättest du Spaß gehabt.“
 

„Ja, das hab ich. Wie war dein Nachmittag?“
 

„Suboptimal!“ Darauf hatte ich nur gewartet. „Ich bin zu nichts gekommen. Der Geschäftspartner, mit dem ich verabredet war, hat abgesagt. Letztendlich war das aber ganz gut so“, zählte ich bitter auf.
 

„Warum?“, fragte er neugierig. Sein Interesse war echt. Er schien nicht zu wissen, worauf ich hinaus wollte.
 

„Ich denke, die Frage kannst du dir mit einem Blick aus dem Fenster selbstbeantworten“, gab ich zurück und beobachtete seine Reaktion genau.
 

Er wirkte verunsichert. Ob er ahnte, worauf ich hinaus wollte, konnte ich nicht erkennen. Langsamen Schrittes kam er um meinen Schreibtisch herum, warf mir mehrere fragende Blicke zu. Ich reagierte nicht darauf, drehte mich mit meinem Sessel so, dass ich ihn im Auge behielt. Nach einem Blick aus den großen Panoramafenstern erbleichte er.
 

„Oh, verdammt!“, murmelte er.
 

„So kann man das natürlich auch formulieren“, erwiderte ich ruhig. In meinem Innern brodelte ich regelrecht. Ein Blick in Tsukis Gesicht bestätigte mir, dass er mich inzwischen gut genug kannte, um das zu wissen.
 

„Das war nicht meine Absicht“, erklärte er und sah mich entschuldigend an. Dann senkte er den Kopf.
 

„Was war nicht deine Absicht?“, fragte ich schon etwas lauter nach. „Mit der Tochter meines Geschäftspartner im Garten vor meinem Büro zu schlafen oder in meinem Garten mit irgendwem zu schlafen.“
 

„Beides nicht. Bei mir hat wohl etwas ausgesetzt, als sie –“
 

Ich hob ablehnend die Hand. „Danke, nein. Ich denke, ich hab schon mehr Informationen, als mir lieb sind.“
 

„Tut mir leid, Seto. Ich wollte dir nicht schaden“, sagte er. Noch immer sah er mich nicht an. „Ich mach es wieder gut, versprochen.“
 

„Du sollst es nicht wieder gut machen, nur dafür sorgen, dass es nicht wieder vorkommt“, sagte ich leicht aufbrausend. Ich hatte mich immer weniger unter Kontrolle. „Wenn du Sex haben willst, bitte. Aber nicht in der Öffentlichkeit meiner Villa. So prüde das auch klingen mag. Nur in deinen Räumlichkeiten und hinter verschlossenen Türen. Ich kann es mir nicht leisten, negative Schlagzeilen zu machen.“
 

„Verstanden!“, erwiderte er und ging. Bevor er allerdings die Tür schloss, warf er mir noch einen letzten entschuldigenden Blick zu. Und gab mir damit endgültig den Rest.
 

Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen. Warum fühlte ich mich jetzt schlecht? Ich hatte ihn zu Recht gewiesen. Für meine Verhältnisse sogar noch freundlich. Also warum hatte ich schon wieder Schuldgefühle? Immerhin hatte er mir mit seiner unbedachten Aktion Unrecht getan, nicht anders herum. Ich sollte mir keine Vorwürfe machen. Aber sein Blick hatte mich getroffen. Er gab mir das Gefühl, ihn verletzt zu haben. Das war nicht mein Ziel gewesen.
 

„Seto, was hast du gem ...“ Die Tür war aufgeflogen und Mokuba kam hineingestürmt. Als er mich sah, unterbrach er den Anfang seiner Zurechtweisung. „Oh. Das zweite Häufchen Elend.“ Er schloss die Tür und kam auf mich zu.
 

„Was ist passiert?“, fragte er, während er auf meinen Schoss krabbelte. Aus großen Augen sah er besorgt zu mir hoch.
 

„Tsuki hat im Garten vor meinem Büro mit der Tochter des Geschäftspartners geschlafen, mit dem ich eigentlich verabredet war“, sagte ich nur.
 

„Oh.“ Mokuba schmiegte sich an mich. „Und was ist mit dir?“
 

Ich schwieg eine Weile. Mokuba sagte nichts weiter, er wartete. So wie ich am frühen Nachmittag gewartete hatte. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Es war schwer zu formulieren.
 

„Ich weiß nicht genau“, meinte ich irgendwann. „Ich bin enttäuscht. Wütend. Erst auf ihn, jetzt auf mich selbst. ... Von dem Zorn auf dieses Miststück mal ganz abgesehen. Am liebsten würde ich sie durch den Fleischwolf drehen oder sie anderweitig auf qualvolle Weise umbringen. ... Ich fühl mich betrogen. Verraten. ... Es tut weh. Mehr, als ich begründen kann. ... Es ist ein einziges Chaos.“
 

Mokuba ließ sich mit seiner Antwort Zeit. „Du magst Tsuki sehr, oder?“, fragte er irgendwann vorsichtig.
 

„Hm.“
 

„Kann es sein, dass du verliebt bist?“ Das klang mehr nach einer Feststellung. „Und eifersüchtig?!“
 

So ein Unsinn. Wie kam er darauf? Nein. Ich wollte es gar nicht wissen. Ehe ich zum Protestieren ansetzen konnte, fuhr Mokuba fort:
 

„Denk einfach mal darüber nach. Und was das Chaos betrifft, vielleicht hilft es dir, wenn versucht aufzuschreiben, was du empfindest.“



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Nachsommer
2010-05-01T19:46:26+00:00 01.05.2010 21:46
So, bin ein Kapitel weiter :) Aber erstmal muss ich dich beglückwünschen, dass du das alles in der Zeitspanne zu Ende gebracht hast. Wirklich extrem geil. Und meine Meinung kennst du ja schon: ich glaube kaum, dass viele Ffs so gut waren wie deine.

Aber jetzt erstmal zum Kapitel und zum Sprachlichen. Am Anfang waren ziemlich viele Fehler drin, aber gegen Ende hab ich nichts mehr gefunden. Folgendes solltest du dir noch mal anschauen:

>Überrumpelt folgte ich ihn.

>Ich vertraute ihm. So sehr wie ansonsten nur Mokuba.

Das ist ein Satz :) Es sei denn du willst eine Elipse bilden.

>Langsam begann ich, ihn zu verstehen.

Bitte ohne Komma.

>Tsuki erlaubte mir einen Einblick in sein Leben, der das, was ich durch seine Kontoauszüge und Kassenbons und den Testbogen der Partnerbestimmung – den ich mir zugegebener weise unerlaubt angesehen hatte – über ihn erfahren hatte, bei weitem übertraf.

WÖH! Was für ein Kastensatz! Ich musste den mindestens 3 Mal lesen, um zu verstehen, was du jetzt eigentlich ansprichst.


>Er sprach recht offen, über seinen Job

Komma weg :)

>Er sprach recht offen, über seinen Job – die Probleme und Unannehmlichkeiten, die er teilweise hatte, obwohl er seine Klienten selbst bestimmen konnte und die Regeln, die er für sich selbst aufgestellt hatte, was beruflichen Sex betraf.

Noch ein böser Kastensatz. :/

>Mit den Abenden war auch der Körperkontakt mehr geworden. Am Anfang war mir das noch unangenehm gewesen.

zwei Mal "war", aber ansonsten ist der Satz richtig gut.

>Aber meine Berührungsängste begründeten sich auch nicht auf meinem Verstand.

Ich bin mir auch nicht sicher, ob es begründet auf etwas heißt...oder begründet in?

>Vertrauen schien sich aufzubauen, nicht nur vom Kopf aus.

Sprichst du da den Kontrast Sentimentalität/Rationalität, also Herz/Kopf an? Anatomisch betrachtet kommt Vertrauen immer vom Kopf soweit ich weiß.

>Ich schüttelte innerlich den Kopf. Ich sollte zusehen, dass ich Tsuki aus meinem Kopf bekam.

Zweimal Kopf. Aber ansonsten grammatikalisch ok.

>Ich bin am Freitagnachmittag schon eine Weile zu Hause.

Ist an dem Tag Freitag oder warum schiebt Seto das in seinen Satz ein? Ôo? Das versteh ich nich...

>Ich hatte Kaffee machen wollte, also warum jetzt der Tee.

>Das Arrangement, aus Büschen,

>Ihre lustverschleierten Augen blickten zu mir hoch.

lustverschleiert ist ein schönes Wort :D mag ich sehr

>wurde die Alpträume schlimmer und schlimmer.

>Was der zweite Grund war, warum ich die Ermittlungsarbeit der Polizei überließ.

>Warum konnte ich mich nicht recht
erklären.

Güt, und jetzt zum inhaltlichen:

Also das mit dem Sex im Garten war einfach nur übelst dreist von Tsuki, hätte man auch gar nicht von ihm erwartet, auch wenn er nicht wusste, dass Seto ihn beobachtete.
Dabei setzt du sehr schön einen Zweifel in den Kopf des Lesers: Ist Tsuki eigentlich wirklich Freund von Seto oder will er ihn nur ausnutzen???

Zweitens hat mir sehr sehr sehr gut gefallen, dass Seto die Geschichte mit Tsuki mehr ausgemacht hat, als der Besuch der Kommisarin. Wieder an die Vergewaltigung erinnert zu werden, war vielleicht im ersten Moment nicht schön für ihn, aber als der Name Tsuki fiel, war das Chaos vorprogrammiert.

Die Tatsache, dass Mokuba da die ganze Zeit etwas ahnt, ist sehr schön zur Geltung gekommen. Die Tee-Szene fand ich unglaublich amüsierent. :D
Mit dieser Szene hast du auch bewiesen, dass du ganz Alltägliches, bzw. manchmal Nichtiges in deine Ff einbauen kannst und es somit an Bedeutung gewinnt. Dies ist für Romantik sehr wichtig. Also ein großes Kompliment!

Ich empfinde das Kapitel als wunderbar, da Setos Widerspruch zwischen Logik und Gefühl tragbar wird und da die Ff ja jetzt beendet wird, kann ich ja auch sofort weiter lesen XD

TJA, war alles STRATEGIE!, die Strategie des späten Lesers! Aber eigetnlich ist es eher eine Philosophie.

Nun ja, weiter so brauch ich ja nich mehr sagen.

Liebe Grüße, hdggdl,

Ashley
Von:  Currywurstbrot
2010-02-01T18:44:31+00:00 01.02.2010 19:44
schööööööön...
das kapi hat mir von allen am
besten gefallen xD
ich kann nicht genau sagen warum,
is aber so =)
freu mich schon aufs nächste
lg
Von:  JK_Kaiba
2010-02-01T13:28:56+00:00 01.02.2010 14:28
hi
hab grad bemerkt das es weiter geht und musste sofort weiter lesen
Deine FF ist echt super Interessant und total gut geschrieben^^
Echt großes Lob an dich^^
Bin schon gespannt wie es weiter geht
LG


Zurück