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Lost

Vom Himmel, durch die Welt, zur Hölle
von

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8

Das kleine Mädchen saß auf einem Bordstein und weinte, doch niemand konnte seine Tränen sehen, denn der sinnflutartige Regen spülte sie sofort aus ihrem blassen Gesicht, in den breiten Strom, der sich im Rinnstein sammelte, durch die Kanaldeckel, hinab in die Tiefen der Abwässer von Canterbury.

Ihre Beine taten weh. Sie war der Straße noch ein gutes Stück gefolgt, selbst als der schwarze Benz längst aus ihrer Sicht verschwunden war. Sie war gerannt, hatte geschrieen, hatte gebettelt und Gott angefleht, er solle ihr helfen, aber der Wagen hielt nicht an.

Sie war schneller gewesen, als alle anderen Male zuvor in ihrem Leben, doch es hatte nicht gereicht. Er war weg. Sie hatten ihn mitgenommen: Ihren Bruder, der alles war und doch mehr, als sie besaß. Sie nahmen ihr den Spielgefährten, den Geheimniswahrer, ihren Schützling und das letzte, an Vertrautem, was ihr geblieben war. Sie hätten sie mitnehmen können, doch sie wollten nicht. Sie hatten Angst vor ihr. Angst, dass das, was sie gesehen und erlebt hatte, sie krank gemacht hatte.

Sie könnte ihren Bruder verantwortlich machen, für das was geschehen ist, hatte die Frau gesagt.

Das Risiko ist zu groß, hatte der Mann zugestimmt; und die Betreuerin, der sie so lange vertraut hatte, hatte genickt und dem Paar den Vertrag zum Unterschreiben hingeschoben.

Dann nahmen sie ihn mit in ihr Auto. Dem Mädchen gaben sie keine Gelegenheit sich zu verabschieden, was sie wohl aus Absicht taten. Die Betreuerin sagte, als sie es am Arm zurückhielt, dass es seinem Bruder gut gehen würde und sie sich immer sehen könnten, wann sie wollten. Doch als die Autotüren zuschlugen und der Kleine, der in den Armen seines neuen Ziehvaters saß, sich hinter der Scheibe zu ihr umdrehte und anfing zu quengeln, zu strampeln und zu schreien, wusste sie es genau so gut wie er: Sie würden sich nicht mehr wieder sehen.

Da riss sie sich los und lief hinter dem fahrenden Auto hinterher. Der Regen, der an diesem Morgen fiel, störte sie nicht. Der dichte Schauer verschlang das schwarze Auto wie schwerer Nebel. Das letzte, was sie sah, waren die roten Rücklichter.

Nun saß sie am Straßenrand in aufgeweichten Kleidern und Schuhen und konnte über ihr Schluchzen hinweg, die schnellen Schritten zweier Betreuerinnen nicht hören, die kamen, um sie zurück ins Wohnheim zu bringen, welches die letzten 4 Jahre ihr neues Zuhause gewesen war. Und das ihres Halbbruders.

Sie wurde gepackt und nach oben gezogen. Sie schrie, schlug nach den Händen, die sie fest packten – so fest, dass es wehtat – und trat wild kreischend um sich, denn der Schmerz, der sie erwartete, wenn sie zurückging, war um Welten größer, als der, den die Fingernägel und scharfen Worte der Betreuerinnen ihr beibrachten. Doch sie zogen sie weiter, durch die Straße und den Vorhof, wieder hinein in die leeren Flure des Heims. Sie erschauderte, als die schwere Tür hinter ihnen ins Schloss fiel und der dumpfe Knall zusammen mit ihren letzten lauten Schreien den Korridor entlang hallte.

Täglich würde sie aufwachen, zur Schule gehen, essen, schlafen, atmen und er würde nicht da sein.

Täglich würde sie aufwachen und sie würde allein sein...



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von:  Vanilla_Coffee
2011-01-07T19:20:46+00:00 07.01.2011 20:20
Oh man die arme Sue
*Sue mal knuddel*
Was die nicht schon alles durchmachen musste T_T

LG Amalia
Von:  Chosei
2009-07-20T18:00:33+00:00 20.07.2009 20:00
was mir besonders gut gefällt is, das dieses kapi hier mit regen beginnt, mit dem das letzte ja geendet hat. und das der letzte satz auch wieder beagt, das Su alleine ist.
irgendwie wirklich sehr gemein das kapi. aber gur geschrieben. der regen passt einfach zu der situation. als würde die ganze welt mit ihr weinen. :D
zum glück weiß ich schon, wer der bruder is...sonst würde ich wieder von meiner unbändigen neugierde zerfressen werden. xD
*knuddelt Su*


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