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Honigtraum

von

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in dem ich zum Star werde

Nur, um Verwirrungen vorzubeugen: Die gesamte FanFiction ist aus Intetsus Sicht geschrieben ^-^ und jetzt geht es los mit Honigtraum

~
 

Ein Blitzlichtgewitter regnete auf ihn hinab, sobald er der Limousine entstiegen war. Links und rechts des roten Teppichs standen Reporter mit zentnerschweren Kameras um den Hals, mit denen sie unablässig Fotos schossen.

Er lächelte in die Runde, winkte und wunderte sich zunächst gar nicht darüber, dass die Paparazzi langsam verschwammen und sich in hübsche junge Männer in farbenfrohen Kimonos verwandelten. Kaum war dies von statten gegangen existierten auch keine Absperrungen mehr; der rote Teppich wurde gestürmt von tausenden Schönlingen, die alle nur ein Ziel hatten: ihn.

Er wurde umringt von einer Schar pinker, blauer & maigrüner Saidenkimonos, die ihn alle nur berühren wollten. Tausende grapschende Hände am Arsch zu spüren wurde jedoch mit der Zeit wirklich unangenehm, und so versuchte er sich mit geröteten Wangen aus der Menge zu kämpfen, es gelang nicht. Wie ein Strudel sogen ihn die zahlreichen Hände zurück.

Plötzlich erkannte er ein bekanntes Gesicht in einiger Entfernung.

Ein grinsender Takehito.

Doch statt ihm zu Hilfe zu eilen, riss er sich den dunklen Kimono vom Leib und hüpfte splitternackt in einen gigantischen Honigtopf.

Honigtopf? Moment mal...

Mit einem Mal durchzuckte ein Schmerz meinen Kopf und ich öffnete erschrocken die Augen.
 

„Autsch“, entkam es mir nüchtern, als ich erkannte, was mich geweckt hatte. Die hässliche Heizung neben welcher ich seit drei Wochen schlafen durfte, auf einer Matratze, die so durchgelegen war, dass ich auch gleich auf dem nackten Boden hätte liegen können. Erst hatte ich auf der Couch übernachtet, doch schon in der ersten Nacht war ich vom schmalen Polster gekippt und hatte mich auf dem Boden neben Socken und alten Fernsehzeitungen wieder gefunden.

Also hatte mir mein Ex-Freund und Mieter der Wohnung, Takehito, diese nach Staub stinkende Matratze aus dem Keller geholt.

Ich hätte mir so etwas unter normalen Umständen niemals angetan, doch in meiner Wohnung herrschte heilloses Chaos. Wasserschaden! Wie der zustande gekommen war, konnte ich mir bei besten Willen nicht erklären.

Takehito hatte mir sofort angeboten bei ihm zu wohnen, kaum hatte er von meiner Misere erfahren. Ich hatte mir das gründlich durch den Kopf gehen lassen.
 

Die Zeit mit Takehito war schön gewesen.

Rosarote Zuckerwattenliebe mit klebriger Schnulzensauce oben drauf und enorm guter Sex. Manchmal vermisste ich das wirklich. Leider wurde genanntes ‚Manchmal’ immer öfter und mein Herz sehnte sich nach Takehito. Eine Zeit lang, war ich am Abend immer wach gelegen und hatte vor mich hin geseufzt, zum Telefon geblickt und daran gedacht ihn anzurufen, nur um seine Stimme zu hören. Aber mein Verstand hatte es mir verboten.

Du brauchst ihn nicht! Er hat dich verletzt und es ist aus!

Ja ja... Wenn es so einfach gewesen wäre...

Seit ich übergangsweise bei Takehito wohnte, erwischte ich mich immer wieder dabei, wie ich ihn anstarrte und mir dabei vorstellte, wie es wäre, wenn er einfach zu mir herüberkommen und mich küssen würde. Würde ich ihn wegstoßen?

Nein, ganz sicher nicht... Ich wollte in wieder haben, obwohl mein Verstand mir selbst zu beweisen versuchte, dass ich ihn nicht brauchte, dass ich NICHT wieder mit ihm zusammen sein wollte!
 

Meine Stirn klebte immer noch an der scheußlichen Heizung. Dass solche Augenkrebserreger überhaupt noch in Wohnung eingebaut sein durften.

Ich drehte mich genervt aufstöhnend auf den Rücken und starrte die vergilbte Decke an. Er raucht zu viel, dachte ich mir und setzte mich auf. Mein Kreislauf brauchte etwas, bis er in Schwung kam, und erst einmal musste ich mich an der Couchlehne festklammern um nicht blind vor kriselnder Schwärze vor den Augen gleich auf die Nase zu fliegen.

Das holte ich dann allerdings nach, als ich durch den Flur in Richtung Bad schlenderte. Meine Füße verhedderten sich in einem undefinierbaren Knäuel auf dem Boden und ich krachte der Länge nach hin.

„Was machst du denn da?“, fragte eine Stimme.

„Ich liege hier so rum... macht echt Spaß“ am Morgen machte ich Sarkasmus zu meinem besten Freund. Ich hörte ihn Lachen, dann erschienen ein paar nackte Füße in meinem Blickfeld, an dem ebenso nackte Beine klebten, die irgendwann unter einem weißen Handtuch verschwanden.

Wenn ich den Kopf noch etwas drehen würde, könnte ich sicher-

„Hey, was gibt’s denn da zu glotzen“ ich wurde an den Armen gepackt und nach oben gezogen.

„Gar nichts“, log ich mit hochrotem Kopf.

„Kleiner Tollpatsch“ Takehito wuschelte mir spielerisch durch die Haare. Erst jetzt fiel mir auf, dass er oberkörperfrei vor mir stand. Ich sog unwillkürlich die Luft ein, als ich ein paar Wassertropfen an seiner Brust hinab perlen sah.

Ich müsste nur die Hand ausstrecken, um-

„Wir haben übrigens kein warmes Wasser mehr“

„Was?“ diese Nachricht lenkte mich von sämtlicher hellen Haut und hübschen, unbekleideten Oberkörpern ab.

„Ja, erst heute Nachmittag wieder“ er grinste mich schelmisch an und schob sich an mir vorbei; sein nasser Oberarm streifte Meinen und entfachte eine Gänsehaut.

So ein Scheiß! Schon am frühen Morgen machte er mich ganz wuschig.

Resigniert seufzend schlurfte ich ins Bad, im Hinterkopf einen Funken der Hoffung, Takehito könnte mich angeschwindelt haben, nur um mich zu ärgern, aber als ich das Wasser andrehte und beinahe einen Kälteschock erleiden musste, wusste ich, dass ich mich mit kaltem Wasser begnügen musste. Vielleicht war das auch ganz gut so ...
 

Warum es Tage gibt, an denen alles schief geht, ist mir schleierhaft.

Nach der Eisdusche rutschte ich aus, als ich aus der Wanne stakste, und knallte mir fast den Kopf am Waschbecken an, an welchem ich mich bibbernd hochziehen konnte, um wenige Minuten später festzustellen, das mein Haarspray leer war.

Konnte es noch schlimmer kommen?

Ja, denn zu allem Überfluss war ich auch noch viel zu spät dran, wie ich feststellte, als ich zusammen mit Takehito in aller Seelenruhe am Küchentisch saß, an dem wässrigen Kaffee schlürfte (Takehito war noch nie in der Lage gewesen ordentlichen Kaffee zu kochen) und mein Blick zufällig zur Uhr schweifte, die über dem Reiskocher nervtötend vor sich hin tickte.

„Fuck!“, kreischte ich los. Vor Schreck verschluckte sich meine Gesellschaft an ihrem Orangensaft.

„Boah, ´tetsu, spinnst du ein bisschen?!“

Ich klopfte ihm nur halbherzig den Rücken, stopfte mir noch einen Happen Reis in den Mund und zischte dann aus der Küche.

„Könntest du mir mal sagen, was dein Problem is?“, rief Takehito mir hinterher, doch ich kam gerade schlitternd mit meinen schönen weißen Socken auf dem glatten Parkettboden des Flures zum Stehen und war damit beschäftigt nicht geradewegs in den Gummibaum zu fallen, der leicht vertrocknet neben der Garderobe stand. Ich konnte mich an der Wand abfangen und so der Pflanze keinen Schaden zufügen.
 

„Jetzt sag, was in dich gefahren is!“ Takehito kam gerade röchelnd aus der Küche gekrochen.

Ich stand schon an der Türe und versuchte auf einem Bein umherhüpfend, umständlich in meine zugebundenen Turnschuhe zu schlüpfen.

„Ich komm zu spät“, erklang meine Stimme verzweifelt.

„Ach, komm schon, chill mal, ´tetsu“ Takehito verdrehte die Augen.

Ihm war offensichtlich nicht bewusst, was heute für ein Tag war: Generalprobe! Und wie sah das denn aus, wenn der Regisseur, der den Schauspielern immer Pünktlichkeit einbläute und sich aufregte, wenn etwas nicht nach Zeitplan lief, zu solch einem wichtigen Termin zu spät kam?

„Was heißt hier, ‚chill mal’?!“ aufgebracht funkelte ich Takehito entgegen, während ich einbeinig herumhopste, es endlich geschafft hatte auch den zweiten Schuh meinem Fuß aufzuzwängen. Gerade als ich meine als Schuhlöffel missbrauchten Finger aus der Enge an der Ferse ins Freie ziehen wollte, verlor ich das Gleichgewicht, versuchte noch es wieder zu finden, doch da taumelte ich auch schon in Richtung Boden.

Ich wäre sicherlich gegen den Spiegel an der Wand gekracht, hätte mir die Halsschlagader an den Unglückbringenden Scherben aufgeschlitzt, oder in den Schuhschrank gestürzt und mir dabei das Genick gebrochen.

Wie peinlich. Ich sah schon die Schlagzeilen auf diversen Sensationsversessenen Tagesblättern prangen: ‚Erfolgloser Theaterregisseur im Flur seines Exfreundes durch eigenes Verschulden verstorben’ oder ‚Schwuler Kultur-Freak durch Ungeschicklichkeit in Spiegelscherben verblutet’
 

Ich wurde von Takehito aus meinen Todesanzeigen gefischt. Er war mit zwei Schritten bei mir und fing mich auf, bevor ich zu Boden gehen konnte. So hing ich in seinen Armen, wie eine Prinzessin in denen ihres tapferen Prinzen (unwillkürlich kamen mir Szenen aus meinem Stück in den Sinn), und blickte ihn aus meinen großen Augen an.

„Vorsicht, kleiner Tollpatsch“, sagte mein Retter sanft und lächelte sein unwiderstehliches Lächeln, bei dem ich schon damals dahin geschmolzen war, wie ein Schokoladenküchlein in der Mikrowelle; und auch jetzt begann mein Herz zu flattern.

Eine ganze Weile sahen wir uns nur an. Ich versank in seinen dunklen Iriden, wie in einem Meer aus schwarzen Wogen, das mich nach unten zu ziehen drohte, jedoch nur in eine Welt voller Wärme und Liebe und Lust und ...

Wie gerne ich ihn in diesem Moment geküsst hätte. Seine Lippen. So hübsch. So einladend. So – Halt! Was dachte ich denn da? Es war vorbei! Endgültig!

... Ob er immer noch nach Honig schmeckte, süß und leicht herb zugleich; die Sünde pur...?

Hallo?! Intetsus Verstand an Hirn: du hörst sofort auf so peinliches Zeug zu denken!

Meine Wangen mussten sich knallrot verfärbt haben, bei den nicht jugendfreien Gedanken, die mir natürlich gerade jetzt in den Sinn kamen (welch ein Glück, dass ich mir schon eine halbe Tonne Make-up ins Gesicht geklatscht hatte). Versuche an etwas NICHT zu denken und du denkst garantiert daran... Eine Schwäche der Fähigkeit überhaupt denken zu können.
 

„Intetsu?“ Takehitos Stimme schwebte wie eine schillernde Seifenbase, rosa und leicht an mein Ohr.

„Jah...“ ich kam mir vor wie in Trance. Vielleicht war der Kaffee Schuld, begann ich Überlegungen anzustellen. Drogen oder Stoffe, die durch falsche Behandlung und schlechtes Verarbeiten, sowie die vergewaltigende Zubereitung – von Seiten Takehitos – erst freigesetzt wurden, mussten dafür verantwortlich sein, dass ich alles durch eine fette Watteschicht wahrzunehmen schien. Irgendwie hatte dieser Zustand etwas von Betrunkensein.

Aha! Der Kaffee schmeckte so fürchterlich, weil Takehito hochprozentigen Alkohol hinein kippte. Dabei wusste er doch genau, dass ich nicht viel vertrug.

Dass diese Idee vollkommen abwegig war und paranoide Züge annahm verdrängte ich einfach in diesem Moment.

Na warte, Freundchen, versuchst mich hier abzufüllen, aber so nicht, das -

„Ich dachte, du musst los“ dieser Satz traf mich wie ein Schlag ins Gesicht und ernüchterte mich augenblicklich. Die fluffige Wand aus Watte verschwand und Takehitos Stimme klang gar nicht mehr so klebrig.

„Scheiße!“ ich stellte mich selbst mit Schwung wieder auf die Füße, schubste Takehito unsanft zur Seite, sodass er ein paar Schritte zurück stolperte, schnappte meine Jacke und stürmte nach draußen.
 

Der Aufzug konnte gar nicht schnell genug ins Erdgeschoss sausen. Ich erwischte mich dabei, wie ich die Technik verfluchte, dass sie noch nicht so weit war, dass man sich zur Arbeit beamen konnte. Ich ließ meine Haare kurz kopfschüttelnd umherwirbeln, um diese dummen Gedanken loszuwerden, als der Fahrstuhl auch schon leicht ruckelnd zum Halten kam, die Türen sich öffneten und ich erst einmal von einer angriffslustigen weiß-gepelzten Wurst begesprungen wurde.

„Ah, keine Angst, er will nur Spielen“ die Studentin, die den fragwürdigen Hund (meiner Meinung nach war es eher ein genmanipuliertes Meerschweinchen, das zu groß, zu lang, zu fett und zu aggressiv geratenen war) an der blassblauen Leine noch nie unter Kontrolle hatte halten können, war eine Nachbarin, die mir schon einmal vorgeschlagen hatte einen Kaffee trinken zu gehen. Mal ganz davon abgesehen, dass ich nichts gegen Kaffee hatte – im Gegenteil, ich war süchtig nach dem Zeug, solange es nicht Takehito in die Finger bekommen hatte – wer wollte schon mit einem bebrillten Zahnspangenmonster weggehen, das sich freiwillig ein genmanipuliertes Meerschweinchen hielt? Vielleicht ein geisteskranker Vollpfosten, der ich ganz sicher nicht war und auch nie sein würde! Ich war ich ein bisschen verplant und wirkte auf Außenstehende etwas dämlich, aber noch reichte meine Auffassungsgabe und Menschenkenntnis, um mit dieser Frau NICHT auszugehen. Die Betonung lag dabei auch noch auf FRAU.
 

Ich war noch nie mit weiblichen Menschen ausgekommen; schon in der Grundschule waren mir diese zierlichen Wesen, die nur durch längere Haare und Röckchen von den Jungen zu unterscheiden gewesen waren, ein Rätsel gewesen.

In der dritten Klasse hatte ich einem Mädchen aus meiner Klasse – ihr Name war Noriko gewesen, wenn mich nicht Alles täuschte – ein Bild gemalt. Es hatte eine Rose darstellen sollen. Ich muss zugeben, dass ich noch nie wirkliche Begabung im malerischen Bereich hatte und bekannter Weise sind Kritzeleien von Grundschülern alles andere als ästhetisch (auch wenn Eltern und Lehrer immer das absolute Gegenteil vorheucheln), also hatte diese rote Wasserfarbenblume eher ausgesehen, wie ein riesiger Blutfleck. Kaum hatte ich Noriko dieses Meisterwerk der Kunst vor die Nase gehalten und ihr in kindlicher Manier und mit hochroten Wangen erklärt, ich hätte es extra für sie gemalt, hatte sie angefangen loszukreischen und war davon gerannt.

Die dumme Lehrerin (eine Frau!) hatte mich zur Strafe, dass ich dem ‚armen Mädchen’ einen solch geschmacklosen Streich gespielt hatte, zum Ordnungsdienst verdonnert.
 

In der Mittelschule war es schon einfacher gewesen, die Mädchen von den Jungen zu unterscheiden. Von flachbrüstigen Kühen abgesehen, zeichneten sich unter den Blusen der Schuluniform leichte Rundungen ab, die mit den Jahren noch wachsen sollten. Ekelhaft, meiner Meinung nach, ich wollte keine fleischigen Bälle im Gesicht hängen haben, wenn ich Sex hatte.

Noch dazu quietschten diese frühpubertierenden Busenfräulein so viel und laut herum, dass man Kopfschmerzen bekam. Das ständige ‚X ist ja soooo süß!’ ‚Hast du XY gesehen, er sieht ja soooo heiß aus’ ‚Gackt gibt nächste Woche ein Konzert. Er ist soooo ein Hottie’ und das dümmliche Gekicher, wenn man an ihnen vorbei schlich, war nicht nur mir auf die Nerven gefallen. Die meisten Jungen ließen in Abwesenheit der Mädchen verlauten, wie nervig sie dieses Verhalten fanden.

Doch kaum war wieder ein weibliches Wesen in der Nähe, versuchten diese treulosen Tomaten ihnen zu imponieren. Lag es in der Natur des Hetero-Mannes willenlos zu werden und sich wie ein Silberrückengorilla während der Paarungszeit zu verhalten, kaum kam ein Mädchen in Sicht?

Ich würde es wohl nicht ergründen – nicht in diesem Leben, denn ich war kein Hetero-Mann.

Dies kristallisierte sich immer deutlicher heraus, je weiter ich meinem Abschluss entgegen geschritten war. Während sich meine Klassenkammeraden auf unzähligen Gokons vergnügten und jeden Tag von einer weiteren Tusse auf ihrer ‚Bums-Liste’ erzählten, begann ich zu schreiben und immer mehr Wert auf mein Aussehen zu legen. Ich fing an meine Outfits mit perfektionierenden Accessoires aufzuwerten, auch im Sommer Schals in verschiedensten Farben zu tragen und den Lockenstab meiner Mutter zu klauen, der ohnehin nur im Bad vor sich hin staubte.

Immer öfter passierte es, dass ich auf offener Straße von wildfremden Männern angesprochen wurde, zum Teil stockschwul, manchmal aber auch hetero und dann geschockt, wenn ich den Mund aufmachte.
 

Um den Kreis zu schließen: Ich war schwul. Punkt. Und keine Frau der Welt würde es schaffen mich zu einem Date zu überreden!
 

Ich war dem schnüffelnden, wurstigen Langhaarnagetier samt Zahnspangenstudentin entkommen und hastete über den Gehweg in Richtung Bushaltestelle.

Der Himmel war klar, trotzdem war es kühl an diesem Tag. Der Sommer hatte es noch nicht geschafft gegen den durchwachsenden Frühling anzukommen, und doch war es im vergangenen Monat warm genug gewesen, um die ersten Blumen in den Gärten der Familienhäuser sprießen zu lassen, und auch Bäume wurden bereits von zarten, kleinen Blüten geschmückt.

Bald würde das Kirschblütenfest stattfinden und die Grünanlagen nur so leuchten vor einem blassrosa Blütenmeer.

Ich freute mich jetzt schon darauf. Das Frühlingsfest war kitschig bis zum Abwinken und ich hatte schon immer eine Schwäche für Kitsch gehabt.
 

Warum musste an einem Tag, an dem alles schief lief, wirklich ALLES schief laufen?

Der Bus hatte Verspätung, wegen Stau.

Pünktlichkeit?

Wo waren die japanischen Ideale geblieben? Ich sah es schon kommen, wir würden in westlichen Angewohnheiten versumpfen.

Am vernünftigsten wäre es gewesen auf die U-Bahn zu setzten, jedoch fuhr zu meinem Unglück Keine zu meinem Arbeitsplatz und so musste ich eine viertel Stunde auf einen dahintuckernden Bus warten, in dem ich eingekerkert zwischen der übel riechenden Achsel eines Park-Joggers, den prallgefüllten Einkaufstaschen einer älteren Frau, einem Kinderwagen im Rücken und der Bustüre, sieben Stationen verweilen musste, bis ich endlich in die Freiheit gespült wurde.

Meine Armbanduhr zeigte mir, was ich befürchtet hatte. Eine halbe Stunde im Verzug. Nicht auszudenken, was mir die Anderen gleich an den Kopf werfen würden, ich hatte es ja auch gar nicht anders verdient. Ob ich sie mit einer guten Ausrede abspeisen konnte? Einen Versuch war es wert.

Während ich im Laufschritt dem unscheinbaren Theater immer näher kam, legte ich mir in Gedanken eine glaubwürdige Story zurecht.
 

Doch kaum kam ich außer Atem und nach dem endlosen, trostlosen Gang, der zum Vorstellungsraum führte, angestolpert, wollte den Mund aufmachen, um mich bei meinen Kollegen zu entschuldigen, die alle kostümiert im Zuschauerraum oder auf der Bühne ungeduldig warteten und mir teils todbringende, teils erleichterte Blicke zuwarfen, sobald sie mich sahen, schalt mir schon der Erste entgegen: „Keine Ausreden, Intetsu-san! Du bist zu spät! Was fällt dir ein?!“ Es war Ryohei gewesen. In einem rosa Kimono, verziert mit farblich abgestimmten Blumen und gesticktem Goldfaden, stand er inmitten des ersten Bildes, die Arme in die Seiten gestemmt und schoss mich mit blitzenden Augen ab. Ein paar Schauspieler stimmten ihm nickend zu. Bevor ich mich selbst verteidigen konnte, erhob Aoi das Wort. Der Kleine steckte in der einfachen Kluft eines Inspektors, auf dem Kopf thronte eine charakteristische Perücke, unter welcher einzelne Strähnen, seines braunen Haares hervorlugten. „Endlich bist du da!“, rief er, hüpfte von seinem Platz auf und kam mir entgegengelaufen. „Ich dachte schon, dir sei etwas passiert. Du bist ja sonst nie so unpünktlich“

„Tut mir wirklich Leid“, entschuldigte ich mich kleinlaut und betrachtete schuldbewusst meine pink-weiß karierten Turnschuhe.

„Schon okay, jetzt bist du ja da und wir können anfangen“ Aoi lächelte mich so süß an, dass ich meinte im nächsten Moment Zahnschmerzen bekommen zu müssen. Der Kleine war einfach zu süß für diese Welt; und zu hetero, meiner Meinung nach – er enthielt sich der schwulen Gesellschaft – oder vielleicht besser: Meiner Gesellschaft – wie egoistisch von ihm...
 

„Nichts ist okay“, mischte Ryohei sich ein. Er war galant von der Bühne gesprungen – eine beachtliche Leistung im Kimono – und zu uns geschlappt. „Immer müssen wir uns anfauchen lassen, wenn wir mal zu spät sind und gerade heute kommt der feine Herr selbst nicht zur vereinbarten Zeit!“

Ich konnte verstehen, dass Ryohei sauer war, andererseits war er einer der Kandidaten, die mir am meisten Sorge bereiteten. Ständig kam der Hauptdarsteller meines Stücks zu spät, manchmal sogar betrunken, oder gar nicht, tischte mir dann fadenscheinige Ausreden auf. Er erlaubte es sich, denn ich konnte es mir nicht leisten ihn rauszuschmeißen. Er war unersätzlich, ein hervorragender Schauspieler und wie für seine Rolle geschaffen.

Eine Prinzessin in Edo der Shogunatszeit, die sich in einen jungen Inspektor verliebte, diesen aber nicht heiraten durfte, da sie schon einem anderen versprochen war. Das ganze würde im blutigen Suizid enden – Shakespeare lässt Grüßen!
 

„Es tut mir Leid“, murmelte ich erneut. „Wirklich“ ich hob den Kopf und sah der Prinzessin direkt ins Gesicht. Auf ihren Lippen glänzte rosaroter Lippenstift.

„Tss“ sie beugte sich zu mir vor und hauchte mir demonstrativ ins Gesicht. Beißender Alkoholgeruch schlug mir entgegen und ließ mich die Nase kraus ziehen.

„Hast du getrunken?“, stellte ich die Frage, dessen Antwort ich kannte.

„Nur ein wenig“, meinte Ryohei überheblich und warf seine Haare zurück, die noch nicht unter einer Perücke steckten. „Man muss die Stimmung schließlich halten, wenn du so lange nicht aufkreuzt“ alles was er sagte triefte nur so vor Selbstgefälligkeit. Das gefiel mir nicht. Dieser Kerl mochte aussehen wie die Unschuld in Person, in Wahrheit hatte er nie Respekt gelernt und verhielt sich allem und jedem gegenüber wie die Pest.
 

„Ryohei-san, wie oft hab ich dir schon gesagt, dass du nicht trinken sollst, wenn du zur Arbeit kommst?“ ich versuchte ruhig zu reden.

Der Alkoholkonsument hob arrogant die fein gezupften Augenbrauen und zischte: „Du hast mir ja mal gar nichts zu sagen, Mr. Möchtegern-Regisseur“

Die Luft brannte, gleichzeitig erschien sie so dicht und drückend, dass ich meinte sie mit der bloßen Hand zerreißen zu müssen, um meine Finger vorschnellen lassen zu können und sie Ryohei um den schmalen Hals zu legen.

Dieses Miststück!

Wenn ich etwas hasste, dann waren es Worte, die meine Fähigkeiten als Regisseur in Frage stellten, gar auf dem Boden zertrampelten. Es war als würde man mich selbst mit Füßen treten. Mein Traumberuf war ein Teil von mir; ein so wichtiger Teil, dass ich mir lieber einen Finger abgeschnitten hätte als diesen aufzugeben. Mich auf diesem Gebiet zu beleidigen war wohl das Dümmste, was man tun konnte.

Hatte man gedacht mich wütend zu erleben, wenn ich mich über das nicht zeitgemäße Erscheinen der Darsteller aufregte, hatte man sich gehörig geschnitten. Es war meine Zickenseite, doch Ryohei hatte meinen Stolz angetastet, ihn geschubst und dafür würde er büßen.
 

„Hey, Leute“ Aoi versuchte sich schlichtend zwischen uns zu schieben. „Jetzt verliert mal nicht die Nerven, ja? Wir sind alle aufgeregt und ein bisschen gereizt, weil morgen schon die Vorstellung ist, aber-“ weiter kam er nicht, weil ich ihn grob zur Seite schubste, sodass er lautstark gegen einen der Stühle knallte. So wurden auch die anderen auf die Streiterei, die sich anbahnte, aufmerksam, stellten ihre Gespräche ein und starrten zu uns herüber, wagten dabei nicht einen Laut von sich zu geben.

Die Spannung war greifbar, wie etwas Objektives. Man hätte sie fischen können, wie einen gigantischen Karpfen, der sich nicht totschlagen lässt.

Ich trat drohend an Ryohei heran, so nah, dass gerade einmal eine Hand zwischen uns gepasst hätte.

„Sag das noch mal“, zischte ich ihm drohend entgegen.

„Und dann?“ Ryohei verzog spöttisch das Gesicht. „Was dann?“

Dann wirst du sehen, wozu ich fähig bin, du Hure!

Ich ballte die Fäuste und hätte liebend gerne zugeschlagen, doch auf so ein Niveau wollte ich mich nicht herablassen. Das hatte keine Klasse.

Allerdings hatte das was darauf folgte, ebenso wenig Klasse.

Ryohei hatte es abermals geschafft mich zu beleidigen, worauf ich nach seinen Haaren gepackt und daran gerissen hatte, sodass dieses Drecksstück zu kreischen begann. „Raus!“, schrie ich los und schubste ihn in Richtung Ausgang. „Raus hier, du Schlampe!“ Aoi stand zwei Meter von uns entfernt und starrte das Szenario mit offenem Mund an. Den anderen ging es nicht besser. Fassungslos beobachteten sie, wie ich einen völlig überrumpelten Ryohei am rosaroten Kragen packte und zur Türe schleifte.

„Verpiss dich bloß!“, fauchte ich ihn noch an, bevor ich genug gewütet hatte und zurücktaumelte.

Erst als Ryohei, der seine schreckensgeweiteten Augen gar nicht mehr zubekam, aufgestanden und von dannen gerannt war, nicht ohne ein hyterisches „Der ist doch übergeschnappt“ in den Theatersaal zu werfen, wurde mir bewusst, was ich gerade getan hatte.

Mein Stück dahin, der Hauptdarsteller war futsch.

Mir wich mit einem Mal sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Mir war so schlecht. Alles drehte sich.

Dahin. Mein Traum. Meine Vision. Mein Werk. Ich konnte es in die Mülltonne werfen.
 

Aoi fing mich auf, bevor ich auf den Boden knallen konnte, er zog mich hoch und führte mich zum nächsten Stuhl.

„Ich hol dir Wasser“, verkündete er und sauste los, als gelte es Leben zu retten. Vielleicht war es das ja... Schwand mein Leben dahin?

Nach kurzer Dauer kam der Kleine wieder angelaufen, in der Hand ein schwappendes Glas. „Hier“

Ich nahm einen großen Schluck und dankte leise.

Was hatte ich getan?

Nein...

Nein...

Nein...

Ich fiel in ein Loch, unaufhörlich; es war unendlich und tief. Bald würde ich aufschlagen, mit Sicherheit.

„Mach dir nichts draus“, versuchte Aoi mich zu beruhigen, doch das schaffte er natürlich nicht.

Die Hauptrolle. Was war ein Stück ohne Hauptrolle? Nichts. Ein Wisch.

Ich seufzte tief und sah verzweifelt zu Aoi, der mich aufmunternd anlächelte, doch nicht einmal seine zuckersüße Geste stimmte mich fröhlicher.

Ich war am Ende.
 

„Und jetzt?“ Yumehito, der Souffleur, der Weisheit mit Löffeln gefressen hatte, wagte als Erster die nieder gepresste, stille Stimmung zu stören. Er schielte mit seinen blauen Kontaktlinsen in die Runde und erschien noch dümmer, als sonst.

„Wir gehen jetzt nach Hause, was sonst? Die Vorstellung ist ja wohl gelaufen“, sagte irgendwer in den hinteren Reihen.

Ja, was sonst?

Ich, oh großer Regisseur, hatte mir ins eigene Fleisch geschnitten. Einen Tag vor der Vorstellung war an einen Ersatzschauspieler nicht zu denken. Die Zweitbesetzung der Prinzessin war seit gut einer Woche krank und lag mit Fieber im Bett, man konnte dem armen Kerl unmöglich zumuten sich in diesem Zustand auf die Bühne zu stellen, außerdem ließ die Verwirklichung der Rolle, die ich mir vorstellte bei dem Zweitkandidaten sehr zu wünschen übrig.

So war es wohl das Vernünftigste die Schauspieler nach Hause zu schicken und die Vorstellung abzusagen; damit wäre dann wohl sein Ruf als Perfektionist unter den Regisseuren dahin, doch das hatte ich mir selbst zuzuschreiben.

Ich spürte wie sich Wasser in meinen Augen sammelte.

Oh nein, jetzt lass bloß nicht deine sentimentale Seite raushängen!

Schnell wischte ich mir, möglichst unbemerkt über die Augen. An meinen Fingern blieb Make-up und Wimperntusche in dunklen Streifen hängen. Verdammt. Jetzt verschmierte ich mir auch noch die Schminke und wirkte dadurch sofort verheult, fabelhaft.
 

„Nichts ist gelaufen“, hörte ich da Aoi in die Runde posaunen. War der ein bisschen blöd, oder was? Bisher hatte ich ihn für ein schlaues Kerlchen gehalten.

Ich hob den Kopf und sah ihn zweifelnd an. „Aoi-chan, bitte, versuch erst gar nicht-“

„Wir haben doch einen fabelhaften Ersatz“, redete er jedoch ungerührt weiter und trat auf die Gruppe Schauspieler zu.

„Haben wir nicht“, warf jemand ein.

„Intetsu-san“ Aoi verwies in einer ausladenden Geste auf mich.

Ja, warum eigentlich nicht...? Moment mal, ich war der Regisseur. Wie kam dieses Spatzenhirn auf so eine abwegige Idee.

„Er kann den Text in und auswendig und weiß genau, wie er die Prinzessin zu spielen hat, schließlich hat er das Stück erdacht“, erläuterte er, als hätte er meine Gedanken gelesen.

Die Truppe schien angetan von diesem Vorschlag Nach kurzem widerwilligem Brummen von der einen Fraktion, stimmten immer mehr dieser unausgefeilten Idee zu.

„Moment mal, Leute“ ich erhob mich und versuchte die Begeisterung zu bremsen. Aoi verrannte sich da in etwas, was nicht klappen konnte. „Ich bin der Regisseur und-“

„Ja und?“ Ich wurde aus sämtlichen Richtungen eingehend angestarrt.

Seufzen.

Und damit war die Sache gegessen.
 

~

Über Kommis freue ich mich immer ^-^

Wenn jemand einen Rechtschreibfehler gefunden hat, möge er ihn mir bitte mitteilen...

Ansonsten hoffe ich, dass es euch bis jetzt gefallen hat



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

Kommentar schreiben
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Von:  Catherine_Howard
2010-05-24T18:10:08+00:00 24.05.2010 20:10
Ich muss sagen, das dies der erste Ayabie Fanfict ist was mir beim anhieb gefält. ^_^ Wirklich supper! :'O Dafür das ich sowas ungern lese!! >o<
Von:  Panakeia
2010-03-08T16:07:16+00:00 08.03.2010 17:07
alsoo~ ich mag deine ff xD
auch wenn ich mich eigentlich noch nich so groß mit ayabie beschäftigt hab.. bzw. das schon ne weile her is xD"
aber es is wahr, dass es zu manchen bands viel zu wenige geschichten gibt und den wenigen dann irgendwie auch nur sehr wenig aufmerksamkeit geschenkt wird >__<
was wirklich schade is, weil die ja nich schlechter sind als die ffs über bekanntere bands...

deine storyline find ich toll!
mal ne neue idee xDD
und auch gut umgesetzt ^^

und ich mag deinen schreibstil unheimlich gern!
irgendwie is er so.. anders O.o
unheimlich lebhaft und anschaulich!
wirklich super ^__^

Grüßle, Keia
Von:  Evallina
2009-02-22T14:40:35+00:00 22.02.2009 15:40
Ich find die FF bis jetzt so süß |'D
(ich hab sie zuvor schon auf FF.de gelesen und hab eben hier nachgeschaut ob die hier auch is) :D

ich freu mich schon wenns weitergeht ^^
Lg, ルキ


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