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Der Geburtsort der Götter

von

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Teotihuacán

Als ich meine Augen öffnete war es noch dämmrig. Ich schaltete den Wecker aus und ging unter die Dusche.

„Diese Träume werden auch immer komischer“, dachte ich, während ich das Wasser über mein Gesicht und meinen Körper brausen ließ. Dabei war ich mir nicht einmal wirklich sicher, ob es sich wirklich um einen Traum gehandelt hatte. Es hatte sich mehr wie eine Erinnerung angefühlt und das verunsicherte mich ein wenig. Ich war noch nie in meinem Leben in Mexiko geschweige denn in Teotihuacán gewesen. Einen Kinofilm, in welchem Menschenopfer zu sehen waren, hatte ich auch nicht gesehen, aber Bücher darüber gelesen. Vielleicht hatte sich das mein Kopf so zusammengereimt. Vielleicht hätte ich den das Drehbuch nach meinen Träumen und nicht nach meinen Forschungsergebnissen schreiben lassen sollen, aber das ist jetzt egal.
 

Nur kurz nachdem ich mich fertig angezogen hatte, klopfte es an meiner Tür und Paco holte mich ab. Er meinte, dass für Frühstück keine Zeit mehr wäre, er aber etwas für die Fahrt eingepackt hatte. Ich wollte einen Moment widersprechen, doch ich unterließ es. Schließlich war er der Einheimische und nicht ich.

Auf der Straße musst ich feststellen, das er Recht gehabt hatte. Wären wir auch nur eine halbe Stunde später losgefahren, wären wir unweigerlich im Stau stecken geblieben, der Mexiko-Stadt alltäglich verstopft. Bereits als wir durch die Straßen fuhren merkte man etwas davon. Allerdings kamen wir noch gut voran und nicht einmal eine halbe Stunde später hatten wir das Stadtgebiet verlassen und waren auf dem Weg zu unserem Ziel. Anfangs begleiteten uns noch viele andere Autos, doch diese wurden immer weniger. Im Gegensatz zu den vollbesetzten Reisebussen. Von denen schien es immer mehr zu geben und ich malte mir im Geiste bereits aus, wie ich in Teotihuacán arbeiten müsste.
 

Gott sei dank ist die Fahrt von Mexiko-City aus wirklich nicht weit. Das erste was ich bereits von weitem sah, war die Sonnenpyramide. Sie überragte die gesamte Stadt und den riesigen Parkplatz davor. So hatten sich das die alten Stämme wohl nicht gedacht, als sie diese Stadt errichteten.
 

Da wir ziemlich früh dran waren, fanden wir auch einen Parkplatz in der Nähe des Einganges, zu dem bereits jetzt Touristenmassen strömten. Ich sah die ersten Souvenirstände. Eigentlich hätte ich mir die Mitbringsel gern aus der Nähe angeschaut, und sei es nur um darüber zu lachen, aber Paco zog mich weiter. Eintritt mussten wir, im Gegensatz zu den Touristen, nicht bezahlen.

Wir schritten durch das Tor, durch welches ich auch in meinem Traum im Flieger gegangen war und es war ein Gefühl als käme ich nach Hause. Ich kann nicht wirklich beschreiben warum, aber es war so. Was ich von der Stadt sah, erstaunte und erschreckte mich gleichzeitig. Natürlich ist es klar, dass Steine mit der Zeit porös werden und bröckeln und das unbewohnte Städte gerne etwas heruntergekommen aussahen, aber von der Pracht, die ich noch in meinem Traum gesehen hatte, war nicht mehr viel geblieben. Die Straßen wurden von Wiesen dominiert, auf denen die Menschen wanderten und glaubten, dass es schon immer so gewesen ist. Ich hatte das Gefühl, die meisten verschwendeten überhaupt keinen Gedanken daran, wie sehr sich diese Stadt verändert haben könnte. Sie nahmen diesen Zustand als selbstverständlich. Das hätte ich eigentlich auch machen sollen, schließlich sah ich Teotihuacán zum ersten Mal in Natura. Fotos die ich gesehen hatte, zeigten diesen Zustand, und doch, ich konnte es nicht glauben.

Paco musste mein Mienenspiel mir angesehen haben, denn er berührte mich leicht am Arm und meinte: „Ich weiß, es ist nicht mehr viel übrig.“ Ich konnte diese Bemerkung nicht richtig einordnen, aber wahrscheinlich war ihm derselbe Gedanke durch den Kopf gegangen wie mir. Ich nickte kurz und wir setzten uns wieder in Bewegung.
 

Wie ein normaler Touristenführer führte er mich durch die Ruinen der Stadt und zeigte mir die größten Monumente: die Sonnen- und die Mondpyramide, sowie den Tempel des Quetzalcoatl.

Am Ende unseres Rundganges gingen wir erneut über die Straße der Toten, die nun nicht mehr mit wundervoll bemalten Tempelanlagen gesäumt war, sondern nur noch von Ruinen.

„Ich werde dich jetzt allein lassen“, erklärte Paco mir. Er habe noch etwas zu erledigen. Ich sollte ihn um sieben Uhr Abends am Fuß der Sonnenpyramide treffen. Und so ging er davon und ließ mich stehen.

Erst sah ich mich ein wenig um und schlenderte durch die Straßen, oder durch das, was von ihnen noch übrig war, doch dann entschied ich mich die Opferkammer zu suchen.
 

Ich richtete meine Schritte also wieder auf das riesige Monument in der Mitte der Stadt und umrundete es. Erst beim zweiten Mal entdeckte ich, dass der Eingang nach obern verlegt worden sein musste. Und wirklich da war er. Allerdings abgesperrt. Paco hatte mir allerdings gesagt, dass ich mich nicht an die für Touristen geltenden Regeln halten musste. Ich nahm also meinen ganzen Mut zusammen und stieg die Stufen der Pyramide bis zu ihrem Eingang nach oben. Unter mir hörte ich eine Frau einen der Führer fragen: „Ist denn das erlaubt?“

„Nein!“, war seine Antwort und mir blieb bereits das Herz stehen. „Aber das ist eine Historikerin und hat eine Ausnahmegenehmigung bekommen.“

Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie erleichtert ich meinen Weg fortsetzte.

Der Eingang selbst hatte sich verändert, doch ich fand den Weg zu der Kammer wie im Schlaf, so als wäre ich ihn bereits hundertmal gegangen.
 

In dem länglichen niedrigen Raum war es finster doch auch ruhig. Die Hektik der Touristen erreichte diesen Ort nicht. Er war von ihnen unberührt. Ich fummelte eine Taschenlampe aus meinem Rucksack und schaltete sie an. Der Boden war noch immer gestampfter Lehm. Als der Lichtkegel der Taschenlampe aber über die Wände glitt enthüllte er wunderbare Fresken, die in der Dunkelheit verborgen waren. Sie zeigten Opferzeremonien, verschiedene Götter, aber auch das Leben der einfachen Menschen. Skelette der Opfer, die hier für ihren letzten Weg vorbereitet worden waren, fand ich nicht mehr. Man hatte sie nach der Entdeckung dieser Kammer sämtlich in Museen gebracht und der Forschung überlassen. Es bedauerte mich ein wenig, denn so verlor dieser Ort ein wenig seines Flairs.
 

Hinter mir hörte ich Schritte. Ich drehte mich zum Eingang der Kammer um und sah einen Lichtschein auf mich zu kommen. Ich hatte keine Ahnung, wer das sein konnte, aber Angst brauchte ich doch eigentlich nicht zu haben. In diesem Augenblick trat ein Mann durch die Tür und einen Moment dachte ich Tezcatlipoca vor mir stehen zu sehen. Ich rieb mir kurz über die Augen. Es war natürlich Paco mit einer Fackel in der Hand, der mir gefolgt war.

„Ich wusste, dass ich dich hier finde“, meinte er. Dann stand er wieder schweigend neben mir und betrachtete die im Schein der Fackel leuchtenden Fresken.
 

„Soll ich dir erzählen, wie diese Stadt unterging?“, fragte er mich dann. Ich nickte. Die Umgebung war wie geschaffen um mir etwas über die Geschichte dieses Ortes anzuhören. Ich drehte mich gänzlich zu ihm, sodass ich ihm in die Augen sehen konnte.



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