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The last Night you'll spend alone

[a Rukia-Kaien tribute]
von

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The last night (you’ll spend alone)
 

Es war mitten in der Nacht. Wie schon in vielen anderen Nächten zuvor, brannte in dem kleinen Arbeitszimmer, welches sie abermals nicht zu betreten wagte, noch Licht. Leise, in die Stille hineinatmend, hatten sich ihre anthrazitfarbigen Augen auf die Schiebetür gerichtet, hinter der sie seinen Schatten erkennen konnte. An der starren Haltung, die dieser einnahm, wusste sie ganz genau, dass er Überstunden schob und am nächsten Morgen wohl wieder ziemlich verschlafen zur Arbeit antreten würde. So wie fast jeden neuen Tag, den sie mit ihm erlebte…

Ihre zitternden Finger legten sich an den hellen Holzrahmen der Tür. Tief durchatmend senkte sie für einen Moment ihre Lider.

Wenigstens heute wollte sie sich trauen. Wenigstens heute mit ihm reden, oder ihm zumindest in die Augen sehen. Seine wasserblauen klaren Augen, welche jede noch so kleine Sorge abzulesen vermochten und auch… sein Lächeln, das sie immer wieder aufmunterte, wenn es nötig war.

Obwohl sie sein Lächeln dieses Mal wohl missen müsste, sobald sie mit der Wahrheit rausrückte. Trotzdem würde sie dieses Risiko eingehen, wenn sie nur noch einmal von ihm angesehen, noch einmal von ihm beachtet werden würde.

Zaghaft klopften ihre Fingerknöchel schließlich genau zweimal. Geduldig würde sie warten, bis er ihr antwortete. Täte er es nicht, wäre er also über seine Arbeit eingeschlafen… dann ginge sie eben wieder. Ganz einfach.

Allerdings brauchte sie sich keine Gedanken über die Alternativmöglichkeiten zu machen, denn schon im nächsten Moment antwortete er ihr mit einem leisen, aber deutlichen „Herein“. Ihr Herz einige Etagen höher klettern spürend, ermahnte sie sich selbst zur Ruhe. Es gab keinen Grund aufgeregt zu sein. Nicht heute.

Nicht einmal ansatzweise gab es einen Grund, dass sie sich über seine Nähe freuen dürfte oder Ähnliches. Dafür war die Absicht, welche hinter ihrem Besuch steckte, einfach viel zu schmerzhaft und ernst.
 

You come to me with scars on your wrist
 

Mit Unbehagen eintretend, schob sie hinter sich die Tür wieder zu. Langsam und leise - schließlich schlief der Rest der Division bereits und Rücksichtsnahme schadete niemanden. Doch wie es kommen musste, klemmte die Schiebespur und sie musste sich etwas mehr anstrengen, damit sie schließlich, wenn auch mit einem kleinen Rumms, zuging.

Peinlich berührt blieb sie an der Tür stehen und murmelte nur ein „Entschuldigung, Kaien-dono.“

Kaien blickte nun überrascht von seiner Arbeit auf, welche sich in Form von vielen Blättern über den gesamten Schreibtisch ausgebreitet hatte. Die Feder zur Seite legend, drehte er sich zu seiner Untergebenen um, brachte nur ein „Kuchiki? Was macht du denn…“ hervor, als er auch schon abbrach. Eigentlich hatte sie sich für heute abgemeldet, da sie die Nacht im Kuchiki Anwesen verbringen wollte, und um so mehr überraschte es ihn, Rukia nun hier zu sehen. Allerdings schluckte der Fukutaichô die Frage herunter, brachte es ihm fast schon einen kleinen Schock ein, als er den Zustand der jungen Kuchiki bemerkte, in welchem sie vor ihm stand. Kaien konnte sich nicht daran erinnern, Rukia schon einmal so gesehen zu haben: Vollkommen aufgelöst, leichenblass und mit einem fast Angst einflößendes Augenpaar – ein leerer und tief verletzter Blick. Gab es etwa schon wieder Probleme? Nicht, dass sie deswegen jemals zu ihm gekommen wäre, im Gegenteil, allerdings hatte er durch Ausfragen von Ukitake und dem den Kuchikis dienendem Personal herausgefunden, dass es öfter Zwist zwischen Rukia und der Familie gab. Wenn auch nur einseitig… „Was ist passiert…? Du… siehst vollkommen fertig aus!“, hakte er leise nach, traute sich aus Besorgnis, dass sie bei jedem weiterern Schritt zusammenbrechen könnte, noch nicht einmal sie näher zu sich zu bitten.
 

You tell me this will be the last night feeling like this

”I just came to say goodbye”
 

Rukia blickte ganz langsam wieder zu ihm auf, zwang sich dabei ein Lächeln ab. Wie schon so oft – einfach nur lächeln. Den Kopf schüttelnd, antwortete sie schließlich: „Es ist nichts. Ich… wollte Euch nur eine gute Nacht wünschen.“ So sicher ihre Stimme auch klang, sosehr spürte man, dass es eine Lüge war. Demnach auch Kaien, welcher leicht sauer ausatmete. Sicher… Sie hatte ihm noch nie eine gute Nacht gewünscht. Warum sollte sie es also ausgerechnet jetzt tun?

„Erzähl mir nichts!“, gab er leicht pampig zurück, wollte seine Gegenüber strafend ansehen, konnte allerdings nur einen besorgten Blick aufsetzen, „Wenn alles in Ordnung wäre, wärst du nicht hergekommen!“

Rukia guckte ihn etwas irritiert an, senkte dann allerdings den Kopf und lächelte erneut – diesmal um einiges… reuevoller.

„Vielleicht habt Ihr recht.“, gestand sie nach einer Weile und sorgte dafür, dass Kaien seinen Schützling noch ungläubiger ansah als er es ohnehin schon tat, „Eigentlich… wollte ich mich auch nur… von Euch verabschieden!“

Verabschieden? Wie kommt sie darauf, dass…? „Ich denke, dass es das letzte Mal sein wird, dass wir miteinander sprechen. Deswegen wollte ich unbedingt zu Euch!“ Das letzte Mal…?

„Kuchiki, was redest du da?!“, kam es um einiges ängstlicher von ihm als er es selbst hatte zulassen wollen, „Wir sehen uns doch morgen wieder. Genau wie jeden weiteren Tag! Warum willst du dich also verdammt noch mal verabschieden?“ Panik erfüllte seine Stimme und nicht nur diese, sondern auch sein Inneres, aber… genau in diesem Inneren brauchte sich Kaien keine Fragen mehr stellen. Tief in seinem Herzen wusste er, worauf sie anspielte, was dieser Abschied zu bedeuten hatte – und gerade deswegen wuchs die Hoffnung, dass ihre Antwort doch anders ausfiel als er sie in seinen Kopf hatte.

„Macht Euch keine Sorgen um mich, mir geht es gut.“, versicherte Rukia Kaien und obwohl ihr Lächeln immer noch anhielt, musste sie dennoch ernsthaft die Tränen runterschlucken, welche ihr inzwischen in die Augenwinkel traten.
 

“I didn't want you see me cry, I'm fine”
 

Nein! Nicht weinen… Nicht weinen!!

Immer wieder ermahnte sie sich zur Selbstbeherrschung. Doch je länger dieses Gespräch andauerte, desto schlimmer wurde es. Desto mehr zog sich ihr Herz zusammen und schmerzte. Ließ das starke und zugleich zerbrechliche Mädchen die letzten Emotionen vernehmen, die es noch empfinden konnte. Allein deshalb war sie heute hergekommen. Um durch ihn die Schmerzen der Trennung zu spüren, welche ihr sagten, dass sie lebte, dass sie die schöne Zeit in seiner Nähe nicht nur geträumt hatte. Ein Gefühl, welches ihre Entscheidung als falsch beurteilte… Und doch konnte es nicht mehr mit den Schmerzen mithalten, die tief in ihr drin hausten, viel schlimmer waren als alles andere, was sie kannte. Viel viel schlimmer. Nicht einmal Kaien würde die ihr zugefügten Wunden heilen können, obwohl er Rukia schon von sich aus unbewusst des öfteren geholfen hatte.

„Auf Wiedersehen.“ Zögernd, aber sich schließlich selbst einen Ruck gebend, drehte sich Rukia um, ließe sich nicht aufhalten. Kein weiteres Mal. Diesmal ginge sie endgültig. Nicht nur von diesem Ort oder von ihm, sondern… von alles und jeden.
 

But I know it's a lie
 

Sich auf die Lippen beißend, fühlte Kaien zum ersten Mal richtige Hilflosigkeit. Sie hatte ihren Entschluss gefasst, sie wollte sich nicht mehr überzeugen lassen. Nie wieder. Und gerade das war es, was ihn so zweifeln ließ, was ihm Angst machte. Würde er Rukia jetzt gehen lassen… könnte er sich diesen Fehler nie verzeihen und müsse ewig mit dem Albtraum der Gewissheit leben, dass er sie eventuell doch hätte retten können.

Wieso log sie ihn aber auch an? Warum erzählte sie ihm nicht von ihren Problemen? Schon immer war ihre Antwort ein einfaches Schweigen, wenn er sie gefragt hatte, warum sie wieder so deprimiert in die Welt sah…

Rukia war schon fast zur Tür hinaus als er sich endlich wieder fing: „Rukia, bleib verdammt noch mal hier!! Renn nicht einfach weg!“

Für einen kurzen Moment schienen die Worte Wirkung zu zeigen und die Angesprochene blieb tatsächlich stehen, hielt allerdings stets den Kopf gesenkt.

Sie sollte nicht wegrennen? … Wusste er überhaupt, was er da von ihr verlangte? Es gab bereits viel zu viele Gründe, die ihr keine andere Möglichkeit mehr gaben. Dagegen ankämpfen… ging nicht mehr! Viel zu viele Gründe, die ihr zeigten, dass sie einfach nicht mehr weitermachen konnte, selbst wenn Rukia es wollte. Mit Sicherheit wollte sie sich nicht von Kaien abwenden, nicht von seiner Wärme, die er ihr jedes Mal entgegengebracht hatte, und ihm somit den Rücken kehren… Wären ihr nicht die Hände gebunden!

„Es tut mir leid…“, flüsterte Rukia schließlich. Ihre Entschlossenheit, ihre Stärke… einfach alles schien mit einem Mal zu zerbrechen: „Kaien-dono, e-entschuldigt, d-dass ich… dass ich nicht mehr m-meinen Aufgaben nachgehen kann… I-Ich…“

Bevor sie weitersprechen konnte, war Kaien auch schon aufgesprungen und zu ihr geeilt, zog sie am Handgelenk zurück und an sich heran. Von hinten die Arme um ihren zarten und zerbrechlichen Körper legend, beugte er sich zu ihrem Ohr hinab.

„Und… wenn ich dich diese Nächte nicht mehr allein verbringen lasse? Würde sich dann etwas ändern? Würdest du dann stehen bleiben können?“

Rukia glaubte fast schon, dass ihr Herz zu schlagen aufhörte, kaum nahm sie seinen Atem an ihrem Ohr wahr. Allein diese Gewissheit ließ ihren Puls rasen und wahre Purzelbäume schlagen.

Jede Faser seines Körpers an ihren spürend, seine starken und beschützenden Hände um ihren zierlichen Oberkörper gelegt wissend, konnte sie einfach nichts mehr sagen oder erwidern. Rukias Lippen lagen fest aufeinander gepresst, so dass sich nicht ein einziges Wort über diese stehlen würde. Stattdessen versuchte sie den festsitzenden Kloß in ihrem Hals herunterzuschlucken und hoffte, dass sich ihr Blutdruck langsam beruhigte, dieser vor allem ihren Kopf verließ. „Rukia… bitte…“ Schon wieder… seit wann redete er sie mit ihrem Vornamen an?

Und seit wann… fand sie diesen besonderen, berauschenden Reiz in seiner Stimme, wenn er es tat?
 

This is the last night you'll spend alone
 

Kaien hatte sich selbst geschworen, Rukia nicht mehr so schnell loszulassen. Würde er dies tun, rannte sie zwangsläufig ins Verderben und das durfte er auf keinen Fall zulassen! Lieber… wollte er sie auffangen und ihr versichern, dass sie keine Angst mehr zu haben bräuchte.

„Kaien-dono…“, brachte Rukia mühsam über ihre Lippen und musste im nächsten Moment einen tiefen Atemzug nehmen, um dem aufkommenden Ohnmachtsgefühl entgegenzuwirken, welches ihr das Bewusstsein nehmen wollte, „Was… soll das? Ich habe schon längst meinen Ent-“

„Rukia, das wird das letzte Mal gewesen sein, dass du da alleine durchmusst!“, unterbrach er sie, „Ich verspreche es dir bei allem… bei meinem Leben…“

Rukia schrak etwas auf, schüttelte schließlich merklich den Kopf.

„N-Nein… das… ist nicht richtig…“, flüsterte sie fast schon geschockt, „Das ist absolut nicht… richtig!“ Er sollte ihr nicht solche Versprechungen auf seine Kosten geben! Schon damals nicht, als er ihr sagte, dass sie Freunde bis über den Tod hinaus wären und jetzt… erst recht nicht! „Warum tut Ihr das?!“, fuhr Rukia ihre Stimme etwas lauter auf, konnte sich einfach nicht mit seinen Worten und diesem wahnsinnigen Versprechen abfinden.

Warum musst du nur alles so hinterfragen?? „Weil ich dich verdammt noch mal nicht weiter leiden sehen will!“, konnte nun auch Kaien nicht weiter die Ruhe bewahren. Sein Ärger über diese Sturheit ihrerseits ließ sich nicht einfach wegstecken. Einige Sekunden später fuhr er fort, nun allerdings wieder um einiges leiser und sanftmütiger, so dass Rukia nicht wieder zusammenzucken würde: „Jedes Mal, wenn du diesen deprimierten Gesichtsausdruck hegtest, habe ich mich gefragt, ob es nicht irgendetwas gibt, dass dir helfen könnte. Wie ich dir helfen könnte… Und immer wieder… konnte ich nichts für dich tun.“ Fast seufzend beendete Kaien diesen Satz und hielt Rukia nur noch fester an sich gedrückt.

Doch… natürlich konnte er etwas für sie tun!

Mehr als irgendwer anderes…

Warum sah er das nur nicht? Warum gab er sich die Schuld für etwas, für das er nichts konnte?

„Das ist nicht wahr!“, entgegnete Rukia wispernd, schüttelte leicht ihren hübschen Kopf, „Das… ist gewiss nicht wahr… Bitte… lasst mich bitte gehen, Kaien-dono…“ Denn wenn er sie noch länger festhielte, würde auch der letzte Funken ihrer bereits scheiternden Entscheidung verlöschen… und sie somit weiterfallen lassen.

Das alles müsste nicht sein – wenn er sie verdammt noch mal endlich losließ!

Mit einem Mal spürte Rukia wie sie an den Schultern herumgedreht wurde. Seine langen, trotz aller Arbeit stets zarten Finger begaben sich zu ihrem Kinn und hoben es um einige Millimeter an, so dass Rukia seinen Augen nicht mehr ausweichen konnte, hätte sie es gewollt.
 

Look me in the eyes so I know you know

I'm everywhere you want me to be
 

„Rukia… versprich’ mir bitte eins: Komm zu mir, wenn dich etwas bedrückt. Behalt es nicht für dich!“ Kaiens sanftmütige und dennoch flehende Stimme ließ sie wie paralysiert vor ihm stehen und er setzte unter diesem Anblick kurz ab, strich mit dem Daumen besinnlich über ihre Lippen. Ging das nicht doch ein wenig zu weit? Schließlich war sie noch immer seine Untergebene und nichts anderes! … Auch wenn der Fukutaichô an diesem Mädchen einen ganz besonderen Narren gefressen hatte. „Du bist nicht allein… selbst, wenn sich scheinbar alle Welt gegen dich verschworen hat… deine Nakama stehen zu dir! Ich stehe zu dir…“

Stockend blickte Rukia ihn einfach nur an, hatte zwar jedes Wort aufgenommen, aber brachte erneut keine Antwort oder keinen Dank hervor.

Und dabei schien in Rukias Kopf gerade mehr als nur eine Achterbahnfahrt der Gefühlsregungen von statten zu gehen - ein Chaos, welches keine Bändigung fand.

Nach und nach wurde ihr Entschluss zunichte gemacht, zerbröselte ihre Einsicht, dass sie verloren hatte, es sich so auch nicht mehr lohnte, weiterzumachen… und das nur… seinetwegen. Weil Kaien sie festhielt und nicht gehen lassen wollte. Weil sie für ihn wichtig war…
 

The last night you'll spend alone

I'll wrap you in my arms and I won't let go
 

Leise seufzend drückte Kaien Rukia vorsichtig an sich – als bestünde sie aus Porzellan, welches bei zu viel Druck zerbräche. Sie behutsam an Hüfte und Hinterkopf fassend, würde sie sich so auch nicht mehr von ihm befreien oder sonstige Ausbruchsversuche unternehmen können. Die Nase leicht in ihre tiefschwarzen und seidigglänzenden Haare vergrabend, atmete er den angenehmen Geruch dieser ein. Stets dufteten sie nach frischem Regen. Regen, genauso zart und gebrechlich wie ihre Seele.
 

I'm everything You need me to be
 

Wieso nur…

Warum… wusste er ganz genau, wonach ihr Herz schrie?

Warum wusste er so genau, wie er sie dazu bringen konnte, sich ihm zu öffnen?

Oder… wusste er es womöglich gar nicht und tat nur das, was ihm sein Gefühl riet?

Was auch immer es war… es reichte aus, um Rukias Fassade zu brechen, um sie wieder zu dem zerbrechlichen Mädchen zu machen, dass sie eigentlich war. Ohne noch länger zu zögern, traute sich Rukia die Umarmung zu erwidern, legte zaghaft die Hände auf seinen Rücken und legte ihren Kopf an seine Schulter.

„Es… tut so weh.“, schluchzte sie auf, ließ die vielen kleinen Tränen nun die Oberhand gewinnen und über ihre Wangen laufen, „Es tut so… elendig weh…“ Egal wie oft Rukia es sagte, es beschrieb doch nicht einmal in Ansätzen die Schmerzen, die sie durchlitt und welche sie zu zerfressen schienen.

Kaien streichelte ihr beruhigend über die zarten Schulterblätter, wollte zunächst, dass sie emotional wieder etwas runter kam… in diesem Zustand könnte er nicht einmal mit ihr reden. Denn genau das mussten sie beide nun einmal: reden.

Obwohl die Tränen einen etwas ganz anderes vermuten ließen, fühlte sich Rukia tatsächlich ein klein wenig besser. Nur, weil sie in der Nähe von Kaien-dono war. So wie immer… wie er immer alles schaffte, ohne es zu merken. Kaien war für Rukia einfach mehr als nur eine Bezugsperson geworden. Weit aus mehr als ihr Vorgesetzter, Übungsleiter oder auch… Freund. Ansonsten… wäre sie heute Abend auch nicht hier bei ihm aufgekreuzt, um sich von ihm zu verabschieden. Von ihm und keinen anderen sonst… Weil Kaien in ihrem Herzen lebte, so sehr in ihren Gefühlen verankert war, dass Rukia sich ihm nun wohl auch anvertrauen würde. Obwohl Kaien bereits ganz und gar im Bilde ihrer Situation war – hatte er ihren werten Bruder bereits mehrmals die Leviten gelesen.
 

Your parents say everything is your fault

But they don't know you like I know you they don't know you at all
 

Kaien wusste gut genug, wie sehr die Familie Rukia kaputt machte, sie nach und nach immer mehr verletzte und an den Abgrund trieb. Einer der Gründe, warum er sich mit Kuchiki Byakuya immer wieder aufs neue anlegte. Wie konnte man auch nur ein solch liebevolles und zart besaitetes Mädchen so auf die Probe stellen? Ihr nicht einmal die Chance geben, in solch einem Leben zu bestehen?

Nein, in diesem Klan galten eh andere Regeln als man es normalerweise von Familien kannte. Die Kuchikis waren nun einmal jene Adelsfamilie, die sich nur um Vorschriften und deren Einhaltung sorgte und um nichts anderes. Man sah es an dem Ältesten, man sah es an Byakuya und an Rukia… welche schlussendlich daran zerbrach. Denn das, was dieses Mädchen brauchte, waren keine Aufpasser oder Bevormunder, sondern Menschen, die sie wie jeden anderen in dieser Welt behandelten, sie umsorgten, sie unterstützten, sie liebten.
 

“I'm so sick of when they say

’It's just a phase, you'll be o.k. you're fine’”
 

„Kaien-dono… i-ich halt das… nicht mehr aus… Diese ständigen Erwartungen, diese ständigen Abweisungen… es macht mich einfach nur… krank!!“ Noch immer war ihre Stimme schwach und schwangte wie verrückt. Und noch immer hielt sie sich verkrampft an ihm fest, wollte sich nicht lösen, aus Angst dann wieder allein darzustehen. „Egal, was ich sage, egal was ich denke… alles wird einfach als bedeutungslos abgetan! Als… würde alles schon irgendwie wieder vorbeigehen!! D-Dabei… haben sie nicht die geringste Ahnung!“ Rukia senkte ihren Kopf bis zum Tiefpunkt und schloss die Augen. „Ich wünschte, sie hätten mich nie adoptiert… am besten... wäre ich nie geboren worden… dann… müsste ich nicht diese Schmerzen aushalten!!“ Obwohl besonders der letzte Satz nicht mehr als ein Hauch war, brannte er sich tief in Kaiens Herz und Seele. Das Leid, welches Rukia durchfuhr, wanderte direkt zu ihm, ließ ihn innerlich erzittern. Wie konnte sie solch schrecklichen Gedanken nur aussprechen, geschweige denn überhaupt erst denken?

„Sag so etwas nicht…“, bat er, flehte er seinen Schützling beinahe schon an, „Sag nicht, dass du nie hättest geboren werden sollen! Wärest du nie geboren worden… hätte ich dich nicht kennen lernen dürfen…“ Es sollte möglichst unbefangen klingen, so wie er die Dinge immer betrachtete, doch… ließ sich ein Unterton der Angst nicht verstecken und kippte somit diesen Versuch.

Ohne Rukia…

Sie hatte bereits zu viel in seinem Leben eingenommen, als dass sie einfach aus diesem verschwinden konnte. Ebenso wenig konnte sich Kaien vorstellen, wie die bisherige Zeit seit ihres Zusammentreffens ohne sie gelaufen wäre. „Nur weil dich diese Leute nicht zu schätzen wissen, heißt es doch noch lange nicht, dass andere dergleichen dummen Ansicht sind!“

„Das… glaube ich nicht…“, schluchzte Rukia nur noch mehr.
 

But I know it's a lie
 

Kaien musste ihr bloß einmal in die Augen sehen, um zu verstehen wie sehr sein Schützling diese Gefühle der Sehnsucht nach Geborgenheit und Sicherheit zu unterdrücken versuchte. Wie sehr sie versuchte, diese nicht zuzulassen, da sie verletzen konnten, wenn sie zu nahe an einen traten und unerfüllt blieben. „Rukia, wie deutlich soll ich noch werden?“, regte sich der Fukutaichô auf, stubste ihr gegen die Stirn, woraufhin er nur einen verwirrten Blick erntete. „Dummerchen… du bist mir wichtig. Und das weißt du. Also geb’ nicht vor zu denken, dass du allen egal seist.“

Das… sagt sich so leicht, aber eigentlich… hatte er doch recht! Wenn jemand all die Zeit bei ihr gewesen ist, sich um sie gekümmert hat, dann… ward Ihr das…

„Und… ich muss… wirklich nicht mehr… allein sein?“, wollte Rukia noch einmal genau wissen, wagte es sich sogar zu ihm aufzusehen, „Ich… muss nicht mehr solche Schmerzen erdulden?“

„Niemals.“, antwortete Kaien mit ernster und fester Stimme und blieb dennoch warmherzig und verständnisvoll, „Nie wieder in deinem Leben…“
 

This is the last night you'll spend alone

Look me in the eyes so I know you know

I'm everywhere you want me to be

The last night you'll spend alone

I'll wrap you in my arms and I won't let go

I'm everything You need me to be

The last night away from me
 

„Danke… Kaien-dono.” Von neuem konnte sie ihm danken. Danken, dass er sie davor bewahrte einen fatalen Fehler zu begehen…

Vielleicht war dies auch der wahre Grund, warum Rukia heute Nacht nicht ohne Weiteres die Flucht vor ihrem Leben ergriffen hatte: Unbewusst stets die Hoffnung in sich tragend, dass er irgendwie einen Weg zu ihrem verletzten Herzen fände. Einen Weg, um sie festzuhalten und zurückzuziehen.
 

The night is so long when everything's wrong

If you give me your hand

I'll help you hold on
 

„Rukia, wenn du mich dir helfen lässt, werde ich es auch tun! Nur… musst du dann auch auf mich zukommen. Ich kann dir deine Empfindungen und Gedanken leider nicht immer an den Augen ablesen“, sprach Kaien leise weiter, erfuhr hierbei ein zaghaftes Nicken. Ihre Lider bereits gesenkt haltend, löste sie sich schließlich langsam von ihm, bedankte sich erneut – wie wohl so oft in den nächsten Minuten – und gab daraufhin eine weitere Entschuldigung von sich, da sie Kaien schließlich bei seiner Arbeit gestört hatte.

Alles mit diesem zwar kleinen aber aufrichtigen Lächeln, welches sich seinetwegen auf ihren Lippen ausgebreitet hatte. Rukia drehte sich auf den Absatz um, um nun endlich wieder zurückzugehen und zumindest noch ein wenig Schlaf zu bekommen.

Man konnte allerdings anhand ihrer unsicheren Schritte erkennen, dass sie wohl überall lieber geschlafen hätte als im Anwesen der Kuchikis.

Ihr erst nachsehend, kratzte sich Kaien am Hinterkopf und seufzte schließlich. Ich kann sie jetzt wohl kaum gehen lassen. Dann stehen wir morgen wieder am Anfang…

Sich leicht räuspernd als wollte er eine wichtige Ansprache halten, hielt er seine Hand immer noch am Nacken und schaute ein wenig von Unentschlossenheit geplagt zur Seite: „Wenn du willst… das heißt, wenn du dich wohler fühlst, dann… kannst du meinetwegen auch hier schlafen. Vorausgesetzt es stört sich nicht, dass dein Vorgesetzter sich ebenso das Zimmer mit dir teilen muss. Für eine… Schlafplatzzurechtmachung ist es ja eindeutig zu spät.“
 

Tonight

Tonight
 

Verblüfft über dieses Angebot wandte sie ihren Kopf nach hinten, hatte einen leichten Rotschimmer unter den Wangen zu verzeichnen. Mit den Augen klimpernd stockte Rukia etwas der Atem. War dieses Angebot ernst gemeint?… Wenn sie Kaiens Gesichtsausdruck musterte, dann konnte sie keinerlei Anzeichen von einem Scherz erkennen, eher… ungewohnte Verlegenheit, welche sich mit Besorgnis und Ratlosigkeit ergänzte. Nicht einmal ein Lächeln zierte seine Lippen. Lediglich eine Schnute ziehend, wagte er sich schließlich sie anzusehen. Genau der Moment, in dem sich Rukia zu einer Antwort durchringen konnte. Äußerst leise, aber dennoch mit Erleichterung sprechend: „Ich… nehme das Angebot… sehr gerne an.“
 

I won't let you say goodbye

And I'll be your reason why

The last night away from me

Away from me
 

[…] Ihrem gleichmäßigen Atem lauschend, konnte Kaien beobachten, wie sich ihr Brustkorb regelmäßig hob und senkte, sie seelenruhig schlief. Schon seit mindestens einer guten halben Stunde hatte Rukia ihre Augen geschlossen und trotzdem war er immer noch wach.

So friedlich wie Rukia nun neben ihn lag, konnte man vor dieser halben Stunde noch genau das Gegenteil behaupten: Beide lieferten sich eine ellenlange Diskussion über die Frage, wer denn nun den Futon bekam und wer von ihnen auf dem Boden schliefe. Weder Rukia noch Kaien hatten den jeweils anderen nachgeben wollen, war das stärkste Argument von beiden jeweils die Gefahr auf eine Erkältung des anderen, wenn dieser den kalten Boden wählte. Schließlich hatte Kaien dem ohnehin schon müdeaussehenden Mädchen eine strafende Kopfnuss verpasst. Rukia dann unter deren Beschwerde vorschlagend, dass sie sich auch einfach einen Futon teilen könnten, wenn sie nicht wollte, dass er auf dem Boden schlief, fanden die zwei so wohl den Kompromiss der Dinge und es kehrte doch noch Ruhe ein.

Kaien hielt sich mit aufgestützten Ellbogen etwas über sie gebeugt und wachte einfach nur über ihren süßen Schlaf, den sie so sehr brauchte. Kleine Tränenspuren zeichneten sich auf ihrer Wange und in ihren Augenwinkeln ab. Behutsam strich Kaien ihr mit den Fingerspitzen die Tränen weg. Sich daraufhin etwas näher zu ihr herunter beugend zögerte er einen Moment… hauchte Rukia dann jedoch einen sanften Kuss auf die Schläfe.

„Gib nicht auf… du hast noch nicht einmal ansatzweise die beste Zeit deines Lebens gelebt…“, flüsterte er in ihr Ohr, „Ich werde bei dir sein und dich nicht allein lassen. Und erst recht nicht bewilligen… dass du von mir gehst“ Ein zartes Versprechen, welches Kaien der schlafenden Rukia gab.

Genauso wenig, wie er sie heute hatte alleine schlafen lassen wollen – würde er ihr keinen weiteren Schaden zukommen lassen… Und wenn er ihr dies jeden Tag aufs Neue ans Herz legen müsste… bis sie vollständig begriff, dass er immer an ihrer Seite war und bleiben würde…



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Kommentare zu diesem Kapitel (6)

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Von:  Hangeng
2009-04-13T11:56:48+00:00 13.04.2009 13:56
Wunderschön.
Du hast es toll geschrieben, es super rübergebracht, die Gefühle nachvollziehbar beschrieben. Man kann richtig mitfühlen, was nicht häufig der Fall ist.
Ich finde sogar das es ganz gut ist das Hisana nicht erwähnt wurde, da es denke ich nur gestört hätte. Auch ein Zeitpunkt war hierbei nicht notwendig, obwohl ich eigentlich immer danach verlange.

Es ist wirklich schön zu sehen das es immernoch Menschen gibt bei denen nicht alles so enorm OOC wird. Rukia ist wirklich toll rübergebracht, ich denke wirklich es gibt nur 2 Menschen bei denen sie sich so verhalten würde. Das sind Kaien und Ichigo.
Da du dich vo´m sonstigen Storyverlauf abhebst finde ich es auch sehr angenehm das du Kaien gewählt hast, denn würde Ichigo auch Part dieses OS's sein, wäre es schwierig geworden denke ich.

Auch Kaiens lockere und doch besorgte Art kommt wunderbar rüber finde ich. Man merkt wirklich wie er selbst mit sich kämpft was er als nächstes tun soll. Es ist denke ich nicht einfach einen Charakter IC zu beschreiben (Und teilweise aus seiner Sicht zu schreiben) wenn man lediglich einen Flashback mit Infos über seine Charakterzüge zur Verfügung hat.

Es ist dir wunderbar gelungen, und ich hoffe noch einiges von dir lesen zu dürfen.
Vielleicht ja mal wirklich über das Pairing Ichigo und Rukia? Ich denke das könnte dir sehr gut gelingen.

Liebe Grüße, und noch Frohe Ostern,
Neji
Von:  Rukia-sama
2009-01-27T18:08:08+00:00 27.01.2009 19:08
ich fand das schön ganz ehrlich^^
aber ich frage mich was wohl Bya und Co.(mal wieder-.-"") gemacht haben das es ihr "so" dreckig geht o_O
tz *kopfschüttel*
Von:  Antikku
2008-10-03T19:24:34+00:00 03.10.2008 21:24
Liebe

Aber wo ist seine Frau xDDD (also ich bin eh froh, das sie nicht erwähnt wurde, aber es interessiert mcih ahlt nur.. XD )
Ich finde das Pairing so toll!
Und dein Schreibstil und deine Ausdrucksweise sind ..respekt :D bzw mag ichs :DD
Yai~
Von: abgemeldet
2008-06-24T17:00:11+00:00 24.06.2008 19:00
ja das stimmt das is wirklich total süß und herzergreifend. ich find auch das pairing voll süß davon gibt es iwie so wenig wenn es überhaupt welche gibt^^
dein schreibstil is einfach toll, lässt sich flüssig lesen und so macht es doch auch viel mehr spaß
mach weiter so und auch i hoffe bald noch mehr von solchen ff's lesen zu dürfen
gruß sweetycherry
Von:  -ChiRo-
2008-06-24T11:13:31+00:00 24.06.2008 13:13
TheLegend, du übertreibst nicht^^" Ich liebe diese FF!
Ich kanns nicht in Worte fassen, wie sehr ich sie mag! Das Lied, das du ausgesucht hast, passt auch ganz perfekt dazu!
Mach weiter so, ich hoffe, bald noch mehr davon lesen zu dürfen ♥

Liebe Grüße
Chibi-Robin
Von: abgemeldet
2008-06-23T15:43:19+00:00 23.06.2008 17:43
Ohh das ist süß.
So richt herzergreifend.
Naja. Ich übertreib glaub ich aber
es war schön.
Mach weiter so.
lg TheLegend


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