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Buffy: Projekt 8

Die virtuelle achte Staffel
von

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Folge 16: Silence

Titel: Folge 8.16 - Silence

Autor: HopelezZ

Co-Autoren: Mel, Yamato, Stefan, Steffi, White Magic
 

Credits: Projekt 8 ist ein Projekt von www.slayerfanfic.de mit spezieller Unterstützung durch ihre Partnerseiten pj-firepower.com, buffy-online.com und slayerworld.info. Weiterhin bedankt sich das Projekt für Unterstützung bei ihren Partnerseiten slayerzone.de, virtuelleserienonline.de, entertainyou.net, sowie bei allen weiteren Partnern.
 

Disclaimer: Die virtuelle, achte Staffel baut auf das von Joss Whedon erschaffene Buffy-Universum auf. Sie wurde von Fans für Fans geschaffen, ohne dem Ziel damit Geld zu verdienen. Das Universum und seine Charaktere sind das alleinige Gedankengut von Joss Whedon, Mutant Enemy, FOX, WB und Paramount.
 


 

TEASER
 

China

– 24 Stunden zuvor

Es blieb den Einwohnern der ostchinesischen Küstenstadt keine Sekunde, um darüber nachzudenken, ob das anmutige Pferd mit dem graziösen Reiter darauf nur ein Hirngespinst waren – denn als es sich über der riesigen Flutwelle aufbäumte, die über die Stadt hereinzubrechen drohte, hatte jeder nur eines im Kopf – die Flucht.

Natürlich war ihnen allen bewusst, dass der Versuch zu entkommen zwecklos war, aber insgeheim glaubten und hofften die Einwohner dem Tsunami entfliehen zu können.
 

Wie auf Kommando des Reiters, der sein Dao-Schwert als Zeichen des Angriffs aus der hölzernen Scheide zog, brach die Flutwelle aus großer Höhe in sich zusammen, und die Fluten von Wasser begruben alles unter sich, was ihnen im Weg stand – sämtliche Häuser, andere Bauten, und schlussendlich Menschenleben...
 


 

+++
 

Cleveland, Summers Wohnung,

am Abend,

24 Stunden später

Der Mond warf karges Licht durch das offene Fenster und Dawn glaubte über die Parkplatz suchenden Autos hinweg Wind- und Wasserrauschen vom nahe gelegenen Erie-See zu hören – jedenfalls, wenn sie sich darauf konzentrierte. Und das war durchaus interessanter, als weiter zu Buffy am anderen Tischende zu blicken, die zwar mit ihr reden wollte, aber offensichtlich nicht bereit war, den ersten Schritt zu machen.
 

Im Wohnzimmer lief das Radio, doch dieses wurde von beiden gekonnt ignoriert. Beide starrten gedankenverloren vor sich hin.
 

Wahrscheinlich erwartete ihre große Schwester, dass sie den ersten Schritt machte, was auch angebracht wäre. Immerhin war es Dawn gewesen, die Buffy über Monate hinweg belogen hatte.
 

„I walk into the room

you don't have to scream I can hear you

bad trip, the needle sticks

you get your kicks from confrontation.”
 

„Buffy?“, fragte Dawn so leise, dass es erstaunlich war, dass ihre Schwester sie überhaupt hören konnte.
 

Die Angesprochene drehte ihren Kopf, sodass sie Dawn ansehen konnte. Die Traurigkeit in ihren Augen und die Verletzlichkeit waren schmerzlicher als alles, was Dawn bisher erlebt hatte, weil sie wusste, dass der Schmerz von ihr herrührte und nicht von Xander, Willow, Giles oder ihr beider Vater.
 

„Ich…wollte es dir die ganze Zeit schon sagen, aber…“ Dawn versagte die Stimme. Tränen standen ihr in den Augen und dafür schämte sie sich etwas, denn Buffy schien trotz der angespannten Lage beherrscht. Dawn wollte dieselbe Stärke an den Tag legen, aber irgendwie fiel es ihr sehr schwer, denn Buffys Blick schwankte zwischen Zorn und Verzweiflung. Vermutlich wusste Buffy nicht einmal selbst, was sie fühlen sollte.
 

„Weißt du eigentlich, in welche Gefahr du dich gebracht hast?! Vi war auch eine Jägerin, besser trainiert als du und trotzdem ist sie gestorben!“, fuhr Buffy ihre jüngere Schwester plötzlich aufgebracht an. In ihren Augen tanzten gelbe Funken.
 

Verdammt! Sie hätte wissen müssen, dass mit Dawn etwas nicht in Ordnung war. Wie lange jagte Buffy jetzt Vampire? Fast 9 Jahre? Da dachte man, dass man Erfahrung genug hatte, um solche Dinge ahnen zu können und dann so etwas! Es war ja mehr als logisch, dass Dawn eine Jägerin war. Die Mönche hatten sie schließlich aus Buffys Blut erschaffen. Wie hatten sie nur all die Jahre diese Möglichkeit nie ernsthaft in Erwägung gezogen? Ihr Blut ... eine Tatsache, die Buffy Dawn vor vier Jahren sogar selbst zu erklären versucht hatte, als diese bezweifelt hatte, mit Buffy real verwandt zu sein:
 

„Sieh nur, das ist Blut! Summers-Blut! Das ist genau wie meins!“
 

„I try to make it past

I don't wanna get into it right now

can't this family have one day

to get away from all the pain.”
 

Die Blondine stand auf und wandte sich dem Fenster zu. Dawn sollte die Tränen in ihren Augen nicht sehen, die trotz Wut hervorbrachen und eher Zeichen von Verzweiflung und Angst waren. Verzweiflung, weil sie nicht wusste, wie sie in Zukunft mit Dawn umgehen sollte. Angst, die sie im nachhinein empfand, wenn sie an all die Kämpfe dachte, die Dawn bisher erspart geblieben waren, aber jeder Zeit hätten stattfinden können. „Was habe ich falsch gemacht, Dawn? Habe ich dir das Gefühl gegeben, du könntest…“ Buffy versagte die Stimme und auch ohne sie anzusehen wusste Dawn, dass sie weinte und diese Erkenntnis trieben ihr erneut Tränen in die Augen.
 

„Ich war mir nicht sicher, wie du reagieren würdest. Ich dachte, dass du nicht gerade in Freude ausbrechen würdest, wenn du erfährst, dass ich eine Jägerin bin!“, versuchte die jüngere Summers sich zu erklären. Sie versuchte das Zittern ihrer Stimme zu verbergen.
 

„Mein Gott, natürlich bin ich nicht begeistert!“, erwiderte die ältere Jägerin nun etwas ruhiger und setzte sich wieder hin.
 

„Nicht begeistert“, traf es noch nicht einmal ansatzweise. Buffy hatte Angst und hasste dieses Gefühl mehr als die zahllosen Dämonen und Vampire, die sich hier am Höllenschlund herumtrieben. Die Chancen für Dawn, eines Tages ein normales Leben zu führen, hatten nicht so schlecht gestanden. Nun standen diese Chancen gleich Null.
 

„Du willst immer als reif und erwachsen respektiert werden, aber dieses Verhalten zeugt nicht gerade von Reife. Du hast mit deinem Schweigen nicht nur dich in Gefahr gebracht, sondern jeden anderen, der an deiner Seite nachts durch Cleveland gegangen ist – deine Freunde, diese Mara...“ Buffy runzelte die Stirn, um sich an all die Namen zu erinnern und fast befürchtete sie zu versagen, als ihr doch noch die beiden anderen einfielen: „Josh und Sam. Oder Andrew...“
 

„Ich weiß“, hauchte Dawn niedergeschlagen und ließ den Kopf hängen. „Aber ich ... konnte es dir einfach nicht sagen. Es war nie der richtige Zeitpunkt da – erst sind wir uns in Europa nahe gekommen wie noch nie, dann bist du alleine weitergereist, die Verluste in Cleveland... ich befürchtete, ich würde dich nur noch mehr beunruhigen... ich... ich wollte doch nur, dass du dir keine Sorgen um mich machst.“
 

„Und jetzt... ist irgendetwas anders?“, fragte Buffy behutsam. „Ich mache mir doch immer Sorgen um dich. Selbst wenn du keine Jägerin wärst.“
 

Ein kleines, kurzes Lächeln huschte über Dawns Gesicht.
 

“and through the night I see the light

shining from the neighbor's windows

I dream of life where I'm safe.”
 

„Du weißt, ich habe mir für dich immer ein normales Leben gewünscht, aber manchmal kann man den Lauf der Dinge nicht steuern. Wenn doch, dann stünde es in unserer Macht, vieles zu verändern, was uns nicht gefällt. Wir steuern auf einen großen Kampf zu und ich will mir, wenn es so weit ist, nicht Sorgen machen müssen, dass du getötet wirst. Lily wäre es fast gelungen.“
 

Bedrückende Stille legte sich über den Raum. Buffy kaute nachdenklich auf ihrer Unterlippe, während Dawn wieder zum Fenster hinaussah. In all dem Trubel waren sie noch gar nicht dazu gekommen, mit Giles zu reden. Sicher brauchte er jemanden, der für ihn da war. Alles lag erst knapp 48 Stunden hinter ihnen und der Schmerz in Buffys Oberarm erinnerte sie jede Minute an den Kampf gegen die Echsendämonen in der Höhle.
 

„in a home where I am not alone

some day I will lay me down

on the grass where everything is greener

it always seems so good on the other side.”
 

„Ich wünschte, ich hätte es dir früher gesagt. Vor... Willow...“, sagte Dawn mit Nachdruck und warf ihrer großen Schwester einen Seitenblick zu.
 

Buffy lächelte traurig. „Ja. Das wünschte ich auch!“
 

Sie stand auf und ging ins Wohnzimmer, um die Unterhaltung mit ihrer Schwester hinter sich zu lassen. Um ihre eigenen Gedanken zu übertönen, drehte sie die Lautstärke des Radios eine Stufe höher und folgte den Worten des Nachrichtensprechers.
 

„Ein 30 Meter hoher Tsunami brach gestern Nacht über die Küstenstadt Lianyungang im Osten von China herein. Derzeit kämpfen hochqualifizierte Ärzte um die Leben der wenigen Überlebenden. Schon seit mehreren Jahren wurde das Land nicht mehr von einer solch verheerenden Katastrophe heimgesucht.
 

++++
 

Nordafrika

– vor 24 Stunden

Der abendliche Himmel über dem kleinen Dorf verdüsterte sich von einer Sekunde zur anderen. Passanten, die zu der heißen Abendszeit unterwegs waren, blickten misstrauisch nach oben und rechneten mit einer schlimmen Regenflut, die in dieser Jahreszeit zwar ungewöhnlich, aber nicht wirklich unausgeschlossen war. Man beeilte sich einfach, ein wenig schneller nach Hause zu kommen oder seine Besorgungen zu machen.
 

Ein Schatten glitt über die Dächer der Häuser, unbemerkt von den Einheimischen, die in Angst vor Regen und durchnässten Kleidern kopflos umhereilten und ihren Blick nicht mehr nach oben richteten. Ansonsten hätten sie beim Anblick des gewaltigen Rosses vor Schreck jeden Gedanken an Regen und Unwetter vergessen. Der dunkelhäutige Reiter zog gebieterisch am Zügel und das Tier stieg auf, um hinter der Front dunkler Wolken zu verschwinden. Kurz bevor sie in die Wolken eintauchten, zog der Reiter mit der Schamanenmaske auf dem Kopf ein gewaltiges afrikanisches Schwert aus Elfenbein aus einer Scheide, die er quer über den Rücken trug, und zeigte damit hinunter auf das Dorf.
 

Ein greller Blitz schoss aus der Spitze der Waffe und schlug unaufhaltsam in das alte, baufällige Haus unter ihnen ein. Ein ohrenbetäubender Knall war zu hören und kurz darauf züngelten Flammen aus den offenen Fenstern des Hauses. Diese griffen schnell auf das nächste Haus über und es dauerte nicht lange, bis der Feueralarm über die Dächer hinweg hallte...
 

++++
 

Cleveland, Ratsgebäude,

am Abend,

24 Stunden später

Giles’ Blick war starr auf das Doppelbett in seinem Schlafzimmer gerichtet. In seinem Kopf herrschte einmal mehr die merkwürdige Leere, die er empfand, als Buffy ihn über das Telefon von Lilys Verrat informiert hatte.
 

Wie in Trance griff er nach dem zweiten Kopfkissen und verstaute es im Kleiderschrank, ehe er die große Decke gegen eine schmalere eintauschte und mit traurigem Blick erneut auf das Bett hinunter starrte, das ihn seit Lilys Enttarnung Nacht für Nacht alleine empfing. Er hatte sich erstaunlich schnell an die Zweisamkeit gewöhnt gehabt.

Schließlich riss sich Giles vom Anblick des verwaisten Bettes los und verließ das Zimmer. Es gab noch weit aus unangenehmere Dinge zu beseitigen, die ihn an Lily erinnerten. Auf dem Flur wurden ihm die letzten Takte von Norah Jones aus dem Wohnzimmer entgegengetragen, wo die Stereoanlage lief:
 

„He was only your fool for a while

Now he’s gone back home

And left you wandering there

Is it lonely

Lonely

Lonely”
 

Er ging weiter, um die leeren Kartons zu holen, die er auf den Couchtisch abgestellt hatte und wollte nicht unbedingt daran denken müssen, dass Lily tatsächlich nur mit ihm gespielt und er sich damit zum Idioten gemacht hatte, Pläne für ihre Zukunft im Kopf zu entwerfen.
 

Etwas unschlüssig stand Giles mit den Kartons in der rechten Hand für einen Moment da, rieb sich den Nacken und blickte zwischen der Bade- und Gästezimmertür hin und her, als im Radio zur Werbung übergeblendet wurde. Er entschloss sich schließlich für das Gästezimmer und drehte den Türknauf herum, um einzutreten. Sofort schlug ihm der leichte, süße Duft von Lily entgegen und es fiel ihm ungemein schwer, vollends über die Schwelle zu treten. Er ließ seinen Blick über die Koffer in der Ecke hinter dem Bücherregal schweifen, die ordentlich aufgeräumt nicht den leisesten Verdacht auf ein baldiges Aufbrechen von Lily aufkommen ließen. Notizen, Kopien und Bücher stapelten sich auf dem kleinen Schreibtisch am Fenster.
 

Mit einem schweren Seufzer verließ er seinen Platz an der Tür und ging durch das kleine Zimmer, um an den Tisch heranzutreten, wo er damit anfing, wahllos Bücher durchzusehen, ehe er sie nach wichtig und unwichtig zu sortieren begann, wobei die unwichtigen in die Kartons wanderten. Sein Gesicht verriet nicht im leisesten seine Gefühle, während er Lilys Sachen durchging. Obwohl in seinem Innersten die widersprüchlichsten Gefühle tobten und über allem die Frage stand, ob Lily ihre Liebe ihm gegenüber wirklich nur gespielt hatte, oder ob es am Ende doch mehr gewesen war, hatte er sich erstaunlich gut im Griff. Erst als er einen kleinen Kodex vom Tisch nahm und sein Blick auf die Notiz darunter fiel, veränderte sich seine Miene. Er runzelte die Stirn, rückte seine Brille zurecht und zu seinem Erstaunen mischte sich auch Erkenntnis, als er sich die Skizze einer Maske genauer ansah, die dem Objekt, das Faith und Willow in der Fabrik gefunden hatten, nicht ungleich war.
 

Er legte achtlos das Buch zur Seite und nahm die Unterlage auf. Rasch überflog Giles die Notizen, die Lily in ihrer schnörkellosen, strengen Handschrift daneben geschrieben hatte, und beschloss, diese den anderen unbedingt zu zeigen. Es fügte ein fehlendes Teil in ihr Puzzle ein und erklärte die Verbindung zwischen Lily und Samielle. Und was viel schlimmer war – es würde auch den Mord an Vi erklären. Mit verhärtetem Gesichtsausdruck trug Giles die Kartons weiter ins Badezimmer, als im Radio die Nachrichten über steigende Haushaltskosten, neue Überfälle auf US-Soldaten im Irak und mögliche Orkanstürme im Landesinneren berichteten und schließlich zu internationalen Meldungen übergingen:
 

"Es wird ausgeschlossen, dass die gestrige Überschwemmung etwas mit dem unerklärlichen Brand in einem kleinen Dorf Nordafrikas zu tun hat, wo ein ungeklärtes, verheerendes Feuer auf Grund eines gewaltigen Blitzeinschlages Tod und Zerstörung brachte. Ebenso wird nicht angenommen, dass ein unerwarteter Eissturm auf Island..."
 

Die Welt schien einmal mehr verrückt zu spielen und mit seiner eigenen, kleinen Katastrophe beschäftigt konzentrierte sich Giles mehr darauf, Lilys Badeutensilien mit gequältem Gesicht in die Kartons zu befördern, als neuen Naturkatastrophen seine Aufmerksamkeit zu schenken.
 

++++
 

Island

– vor 24 Stunden

Natürlich war es selten, wenn in den späten Frühlingsmonaten die Temperaturen auf über 11 °C stiegen, aber es durfte doch auf ein Wunder gehofft werden. Dieses Jahr sah es so aus, als hätte sich der Golfstrom etwas anderes vorgenommen. Von Alt bis Jung, jeder freute sich, einmal eine Ausnahme zu erleben.
 

Doch zur Enttäuschung der Inselbevölkerung waren bereits am frühen Nachmittag dieses Tages vereinzelte, schwarze Regenwolken hoch am Himmel zu erkennen.
 

Als es wenige Minuten später zu regnen begann, kümmerte sich niemand darum, dass auch die eine oder andere Schneeflocke zu erhaschen war. So war der Frühling auf Island einfach – unberechenbar.
 

Am Gipfel des Hekla, dem Tor zur Hölle, stand er – der kolossale Reiter auf seinem Ross, von Leder und Fellen gegen den eisigen Wind geschützt, gekrönt von einem gewaltigen Wikinger-Helm. Sein Pferd bäumte sich auf, und streckte sich dem Himmel entgegen.
 

Der Reiter ließ sich Zeit damit, das schwere Schwert zu erheben, um so den Wolken ein Stück näher zu sein. In Sekundenschnelle kristallisierte sein Schwert, und zeigte winzige Eissterne auf der sonst so blitzblanken Schneide.
 

Er schwang die Waffe durch die Luft, wodurch immer mehr Schneeflocken zu Boden zu fallen schienen, die Kälte nahm zu und der eisige Wind jagte über die Berge, durch Dörfer, Städte und Fischerortschaften. Niemand glaubte mehr an einen harmlosen Frühlingsscherz des Wetters.
 

Das eisige Schwert leuchtete bläulich, als sich langsam eine millimeterdünne Eisspur von der Spitze aus in den Himmel streckte. Als der letzte Regentropfen zu Eis und Schnee kristallisiert war, schob er seine Klinge zufrieden in die Scheide und beobachtete vom höchsten Punkt des Vulkans das aufgebrachte und hektische Treiben im Dorf unter seinen Füssen.
 

Was die Inselbewohner noch nicht ahnen konnten war, dass schon in wenigen Sekunden mehr Schneeflocken als je zuvor dieses Dorf vereisen lassen und der tiefste Winter über sie hereinbrechen würde...
 

++++

Cleveland, Willows Zimmer,

am Abend,

24 Stunden später

Das Klacken der Tastatur war durch die Musik zu hören, die die Boxen von Willows Laptop in den Raum warfen. Der Sender des Webradios spielte seit Tagen nur die selben Lieder, aber die Hüterin war zu faul, sich eine andere Adresse zu suchen. Die angenehme Stimme des Radiosprechers war der einzige Pluspunkt. Langsam wuchsen ihre Kopfschmerzen an. Ob es sinnvoll war, jede einzelne Suchmaschine nach neuen Erkenntnissen über die Reiter des Todes zu untersuchen? Wahrscheinlich nicht. So lange Giles nicht die Übersetzung des Buches hatte, würden alle Versuche ins Leere gehen.
 

„...weder China, Nordafrika noch Island wurden verschont. Wir können nur hoffen, dass wir den Schneesturm auf Island als letzte Katastrophe in kürzeren Abständen bezeichnen können.“
 

Willow horchte auf. Was hatte der Radiosprecher soeben erzählt? Naturkatastrophen auf den verschiedensten Kontinenten? Einerseits war sie überrascht, dass dieser Sender so etwas wie richtige Nachrichten überhaupt brachte, und andererseits, dass der Kontinent Amerika keine Katastrophe erlebt hatte. Insgeheim fühlte sie sich in ihrer Theorie bestätigt. Wenn sie sich ein paar Tage zurückerinnerte, wurde ihr klar, dass sie Amerika bereits als möglichen Herkunftsort des vierten und letzten Reiters gekennzeichnet hatte. Also war Dawns Traum doch ausschlaggebend gewesen. Oder aber sie begann langsam wie Giles in alles irgendetwas hineinzuinterpretieren. Vielleicht steckte überhaupt nichts dahinter.
 

Schließlich gab sie die Suche auf, fuhr ihren Laptop herunter, und packte ihn zusammen mit ihren Notizen in den nächstbesten Rucksack. Sie hatte Kennedy versprochen, sie heute zu besuchen. Vielleicht konnte ihre Freundin sie ja bei ihren Überlegungen weiterbringen, außerdem könnte sie selbst als Hüterin wohl leider keine Naturkatastrophe verhindern.
 

++++
 

Cleveland, Cuyahoga River,

am selben Abend

Ein paar einzelne Boote lagen friedlich am Steg des Cuyahoga River, während durch den leichten Nebel die Röte des Horizontes deutlich wurde. Auf der einen Seite des Flusses hatten bereits die hiesigen Restaurants ihre Terrassen zum Ufer hin geöffnet. Einige Lampen beleuchteten das alte Kraftwerk, sowie die große Brücke, die über den Cuyahoga River gebaut wurde.
 

Die Sonne ging langsam unter und ein paar leise Schritte waren auf der leicht verrosteten Brücke zu hören.
 

Plötzlich durchbrach ein einzelner, gequälter Schrei die Atmosphäre. Er übertönte sogar den Krach, den das Geländer verursachte, als es in den Fluss stürzte. Ein zweiter Schrei folgte, der eindeutig einem Kind gehörte – ein Junge, der versuchte, sich über Wasser zu halten.
 

Der Duft von frisch gewachsenem Gras und der feuchte Boden ließen vermuten, dass es die vorherigen Stunden noch stark geregnet hatte. Doch jetzt nieselte es. Die Höhe des Flusses war angestiegen und die Strömung riss die Boote fast mit.
 

Im nächsten Augenblick, bevor der Junge seine Kraft verlor und sich nicht mehr am Leben halten konnte, bereits mehrmals mit dem Kopf unter die Strömung geriet, packte ihn etwas am Kragen und zog ihn heraus.
 

Atemlos kniete der durchnässte Knabe am Boden und spuckte Wasser. Der kalte Wind ließ ihn nur noch mehr zittern. Sein Blick wanderte ein paar Meter nach vorne, wo er die Füße seines Retters sah. Nachdem ein paar Sekunden vergangen waren, in denen der Junge sich beruhigt hatte, versuchte er sich wackelnd aufzurichten. Das einzige Geräusch, das den Abend durchbrach, war das fließende Gewässer und das Zirpen einer einzelnen Grille, die dem hässlichen Wetter trotzte. Als sein dankbarer Blick seinen Gegenüber fixierte, blieb der Junge geschockt stehen, die Augen weit aufgerissen, der Mund zu einem stummen Schrei geöffnet...
 

Mit einem Grinsen packte die dunkle Gestalt den schwarzhaarigen Jungen mit einer Hand am Hals. Mit der letzten Kraft die der Knabe besaß, schrie er um sein Leben, doch langsam verstummte seine Stimme - aus Furcht, weil er gerade erkannt hatte, dass sein Retter grell leuchtende Augen sowie spitze und verfaulte Zähne besaß. Sein dunkelbrauner und mit Narben besetzter Körper war nur noch als Kontrast in der hereinbrechenden Nacht zu erkennen. Langsam gaben die Stimmbänder des Jungen ihre Funktion auf und durch die Dunkelheit, die über Cleveland hereingebrochen war, konnte der Dämon den kristallisierten Atem des Jungen sehen, der ihn mit Panik in den Augen ansah.
 

Das Opfer des Dämons hörte auf zu atmen und die grinsende Gestalt sog den weißen Nebel des Jungen auf. Mit einem zufriedenen Lächeln schmiss er den leblosen Körper des Knaben wieder in den Cuyahoga River. Der Regen wurde zunehmend stärker und die Augen des Dämons leuchteten heller, als die Glühbirnen vor dem veralteten Kraftwerk.
 

Opening Credits
 

AKT1
 

Irgendwo –

Irgendwann

Langsam traten ihre Füße über den Kieselboden, an den sie sich in den letzten Wochen schon so gewöhnt hatte, vorbei an den Grabsteinen anderer Menschen, die entweder zu jung, zu früh oder überraschend gestorben waren.
 

Es dämmerte noch und dünne Nebelschwaden zogen über den Gräbern hinweg, als sie überraschenderweise die Umrisse einer Gestalt vor dem Grab ihrer Freundin sah. Wer das wohl war? Irgendwie kam ihr die Gestalt bekannt vor.
 

Von einem Augenblick auf den anderen wurde sie plötzlich von rechts am Arm gepackt und hinter einen der uralten Eichenbäume gezogen.
 

„Eve?“ Geschockt aber kampfbereit starrte Faith die junge Frau an, die ihr aus Silent Hill so bekannt war.
 

“Scccchhh!“, zischte diese, nickte mit dem Kopf zu der Gestalt beim Grab und trat einen Schritt von Faith zurück.
 

„Was willst du von mir?“, fauchte Faith verwirrt. Was war das hier? DAS war nicht Xanders kleine Büroschlampe, das war IHRE Eve aus Silent Hill. Ein Blick in die verrückten Augen reichten Faith, um das zu wissen.
 

„Beruhig dich, Glückskind!“, antwortete die blonde, mysteriöse Frau und lächelte Faith verschmitzt an. „Wir haben keine Zeit für einen deiner hysterischen Anfälle. Diese Chance hast du nur einmal.“
 

Faith sparte sich die Antwort und sah Eve nur verwirrt an. Sie verstand das ganze Szenario nicht. Hatten ihr die Magier nicht gesagt, dass diese EVE in Wahrheit nicht existierte? Was machte sie dann hier?
 

„Da vorne steht deine Nemesis. Sie hat Vi dorthin gebracht, wo sie jetzt liegt. Viel Spaß“, flüsterte Eve, zwinkerte der verwirrten Jägerin noch einmal zu, und verschwand im Dunkeln, zwischen den Bäumen
 

Ohne eine weitere Sekunde zu warten trat Faith wieder hinter der alten Eiche und ging langsam auf die unbekannte Gestalt zu. Der Kiesel knirschte unter ihren Schritten, bevor sie ruhig neben der Person zum stehen kam. Langsam hob sie ihren Blick und erkannte die Mörderin ihrer Freundin.
 

„Usher?“, flüsterte Faith und sah die Wächterin halb geschockt und halb verärgert an. Diese Frau hatte also Vi getötet. Diese verrückte Wächterin hatte Vi einfach so erschossen?!
 

„Lauf! LOS!“, schrie Faith noch bevor Lily den Mund öffnen konnte.
 

Kein Funke von Angst spiegelte sich im Gesicht der Wächterin wieder, als sie sich zu Faith drehte, und sie anlächelte.
 

„Faith? Willst du mich für etwas strafen, was du selbst getan hast? Der, der ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein.“ Sie lächelte und drehte sich um. „Ich habe Vi nur vor einem erbärmlichen Leben bewah...“, doch Lily konnte den Satz nicht beenden.
 

Faith sprang die Wächterin von hinten an, riss sie herum und knallte ihr die Faust ins Gesicht, sodass sie erschrocken zu Boden fiel.
 

Lily kroch auf allen Vieren nach hinten, bis sie spürte, wie sie mit ihrem Rücken an einen weiteren Grabstein stieß. Wie ein Riese stand die dunkelhaarige Jägerin über ihr.

„Faith... warte. Du willst doch nicht noch einen Menschen töten“, flüsterte Lily und suchte verzweifelt nach einem Ausweg.
 

Die Jägerin holte mit ihrem rechten Fuß aus, traf allerdings nur den harten Grabstein. Lily hatte sich nur Sekunden davor weg gedreht, aufgerappelt und lief nun in die Richtung los, in der sie ein Tor vermutete, das sie von diesem Friedhof wegbrachte.
 

Faith zog ihr Messer aus der Jackentasche, umfasste den Griff und begann die Wächterin zu verfolgen.
 

Schnaufend lief Lily um die nächste Ecke, als sie spürte, wie ihr eigenes Blut aus ihrer Nase über ihr Gesicht lief und schlussendlich von ihrem Kinn tropfte. Schweiß bildete sich auf ihrer Stirn und sie hatte das Gefühl, als würde ihr Gesicht langsam von ihrem Schädel laufen.
 

Schnaufend wich sie einem umgefallenen, alten Eimer aus, stolperte über eine Wurzel und schaffte es nur mit letzter Mühe, sich auf den Beinen zu halten, als sie endlich einen Ausgang erreichte.
 

“Nicht so schnell!“, hörte sie auf einmal Faith, die sie irgendwie überholt hatte und nun einige Meter vor ihr auf dem Weg stand. Sie hielt etwas Glänzendes in der Hand.
 

„Nein... Faith... nicht... ich kann es dir... erklären...“, schnaufte die Wächterin, als sie erneut von der dunkelhaarigen Frau gepackt wurde.
 

„Von Ihnen brauche ich keine Erklärungen mehr!“, fauchte Faith und funkelte Lily böse an.
 

Geschockt trafen sich ihre Augen, als die Jägerin zustach und das Messer wie in Butter in den Bauch der Wächterin glitt. Faith ließ Lily los, die mit ihren Händen zu der Wunde tastete, aus der Blut quoll. Geschockt starrte sie die Jägerin an, während sie langsam, unsicher rückwärts stolperte.
 

Wie in Zeitlupe umfasste Lily den Griff des Messers und plötzlich wanderte ein Lächeln auf ihr Gesicht.
 

„So bekommst du mich nicht, du dreckige Jägerin!“, würgte Lily hervor, schloss die Augen und zog sich mit einem Ruck das Messer aus der Wunde. Triumphierend starrte Lily die Waffe an, lachte und warf es daraufhin in die Büsche. Ohne weiter auf Faith zu achten, drehte sie sich um und stolperte in die Nebelschwaden.
 

„Gut gemacht“, sagte Eve ironisch, als sie neben die Jägerin trat und ebenfalls Lily nachblickte.
 

„Ach halt die Klappe!“, antwortete Faith und wollte schon loslaufen, als sie Eves Hand wieder auf ihrer spürte.
 

„Hier, ein kleines Geschenk von mir...“ Eve streckte die Hand aus und reichte Faith eine Armbrust.
 

„Hast du heute deinen fürsorglichen Tag, oder was?“, antwortete Faith, wartete jedoch nicht auf eine Reaktion, sondern riss Eve die Waffe förmlich aus der Hand, legte an, zielte und schoss.
 

Laut zischte der Pfeil durch die Luft, bevor er sich gefolgt von einem lauten Schrei in das Herz der Wächterin bohrte.
 

Eve lachte und begann zu klatschen, als sie langsam auf Lilys Leiche zuging.
 

“Guter Schuss, Jägerin!“, sagte sie lachend, als Faith schwarz vor Augen wurde und sie...
 

... plötzlich die Augen aufriss. Sie schnaufte viel zu schnell, als sie aus dem Bett hochfuhr und dabei die Decke zur Seite trat. Schweißperlen standen auf ihrer Stirn.
 

Eine Hand legte sich auf ihre Schultern, doch sie schüttelte diese sofort wieder ab.
 

„Faith, was ist los?“
 

Langsam drehte sie sich zu Robin um. Nicht in der Lage, einen Ton zu sagen, starrte sie ihn nur geschockt an.
 

++++
 

Cleveland,

Kennedys Schlafzimmer,

früher Morgen

„Mmmh...?“ Kennedy drehte sich um und versuchte die verdrehte Decke von ihrem Körper zu werfen. In den letzten Tagen wurde es immer wärmer, und zwar schon um diese Uhrzeit.
 

„Was ist das für ein ohrenbetäubender Lärm?“, murmelte die Jägerin, als sie langsam ihre Augen aufmachte. Sie tastete mit einer Hand nach Willow, doch sie war nicht da. Leider hatte sie anscheinend etwas Besseres zu tun, als am Morgen mit ihr zu kuscheln. Irgendwie war sie enttäuscht, aber ihre Freundin musste – wie immer in letzter Zeit – sämtliche Bücher studieren.
 

‚Ring – Ring...’
 

Ach so... das Telefon... sie musste irgendwann den Klingelton ihres Telefons umstellen. So früh am Morgen waren Kopfschmerzen nicht besonders gut.
 

Nur noch ein paar mal. Dann würde es endlich aufhören, der Anrufbeantworter würde das Band abspielen und sie konnte wieder in die Welt der Träume eintauchen.
 

Als ein Klicken zu hören war, warf sie sich zurück ins Bett, und machte zufrieden die Augen zu.
 

„Hallo, hier ist der Anrufbeantworter von Kennedy Richards. Bitte hinterlassen sie eine Nachricht nach dem Piepton.“
 

Wenn sie sowieso den Klingelton änderte, konnte sie doch auch einmal mit Willow zusammen ein spannenderes Band besprechen.
 

„Hallo, meine Tochter.“ Eine tiefe, leicht reservierte Stimme sprach aufs Band.
 

War das etwa... oh Gott... ihr Vater? „Verdammt!“, stöhnte Kennedy und bekam dieses Mal tatsächlich Kopfschmerzen. Der Tag hätte so schön werden können.
 

Die Jägerin sprang aus dem Bett und hechtete zum Telefon. Im nächsten Moment drückte sie es sofort an ihr Ohr.
 

„Morgen, Dad!“, entgegnete Kennedy, sichtlich geschockt über den Anruf. „Wie kommt es, dass du einfach so unter der Woche anrufst? Hast du meine Kontonummer verloren?“, scherzte sie.
 

„Darf dein Vater dich nicht einmal anrufen, ohne dass irgendetwas Finanzielles besprochen werden muss?“
 

„Doch, schon... aber worüber willst du dann mit mir reden?“ Er hatte schon seit Ewigkeiten nicht mehr angerufen. Wenn sie genau darüber nachdachte, hatte sie sich wohl genauso lange nicht mehr bei ihnen gemeldet. Und so schlimm war das nicht einmal...
 

„Es geht um etwas Berufliches.“
 

„Also doch etwas Finanzielles?“, entgegnete Kennedy verwirrt.
 

„Nein, nein. Ich habe von meiner Firma aus etwas in der näheren Umgebung von Cleveland zu tun. Also haben deine Mutter und ich beschlossen, schon etwas eher loszufliegen, um noch etwas Zeit für einen Besuch bei dir zu haben. Außerdem wollen wir uns vergewissern, dass unser schwer verdientes Geld gut angelegt ist“, antwortete ihr Vater ruhig.
 

Kennedy blieben ihre Worte im Mund stecken. Ihre Eltern, hier? Das konnte doch nur in einer Katastrophe enden.
 

„Kennedy?“, fragte ihr Vater, als die Jägerin für ein paar Sekunden verstummte.
 

„Ja?“ Er riss sie aus ihren Gedanken.
 

„Du antwortest schon wieder nicht. Was ist los?“
 

„Ich...“ Kennedys Blick wanderte durch ihr Zimmer und blieb auf dem Bett ruhen.
 

Plötzlich legte sich eine Hand auf ihre Schulter. Sie zuckte zusammen.
 

„Wah... verdammt, erschreck mich doch nicht so!“, entgegnete Kennedy etwas lauter, als Willow nichts ahnend hinter ihr stand.
 

„Ist da noch jemand?“, fragte ihr Vater etwas gereizt.
 

„Ähm... nein... ja eh...“ Irgendwie verwirrte sie die ganze Situation. „Tut mir leid... es ist nur... ich bin gerade eben erst aufgewacht... ich lag noch im Bett und musste erst einmal richtig wach werden“, antwortete sie schnell, um abzulenken.
 

„Im Bett? Mit wem? Willst du ihn uns nicht vorstellen?“
 

„Ihn?“, dachte sie und starrte Willow mit offenem Mund an. Am besten wäre sie einfach im Bett liegen geblieben. Oder noch besser – sie hätte das Wochenende bei Willow schlafen können und wäre rein zufällig nicht zu Hause gewesen.
 

„Ach... ähm, von wem redest du?“ Kennedy versuchte nichts ahnend zu klingen.
 

„Von demjenigen, der dich vom Telefon ablenkt. Ich kenne doch meine Tochter. Du wolltest schon früher jeden vor uns verstecken. Wer ist es?“
 

Kennedys Augen wanderten von Willow zur Kommode. Dort lag die gestrige Tageszeitung. Darauf prangte das Bild eines mit Ruß verschmierten Feuerwehrmanns, der gerade eine Familie aus einem brennenden Haus gerettet hatte. Darunter war ein blonder, junger Mann im weißen Arztkittel zu sehen...
 

„Blond“, antwortete Kennedy in Gedanken versunken. Wie sollte sie das alles gerade biegen? Aber diese Lüge war immerhin noch besser, als den beiden erklären zu müssen, dass sie sich eher für das gleiche Geschlecht interessierte und Männer einfach nicht so anziehend fand. Sie hatten ihr eigenes, engstirniges Weltbild und sahen schon bei dem kleinsten Ausrutscher rot.
 

„Du hattest es noch nie mit guten Beschreibungen. Am besten stellst du ihn uns einfach am Wochenende vor.“
 

„Welches Wochenende?“, entgegnete Kennedy schon fast in Panik.
 

„Dieses“, antwortete ihr Vater gelassen und verabschiedete sich. „Deine Adresse haben wir ja!“
 

Ohne auf ihre Antwort zu warten, legte er den Hörer auf.
 

„Wer war das?“, fragte Willow unwissend, als ihre Freundin das Telefon absetzte.
 

„Mein Vater. Und ich glaube, ‚wir’ bekommen in zwei Tagen Besuch von meinen Eltern. Ich habe nur keine Ahnung, wie ich dich in einen blonden Mann umwandeln soll, und ich glaube auch nicht, dass ich irgendeinen kenne, der so aussieht.“
 

Willow grinste. „Da hast du dich ja in was Schönes reingeritten. Hast du deinen Eltern denn nie erzählt, dass du eine liebenswerte Freundin hast?“ Willow zwinkerte ihr zu.
 

„Nein, irgendwie nicht.“ Kennedy suchte nach den richtigen Worten.
 

„Hm...hast du tatsächlich Angst davor? So kenne ich dich gar nicht. Wer bist du und was hast du mit Kennedy gemacht?“ Willow verkniff sich ein Lächeln. Anscheinend war das ganze doch nicht so witzig. Sie hatte eigentlich noch nie viel mit Kennedy über deren Familie gesprochen.
 

„Ich glaube, du verstehst das nicht. Es geht nicht um dieses ‚Ich habe Angst davor, meinen Eltern zu sagen, dass ich lesbisch bin’. Es geht um etwas anderes.“
 

„Und worum?“, antwortete Willow misstrauisch.
 

„Geld“, sagte Kennedy knapp. Sie hatte keine Angst davor, die Liebe ihrer Eltern zu verlieren. Eigentlich hatte sie diese nie richtig gespürt, sondern stattdessen nur erkaufte Zuneigung erfahren. Eine Entschuldigung, dass sie nie da waren, wenn Kennedy sie brauchte, würde auch nichts mehr bringen. Es war schon so lange her und schließlich hatte sie sich mit Geld abgefunden.
 

„Das... kann doch nicht dein Ernst sein?“, sagte Willow.
 

„Die Arbeitswelt ist einfach nicht für mich geschaffen. Ich glaube, das wäre eine Bestrafung für uns alle. Aber ich denke, ich habe gerade ein anderes Problem. Woher zum Teufel soll ich einen blonden Typen herbekommen? Wie wär’s, wenn wir Xander zum Friseur schleifen?“ Ein siegesgewisses Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit.
 

„Es wäre mal was neues, aber ich glaube nicht, dass Xander damit einverstanden wäre... Xander... Xander...“ Willow dachte nach. „Auch wenn mir die Idee gerade auch nicht gut gefällt, dich mit ihm ‚teilen’ zu müssen, aber wie wäre es mit Andrew? Er ist blond!“
 

„Andrew?“, fragte Kennedy fast sarkastisch.
 

„Andrew!“
 

„Spinnst du? Ich glaube, er würde vom geistigen Stand aus eher als mein Sohn durchgehen! Die Idee ist absurd. Da steck’ ich dir ja noch lieber eine Socke in die Unterwäsche.“, antwortete Kennedy mit hochgezogener Augenbraue.
 

„Aber gar nicht so abwegig. Immerhin ist er blond und wenn er sich ein bisschen anstrengt... vielleicht lässt er sich ja mit ein paar Comics gerade biegen.“
 

„Besser als niemand“, entgegnete die Jägerin. Sonst war einfach niemand in Aussicht und einen Wildfremden als ihren Freund auszugeben, wäre auch nicht gerade schmackhaft.
 

„Ich glaube, ich mache mich gleich mal auf den Weg. Kommst du mit?“
 

„Nein, ich hab’ wohl noch eine Verabredung mit meinen Notizen“, antwortete die Hüterin genervt.
 

++++
 

Cleveland,

Xanders Schlafzimmer

– selbe Zeit

Xander drehte sich mehrmals im Bett. Heute Nacht war es anscheinend überdurchschnittlich heiß gewesen, denn einige Schweißperlen bildeten sich auf seiner Stirn. Er hatte bereits seine blaue Bettdecke auf den Boden geworfen und lag nun nur noch mit Boxershorts da. Doch ohne spürbaren Effekt. Als sein Blick auf den Wecker fiel, erkannte er, dass es bereits sechs Uhr war.
 

Xander hatte sich gestern kurzfristig frei genommen, um ein langes Wochenende mit seinem neuen Auftrag verbringen zu können. Allerdings sah es an diesem Morgen nicht so aus, als würde ihm dieser das Frühstück ans Bett bringen.
 

Frustriert drehte er sich auf den Rücken und sah zu seinen Vorhängen. Er hatte sich Gott sei Dank nicht überreden lassen, hier irgendwelche Motive von Superhelden oder Dinosauriern auszusuchen, sondern ein schlichtes Weiß gewählt.
 

Da die Wohnung auf der Sonnenseite des Hauses lag, warf die aufgehende Sonne schon ein paar Lichtstrahlen durch das Fenster. Xander blinzelte. Es brannte in seinem Auge. Genauso wie dieses unangenehme Brennen vor etwa zwei Wochen, das ihn 150 Dollar gekostet hatte.
 

--
 

„Aber Clem braucht die Erinnerungen, ich kann sie auch bezahlen!" --- die magisch anziehende Holzschachtel --- "Ich mache dir ein Angebot.“ --- "Ok, ich nehme sie!" --- Larr, Xander die Augen zuschiebend
 

--
 

Xander zuckte zusammen. Hätte er dieses Angebot doch nie angenommen, aber immerhin war es für einen guten Zweck gewesen. Der Schweiß in seinem Gesicht rann langsam weiter hinunter. Das Wegwischen nützte nichts, also vergrub er sein Gesicht wieder im Kopfkissen.
 

--
 

Ein beißender Schmerz durchzuckte seinen Kopf. --- der Wasserhahn, das Waschbecken, die Handtuchständer --- "Xander? Brauchst du noch lang da drinnen?" --- "Nein, alles in..."
 

--
 

Willow hatte Recht gehabt. Dieses Auge wäre fast sein Verhängnis gewesen. Er hätte es nie einsetzen dürfen. Doch wenn er genauer darüber nachdachte...
 

--
 

Willow und Dawn im Ratsgebäude --- „Es geht nicht darum. Zudem ist er selbst schuld.“ --- „Du hast es gewusst?“ --- Dawns ernstes Gesicht ---„Tust du mir einen Gefallen?“
 

--
 

Er erinnerte sich wieder an das Gespräch, das er mit Willow über sein Auge geführt hatte. Durch sein magisches Auge hatte er noch mehr herausgefunden – vielleicht auch zu seinem bedauern. Sie hatten es lange geheimgehalten, dass in Dawn eine Jägerin steckte. Vielleicht sogar zu lang. Trotzdem verstand er Dawns Wunsch und auch ihre Reaktion an diesem Tag, als Willow nicht sehr diplomatisch in Anwesenheit der anderen, vor allem von Buffy, darüber zu sprechen anfing.
 

Xander beschloss, sich ein Glas Wasser zu holen. Seine Boxershorts klebten regelrecht an ihm.

Als er durch das dunkle Wohnzimmer stolperte, erinnerte er sich an Andrew, der beim Aufstehen gerne den Fernseher laufen ließ, um vor der Arbeit noch ein paar Cartoons vom Vortag zu sehen. Doch diesmal war der Fernseher aus.
 

--
 

“Wirklich tolle Ausrede, Andrew!“ --- Xander taumelt zurück --- “Dann stimmt es also nicht, dass du hinter unserem Rücken gemeinsame Sache mit diesem... diesem psychopathischen Frauenmörder machst?“ --- Xander höhnisch lachend --- „Freundschaft?“ --- “Ich lebe in der Realität. Ich bin real, Warren ist real.“
 

--
 

Nein, das Letzte was er wollte war, an Andrew zu denken. Als er den Küchenschrank aufmachte, fiel sein Blick auf die japanische Cornflakes-Schüssel, die sein ehemaliger Mitbewohner ihm geschenkt hatte. Wie von selbst ergriff er diese anstatt des Glases und musterte sie. Ein kleiner Manga-Luke-Skywalker sah ihn an, doch seine Haare entwickelten sich bald zu Andrews. Genauso wie seine Augen und sein Gesicht, das ihn angrinste. In seiner Hand hielt er eine Con-Eintrittskarte.
 

Dann fing Xanders Hand zu zittern an. Er erinnerte sich an den Geruch in der Wohnung, der einfach so verschwunden war. Der leichte Duft von alten Comics und Süßigkeiten. Und diversen Deos...
 

„Nein, nie wieder“, flüsterte er und ließ wie in Trance die Schüssel fallen.
 

Dieses verdammte klirrende Geräusch erinnerte ihn an das Fallen rostiger Nägel...
 

Xander wollte sich nicht weiter darauf konzentrieren. Er trank einige Schlücke unter dem laufenden Wasserhahn und ging langsam in sein Zimmer zurück.
 

Wo war er stehen geblieben? Sein Blick fiel auf ein altes Foto über der Pinnwand seines Schreibtisches. Willow, Buffy und er selbst grinsten um die Wette.
 

--
 

„Was ist los Buffy?“ --- „Ich glaube, du tust ihm unrecht.“ --- „Ich finde es auf jeden Fall sehr merkwürdig.“ --- „Ein kleiner... winzigkleiner... du könntest ein Auge auf Lily und Giles werfen.“ --- „Bist du verrückt, Buffy?“ --- „Dann sorgen wir dafür, dass er es nicht herausfinden wird.“
 

--
 

Xander erinnerte sich an das Gespräch zwischen Willow und Buffy. Auch wenn er es verdrängen wollte, so hatte er doch gewisse Dinge mit seinem magischen Auge gesehen, die nicht nur ihn etwas angingen. Vielleicht war es falsch, vielleicht aber auch irgendwie richtig, wenn er mit Giles darüber sprach. Aber würde das gut gehen? Wenn er ohne mit Buffy und Willow zu reden zum Ratsgebäude rannte und seine zwei besten Freundinnen verriet? Mit denen er schon so viel durchgestanden hatte? Die sicher einen guten Grund für dieses geheime Abkommen hatten?
 

Leider war dieses Foto, auf dem sein Blick noch immer ruhte, schon vor einer Ewigkeit geschossen worden. Xander seufzte – am liebsten würde er beide einfach am Wochenende einladen, um sich endlich mal wieder genauso wie früher anzustrahlen und einfach sorgenlose Stunden mit ihnen zu verbringen. Es war hart, erwachsen zu sein.
 

Xander war sich sicher, dass sich seine beiden Freundinnen nicht mehr so ohne weiteres mit ihm treffen würden, nach er erst einmal bei Giles gewesen war.
 

„Was soll’s... am besten erst einmal im Bett bleiben“, dachte Xander müde. Vielleicht würde er Giles auch später einen Besuch abstatten und diplomatisch anfragen. Möglicherweise wusste der Wächter ja schon längst Bescheid...
 

++++
 

Cleveland, Kennedys Wohnung

selber Morgen,

ein paar Minuten später

Kennedy zog sich um und schloss die Tür hinter sich. Hoffentlich würde sie den richtigen Weg zu Xanders und Andrews Wohnung finden. Sie war nicht oft da gewesen. Wenn sie sich recht erinnerte, höchstens dreimal... es hatte nie Gründe gegeben, sich dort zu treffen. Nicht einmal, als sie zu dritt die Stellung hier in Cleveland gehalten hatten, bis Giles mit Willow und später Buffy nachgekommen waren. Und Cleveland war groß. Die Gefahr, sich zu verlaufen, bestand...
 

Doch sie hatte ihren Orientierungssinn stark unterschätzt, als sie einen Häuserblock später vor einem Hochhaus stand, das ihr vertraut erschien. Sie musterte die kleinen Schildchen neben den Klingeln, bis sie den gesuchten Namen fand.
 

„Ja“, drang Xanders leicht gereizte Stimme durch die Sprechanlage, nachdem Kennedy geduldig dauergeklingelt hatte.
 

„Ich bin’s, Ken. Mach auf...“ Ein Summen war zu hören und Kennedy stieß die Tür auf.
 

Ken rannte die Treppen leichtfüßig nach oben, bis sie schließlich vor der Tür mit der 42 stand, neben der auf einem kleinen Schild der Name „A.Harris“ stand. Ein kleines Stück des Papiers war abgerissen. Sie begann wild gegen die Tür zu klopfen.
 

Ein verschlafener Xander öffnete die Tür. „So früh geweckt zu werden ist nicht gerade angenehm. Es ist sieben Uhr morgens!“, sagte er aufgebracht. Nach seinen Überlegungen vor einer Stunde war er endlich wieder eingeschlafen. „Ist irgendetwas passiert? Mit Wi...“
 

„Wo ist Andrew?“, antwortete die Jägerin ohne eine Begrüßung, ohne ihn zu beachten und rannte ihn dabei auch noch halb um.
 

Sie betrat eine unaufgeräumte Wohnung, aber darauf legte sie gerade kein Augenmerk. In der Küche sah es mit den ganzen Scherben auch nicht gerade wohnlich aus. Anscheinend sollte sie ihr Porzellan verstecken. Hoffentlich würde es mit Andrew nicht schon nach fünf Minuten bei ihr so aussehen.
 

Sie öffnete alle Türen, doch keine Sicht von ihm.
 

Xander schloss die Tür und kratze sich am Hinterkopf.
 

„Hast du nicht mitbekommen, dass er nicht mehr hier wohnt?“, entgegnete er etwas genervt davon, dass diese Information anscheinend doch noch nicht die Runde gemacht hatte, wie angenommen.
 

„Wo dann?“
 

“Ich weiß nicht und ich will es auch gar nicht wissen. Vermutlich ist er aber gerade auf der Arbeit, im Games In. Schon mal davon gehört? Ist im Einkaufszentrum.“
 

„Ich glaube, ich bin dort schon vorbei gegangen. Übrigens – du sahst schon mal besser aus. Danke für die Info. Bye.“
 

„Danke für das Kompliment“, murmelte Xander perplex, als Kennedy die Wohnung bereits wieder verlassen hatte. „Und keine Ursache... immer wieder willkommen in Xanders Informationszentrum“, fügte er hinzu und machte sich auf den Weg zurück ins Bett.
 

++++
 

Cleveland, Ratsgebäude

Garten, selber Morgen

„Faith?“ Langsam richtete sich Robin auf und sah die Jägerin besorgt an. Er hob seine Hand und strich ihr über die Schultern, wurde aber sofort wieder abgeschüttelt.
 

„Faith, was ist los?“, fragte er wieder und rückte näher an sie heran.
 

Fassungslos starrte sie ihn an. Sie atmete viel zu schnell und unregelmäßig, während sie ohne eine Regung zu zeigen ins Nichts starrte.
 

Robin streckte langsam wieder die Hand aus und berührte sachte die ihrige.
 

„Was ist los? Was hast du gesehen?“, fragte er, während er noch näher an seine Freundin heran rückte.
 

Als wäre sie aus tiefem Schlaf gerissen worden, sah sie ihn plötzlich geschockt an, riss sich wieder los und sprang aus dem Bett.
 

„Ich... ich muss sofort hier raus...“, brabbelte sie schnell, während sie sich ein T-Shirt über den verschwitzten Körper zog und auf die dünne Schiebetür zuging, die ihren Schlafbereich vom restlichen Bus abtrennte.
 

„Warte!“, schrie Wood, sprang ebenfalls aus dem Bett, packte sie fest bei den Schultern und drehte sie zu sich um.
 

Nur einige Zentimeter waren zwischen seinem und ihrem Gesicht, als er leise zu sprechen begann.
 

„Hör mir jetzt zu Faith. Du kannst jetzt nicht einfach gehen. Du musst mir sagen, wovon du geträumt hast. Nein, nicht weil ich dein Wächter bin, sondern weil ich dich liebe. Ich mache mir Sorgen um dich. Es scheint, als würden deine Träume immer heftiger und häufiger kommen. Lass mich dir helfen...“
 

Faith verdrehte leicht den Kopf, dachte zuerst daran, ihn mit voller Kraft von sich zu stoßen, entschied sich dann aber dafür, das zu tun, wonach sie sich so sehr sehnte.
 

Sie hob ihren Kopf und sah ihm tief in die Augen. Der Wächter löste seinen Griff, woraufhin Faith ihre Arme hob und sein Gesicht an sich heran zog. Sie küsste ihn zärtlich, schlang ihre Arme um ihn und drückte ihn fest an sich.
 

„Was hast du gesehen?“, flüsterte er leise in ihr Ohr.
 

„Eve... sie hat mir gesagt, dass Lily Vis Mörder ist...“, antwortete Faith leise, während sie Robin weiter an sich drückte, ihren Kopf auf seine Schultern legte und sich Feuchtigkeit in ihren Augen sammelte.
 

„... und ich habe sie... hingerichtet... ich habe sie in dem Traum wie ein Monster abgeschlachtet...“, flüsterte sie leise.
 

++++
 

Cleveland, Wächterhaus

Giles Büro,

etwas später

„Ich habe in Lilys Büro einige Funde gemacht, die dich interessieren könnten.“ Giles saß mit Buffy in seinem Büro. Die Jägerin blätterte in einem schwarzen Ordner, den ihr der Wächter ausgehändigt hatte.
 

„Oh... vielleicht einen Hinweis wo sie sich jetzt aufhält? Oder vielleicht noch besser... ein Geständnis?“ Buffy sah zu Giles auf und bedauerte zugleich ihre etwas scharfen Worte, als sie sein betretenes Gesicht sah. Giles musste sich furchtbar fühlen... schließlich hatte er den „Feind“ mitten unter sie gebracht.
 

„Nein... nein, es ist eher... hier.“ Er reichte Buffy einen Stapel Notizblätter, die er in eine Mappe gesteckt hatte. Zu oberst lag die Handskizze und Notizen von Lily über die Holzmaske, die sie in der Fabrik gefunden hatten. „Ich schätze, wir wissen nun, wer hinter der Maske steckte und Vi tötete. Zudem sind darunter noch einige interessante Notizen über Samielle...“
 

Buffy sah Giles einen Moment lang schockiert an, als ihr bewusst wurde, was dieser gerade so nebenbei gesagt hatte. Vi... Lily... wobei, wirklich überraschen tat sie diese Neuigkeit nicht mehr. Nicht nach dem, was Lily mit Dawn vorgehabt hatte.

„Oh je... besser wir sagen Faith nicht all zu viel davon... für den Fall, dass sie lieber selbst Hand an Lily legen wollen.“ Buffys Grinsen missling und sie wurde durch ein plötzliches Klopfen an der Tür gerettet.
 

Nachdem Giles ‚Herein’ gerufen hatte, öffnete Xander die Tür.
 

„Guten Morgen... oh, Buffy.“ Er hätte nicht gedacht, sie hier in Giles Büro zu finden. Wie dumm von ihm... sie arbeitete doch hier... innerlich ohrfeigte er sich dafür. Xander war sich sehr sicher, dass ihm sein schlechtes Gewissen ins Gesicht geschrieben stand.
 

„Hey Xander... wieder auf einen kurzen Besuch hier.“ Sie grinste und schloss den Ordner, als sie bei der letzten Seite angelangt war.
 

„Eh... ja... da ich frei habe... dachte ich, ich schau mal vorbei.“ Er lächelte nervös und als Buffy von ihrem Stuhl aufstand, um sich ihre Tasse Tee neben dem Kopierer zu holen, beugte sich Xander verschwörerisch etwas nach vorne, damit ihn nur Giles hören konnte.
 

„Giles, ich glaube ich muss mit Ihnen reden. Alleine.“
 

Giles wirkte überrascht. Es war nicht alltäglich, Xander hier mit einer verschwörerischen Bitte in seinem Büro begrüßen zu dürfen. Also schien es wichtig zu sein. Vorsichtig warf Giles einen Blick auf die Uhr. „Buffy, ich glaube du solltest dich besser beeilen, um rechtzeitig zu deinem Zug zu kommen.“
 

„Müssen Sie mich jetzt daran erinnern, Giles...“ Buffy verdrehte die Augen und stand auf. „Verschonen sie mich bitte in Zukunft mit solchen Aufträgen... da koche ich doch noch lieber den ganzen Tag Tee für sie.“ Buffy warf den beiden noch ein Lächeln zu und legte den Ordner zurück auf Giles’ Tisch.
 

„Worum geht es?“, fragte Xander etwas verwirrt, als Buffy den Raum verließ.
 

„Nicht so wichtig. Nur um einen kleinen Sonderauftrag“, winkte Giles ab. „Und... und um was geht es bei dir?“
 

Xander stand unschlüssig da und kratzte sich am Kopf. Es war schwierig den richtigen Einstieg zu finden. „Na ja, zuerst war ich mir nicht sicher, ob ich es Ihnen erzählen soll. Aber da ich sowieso immer zwischen den Fronten stehe...“ Xander lächelte gequält.
 

„Das... bedeutet?“, fragte Giles gewohnt ruhig, aber mit hochgezogenen Augenbrauen.
 

„Ich habe eine gewisse Information erhalten, nun ja, als ich das Auge hatte, und irgendwie... brauchte ich Zeit, um mich durchzuringen, um damit zu Ihnen zu kommen“, führte Xander fort.
 

„Moment... eine Information? Durch dein magisches Auge?“, fragte Giles.
 

„So ist es.“ Xander nickte. „Auch wenn Sie vielleicht denken, dass man diesem Auge nicht immer vertrauen kann...“
 

„Das denke ich wirklich nicht.“ Der Wächter setzte seine Brille ab.
 

„Oh... gut... dann... eh... ehm... Was sie mit meiner Info anfangen, überlasse ich ihnen. Ich glaube nur, dass Sie es wissen sollten.“
 

„Wir drehen uns im Kreis. Xander... was sollte ich wissen?“
 

„Verdammt!“ Xander verpasste sich in Gedanken sich erneut eine Ohrfeige. „Sehr diplomatisch, Mr. Harris, wirklich sehr diplomatisch. Du kannst das bei weitem besser“, ermahnte sich der junge Mann selbst, sah aber ein, dass es jetzt zu spät war, um noch irgendetwas vorsichtig zu hinterfragen. Giles würde sicher nicht eher Ruhe geben, bis er alles wusste. Und zudem – wie sollte man etwas zur Sprache bringen, wenn man es nicht direkt erwähnte?
 

Buffy würde ihn dafür umbringen... keine Frage... besser, er sprach mit ihr, bevor Giles es tat.
 

“Nun... sagen wir mal, ich wüsste von zwei Personen, die Ihnen nahe stehen, dass sie ein kleines Bündnis gegen sie, Lily und den Rat hatten... so ’ne Art... Agentensache.“
 

Giles Gesicht nahm einen schwer deutbaren Ausdruck an, als er Xanders Worte zu folgen versuchte. „Xander, es tut mir leid. Wenn du nicht klar sagst, was du meinst, wird es mir schwerfallen, dir beim Erleichtern deines schlechten Gewissens zu helfen.“
 

Gut, dass hieße dann wohl, dass Giles wirklich noch nicht darüber Bescheid wusste und er sich dummerweise keine Hintertür offen gelassen hatte. Wer A sagt, muss auch B sagen...
 

„Eh, na ja... jemand Bestimmtes sollte von jemanden anderes Bestimmtes...“
 

„Xander!“ Giles Stimme nahm etwas Drohendes an und Xander zuckte resigniert die Schultern.
 

„Okay, Mann... ich kann dann wenigstens behaupten, sie haben mich gefoltert, damit ich das verrate, was ich weiß.“ Giles verdrehte kurz die Augen über Xanders Worte, der fortfuhr: „Buffy wollte, dass Willow ein Auge auf Sie wirft. Sie schien kein Vertrauen gehabt zu haben. Keine Ahnung, wie lang das her ist... hab’ noch nicht mit einer der beiden deswegen gesprochen.“
 

Giles Rücken straffte sich, als sein Verstand zu begreifen schien, was Xander ihm gerade anvertraute.
 

„Ich meine... genauer gesagt, wohl eher auf Sie als Wächter und Lily...“, fuhr Xander vorsichtig fort, stand auf und schob seinen Stuhl wieder so hin, wie er ihn vorgefunden hatte. „Es tut mir leid, dass Sie es durch mich erfahren mussten und gut möglich, dass es falsch von mir war, nicht vorher mit Buffy oder Willow gesprochen zu haben... ach, ich weiß auch nicht“, murmelte er verlegen, bevor er sich von Giles mit einem halbherzigen Winken verabschiedete und den Wächter mit seinen Gedanken zurückließ.

++++
 

Cleveland, Einkaufszentrum

Eine Stunde später,

am Morgen

Kennedy stand vor dem Games In und warf rasch einen Blick nach links und rechts. Nur für den Fall, dass irgendjemand den sie kannte in der Nähe war. Niemand sollte sie beim Betreten des Ladens beobachten. Schließlich wanderte ihr Blick wieder auf das Geschäft. Ob es die richtige Entscheidung war, an diesem roten Gipsdrachen vorbei zu gehen? Sie biss die Zähne zusammen und trat dann ein.
 

So weit das Auge reichte, sprangen ihr sämtliche Comics und Actionfiguren, die sie noch nie gesehen hatte, entgegen. Um die DVD’s machte sie gleich einen großen Bogen. In der Luft hing ein leichter Plastik- und Gummigeruch, der sich mit Druckerschwärze mischte und auch nicht von der laufenden Klimaanlage vertrieben werden konnte.
 

Plötzlich stand ihr etwas im Weg, das sie zugleich fast umrannte. Von diesem weichen Etwas ging eine Stimme aus, die über den Laden hinweg dröhnte:
 

„Andrew, steh nicht so gelangweilt herum, arbeite!“
 

Kennedys Blick wanderte nach oben und musterte die langen und fettigen Haare eines Monstrums, das sich gerade zu ihr umdrehte, und sie beängstigend anlächelte. Die grässliche Szenerie auf seinem T-Shirt wirkte abstoßend und Ken war sich nicht sicher, ob sie lieber einem Dämon begegnen wollte, als diesem Kerl, der wohl Andrews Chef war.
 

“Was kann ich für dich tun?“ Er versuchte freundlich zu wirken, aber das gelang ihm nicht wirklich. Jedenfalls fühlte sich Kennedy nicht wohl bei diesem Grinsen.
 

„N-Nein, ich suche nur etwas.“ Insgeheim hoffte sie, dass er bald hinter dem Perlenvorhang verschwinden würde, den sie gerade hinter der Theke erblickt hatte.
 

„Klar. Aber wie heißt es so schön: nicht lesen, kaufen!“ Mit diesen Worten packte er noch einen vollen Karton und machte sich auf den Weg, um tatsächlich hinter dem Perlenvorhang zu verschwinden. ‚Was für ein Glück.’
 

Als endlich die Sicht frei war, entdeckte sie auch gleich ihren Retter in der goldenen Rüstung, der im hinteren Teil des Ladens stand und aus einem Karton neu eingetroffene Spielfiguren in ein Regal einsortierte. Jedenfalls nahm Ken dies an, denn Andrew wirkte etwas abwesend, während er jede Figur einzeln herausnahm und sie erst einmal in den Händen hielt und drehte, als wäre sie Gott persönlich oder aus purem Gold.
 

„Andrew!“
 

Erschrocken drehte er sich um. Fast wäre ihm eine der Figuren aus den Händen gerutscht. Er hatte Mühe, das Unglück zu verhindern und während er noch dastand und ungeschickt in der Luft mit den Händen wedelte, um den Absturz der Figur zu vermeiden, steuerte die Jägerin auf ihn zu.
 

„K-Kennedy?“ Als sie näher auf ihn zu kam, ging er einen Schritt zurück und stieß gegen das Drehregal hinter ihm, das glatt ins Wanken geriet. Bevor ihn die alt riechenden, dicken Bände unter sich begruben, packte die Jägerin Andrew am Kragen und hinderte ihn so am Fallen. Mit einem Fuß fing sie das Regal auf halbem Weg auf. Trotzdem polterten die Comic-Bände zu Boden.
 

„Ich hab’ doch gar nix gemacht! Was immer Xander dir über mich erzählt hat, es ist nicht wahr. Okay, vielleicht ist es wahr, aber du machst schließlich genau dasselbe, nur dass Willow nach England gegangen ist...“ Andrew plapperte erschrocken drauf los.
 

„England?“ Die Jägerin hob eine Augenbraue. „Das ist ein gutes Stichwort! Los, nimm dir ’ne Kaffeepause und komm mit!“, antwortete sie energisch, ließ ihn dann aber los.
 

„England ist cool! Da gibt es Dr. Who, Herr der Ringe wurde dort erschaffen und Harry Potter und man kann dort lernen, dass man keine Leute umbringt.“
 

“Was auch immer...“ Kennedy verdrehte die Augen. Das würde lustig werden, aber auch viel Arbeit bedeuten.
 

In Kennedys Blick erkannte Andrew, dass sie es ernst meinte.
 

„S-Scott?“ Nichts rührte sich, als Andrew Richtung Vorhang rief. „Scohooott“, rief er lauter und lächelte dabei nervös Ken an.
 

Nach ein paar Sekunden kam sein Chef durch den Perlenvorhang geschlendert, und war sichtlich stolz auf sein neues Slayer T-Shirt, das ihm anscheinend mehr als eine Nummer zu klein war. Was ihn aber nicht daran hinderte, seinen Bauch in die Höhe zu strecken, damit es jeder sehen konnte. Am liebsten wäre Kennedy im Erdboden versunken.
 

„Darf ich mir eine Kaffeepause nehmen?“, fragte Andrew unschuldig.
 

Scott warf Kennedy einen vielsagenden Blick zu. „Du brauchst wirklich ein Auto, Kleiner!“, antwortete er Andrew.
 

Kennedy traute ihren Ohren nicht. Nachdem Andrew rot wurde, zog sie ihn am Ärmel seines T-Shirts aus dem Laden, nicht ohne ein paar Action-Figuren auf den Boden zu befördern.
 

„Hey... erst räumst du die Sauerei hier auf“, brüllte Scott, als seine Augen auf das umgestürzte Drehregal fielen.
 

++++
 

Cleveland, Wächterhaus

Konferenzraum,

früher Mittag

Nachdem Kennedy die Wohnung verlassen hatte, wurde Willow klar, dass die halbherzig geschriebenen Informationen über die Inquisition aus dem Internet nicht reichten, um ein gutes Referat abzuliefern. Nicht ohne sich noch einen Kaffee zu holen, machte sie sich auf den Weg zu Giles, um Bücher über Hexenvernichtung zu suchen. Vielleicht würde ja hier etwas Brauchbares zu finden sein. Natürlich hatte sie sich früher schon zusammen mit Tara über das ganze unterhalten, aber sachliche Informationen würden sie einen weiteren Schritt nach vorne bringen.
 

Als sie die Tür öffnete, war weit und breit keine Spur von Giles zu sehen. Anscheinend saß er in seinem Büro, und ihn zu stören war bestimmt keine gute Idee, nicht nachdem sie nach Lilys Verschwinden noch mehr Rätsel aufbekommen hatten. Sie würde schon selbst finden, wonach sie suchte.
 

Nun stand sie vor den Bücherregalen und suchte nach den passenden Titeln. Nach kurzer Zeit zog sie ein verstaubtes Buch hervor und blätterte es durch. In Gedanken vertieft bemerkte sie nicht, wie eine Person hinter sie trat.
 

„Ähem“, räusperte sich Giles und versuchte gelassen zu wirken, während Willow so heftig erschrak, dass sie zugleich Kaffee auf dem Boden und auf ihren Schuhen verschüttete.
 

„Guten Morgen, Giles. Erschrecken sie mich doch nicht so!”, antwortete die Hüterin und drehte sich mit einem gequälten Lächeln um.
 

Giles schaute etwas anklagend auf den Boden unter ihren Füßen. Willows Blick folgte dem seinigen. „Oh, tut mir leid. Ich werd’ das gleich wieder in Ordnung bringen.“
 

„In Ordnung“, sagte Giles knapp und ein wenig reserviert. Er griff instinktiv nach der Brille, um sie gerade zu rücken, ehe er bemerkte, dass er keine auf hatte und die Hand wieder sinken ließ. „Du hast nicht zufällig Xander getroffen?“ Eigentlich hatte er nach Xanders Besuch und dem Gespräch mit dem jungen Mann beschlossen, die Sache ruhig und sachlich anzugehen: Als erstes würde er mit Buffy sprechen. Er musste wissen, was sie dazu bewegt hatte, hinter seinem Rücken Willow dafür auszunutzen, Lily und ihn zu bespitzeln. Danach hätte er noch immer mit Willow reden können. Doch Buffy war außerhalb Clevelands unterwegs und würde nicht vor Abend wieder zurückkehren. Das bedeutete für Giles, voller Ungeduld auf ihre Rückkehr warten zu müssen, da er das ganze nicht am Telefon besprechen wollte. Und von seiner selbst auferlegten Selbstbeherrschung war nicht mehr sehr fiel übrig, während Willow vor ihm stand, unschuldig den Kopf schüttelte und nicht wusste, was los war. Er fühlte sich, wenn er ehrlich zu sich selbst war, ein wenig verraten und hintergangen.
 

„Stimmt... stimmt etwas nicht?“ Willow blickte ihn verwirrt an.
 

„Ich weiß nicht, sag du es mir!“, Giles ging um sie herum an den Konferenztisch und lehnte sich mit verschränkten Armen gegen die Kante.
 

„Ich verstehe nicht?“ Willow runzelte die Stirn.
 

„Nun, dann werde ich deinem Gedächtnis etwas auf die Sprünge helfen müssen.“ Giles Blick war auf Willow gerichtet und seine Augen fixierten ihre. Sie fühlte sich unbehaglich und schuldig, auch wenn sie schwören konnte, dass sie nichts angestellt hatte. Aber irgendetwas war geschehen... das letzte Mal als er sie so angesehen hatte, standen sie beide in Buffys Küche und sie hatte ihm voller Stolz, in Hoffnung auf ein Lob, von Buffys Wiedererweckung erzählt.
 

„Nun... zugegeben“, fuhr Giles schließlich fort. „Lily erwies sich, ganz wie Buffy vermutet hatte, als uhm... nicht vertrauensvoll. Ich war blind und unvorsichtig. Buffy mag vielleicht aus der Vergangenheit klug geworden sein und richtig damit gehandelt zu haben, mit mir nicht über Lily und ihren Verdacht zu sprechen. Aber dann kam... uhm... nun... ein magisches Auge hat doch auch seine Vorteile...“
 

„Worum geht es hier eigentlich?“, fragte Willow vorsichtig, leicht verwirrt, aber mit einem leisen Verdacht.... sie hatte Buffy damals gesagt, dass es eine schlechte, eine sehr, sehr schlechte Idee wäre, hinter Giles’ Rücken ein Auge auf den Rat zu werfen...
 

„Das ich dachte, wir wären alle älter und klüger geworden. Das wir gelernt hätten, uns zu vertrauen und miteinander zu reden. In Gottes Namen, Willow, ich hätte nie von dir erwartet, dass du auf Buffys Vorschlag eingehen würdest!“, sagte der Wächter aufgebracht. „Nicht nachdem ich, ohne zu wissen, was eine Hüterin ist, oder ob dich deine Fähigkeiten zu einer machen, dir eine vorläufige, vertrauensvolle Stelle im Rat eingeräumt habe.“
 

Der Hüterin ging ein Licht auf. Xander hatte doch nicht etwa diese Unterhaltung gesehen? Und Giles davon erzählt... Oder doch? Was hatte sich Xander dabei nur wieder gedacht?
 

„Aber Giles... ich... so war das nicht“, fing Willow unsicher an, wurde aber von einer raschen Handbewegung von Giles unterbrochen.
 

„Ich frage mich gerade, ob dein über die Monate gezeigtes Interesse an mir, meiner Arbeit und an den Fortschritten des Rates nur vorgespielt war, um für Buffy Informationen zu sammeln.“
 

„Jetzt warten sie mal Giles“, fiel ihm Willow mutig und langsam etwas aufgebracht ins Wort. „Es ging doch nicht so sehr um sie, sondern vor allem um Lily und den Rat. Ich habe es ja Buffy ausreden wollen, aber sie war damals... so verunsichert über ihre Stellung, ihre Zukunft, dass ich ihr zuliebe zugestimmt habe. Und ich denke, gewisse Ereignisse haben uns gezeigt, dass es doch mehr als nötig gewesen wäre, darauf ein noch genaueres Augenmerk zu legen“, antwortete Willow um sich zu verteidigen.
 

„Es ging genauso um mich und auch, wenn ich vielleicht einen Fehler in bezug auf Lily gemacht habe, ist das kein Grund, hinter meinem Rücken solche Dinge... zu... uhm... besprechen.“ Giles spürte seinen neu entflammten Zorn bereits wieder verebnen. Er wurde ruhiger und nahm die Arme von der Brust. Das letzte was er wirklich wollte, war ein Streit mit Willow. Dafür hatten sie seit ihrer Zeit in England zu hart um Vertrauen gekämpft. Vielleicht fühlte er sich auch gerade deswegen mehr von Willow enttäuscht, als von Buffy. „Ich wäre der letzte, der in bezug auf den Rat irgendwelche vorschnellen Entscheidungen treffen würde. Du hättest zu mir kommen und mit mir über Buffys Ängste sprechen sollen.“
 

„Das habe ich doch getan“, verteidigte sich Willow.
 

„Richtig. Aber du hättest weiterhin von Buffys Wunsch dir gegenüber reden müssen... anstatt es mir zu verheimlichen. Das Buffy mir nicht vertrauen wollte, dass sie und ich nicht miteinander reden konnten... das verstehe ich alles – jetzt, irgendwie. Aber wir... wir beide hatten genug Zeit, das alte, gegenseitige Vertrauen wieder aufzubauen. Erinnere dich an England, die Hilfe, die ich dir entgegengebracht habe, obwohl du mich für deine Rache töten wolltest, wie ich versucht habe, dir nach Taras Tod beizustehen...“
 

„Nicht...“ Willow hob lahm eine Hand und brachte Giles zum Verstummen. Es war nicht fair, wenn er jetzt davon zu reden anfing. Auch wenn sie verstand, dass er versuchte sie wachzurütteln. Aber das war nicht nötig. Sie wusste, dass das, was Buffy von ihr vor Monaten verlangt hatte, unmoralisch war. „Bitte reden sie nicht davon... ich... ich verstehe, dass sie sich gekränkt und verletzt fühlen. Und das habe ich alles Buffy gegenüber als Einwand hervorgebracht. Das können sie mir glauben, Giles. Und ich habe nie wirkliche Versuche unternommen, an irgendeine Information zu kommen. Buffy wollte nur, dass meine Vertrauensstelle, mich näher an die Geschehnisse heranbringen, um sie dann zu informieren. Das ist doch alles passé.“ Willow machte einen unsicheren Schritt auf Giles zu. „Diese kleine Aktion von Buffy hat niemandem geschadet und am Ende hat sie doch sogar recht behalten. Aber wenn sie unbedingt jemanden anklagen wollen, wenden sie sich an Buffy!“ Willow spürte auf einmal tatsächlich Wut. Es war doch nicht einmal ihre Idee gewesen, wieso fiel nun all das auf sie zurück? Sie hatte Buffys Wunsch nur halbherzig erfüllt und immer versucht, dass Giles nichts mitbekam von all dem Misstrauen, dass ihm Buffy vor Monaten noch entgegengebracht hatte.
 

Und jetzt, wo zwischen Wächter und Jägerin alles wieder in Ordnung war, musste diese Geschichte herauskommen. Sie hoffte inständig, dass dadurch nicht wieder alles kaputt gemacht werden würde, was sich Giles und Buffy in den letzten zwei Monaten hart erkämpft hatten.
 

„Das werde ich auch!“, antwortete der Wächter müde und richtete sich wieder auf. „Das sollte ich wohl auch.“
 

Beide sahen sich schweigend an. Man konnte förmlich die elektrisierende Stimmung im Raum spüren, als sich die beiden noch immer mit ihren Blicken gefangen hielten. Sie waren beide überrascht, dass das Gespräch ruhig geblieben war, die Vorwürfe nicht all zu verletzend waren und doch... lag etwas zwischen ihnen.
 

„Ich glaube, ich suche mir meine Bücher heute besser woanders“, sagte Willow nach ein paar Sekunden kleinlaut und ließ Giles allein im Haus zurück, der mit dem schlechten Gefühl, die falschen Dinge gesagt zu haben, auf den Punkt starrte, wo Willow eben noch gestanden hatte.
 

++++
 

Cleveland,

Shopping Center

Selbe Zeit

„Vielleicht kann ich dem bösen Monster entkommen“, flüsterte Andrew, als er auf Zehenspitzen aus dem Einkaufszentrum schleichen wollte, während Kennedy die Tafeln mit den Wegweisern studierte um ein Cafe zu finden.
 

„Nicht so schnell!“ Ertappt blieb Andrew stehen. Wieso musste diese automatische Tür auch so laut sein? Er wagte nicht noch einen Versuch, wegzulaufen. Schließlich war sie eine Jägerin und konnte somit dem stärksten Superhelden leicht hinterher rennen.
 

„Was willst du eigentlich von mir? Es ist nicht gerade alltäglich, dass du einfach so bei mir vorbeischaust, mich vor meinem Chef blamierst, und mich dann einfach entführst!“
 

„Wer hat hier wen blamiert?“
 

Ohne eine Antwort abzuwarten ging sie in Richtung Aufzug. „Hoffentlich muss ich ihm nicht auch noch eine Hundeleine umbinden“, murmelte sie und warf Andrew einen Blick zu, damit er ihr folgte.
 

Nach wenigen Minuten saßen sie sich im nächstbesten Café gegenüber.
 

„Du musst mir einen Gefallen tun!“, entgegnete Kennedy, während Andrew seine heiße Schokolade mit extra viel Schlagsahne entgegennahm.
 

„Schon wieder?“, antwortete Andrew genervt und schlürfte die Sahne hinunter. „Ich hab’ dir doch letztes Jahr erst das Leben gerettet. Du hast nicht einmal ’danke’ gesagt!“ Er fing an zu schmollen.
 

„Das ist kein Gefallen, das ist eine Selbstverständlichkeit! Ich hätte das selbe auch für dich getan!“, antwortete die Jägerin entschieden.
 

Andrew hob die Augenbrauen. „Sogar wenn du Willow deswegen mit einem Schwert aufspießen müsstest?“
 

Kennedy grummelte. „Dankeschön, dass du mir das Leben gerettet hast! So, können wir jetzt zum geschäftlichen Teil kommen?“ Sie klang enthusiastisch. „Ich brauche einen Verlobten!“
 

Nach dem letzten Satz sah Andrew sie total geschockt an.
 

„Soll das etwa deine Version von einem romantischen Heiratsantrag sein?“, fragte er verwirrt.
 

„So in etwa.“ Kennedy lächelte gequält. „Meine Eltern kommen dieses Wochenende zu Besuch und erwarten einen blonden Musterverlobten.“
 

„Wieso verpasst du Willow nicht einfach einen neuen Look?“, fragte Andrew. Irgendwie musste er sich doch herausreden können.
 

„Das geht nicht so einfach.“ Sie sah ihn enttäuscht an. „Wie wär’s, wenn ich dir dafür Comics und Actionfiguren kaufe?“ Irgendwie musste sie ihn doch anlocken können.
 

„Damit werde ich leider schon bestochen! Du musst dir was anderes überlegen.“ Andrew rollte mit den Augen.
 

„Ich... ich könnte auf Ebay einen neuen... einen neuen Star Wars Anhänger für dich kaufen!“
 

Im nächsten Moment holte Andrew seinen halben Anhänger unter seinem T-Shirt hervor. „Zu spät!“
 

Nach ein paar Sekunden sah er Kennedy hoffnungsvoll an. „Hmm... wie wär’s mit einem Pontiac Firebird?“
 

„Hab’ ich ’ne Geldhexe?“ Sie sah ihn wütend an. Doch dann kam ihr eine Idee. „Wie wäre es mit ein paar coolen Anzügen, in denen du aussiehst wie James Bond, und als Extra-Plus noch eine richtig coole Sonnenbrille?“ Schließlich musste sie ihm sowieso noch Anzüge besorgen. Ihre Eltern würden so etwas wie Alltagslook nicht akzeptieren.
 

„Deal!“ Andrew strahlte sie an. „Wann gehen wir shoppen?“, wollte er wissen.
 

„Morgen nachmittag. Zusammen mit einem Termin beim Friseur!“
 

++++
 

Albany, Bahnhof

Nachmittag

Der Zug kam langsam zum Stehen, rollte noch ein kurzes Stück auf den Gleisen aus und öffnete dann automatisch die Türen. Die wenigen Fahrgäste stiegen aus, darunter auch Buffy, die mit misstrauischem Blick den einzigen Bahnsteig rauf und runter schaute. Trist... absolut trist und tote Hose. Wenn sie hier geboren worden wäre, hätte sie sich spätestens mit 16 freiwillig erschossen. Laut Giles lebten hier 810 Menschen und die einzige Attraktion des Kaffs eine kleine Einkaufsstrasse, die gleichzeitig auch die Hauptstrasse bildete. Sah man davon mal ab, gab es speziell für Jägerinnen eine Sonderattraktion – eine Horde Vampire, die sich hier niedergelassen hatte.
 

Buffy sprang auf die alte, vom Zahn der Zeit aufgeplatzte Betonplatte des Bahnsteigs und erblickte sofort das junge Mädchen, das sie abholen kam. Eine unerfahrene Jägerin namens Robia, der man einen ebenso unerfahrenen, jungen Wächter zur Seite gestellt hatte. Bedauerlicherweise hatte er vor zwei Tagen das Zeitliche gesegnet. Darum war sie nun hier – sie würde Robia bei Sonnenuntergang dabei helfen, Albany wieder zu einem friedlichen Ort zu machen.
 

“Buffy Summers?“ Robia kam schüchtern näher.
 

„Ja... das bin wohl ich... hey... nett habt ihr es hier...“ Buffys Lächeln war aufgesetzt, aber nett... während sie Robia vor den Bahnhof folgte...
 

++++
 

Cleveland, Lincoln High School

Nachmittag

„Ich hasse diesen Lehrer“, beschwerte sich Tiffany bei ihrer besten Freundin.
 

„Als würde dir diese Eins Minus etwas im Notenschnitt versauen“, entgegnete Betty, als die beiden gefolgt von einem weiteren Mitschüler die High School verließen.
 

„Ich halte dass nicht mehr aus. Ich wette, er hat etwas gegen mich.“ Aufgebracht kickte sie eine Cola-Dose vom Gehsteig auf die Strasse.
 

„Das kenn’ ich gar nicht von dir. Was machst du Donnerstag Mittag schon außerhalb der Schule?“, grinste Dennis, als er die beiden einholte.
 

„Ich nehm’ mir einfach mal eine Auszeit. Wieso soll ich den ganzen Tag in dieser Schule verbringen, wenn es viel besseres zu tun gibt? Lernen für die Prüfung morgen zum Beispiel!“, antwortete Tiffany mit neuem Eifer.
 

Die beiden seufzten. Sie war immer noch die Alte.
 

„Es ist ziemlich heiß heute. Glaubst du wirklich, dass du dich dabei konzentrieren kannst?“, fragte Betty. „Komm doch lieber mit zum Schwimmen in die Halle.“
 

„Ist doch nur Mittags so. Was soll’s, das ist meine Kreuzung.“ Tiffany blieb stehen und drehte sich zu den anderen um. „Bye, bis morgen.“ Sie ging rückwärts weiter.
 

Dennis und Betty verabschiedeten sich von ihrer Freundin, die ihnen noch nachwinkte und bogen links ab, während Tiffany die Strasse überqueren musste.
 

Wenn sie schon früher abhaute, sollte sie auch kein Lehrer dabei erwischen, und sie war noch nicht besonders weit von der Schule entfernt.
 

In Gedanken lief sie weiter, zu sehr um ihre Noten besorgt als sich um ihr schlechtes Gewissen, das ersten Mal in ihrem Leben den Unterricht geschwänzt zu haben, kümmern zu können.
 

So bemerkte sie nicht, dass am anderen Ende der Strasse ein weißer Wagen um die Kurve gerast kam. Mit überhöhtem Tempo hielt das Fahrzeug direkt auf Tiffany zu, die gerade die ersten Schritte über die Strasse machte. Es war mehr die Gewohnheit, die sie schließlich doch noch nach allen Seiten Ausschau halten ließ. Sie sah das Auto, blieb völlig geschockt mitten im Schritt stehen und dachte ‚das war’s gewesen.’

Doch irgendetwas machte in ihrem Kopf klick und befahl ihr loszulaufen – so schnell sie konnte. Im letzten Augenblick erreichte sie noch das letzte Drittel der Strasse, fühlte sich gerettet, nur um doch noch von dem PKW an der Hüfte erwischt zu werden. Mit einem Aufschrei wurde sie in das Gebüsch neben dem nächsten Baum geschleudert. Als sie sich nach dem Auto umsah, stellte Tiffany schockiert fest, dass der Fahrer nur kurz das Lenkrad herumgerissen hatte und bereits weiter fuhr.
 

„Autsch“, stöhnte sie. Und als sie versuchte aufzustehen, sank sie wieder unter Schmerzen zurück. Plötzlich hörte sie ein Rascheln. Anscheinend hatte ein Passant das ganze bemerkt und war ihr zur Hilfe geeilt.
 

Sie griff nach seiner Hand, die er hilfsbereit ausstreckte, um ihr auf die Beine zu helfen.
 

„Danke“, entgegnete Tiffany und verstummte sofort, als sie ihrem Helfer in die Augen sah.
 

Eine abscheuliche Gestalt stand ihr gegenüber. Ohne dass sie etwas weiteres sagen konnte, packte er sie am Kragen. Er war äußerst erfreut über ihr Auftauchen, schließlich hatte er schon den ganzen Tag nach einem neuen Opfer gesucht. Er brauchte Kraft und die bekam er nun. Der kleine Junge von gestern Abend hatte nicht wirklich seinen Bedarf gedeckt. Aber er musste sie von hier fort schaffen. Der Platz war zu öffentlich...
 

Das Mädchen riss die Augen auf und konnte sich im nächsten Moment nicht mehr bewegen. Sie spürte einen unermesslichen Schmerz. Das Brennen ihrer Hüfte war ein Nichts dagegen.
 

Der Dämon grinste erneut, während er das Mädchen fest an sich zog...
 


 

AKT 2
 


 

Cleveland, Hauptstraße

Ein, zwei Stunden später

Buffy hatte Dawn vor ihrem Aufbruch nach Albany den Auftrag erteilt Lebensmittel für das Abendessen zu besorgen. Doch etwas anderes hatte Vorrang. Dawn würde sich sowieso nur wieder anhören müssen, wie ungesund die Fertiggerichte die sie aussuchte waren. Verärgert lief sie durch die Innenstadt Clevelands, auf der Suche nach einem Elektrogeschäft.
 

Ihr tragbarer CD-Spieler machte nicht mehr das was er sollte. In letzter Zeit hatte sie sich oft über das störrische Gerät geärgert. Was hatte sie auch von ihm erwartet, immerhin war er ein Erbstück ihrer großen Schwester.
 

In Ordnung, eher ein unfreiwilliges Erbstück. Glücklicherweise war Buffy nie aufgefallen, dass sich dieser nun im Besitz von Dawn befand, die ihn wirklich gut gebrauchen konnte.
 

Sie grinste in sich hinein. War doch praktisch eine große Schwester zu haben. Aber nun war das Gerät doch schon sehr alt. Sie könnte sich ja mal umschauen, was sie ein Neues kosten würde. In ihrem Nebenjob lief es echt gut, und da Buffy ja nun auch für den Rat arbeitete und Geld verdiente, hatte auch Dawn mehr von Ihrem selbst verdienten Geld.
 

Als sie um die Ecke bog, sah sie schon die Schaufenster.
 

In der Auslage standen nur Fernseher und ein paar Handys lagen dekorativ in Mitten von Lotusblüten dazwischen. Sie musste wohl in den Laden gehen. Drinnen nahm sich Dawn kurz die Zeit, um sich umzusehen. Vielleicht fand sie ja selbst die Abteilung für CD-Spieler und konnte sich ohne Hilfe informieren.
 

Sie schlenderte an der Fernsehwand vorbei, über die gerade die aktuellen Nachrichten vom CL1 Fernsehen flimmerten. Der Verkäufer weiter hinten schaltete gerade am Plasma-Gerät die Lautstärke höher, um dem interessierten Kunden die Tonqualität vorzuführen:
 

“Für CL1, hier ist Cindy Logan. In Cleveland ist ein weiterer Drogenmord geschehen...”
 

Dawn versuchte die Stimme auszublenden, um sich auf die vor ihr liegenden CD-Spieler zu konzentrieren. Es gab einen im Sonderangebot, ein Reststück vom letzten Jahr. Plötzlich stutzte Dawn. Was hatte sie da eben gehört? Ihr Blick wanderte durch die Reihen, und ruhte auf einem der TV-Geräte. Die Nachrichtensprecherin interviewte gerade einen ihrer Reporter. Was hatte sie eben so überrascht?
 

“Peter, es handelt sich bei dem Mordopfer also um eine Schülerin der Lincoln High Scool?”
 

Der Reporter antwortete: “Ja Cindy. Es handelte sich bei dem Opfer um Tiffany Clark. Die Polizei......”
 

Tiffany!
 

Bei der Nennung ihrer Schule erschrak Dawn. Bei der Erwähnung des Namens, erstarrte sie sogar. Tiffany war tot? Tiffany Clark, der Liebling aller Lehrer? Die Einser-Schülerin? Sie hatte sich zur Schülersprecherwahl aufstellen lassen. Es gab kaum jemanden der sie nicht mochte. Sie war lieb, nett und immer hilfsbereit ohne dabei arrogant zu wirken. Dawn richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf den Fernseher.
 

“...man geht davon aus, das es sich um einen weiteren Mord in der hiesigen Drogenszene handelt. Die Schülerin Tiffany wurde hier in dieser üblen, stadtbekannten Viertel gefunden. Die Polizei vermutet, dass sie auf der Suche nach einer der Modedrogen einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen ist. Das Opfer weist deutliche Spuren von äußerer Gewaltanwendung auf. Die Ermittlungen werden.....”
 

Drogen? Das klang gar nicht nach Tiffany. Jemand der drogenabhängig war, sah anders aus und benahm sich auch anders. Den Rest der Nachrichten hörte die junge Jägerin schon nicht mehr. Die Jägerin war aus dem Geschäft gestürmt. Sie musste mit den anderen reden. Tiffany hätte niemals Halluzinogene genommen. Irgendwas stimmte ganz und gar nicht.
 

++++
 

Cleveland, vor dem Wächterhaus

zur selben Zeit

Willow kam in Gedanken um das Ratsgebäude herum, um über den Hintereingang in die alte Baptistenkirche zu gehen. Im ersten Moment nahm sie Faith nicht wahr, die etwas weiter hinten, halb verborgen vom parkenden Schulbus, auf eine Holzpuppe einschlug.
 

Eigentlich hatte Willow heute nicht so schnell wieder in Giles‘ Nähe kommen wollen. Nicht nach dem unangenehmen Gespräch von heute früh, bei dem Dinge unausgesprochen geblieben waren. Dinge, über die sie längst einmal hätten reden sollen. Zum Beispiel, wieso sie Dawn so lange gedeckt hatte... es ging Giles heute Mittag nicht nur um das, was Xander ihm erzählt hatte, das hatte Willow spüren können. War der Streit mit Giles wirklich nötig gewesen? War es überhaupt ein Streit gewesen? Jedenfalls hatte sie dummerweise ihren Schreibblock mit einigen Notizen im Konferenzraum liegen gelassen und den brauchte sie jetzt. Ein plötzlicher Schrei, gefolgt von einem lauten Krachen ließ sie herumfahren.
 

Geschockt starrte sie in Faith’ Richtung, die vor einer halb zerschlagenen Holzpuppe stand, die anscheinend für Trainingszwecke dort aufgestellt wurde. Willow hatte sie bisher allerdings noch nie gesehen.
 

Faith schien die Hüterin nicht zu bemerken, als sie tief Luft holte, einen weiteren Schrei heraus ließ, und mit ihrem rechten Fuß so fest gegen die Figur trat, dass sich einer der Arme löste und leblos zu Boden fiel.
 

Die Jägerin sank auf die Knie, und wischte sich den Schweiß von ihrer Stirn.
 

“So hart am Trainieren?” fragte Willow, nachdem sie einige Schritte näher gekommen war und Faith freundlich anlächelte.
 

Faith fuhr herum. Sie hatte nicht erwartet jemanden um diese Zeit hier im Garten anzutreffen Eigentlich wollte sie ja alleine sein.
 

“Was machst DU denn hier, Willow?”, fragte sie überrascht, während sie aufstand, den abgebrochenen Arm aufhob, ihn kurz an die Stelle hielt an der er vorher gesteckt hatte, und ihn mit einem Schulterzucken wieder fallen ließ, als sie merkte, dass dies nicht mehr zu reparieren war.
 

“Ich hab’ etwas bei Giles vergessen. Und muss jetzt noch mal da rein. Er ist irgendwie... nicht gut drauf.”, Willow lächelte gequält.
 

Die Jägerin drehte sich um, und klopfte den Dreck von ihren Knien, den der Boden verursacht hatte.
 

“Die Sache mit dieser Schlampe von Wächterin lässt ihn wohl auch nicht ganz kalt”, sagte sie noch immer außer Atem, während sie sich mit einem Handtuch den Schweiß von der Stirn wischte.
 

“Hmm... stimmt schon, aber das war nicht der Grund, warum wir gestritten haben.”, Willow lehnte sich an den Bus. “Er hat Dinge erfahren die er nie hätte wissen sollen. Und obwohl Buffy die Schuldige ist, hat er alles an mir ausgelassen.”
 

Faith legte das Handtuch beiseite, nahm sich die Wasserflasche und lehnte sich neben die Hüterin an die Stoßstange des Busses.
 

”Auch wenn ich absolut keine Ahnung habe worum es geht.. und es ist mir ehrlich gesagt auch ziemlich egal ..aber, bist du irgendwie.. angepisst?”
 

“Bitte?” Willow sah Faith überrascht an und musste dann kurz lächeln “Ja--- ja, irgendwie trifft es das ganz gut. Ich bin sauer. Auf Giles, Buffy... Xander. Und irgendwie wohl auch gerade auf die ganze Welt!”
 

“Davon merkt man aber nicht viel!”, grinste Faith.
 

“Was soll ich denn tun? Die Welt noch einmal zum Untergang verdammen?” erwiderte Willow und lächelte schwach. “Oder mich genau wie du an dieser armen Puppe abreagieren, die doch eigentlich nichts dafür kann?” Sie deutete auf die Trainingspuppe, der neben dem Arm auch schon die linke Hälfte des Gesichtes fehlte.
 

“So in etwa.”
 

“Ich glaube ich tue lieber irgend etwas was ich schon lange nicht mehr getan hab’. Ich brauch’ eine Pause, und muss irgendwie auf andere Gedanken kommen... und diese Pause nehme ich mir heute Nachmittag, indem ich ausgiebig shoppen gehe!”, Willow strahlte.
 

“Hmm.. na ja, wenn dich das glücklich macht,” Faith nahm einen Schluck aus der Flasche und versank dann wieder in Gedanken. Wegen Lily konnte Vi nicht mehr shoppen gehen. Und sie hatte das Shoppen geliebt. Sie hatte Lily vertraut. Vi hatte Lily vertraut. Wie konnte die Wächterin ihnen allen das nur antun?
 

“Was ist eigentlich mit dir los? Es muss ja einen Grund geben, wieso du den armen Bob hier zur Brei schlägst.”
 

”Bob?” Faith sah sie gedankenverloren und verwirrt an. Willow nickte zu der Puppe und Faith musste kurz lächeln.
 

”Ach so.. nein. ich .. ähm..” Faith hielt inne. Sollte sie es Willow anvertrauen? WILLOW? Wieso eigentlich nicht? Ihr Verhältnis war im letzten Jahr um einiges besser geworden, und vielleicht konnte sie ihr weiterhelfen.. immerhin hatte die junge, rothaarige Frau auf diesem Gebiet mindestens genau so viel Erfahrung wie sie selbst.
 

“Ich hatte einen Traum. Oder besser gesagt einen Alptraum.”, die Jägerin stieß sich von der Stoßstange ab, trat einen Schritt vom Bus weg, drehte sich dann um und sah Willow direkt in die Augen. “Wieder einen Eve-Traum. Obwohl du mir geholfen hast und die Magier mir die Antworten gegeben haben, träume ich noch immer von dieser Irren. Sie... ich... sie hat mir Lily am Grab von Vi gezeigt. Es war mehr.. ich habe “visioniert”.., falls es so ein Wort überhaupt gibt. Na ja, egal. Eve hat mir damit Vi’s Mörderin gezeigt.” Faith holte Luft und sah auf den Boden.
 

“Anschließend habe ich Lily gejagt, als wäre sie ein Dämon und schließlich habe ich sie.. förmlich hingerichtet.. und es war ein ziemlich blutiger Traum..” Faith sah wieder auf.
 

“Das ist ein...sehr ereignisreicher Traum.”, Willow suchte nach den richtigen Worten.
 

“Und ich bin mir ziemlich sicher, dass Eve die Wahrheit erzählt hat. Sie hat mich mit Waffen versorgt, und ich war ihr dankbar dafür. Auch wenn ich es nicht erwartet hätte, durch ihre Hilfe konnte ich Lily so töten wie sie Vi getötet hatte. Wenn ich genau darüber nachdenke, habe ich mir für einen Augenblick gewünscht es hier in der Realität zu tun.”
 

Faith machte wieder eine Pause, sah kurz zu der Puppe und blickte dann wieder zu Willow
 

“Um ehrlich zu sein, war es nicht nur ein Augenblick. Ich weiß nicht, was passiert, wenn ich Lily über den Weg laufe. Ich.. ich weiß nicht ob ich mich beherrschen kann. Ich möchte sie töten, ihr das Herz heraus reißen, mit meinen eigenen Händen, aber auf der anderen Seite weiß ich, dass das falsch wäre.. VERDAMMT!” Faith drehte sich um und verpasste der Figur einen weiteren Tritt, woraufhin das Holz splitterte und ein großes Loch im Brustraum der Trainingspuppe zurück blieb.
 

“Ich verstehe dich Faith. Wie du weißt habe ich meinen Gefühlen damals leider nicht nur in einem Traum Ausdruck verliehen. Und es ist auch nicht einmal so abwegig das Lily auch hier die Schuldige ist... Vielleicht versuchst du es einfach für den Anfang mit Lilys Gesicht auf dieser morschen Puppe, oder ein paar Dartpfeilen.”, Willow zwinkerte Faith zu.
 

“Pff...” Faith verlor das Interesse am Gespräch und griff wieder nach der Wasserflasche.
 

“Nein Faith, ich meine es Ernst. Du musst deinen Aggressionen freien Lauf lassen, sonst fressen sie dich auf. Schlag diese Puppe zu Brei, wenn es dir hilft. Geh auf den Schrottplatz und verarbeite einige Autos zu Schrott. Lass es raus...,” Willow zwinkerte ihr erneut zu, stieß sich von der Motorhaube ab und machte sich bereit zum Gehen.
 

“Auch wenn ich keinen Menschen töten will...ich spüre dieses Verlangen danach...”, antwortete Faith in Gedanken, ohne auf Willows Worte genauer einzugehen.
 

+++
 

Cleveland, Hauptstraße

Selber Nachmittag,

etwas später

“Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie Drogen genommen hat.” Dawn war immer noch geschockt über den Tod ihrer Mitschülerin und hatte sich zur Ablenkung mit ihren Freunden zum Einkaufen verabredet.

Aber sie sprachen alle über den Mord, also war es doch nichts mit Ablenkung.
 

“Ach komm, hör doch auf. Du glaubst doch nicht wirklich, dass sie so toll war und trotzdem völlig normal geblieben ist. Solche perfekten Leute haben meist eine Leiche im Keller.” Mara sah die Sache völlig anders als Dawn.
 

”Schau mal, Klassenbeste, Jahrgangsbeste und Chefin vom Debattierclub, vom Schachclub und vom Wissenschaftsclub.” Nacheinander zählte ihre Freundin diese Dinge an den Fingern ab. “Sie war das Aushängeschild der Schule und eine totale Streberin.” Zwei weitere Finger bogen sich. “Alleine die Zeit und die Energie die sie dafür gebraucht hat. Von den ganzen Nachhilfestunden ganz zu schweigen.”
 

“Sie hat Nachhilfe gegeben?” Josh war völlig überrascht. „Na das hätte ich mal früher wissen sollen. Ich hätte sie engagiert und wäre dann vielleicht besser in Mathe gewesen.” murmelte er in sich hinein. Seine letzte Matheklausur hatte Josh völlig verhauen.
 

“Klar,” lachte Sam “Du hättest dann den Winkel ihres Ausschnittes gemessen, aber sicher kein Mathe gelernt.”
 

“Hey!” Josh versuchte seinem Freund an die Schulter zu boxen.
 

“Hilfe!” rief Sam und versteckte sich hinter Dawn “Große Herrin hilf mir armer Seele, er will mir weh tun.”
 

“Komm raus du Feigling.” lachte Josh.
 

“Ich denk nicht dran! Hier hinten gefällt’s mir ganz gut.” Während dessen sprang Sam ständig hinter Dawns Rücken hin und her, während er sich festhielt. Die beiden gaben dadurch ein völlig kindisches Bild ab, so das Mara gespielt erwachsen die Augen verdrehte.
 

“Jungs!”
 

Sie befreite Dawn mit einem kräftigen Griff und hakte sich bei ihr ein.
 

“Jetzt mal wieder zurück zum alten Thema. Du glaubst doch nicht dass Tiffany eine weiße Weste hatte, oder?”
 

“Doch. Denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie Drogen genommen hat.”
 

“In gewisser Hinsicht gebe ich Dawn aber recht,” mischte Sam sich in das Gespräch ein.

“Die Polizei macht es sich manchmal sehr einfach. Es gab schon viele Gerichtsverfahren die abgeschmettert wurden, weil die Polizei bei Beweisen geschlampt oder nicht richtig recherchiert hatte.”
 

“Das bringt doch jetzt eh nichts, dass wir hier herum diskutieren. Lasst uns shoppen gehen.” Zielstrebig zog Mara Dawn zum nächsten “GAP” dessen Werbeschild soeben an der Ecke aufgetaucht war.
 

“Muss das sein,“ maulte Josh, "Klamotten hab ich genug, ich gehe rüber in den Comic-Shop.”
 

Allein diese Bemerkung brachte ihm einen zweifelnden Blick der Clique ein. Mara zuckte mit den Schultern. “Ich will dich ja nicht zwingen.”
 

Während Dawn die endlosen Reihen an Kleidern und Röcken abschritt, gingen ihr mehrere Gedanken durch den Kopf. Was war wirklich mit Tiffany passiert? Wie konnte sie heraus finden, ob das Mädchen wirklich Drogen genommen hatte?
 

“Cool, schaut mal was ich gefunden habe. Das T-Shirt und die Capri-Hose sehen ja wohl voll geil aus. Ich verschwinde mal.” Sam hatte sich mit einer blauen Hose und einem farblich abgestimmten T-Shirt in Richtung Umkleidekabine verzogen, und grinste dabei. Mara sah dem Jungen höchst amüsiert hinterher, während Dawn in Gedanken versunken einen Rock vom Ständer nahm.
 

Vielleicht könnte man ja an den Autopsiebericht herankommen. Ob es übernatürliche Ursachen hatte? Am Höllenschlund war das sicher nichts ungewöhnliches.

Aber mit ihren Freunden hier konnte sie das nicht besprechen.
 

“Hey Dawn, ich geh mal nach den Parfüms gucken, Klamottenmäßig ist heute nichts für mich dabei. Das ganze habe ich schon letzte Woche gesehen.” Mara verschwand in den oberen Stock.
 

Je länger Dawn über die ganze Situation nachdachte umso merkwürdiger kam ihr das Ganze vor.

Auf jeden Fall musste sie mit jemandem darüber reden. Die Frage war nur, mit wem.

Ohne das sie es gemerkt hatte, war Dawn in Richtung der Umkleidekabinen gegangen und stand davor, als ihr plötzlich Willow in einem engen, neuen Rock gegenüberstand, an dem noch die Preisschilder hingen.
 

“Oh. Hi Dawnie.”
 

“Was machst du denn hier Willow? Bei deinem Klausurstress... Aber erst einmal hallo!”
 

“Ich habe beschlossen mir einmal einen freien Nachmittag zu gönnen. Heute Nacht werde ich sowieso wieder kein Auge zu machen können.” Willow lächelte gequält. Doch das war Dawn‘s Chance.
 

“Willow, darf ich dir was komisches erzählen? Ich würde gerne mal deine Meinung dazu hören.”
 

++++
 

Albany, Stadtmitte

zur selben Zeit

“Und hier haben sie erst gestern den Besitzer und seine Angestellten umgebracht und anschließend neben der Kasse die meisten Filme mitgenommen,” Robia war mit Buffy vor einem Filmverleih stehen geblieben, dessen Scheibe eingeschlagen war. Ein Holzbrett war auf die aufgebrochene Tür genagelt geworden und ein gelbes Absperrband wies darauf hin, dass hier eine Ermittlung lief.
 

“Sie sind ziemlich fleißig,” murmelte Buffy. “Wie viele sind es?”
 

“Keine Ahnung. Wir haben sie nicht gezählt. Ich befürchte aber fast, dass sie jeden den wir töten konnten mit zwei Menschen aus der Stadt ausgeglichen haben. Es sind immer einige verschwunden, die wir danach nie mehr gefunden haben.”
 

“Wir bekommen das schon hin,” Buffy tätschelte etwas ungeschickt die Schulter der jungen Jägerin und fühlte sich an die Geste von Giles erinnert, die er immer für sie bereit hatte, wenn sie den Kopf hängen ließ. Überrascht über sich zog sie die Hand wieder zurück. “Wo ist ihr Versteck?”
 

“Sam und ich haben es verzweifelt gesucht, aber weder in den leerstehenden Gebäuden noch auf dem alten Friedhof haben wir eine Spur gefunden.”
 

“Gibt es hier Höhlen?”
 

“Nein.. aber halt.. doch die alte Mine...”
 

Buffy‘s Gesicht hellte sich auf. “Na das ist doch schon einmal ein Anfang....”
 

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Cleveland, GAP

Ein paar Minuten später

“Jedenfalls bin ich fest davon überzeugt, das Tiffany keine Drogen genommen hat und ihr Tod irgendwie übernatürlich war.”, mit diesen Worten schloss Dawn ihren Bericht für Willow.

Die Hexe war während der ganzen Erzählung erstaunlich desinteressiert gewesen. Willow hatte kaum Rückfragen gestellt.
 

“Ach weißt du Dawnie. Du fängst schon an überall mystische Dinge zu sehen. Wie Giles. Er scheint abzufärben,” sie grinste. “Du kanntest die Schülerin doch kaum. Wahrscheinlich haben sie die ganze Sache nur aufgebauscht um Einschaltquoten zu bekommen.” Tiffany‘s Name war Willow entfallen. Interessiert schaute sie sich einen Jeansrock an. Ob er zu kurz war? Kennedy würde das sicher nichts ausmachen.
 

“Erde an Willow! Hörst du mir überhaupt zu?”, langsam wurde Dawn wütend, ihre Freundin begeisterte sich anscheinend mehr für Klamotten, als für ihre Geschichte.
 

“Klar, ähm...was hast du gerade gesagt? Sorry, ich war gerade in Gedanken. Wie findest du den Schnitt?” Willow hielt Dawn den Rock hin.
 

“Wie? Ja er ist in Ordnung. Ich sagte, dass ich sie nicht gut kannte, aber immerhin so gut um zu wissen, dass sie keine Drogen nimmt. Die Polizei denkt zwar, dass es damit etwas zu tun hat, aber das nur, weil sie sie in einer Drogengegend gefunden haben und sie glauben, dass die Merkmale ihres Todes etwas damit zu tun haben könnten. Kannst du dich nicht mal in die Datenbank der Polizei hacken und den Autopsiebericht checken? Dann wissen wir vielleicht schon etwas mehr.”, die Jägerin sprudelte nur so vor Ideen.
 

“Dawn, ich könnte das tun, aber ich mache das nur in Ausnahmefällen, wo wir sicher sein können, das wir auch etwas herausfinden. Die Polizeidatenbank ist kein Selbstbedienungsladen.”, antwortete Willow konsequent.
 

“Ja das weiß ich...” Dawn wurde mittlerweile sehr ungeduldig. Wollte die Hexe sie nicht verstehen? Oder war ihr die Sache wirklich so egal. “Aber es hätte doch jemand an der Schule gemerkt, dass sie so ein Zeug nimmt. Das wäre der richtige Stoff für Gerüchte gewesen. Jemand hätte sie dabei erwischen können und es hätte die ganze Schule gewusst. Außerdem sind doch die Anzeichen für Drogenmissbrauch bekannt, dass sieht man doch den Leuten an.”
 

Willow holte tief Luft: “Dann haben sie sich vielleicht im Namen geirrt. Du darfst nicht alles glauben, was die Reporter erzählen. Was meinst du, ist der Rock zu kurz?”
 

“Will’, das ist nicht der richtige Augenblick um über Röcke zu diskutieren!” Dawn war sauer. “Verschließ nicht die Augen vor der Wahrheit!”
 

Willow drehte sich zu Dawn und packte sie an den Schultern.

“Dawn, jetzt hör mir mal zu. Ich verschließe meine Augen nicht. Ich bin nur realistisch. Ich sehe nicht hinter jeder Ecke einen Dämon stehen und du solltest das auch nicht. Genieß die Zeit die dir noch bleibt, bevor dich die Mühlen der Wächter einholen. Buffy wäre damals froh gewesen, wenn sie mal einen ‚normalen’ Todesfall gehabt hätte.” Hatte Willow in letzter Zeit denn nie erwähnt, wie kurz und kostbar ihre freie Zeit war?
 

“Ich bin aber nicht Buffy und ich glaube hier nicht an einen normalen Tod!”
 

“Na dann hat die Polizei vielleicht voreilig gehandelt und es nur vermutet, aber ich kann an dieser Sache wirklich nichts unnatürliches entdecken. Morde geschehen nun einmal. Tut mir leid, aber ich möchte diese Diskussion damit beenden. Ich habe auch noch ein Leben neben dem Übernatürlichen und dazu gehört dieser Rock, den ich jetzt anprobiere.”
 

Dawn verdrehte die Augen, aber schwieg. Sie fühlte sich ein wenig verloren und hilflos. Offensichtlich musste sie die Sache alleine in die Hand nehmen.
 

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Cleveland,

eine Autobahnbrücke

’Hallo mein kleiner Bruder’, ertönte im Kopf des jüngeren Dämons die leicht ironische Stimme seines großen Bruders. Dieser stand plötzlich vor ihm, siegessicher. Durch die dunkelbraune Haut der beiden, waren sie kaum von der Autobahnbrücke zu unterscheiden. Beide standen im Schatten, und außerdem prangten einige Schriftzüge auf der baufälligen Betonbrücke. Es nieselte leicht, und der Himmel war voller grauer Wolken.
 

Die Straße war um diese Zeit nur leicht befahren, also war dies ein sicheres Versteck. An diesem ruhigen Nachmittag war nur ab und zu das Quietschen der Autoreifen zu hören.
 

‚Du bist im Rückstand.’ Der Ältere grinste. Er war schon immer der Stärkere gewesen, und nach seinen beiden neuen Opfern stand sein Bruder noch weiter unter ihm. Er war der ältere, und der der den Stolz ihres Vaters verdiente. Wenn er genau darüber nachdachte, wollte er seinen Bruder nicht einmal als solchen bezeichnen. Gewisse Schuld am Tod ihrer Eltern traf immer noch ihn.

Natürlich war der Jüngere neidisch auf seinen großen Bruder. Wenn er es nicht bald schaffen würde einige Opfer auf seiner Strichliste einzutragen, würde er nie die Reife seines Bruders erreichen.
 

‚Gib mir lieber Tipps, anstatt mir das Ganze vorzuhalten. Unsere Eltern haben dich immer mehr bevorzugt, und da sie kurz nach meiner Geburt starben, hatte ich nie die Chance so eine Ausbildung wie du von Vater zu bekommen.’ Grimmig sah er seinen Bruder an. Mit den Wülsten unter seinen Augen sah er noch furchterregender aus, doch sein Verwandter war ihm auch hier einen Schritt voraus und war noch hässlicher als er selbst.
 

‚Wenn du die Opfer angreifst die ich für dich ausgesucht habe, wirst du ein leichtes Spiel mit allen weiteren haben. Sie sind nicht von der normalen Sorte. Zwei Jägerinnen.’ Mit einem Lächeln legte der Große seine von Kämpfen gezeichnete Hand auf die Schulter des anderen. Einige großflächige Verbrennungen und Narben ließen nur vermuten, dass er bereits einige Kämpfe mit anderen Dämonen hinter sich hatte. Durch diese hatte er immer ein leichtes Spiel mit gewöhnlichen Menschen gehabt.
 

‚Jägerinnen? Du glaubst doch nicht wirklich dass ich darauf hereinfalle? Die sind doch noch schwerer zu bekommen als andere Sterbliche.’ Er ging ein paar Schritte weiter weg, um seinem Bruder wieder in die Augen zu sehen.
 

‚Keine Sorge mein Freund. Sie sind noch recht neu im Geschäft, ein leichtes Spiel für dich. Beide wohnen hier in der Umgebung. Sie sind leicht zu finden.’
 

‚Aber was ist, wenn sie doch stärker sind als ich?’, fragte der Jüngere verunsichert.
 

‚Stell keine solchen Fragen! Was glaubst du was unser Vater von dir halten würde, wenn du dich nicht einmal zwei schwachen Frauen stellst. Du bist eine Schande für unsere Familie!’, der Ältere sah den Jüngeren durchdringend an.
 

‚Du hast Recht...ich werde schon noch aufholen. Darauf kannst du dich verlassen.’ Das konnte er einfach nicht auf sich sitzen lassen.
 

++++
 

Cleveland, eine abgelegene Lichtung

Später Nachmittag

Mit jedem weiteren Schlag krachte der Baum erneut.

Ronah trainierte in einem etwas abgelegenen Gelände. Ein paar Bäume standen vereinzelt auf der Lichtung, sowie ein verrosteter Metallzaun, der überhaupt nicht in diese Idylle passte.
 

Hier war sie ungestört, und konnte sich für weitere Kämpfe rüsten. Nachdem was mit Vi geschehen ist, durfte sie sich keinen Ausrutscher mehr leisten. Eine Unachtsamkeit konnte sie das Leben kosten.
 

Der Kampf vor zwei Tagen hatte Spuren hinterlassen, auch wenn die heilenden Kräfte einer Jägerin, schon dafür gesorgt hatten, dass es kaum noch weh tat. Aber die blauen Flecken im Gesicht erinnerten noch jeden Morgen daran, was in den Höhlen am Erie-See geschehen war.
 

Nach ein paar Minuten stand Ronah schweißgetränkt unter dem größten Baum. Sie hatte mit etwas zu viel Einsatz gegen die Bäume geschlagen, und nun war etwas Haut auf ihrem Handballen aufgeplatzt. Sie versuchte die Blutung zu stillen, was ihr auch schnell gelang.
 

Plötzlich hörte sie ein Knistern. Was war das? Wahrscheinlich nur irgendein Tier, dass sich hierher verlaufen hatte. Aber als sie erneut ein Geräusch wahrnahm, spitzte sie ihre Ohren. Doch bald war dies nutzlos, da nach wenigen Sekunden ein starker Regen einsetzte. Sollte sie weiter trainieren? Am besten wäre es, schnell auf die Straße zu rennen und sich einen anderen Ort dafür zu suchen. Einen, der trockener war.

Der Himmel verdunkelte sich relativ schnell. Hatte sie etwa auch die Zeit übersehen?
 

Sie trat einen Schritt nach vorn. Wieder dieses Geräusch. Verunsichert drehte sie sich im Kreis.

Der Regen war inzwischen schon so stark geworden, dass der Baum nicht mehr seine Wirkung tat. Nach ein paar Sekunden hingen ihre schwarzen Haare schlaff herunter, und ihre Kleidungsstücke klebten an ihrem Körper.
 

Plötzlich stand ein Dämon hinter ihr. Seine Augen leuchteten, und waren trotz der einsetzenden Dunkelheit gut zu erkennen.
 

‚Ich glaube dein Training war umsonst. Es hat ohnehin dein letztes Stündchen geschlagen.’
 

Sie wusste nicht woher die Stimme kam, aber Ronah wirbelte um ihre Achse herum. Sie fixierte ihn erschrocken mit ihren Augen. Hatte er so laut geschrien oder war die Stimme nur in ihrem Kopf?
 

“Das glaube ich nicht!”, antwortete die Jägerin, doch sie konnte nicht einmal ihr eigenes Wort hören.
 

‚Du wirst bald nicht einmal mehr die Stimme dazu haben, um um Hilfe zu schreien!’, er grinste in sich hinein. Das war seine Chance, seinem Bruder zu beweisen, dass er auch nicht ganz ohne war.
 

Im nächsten Augenblick rannte er auf sie zu. Ronah ging in Abwehrstellung, und ließ den Fuß des Dämons ins Leere treten. Sie duckte sich, als ein weiterer ihren Kopf treffen sollte. Mit einem Faustschlag traf sie den Dämon in den Brustkorb, doch er fing sich auf, bevor er auf dem Boden aufprallte.
 

‚So einfach zu besiegen sind diese Jägerinnen ja doch nicht.’, murmelte der Dämon in sich hinein.
 

Siegessicher rannte Ronah auf ihn zu. “Sie hatte sich zuvor ihren Speer, welcher im Boden steckte, gegriffen, und zielte nun erneut auf seinen Brustkorb. Er wich nach rechts aus, und sie streifte nur seine Schulter. Dunkles Blut rann seinen Oberkörper entlang.
 

Wütend packte er sie, und drehte sich im Kreis. Er schleuderte sie gegen die große Eiche. Ronah schnappte nach Luft. Ihr ganzer Körper fühlte sich nicht besonders gut an, doch so einen Möchtegern-Gegner würde sie allemal besiegen können.
 

Vor ihrem Gesicht tauchte seine Fratze auf. Er grinste. Doch dann sammelte sie wieder neue Kräfte. Mit einem Fußtritt schleuderte sie den Dämon von sich weg und stand auf.
 

“Na warte!”, schrie sie, und rannte auf ihn zu. In seiner Verwunderung bemerkte der Dämon nicht, dass sie bereits kurz vor ihm stand, und ihm ins Gesicht schlug. Beim nächsten Schlag duckte er sich, und konterte sofort mit seiner Faust, die die Jägerin genau im Bauch traf.
 

Sie wurde weiter zurück geschleudert und ihr Seitenstechen wurde nur noch schlimmer. Schnell atmend richtete sie sich auf. Als sie auf den Boden sah, bemerkte sie, dass ihr Speer nicht weit entfernt von ihr lag. Bevor der jüngere Dämon reagieren konnte, hielt sie die Waffe schon sicher in ihrer Hand.
 

Als er erneut auf sie zu rannte, rammte sie den bereits blutigen Speer in seine andere Schulter. Er schrie auf, doch nichts kam aus seiner Kehle. Ein gewaltiger Schmerz machte sich in seinem ganzen Körper breit.
 

‚Mein eigener Bruder, hat mich verraten.’, dachte er sich. Das verlangte nach Rache, doch vorher musste er sich noch erholen.
 

Bevor er auf die Knie ging, funkelte er Ronah an. ‚Dann eben beim nächsten Mal.’, hörte sie, als er aufstand, über den Zaun sprang, und im Wald verschwand.
 

“Dass darf doch nicht wahr sein!”, murmelte sie. “Hat man denn nie seine Ruhe vor denen?”
 

Der Regen wurde langsam schwächer, und sie rannte so schnell sie konnte zur nächsten Telefonzelle. Gott sei Dank hatten die Rabauken, die sonst immer die Telefonhörer von den Angeln rissen, hier nicht ihr Werk verrichtet. Hastig tippte sie Robin‘s Handynummer ein.
 

Dieser Angriff roch nach einer neuen Scoobie Sitzung.
 

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Cleveland, eine Autobahnbrücke

Etwas später

‚Was fällt dir eigentlich ein!’, der jüngere Dämon trat gegen eine Holzkiste, die quer über seinen großen Bruder flog. Dieser hatte sich schon einen Schlafplatz eingerichtet. Ein paar zertretene Getränkedosen und zerfetzte Decken waren noch vom Vormieter geblieben, und ließen das ganze wohnlich wirken. Vielleicht würde er hier ja länger sein Lager aufschlagen müssen, wenn sein Blutsverwandter weiterhin Schwäche zeigte.
 

‚Was ist dir denn über die Leber gelaufen?’, fragte der Ältere mit Unschuldsmiene, doch er grinste in sich hinein. ‚Hat dich diese kleine Jägerin fertig gemacht?’ Er sah seinen kleinen Bruder an, und erkannte dass seine Schultern verletzt waren. Sein dunkles Blut tropfte in langsamen Abständen auf den Boden. ‚Ruinier mir nicht das Ambiente!’
 

‚Du hast mir diesen Tipp gegeben. Doch diese schwarze Jägerin hättest du bestimmt auch nicht erledigen können. Gibt es denn keine andere Jungfrau in dieser Gegend?’, er funkelte seinen Gegenüber an, und schlug gegen eine weitere Kiste, die sein Bruder fast liebevoll zu einem Tisch umfunktioniert hatte.
 

‚Natürlich...aber mit deiner Kraft, ist doch jede zu stark für dich.’
 

Der Jüngere wurde wütend, und ballte seine Faust. Sein eigener Bruder wollte ihn einfach so abschlachten lassen.
 

‚Du bist einfach dumm. Leuchtet es dir nicht ein, dass du mit der schwächeren Jägerin anfangen hättest sollen? Dann hättest du genug Kraft für diese gehabt. Mach dich auf den Kampf mit ihr bereit. Falls du in Schwierigkeiten kommst, wird es wohl wieder an mir hängen bleiben dir zu helfen!’
 

‚Ob ich dir noch trauen kann?’, fragte der Jüngere Dämon.
 

‚Wem sonst? Wir sind die einzigen zwei unserer Rasse hier. Es existieren nicht mehr viele von uns, und wir beide müsse stärker werden um wieder an mehr Macht zu kommen.’, antwortete der Ältere. ‚Erinnere dich was mit unseren Eltern passiert ist.’
 

‚Na gut...’, schließlich war er immer noch sein Bruder, und ohne ihn würde er nicht mehr lange zu leben haben. Wenn es mehrere von diesen Jägerinnen gab, würden sie seinen großen Bruder ohne mit der Wimper zu zucken erledigen.
 

‚Dann streng dich mal an Bruderherz!’
 

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Albany, Mine

Der Kampf war in vollem Gange und Buffy hatte, mit Hilfe von Robia, alle Hände voll zu tun die halb schlafenden, halb wachen Vampire in die ewigen Jagdgründe zu schicken.

Einen Teil der Vampire hatten sie tatsächlich im Schlaf gepfählt. Ein schneller und leiser Tod für diese Monster, die dem kleinen Ort so viel Leid angetan hatten. Doch schnell bekamen die anderen in der breiten Höhle, in welcher der Minenschacht endete, mit, was um sie herum geschah. Manche reagierten panisch und flohen, nur um in den letzten Sonnenstrahlen des Tages zu verglühen. Einige versuchten die beiden Jägerinnen mit bloßen Händen anzugreifen, während der Rest so etwas wie eine durchdachte Abwehrstrategie auf die Beine stellen wollte.

Nichts davon hielt Buffy lange auf.
 

Am Ende stand ihnen nur noch ein kleines Grüppchen Vampire gegenüber, die Eisenpickel oder einfache Holzstangen als Waffen in den Händen hielten. Buffy, trotz ihrer Erfahrung und Stärke deutlich vom harten Kampf gegen die kleine Übermacht gezeichnet, schubste Robia in den Hintergrund. Das hier war eine Angelegenheit, die eine erfahrene Jägerin erledigen musste.
 

Sie griff fest um ihr mitgebrachtes Schwert und sprang zwischen die Vampire, die überrascht über so viel Mut, erst angriffen, als Buffy bereits einen Vampir geköpft und einen weiteren mit dem Pflock in der anderen Hand gepfählt hatte.
 

Auf einmal war Buffy damit beschäftigt Holzstangen, die auf sie einprügelten mit der flachen Seite ihres Schwertes abzublocken. Kurz sah die Jägerin über ihre Schulter. Hinter ihr war die Felswand. Wenn es ihr gelang, die Vampire dort hin zu locken, hatte Robia eine Chance, von hinten den einen oder anderen zu pfählen.
 

Langsam ließ sich Buffy nach hinten drängen und konnte gerade noch im letzten Moment einen der Pickel abfangen, dessen Spitze bedrohlich auf ihr Gesicht zugerast war. Dann fühlte sie die kalte Wand in ihrem Rücken.
 

Ihre Gegner lächelten siegessicher, doch letztendlich war es Buffy, die breit grinste, als vor ihr drei Vampire schnell hintereinander zu Staub zerfielen. Hinter der Aschewand tauchte Robia auf, die ihren Pflock ansetzte, um einen der letzten beiden Vampire zu pfählen. Doch dieser witterte die Gefahr, wirbelte herum und schlug der jungen Jägerin ins Gesicht, während der andere den kurzen Moment der Ablenkung nutzte, um Buffy am Kragen zu packen.
 

Der Vampir über Robia spuckte auf die Jägerin und verzog sein wulstiges Gesicht zu einer abfälligen Miene. “Hast dir wohl Hilfe holen müssen. Dein kleiner, süßer Wächter hat dir nicht gereicht. Übrigens... er war ein vortrefflicher Jahrgang...”, seine Stimme ging in einen schmerzhaften Schrei über, als Robia ihren Mut sammelte und dem Vampir zwischen die Beine trat.
 

“Das ist für Sam, du Schwein,” sie sprang auf ihre Füße und rammte ihren Pflock dem durch den Schmerz wehrlosen Monster in den Rücken. Mit einem “Puff” zerfiel er zu Staub.
 

Buffy war es inzwischen gelungen mit einem raschen Griff, die Arme um ihren Hals aufzubrechen, schlug ihren Kopf dem Vampir auf die Nase und brachte ihn mit einem halb hohen Beintritt von sich fort. Sie sprang nach, griff nach dem Pickel am Boden und schlug ungebremst auf das Monster ein. Der Pickel drang in den Brustkorb ein und brachte den Vampir zu Boden, der sich schreiend und um sich tretend von links nach rechts wandte.
 

“Er gehört dir,” sagte Buffy und trat zurück. Robia suchte nach einem Pflock und alles was ihr blieb war eine der Holzstangen, die sie aufnahm und damit zu dem Vampir trat. Sie starrte ihn für einen Moment lang an, ehe sie ausholte und seinem Leiden ein Ende setzte. Sie sah zu Buffy.. nicht erleichtert, über das Ende der Gang, sondern eher traurig und niedergeschlagen. “Das war mal mein Biologielehrer...,” Buffy und Robia starrten auf das Häufchen Asche vor ihnen und die blonde Jägerin verstand sehr gut, wie sich die jüngere fühlte... das alles hatte sie auf ihre Art ebenfalls durchlebt. Doch der Spuk in Albany war vorbei...
 

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Straßen von Cleveland

Später Abend

Müde kickte Dawn einen kleinen Stein vor sich her. Willow‘s Worte gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf. Wie konnte die Hexe nur so stur sein? Sie war total abwesend und hatte Dawn nicht einmal richtig zugehört. Leider war Dawn‘s Ausbruch am Schluss der Diskussion auch überflüssig gewesen. Jetzt wanderte sie schon seit Stunden in der Stadt umher, um sich über ihre Gedanken klar zu werden. Die Sonne war bereits am untergehen... und mit einem Blick auf ihre Uhr, wurde ihr bewusst, dass Buffy bald nach Hause kommen würde. Sie hatte nicht einmal eingekauft, wie abgesprochen...
 

Doch Tiffany ging ihr einfach nicht aus dem Kopf. Es war absurd einfach den Nachrichten glauben zu schenken, ihre Schulkameradin würde nie auf so eine schiefe Bahn kommen, um gar umgebracht zu werden.
 

“Hey Kleine hast mal ’n bisschen Kleingeld?”, eine zerlumpte Gestalt taumelte auf die Jägerin zu, und hielt seine ungepflegte Hand in Dawn‘s Richtung.
 

“Ähh, nein, hab’ ich nicht.”, stotterte Dawn und beeilte sich um weiter zu gehen.
 

“Hey, gib mir Geld, du hast doch genug!” rief er ihr laut hinterher.
 

Wo war sie nur gelandet? Wieso musste sie immer ihren Kopf durchsetzen, und war den Straßenschildern gefolgt die sie in die Richtung von Tiffany‘s Fundort geführt hatten?
 

Als sie sich umschaute wurde es ihr ganz anders, ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken. Wo sie hinsah lagen und husteten einige fürchterlich aussehende Personen. Genauso standen an den meisten Straßenecken tätowierte Männer beisammen, und unterhielten sich.
 

Ob sich Tiffany nicht selbst zu schade war um freiwillig in so eine Gegend zu gehen? Ansonsten hatte ihr wohl eine gehörige Portion gesunder Menschenverstand gefehlt.
 

Jetzt wo sie schon einmal hier war, könnte sie sich ja auch genauer umsehen. Insgeheim hoffte sie, dass ihr nichts passieren würde, schließlich sahen diese Gestalten finster aus, aber ihr als Jägerin konnte sobald keiner etwas anhaben. Jedenfalls niemand von menschlicher Gestalt.
 

Dawn‘s Blick fiel auf einen alten und verunstalteten Friedhof. In den Nachrichten stand die Sprecherin ein paar Meter neben diesem. Also dürfte der Fundort nicht weit davon entfernt sein. Vielleicht würde ihr ja das ein oder andere Indiz übernatürlicher Art auffallen. Auch wenn es ihr nicht gefiel um diese Uhrzeit an einem solchen Ort zu sein.
 

‚So ein kleines Mädchen noch so spät unterwegs? Müsstest du nicht schon im Bett sein?’
 

Wer sprach da zu ihr? Aber vor allem wo war er? Eigentlich hörte es sich eher wie ein Hallen in ihrem Kopf an.
 

‚Rate!’
 

Dawn drehte sich, und in ihr Blickfeld drängte sich der jüngere Dämon. Die dunklen Gestalten in diesem Viertel kamen nicht einmal annähernd an seine Abscheulichkeit heran, obwohl er den Körperaufbau eines Menschen hatte. Die dunkelbraune und vermoderte Haut war kaum von den Bäumen hinter ihm zu unterscheiden. Seine Augen leuchteten grellgelb, und seine verschimmelten Zähne konnte sie noch einige Meter entfernt von ihm riechen.
 

”Was hast du vor?”, schrie Dawn.
 

‚Lass mich überlegen,...’, er ging ein paar Schritte auf sie zu. ‚Eine Jägerin zum Nachtisch wäre nicht schlecht.’ Er wollte mit neuem Mut in den Kampf ziehen.
 

Der Dämon grinste. Auch wenn es eigentlich nicht seine Art war, war es vielleicht die richtige Methode um seine Gegnerin physisch einzuschüchtern, wie es sein Bruder immer mit ihm tat.
 

“An mir wirst du dir die Zähne ausbeißen! Ich bin zäh.” Trotz ihrer Selbstsicherheit hatte sie das Viertel vorhin eingeschüchtert. Außerdem war sie nicht so ausgebildet wie andere Jägerinnen. Das meiste hatte sie sich von den anderen abgeschaut, und nun stand sie einem ausgewachsenen Dämon gegenüber. Ja, mit ihrer Selbstsicherheit war es nicht so weit her.
 

‚Sieh dich um Jägerin, du weißt dir wird hier keiner helfen wollen und können. Es wird weh tun.’
 

Mit dem würde sie fast spielend fertig werden. Wenn sie eins von ihrer Schwester gelernt hatte, dann das Dämonen die eine große Klappe haben, meist leicht zu besiegen sind.

Ihr Selbstvertrauen wuchs wieder.
 

“Komm doch wenn du dich traust.”, rief Dawn während sie sich in Abwehrstellung begab.
 

Mit einem Leuchten in den Augen griff der Dämon an und schmetterte ihr blitzartig zwei Schläge mit den Fäusten in‘s Gesicht, die sie voll trafen. Von der Wucht des Angriffs traten ihr sofort die Tränen in die Augen.
 

Sie konterte mit einem Fußtritt, der allerdings nicht den gewünschten Erfolg hatte. Der Dämon ging sofort wieder auf sie los und deckte sie mit Schlägen und Tritten in einer solchen Geschwindigkeit ein, dass ihr nichts weiter übrig blieb als sie abzuwehren und auszuweichen.
 

‚Ist doch einfacher als ich geglaubt habe, mein Bruder hatte Recht!’, dachte sich der jüngere Dämon, und biss die Zähne zusammen. Auch wenn seine Verletzungen vom letzten Kampf noch schmerzten, so war er nun neu motiviert und ließ sich nichts anmerken.
 

Für eine vernünftige Taktik gab ihr Gegner ihr gar keine Zeit. Langsam wurde Dawn klar, dass sie sich überschätzt hatte. Ein Gefühl von Angst machte sich in ihrem Bauch breit.
 

Verdammt, wenn doch nur Buffy hier wäre. Sie würde ihn fix und fertig machen. Mit solchen Dämonen wurde sie schon vor einigen Jahren fertig.
 

‚Sie wird dir nicht helfen können!’, sie hörte seine Stimme.
 

Was war dass? Konnte der Dämon etwa…
 

‚..deine Gedanken lesen? Ganz recht.’ Er grinste erneut. ‚Und ich lese auch deine Angst. Du wirst sterben, genau wie alle anderen die auf das Konto von meinem Bruder gingen. Niemand wird mich daran hindern dich zu töten und mir deine Lebensenergie zu holen.’
 

Nachdem er sie ein weiteres mal mit einem brutalen Fußtritt niederstreckt hatte, verzweifelte Dawn. Ihre Kraft ließ von Schlag zu Schlag nach und wenn nicht bald ein Wunder geschehen würde, würde dass ihr letzter Spaziergang gewesen sein.
 


 

AKT 3
 


 

Cleveland, Buffys Wohnung

Später Abend

Buffy ging müde die Stufen zu ihrer Wohnung nach oben. Jeder einzelne Schritt tat weh. Der Kampf vor wenigen Stunden in Albany hatte Spuren hinterlassen. Wenigstens war sie so schlau gewesen und hatte den kleinen, örtlichen Flugplatz dafür genutzt mit einer kleinen Maschine nach Hause zu fliegen. Noch einmal stundenlang im Zug zu sitzen, hätte sie nicht überlebt. Die Rechnung ging an Giles - bei dem Gedanken musste sie grinsen und als ihr Magen laut knurrte, hoffte sie, dass Dawn etwas gekocht hatte.
 

Als sie die Tür aufschloss, war weit und breit keine Spur von Dawn zu sehen. Nicht einmal Tüten mit Lebensmitteln standen auf dem Küchentisch. Anscheinend hatte Dawn auch keinen Zettel hinterlassen. Wahrscheinlich hatte sie die Zeit vergessen, während sie sich mit ihrer Clique herumtrieb.
 

Buffy ging ins Badezimmer, um ihre Wunden und Kratzer zu versorgen, ehe sie hektisch nach ihren ‚Notrufnummern’, wie beispielsweise dem Lieferservice, suchte. Dabei fielen ihr die Nummern von Xander und Willow auf, die direkt darunter standen. Schon lange hatten sie nichts zusammen unternommen. Jedenfalls nichts, das nicht mit einem Kampf oder Recherchen zu tun hatte. Es wäre doch schön sich den Abend zusammen zu vertreiben, außerdem hatte sie sonst nichts zu tun. Jetzt, wo Dawn auch nicht zu Hause war.
 

Fünf Minuten später saß Buffy enttäuscht im Wohnzimmer. Xander war mit seinen Firmenunterlagen beschäftigt, würde sich aber wieder melden sobald er Zeit hatte. Das konnte dauern. Willow nahm nicht einmal ab, anscheinend war sie zu sehr beschäftigt.
 

Die Jägerin beschloss sich auf den Weg zu Willow zu machen, um sie ein bisschen abzulenken. Schließlich waren Rendezvous mit Büchern auf die Dauer auch langweilig. Wenn sie sich jetzt eine Pizza bestellen würde, würde dass einen längeren Zeitverlust bedeuten, als wenn sie bei ihrer Freundin vorbeischaute, und sich eine Pizza direkt im Restaurant besorgte.
 

++++
 

Cleveland, Willows Zimmer

Eine halbe Stunde später

„Pizza Service!“, rief Buffy, als sie an Willows Tür klopfte. Die Hüterin öffnete ihr. „Du siehst nicht gut aus.“, entgegnete Buffy, als sie in Willows Zimmer kam.
 

„Ich weiß, Augenringe stehen mir leider nicht sonderlich.“, der köstliche Duft der Pizza drang in ihre Nase. „Was machst du eigentlich hier?“ Die beiden setzten sich auf Willows Bett und Buffy öffnete den Pizzakarton.
 

„Ich hab’ spontan beschlossen vorbei zu schauen. Nach einem anstrengenden Tag habe ich mir gedacht, dass es doch mal wieder Zeit wäre sich zusammen den Abend zu vertreiben ... Xander hat leider zu tun, und da du nicht abgehoben hast ...“ Die Jägerin hob ein Pizzastück und biss herzhaft hinein. Endlich etwas zu essen!
 

„Verdammt. Tut mir leid, aber ich habe es wohl geschafft dem Hörer mit Einkaufstüten einen Knockout zu versetzen.“ Ihr Blick wanderte ans Ende des Bettes. Vor ein paar Stunden hatte sie mit Kennedy telefoniert, und sich danach gleich auf ihre Präsentation gestürzt.
 

„Einkaufstüten? Seit wann gehst du so ausgiebig shoppen?“, fragte Buffy mit hochgezogener Augenbraue.
 

„Seit ich eine Auszeit gebraucht habe. Außerdem habe ich eine schlechte Nachricht.“
 

„Ist unsere ganze Lebensmittelversorgung durch einen atomaren Angriff vernichtet worden, und es existiert nur noch diese Salamipizza?“
 

„Sorry, aber da muss ich dich leider enttäuschen.“, antwortete Willow verwirrt.
 

Nun griff auch sie sich ein Pizzastück. Seitdem sie vor ein paar Stunden von ihrem Einkaufsbummel zurückgekommen war, hatte sie nichts gegessen.
 

„Hätte ja sein können. Schließlich ist dieser Vorort von Albany fast am anderen Ende der Welt. Also was ist nun die schlechte Nachricht?“
 

„Giles hat anscheinend erfahren, dass du mich angeheuert hast, ihn zu bespitzeln.“ Sie erwähnte Xander vorläufig nicht. Wenn Buffy keine Einzelheiten verlangte, konnte sie das mit Xander alleine und in Ruhe klären.
 

Buffy riss die Augen erschrocken weit auf und verschluckte sich fast ehe sie ein „Wie bitte?“, entsetzt hervorbrachte.
 

„Als ich heute bei ihm war, war er wie ausgewechselt und ziemlich grantig. Ich halte es für eine gute Idee, wenn du morgen gleich mit ihm offen darüber sprichst.“, Willow bereute, dass sie ihre Freundin angeschwärzt hatte, aber schließlich war es ihre Idee gewesen.
 

„Ich glaube, diese Nachricht ist fast so furchterregend, wie das mit der Pizza.“, antwortete Buffy; sie schluckte. Aber schließlich war es kein Fehler gewesen, Willow vorzuschlagen Lily zu beobachten. Da musste Giles doch mit ihrer Meinung übereinstimmen. Natürlich war es falsch ihren eigenen Wächter beschatten zu lassen, aber schließlich hätte ihn diese Frau genauso gut beeinflussen können.
 

Beide griffen sich noch ein Stück. Für ein paar Minuten wechselten sie kein Wort miteinander.
 

„Weißt du eigentlich wo Dawn steckt?“, fragte Buffy um die Stille zu unterbrechen. Sie war nicht hierher gekommen, um sich anschweigen zu lassen, oder Schuldgefühle zu bekommen. Außerdem hatte sie sich schon, als sie nach Hause gekommen war gewundert, wo ihre Schwester um diese Zeit war.
 

„Dawn? Ich habe sie heute beim Einkaufen in einem Laden getroffen.“
 

„In einem Lebensmittelladen?“, Buffy hob eine Augenbraue.
 

„Nein, aber sie hat mir bei einer Kaufentscheidung geholfen ... und mir eine Geschichte über einen Mord erzählt. Sie glaubt, dass etwas Übernatürliches dahinter steckt, aber ich meine, täglich passieren Morde, und nur weil ein Mädchen in ihrer näheren Umgebung getötet wurde, muss dass nicht heißen, dass ein Mord dahinter steckt.“
 

„Das hört sich nicht gut an.“ Buffy warf einen Blick auf die Uhr. Als sie nach Hause gekommen war, war es schon spät gewesen, und wenn Dawn jetzt noch nicht zurück war...
 

„Darf ich telefonieren?“, wenn ihre Schwester abhob, war kein Grund zur Sorge, aber wenn sie es nicht tat...
 

Die Jägerin wühlte sich unter den Einkaufstüten durch. Nachdem sie es zweimal versucht hatte, war immer noch kein „Dawn Summers am Apparat“ zu hören.
 

„Ich habe kein gutes Gefühl, Buffy.“, entgegnete Willow, als Buffy, in Gedanken versunken, den Hörer – diesmal richtig – auf die Gabel legte.
 

„Ich auch nicht unbedingt ...“
 

„Aber ich meine das anders.“, die Hütern sah Buffy durchdringend an.
 

„Du meinst ... du spürst es?“
 

Bevor Willow antworten konnte, durchzuckte ein Gefühl von Schmerz ihren Körper. Sie fühlte Dawns Angst. In ihrem Nacken stellen sich die Härchen auf. Im nächsten Augenblick zitterte Willow bereits.
 

Ihr Kiefer stach vor Schmerz. Ihre Zähne fühlten sich taub an, als hätte sie etwas mit voller Wucht getroffen.
 

Buffy sah ihre Freundin schockiert an, saß aber gleichzeitig wie festgewurzelt da.
 

Willow schloss ihre Augen, doch dieses Stechen in ihrem ganzen Körper ebbte nicht ab. Im Gegensatz dazu erhöhte sich die Geschwindigkeit ihres Herzschlages, der ihre eigenen Gedanken übertönte.
 

„Willow?“, fragte Buffy unsicher und kniete sich vor die Hüterin.
 

Willow konnte Buffys Stimme hören, allerdings weit von ihr selbst entfernt, als würden sie einige Meter trennen.

Plötzlich brannte ihre Stirn, es fühlte sich an als wäre ihre Haut dort aufgeplatzt. Instinktiv presste die Hüterin ihre Hände gegen ihren Kopf.
 

Im nächsten Moment hörte sie Buffys Stimme erneut. Diese versuchte sie aus ihrer Welt zurückzuholen.
 

„Konzentrier dich Willow. Denk an Dawn, wir müssen sie retten!“
 

Vielleicht war es falsch gewesen Dawn heute nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Spätestens diese Schmerzen bewiesen ihr dies. Doch jetzt war es ihre Aufgabe, Buffy Dawns Standpunkt zu verraten.
 

„Ganz ruhig, Will’“, sagte Buffy. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren.
 

Buffys Stimme in ihrem Kopf hörte sich von Wort zu Wort klarer und lauter an.
 

Dann öffnete Willow die Augen. Zunächst musste sie noch gegen das brennende Licht blinzeln, doch ihre Pupillen hatten sich schon nach ein paar Sekunden an die Helligkeit des Zimmers gewöhnt.
 

Der Schmerz in ihrem Körper wurde von Atemzug zu Atemzug weniger, doch in ihrem Kopf hämmerte es immer noch und ihr Herzschlag wollte sich einfach nicht beruhigen.
 

Gebannt starrte Buffy auf Willows Stirn. Ein paar Tropfen Blut rannen langsam ihr Gesicht herunter.
 

„W-Was ist?“, flüsterte Willow.
 

„Ich glaube diese Schmerzen wirken sich nicht nur auf deinen seelischen Zustand aus ...“
 

Willow tastete ihre Stirn ab. Als sie ihre Finger ansah, war sie ebenso schockiert wie Buffy. Blut klebte an ihren beiden Händen, aber die Blutung schien bereits zu stoppen.
 

„Auch wenn ich dich gerade nicht allein lassen will, sollte ich vielleicht Dawn finden ...“, Buffy wusste nicht, wie sie sich verhalten sollte. Es sah so aus, als hätte Willow gerade die Schmerzen ihrer Schwester erlebt.
 

Sie nickte. Willow lehnte sich nach hinten, und versuchte nicht überzukippen. Ihr Gleichgewichtssinn hatte sich anscheinend gerade verabschiedet. Sie öffnete eine Schublade und durchstöberte diese. Bevor sie nach wenigen Sekunde eine Straßenkarte von Cleveland hervorholte, presste sie ein Taschentuch auf ihre Stirn.
 

„Sie hat mir etwas vom Drogenviertel erzählt, und ich glaube genau so wird dieser Straßenteil genannt.“ Willow deutete mit einem Finger auf ein paar gelb markierte Striche, und fuhr sie nach Richtung Norden nach.
 

„Ich glaube da war ich schon mal, als ich mich auf die Suche nach einer Wohnung gemacht habe ... Bist du dir ganz sicher?“
 

„Es spricht alles dafür, Buffy. Ich hoffe du bist mir nicht böse, wenn ich dir nicht bei der Suche helfe ... Ich glaube, ihr Schwestern schafft das schon allein.“, sie zwinkerte ihrer Freundin zu.
 

„Es tut mir leid, dass ich dich jetzt allein lassen muss.“, besorgt sah sie Willow an.
 

„Nun geh endlich.“, die Hüterin lächelte Buffy an, überspielte dadurch aber nur, dass sich ihr Zustand nur langsam besserte.
 

„Hmm ... Die Pizza muss wohl leider auch warten.“, antwortete die Jägerin und machte sich auf den Weg zur Tür.
 

++++
 

Straßen von Cleveland

Der Gedanke, dass Dawn irgendwo da draußen allein war und vermutlich in größter Gefahr schwebte, machte Buffy Angst. Genauso wie sie Willows Schmerzen sehr beängstigend fand. Wenn sie nur annähernd das waren, was Dawn fühlte... Die Panik in ihr wuchs langsam aber stetig. Irgendetwas stimmte schon seit Längerem nicht mehr zwischen ihr und ihrer Schwester. Seit dem Tod von Vi. Ob es vielleicht daran lag, dass sich Buffy als Jägerin von ihrer jüngeren Schwester mehr distanzierte? Hieß eine Jägerin zu sein automatisch, dass man zu Beziehungen, egal ob zum Freund oder der Familie, nicht fähig war?
 

Ihre Beziehung zu Riley war durch Buffys Dasein als Jägerin zerstört worden.

Was, wenn Buffy sich inzwischen auch schon so weit von Dawn entfernt hatte, dass sie nicht mehr an sie herankam? Hinzu kam jetzt allerdings noch die Tatsache, dass ihre Schwester ebenfalls zu einer Jägerin geworden war.
 

Das Brummen des Motors machte Buffy auf den vorbeifahrenden Wagen aufmerksam. Gequält stellte sie fest, dass ein großer Aufkleber mit dem Schriftzug „Joe’s Pizza“ darauf prangte. Aufdringlich und drängelnd knurrte ihr Magen. Auch wenn sie vor wenigen Minuten ein paar Bissen Pizza gegessen hatte, baute sich ein Gefühl von Hunger weiter in ihrem Bauch aus.
 

Kampfgeräusche, erst leise, dann immer lauter waren plötzlich zu hören. Vielleicht hatte irgendein Vampir wieder Lust auf frisches Blut bekommen oder – und diese Ahnung verstärkte das flaue Gefühl in ihrem Magen, das neben dem Hunger in ihr wütete, noch zusätzlich – Dawn kämpfte. Sie hatte den Ort erreicht, den Willow ihr hatte verraten können.
 

Ohne sich weiter um den Pizzawagen zu scheren, stürmte Buffy auf die dunkle Gasse, die vor ihr lag, zu. Sie kümmerte sich nicht um die Bettler, die sich auf dem Boden ein Plätzchen eingerichtet hatten, und ihr etwas Unverständliches zuriefen. Umfallende Kisten waren zu hören, genauso wie leises Keuchen. Dem folgte ein spitzer Schrei. Jetzt gab es für die blonde Jägerin keinen Zweifel mehr, dass Dawn in diesen Kampf verwickelt war. Immer schneller rannte Buffy und verfluchte dabei die schier endlos wirkende Gasse, die zum Friedhof führte.
 

Dawn hatte die Kraft des Dämons unterschätzt. Es sah nicht gut aus. Dunkelrotes Blut lief an ihrer Stirn herunter, lief ihr in den Mund als sie ihn öffnete um Luft holen zu können. Der Dämon hingegen schien noch bei besten Kräften zu sein, auch wenn er ebenfalls schwerer atmete. Welche Strategie war jetzt die Beste? Weglaufen? Dawn erinnerte sich, dass Buffy den Anwärterinnen damals geraten hatte auf ihren Instinkt zu hören. Wenn er sagte rennen, dann sollten sie genau dies tun.
 

Der Dämon setzte zu einem Sprung an, den er mit gestrecktem Bein ausführte und die junge Jägerin so mit voller Kraft gegen den nächsten Kistenstapel schleuderte, der zerberstend in viele kleine Holzsplitter zerbrach. Der braunhaarige Teenager stöhnte, rappelte sich auf und hielt sich die Rippen. Bei ihrem Sturz musste sie sich ein, zwei Rippen angeknackst haben.
 

Die Gestalt machte sich schon bereit erneut anzugreifen, doch dazu kam es nicht mehr.
 

„Dawn!“ zerschnitt eine altbekannte Stimme die Nacht. Dawns Kopf fuhr ruckartig herum. Doch der Dämon rührte sich nicht. Es war Buffy, die einen Ausdruck grimmiger Entschlossenheit im Gesicht hatte.
 

Der Dämon folgte schließlich Dawns Blick, und sah direkt in Buffys Augen. Dawn nutzte die Abgelenktheit des Dämons, um ihm einen Tritt zu verpassen, was sie gleich darauf bereute, denn ihre angeknacksten Rippen meldeten sich schmerzhaft zu Wort. Das Mädchen biss die Zähne zusammen, lehnte ihren Rücken gegen die Wand an die er sie gedrängt hatte, und setzte sich in den Haufen aus zerbrochenen Kisten.
 

Trotz ihrer Verletzung war Dawn immer noch stark genug gewesen, um das Monster so weit aus dem Gleichgewicht zu bringen, dass es taumelte und schließlich zu Boden fiel.
 

Obwohl Buffy wusste, dass Dawn eine Jägerin war, war es trotzdem verblüffend zu sehen, welch enorme Kräfte sie besaß, aber dass der Kampf nicht zu ihren Gunsten ausgegangen war, zeigte deutlich, dass Dawn noch nicht annähernd gut genug trainiert war, um sich ausreichend schützen zu können. Von diesem Standpunkt aus, war es verantwortungslos von Dawn gewesen sie nicht gleich über ihr Jägerinnen Dasein zu informieren. Buffy hätte zwar nicht gerade Luftsprünge gemacht, hätte sich damit aber schließlich irgendwie arrangiert.
 

Schließlich hatte sich das Monster wieder erhoben, wandte sich aber nicht Buffy zu, wie sie erwartet hatte, sondern wieder an das verwundeten Mädchen. Die blonde Jägerin sprintete auf das Wesen zu bevor es bei ihrer Schwester ankommen konnte, drückte sich im Lauf vom Boden ab und sprang dem Monster mit ausgestreckten Beinen in den Rücken. Der Dämon schwankte und fiel zu Boden. Gleich darauf war es wieder erstaunlich schnell auf den Beinen.
 

Fußtritte und Faustschläge wurden ausgetauscht, die Dawn abgelenkt durch ihre Schmerzen, nur noch halb wahrnahm.
 

Buffy spürte, dass der Dämon stark war, aber nicht unbesiegbar zu sein schien. Er blutete an mehreren Stellen leicht und erste Ermüdungserscheinungen ließen ihn ein wenig unachtsam werden. Buffys Faustschläge kamen fast jedes Mal ohne Mühe durch seine Deckung hindurch. Die blonde Jägerin musste nicht einmal sonderlich einfallsreiche Kampftechniken anwenden.
 

Doch anscheinend hatte sich Buffy, was die Konzentration und Kondition des Dämons betraf, getäuscht – er gab nicht klein bei. Also wagte die Jägerin doch ein kleines Kampfmanöver, um den Kampf endlich zu beenden. Sie täuschte einen Schlag auf Magenhöhe vor, damit er nicht mitbekam, wie sie ihren ausgestreckten Fuß dafür benutzte, um ihn zu Fall zu bringen. Sie fing den Körper des Dämons auf, griff rasch nach seinem Hals und brach ihm mit einem Ruck das Genick.
 

Der Dämon riss den Mund auf vor Schmerz, doch zu ihrer Verwunderung hörte sie keinen Laut, sondern nur das Knacksen seines Genicks.
 

Nachdenklich sah die Blonde auf seinen Körper. Wäre Dawn heute gestorben aufgrund ihrer mangelnden Erfahrung, wäre das zum Teil auch Buffys Schuld gewesen. Statt sich auf ihr eigenes Leben zu konzentrieren hätte sie die Zeichen nicht ignorieren dürfen. Aber hatte sie das wirklich? Die Zeichen ignoriert? Oder hatte Dawn es gut genug vor ihr verborgen?
 

Durch Dawns schmerzerfülltes Stöhnen, das hinter Buffy ertönte, wirbelte die Jägerin herum und starrte ihre kleine Schwester besorgt an. Sofort war sie an ihrer Seite und sah sich die Verletzungen an. Dawn grunzte vor Schmerz, als ihre Schwester eine Hand an ihre Rippe legte um festzustellen ob sie gebrochen war. Sie war nur angeknackst.
 

„Rettung in letzter Sekunde!“ stöhnte das Mädchen leise mit dem Anflug eines Lächelns, das Buffy mit einem ernsten Gesicht sofort erlöschen ließ.
 

Vorsichtig half sie Dawn dabei aufzustehen, stützte sie so gut es irgendwie ging und machte sich daran sie nach Hause zu bringen. Sie mussten dringend miteinander reden. Noch war längst nicht alles zwischen ihnen geklärt. Immerhin hatte Dawn ihre Schwester monatelang belogen, was wohl am Schlimmsten an der ganzen Sache war.
 

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Cleveland, Wohnwagen

Zur selben Zeit

„Alles in Ordnung?“, fragte Faith besorgt, als sie die Tür des Wohnwagens hinter sich schloss.
 

Schnaufend und mit einer Hand auf den Bauch gepresst ging Ronah zu ihrem Bett und setzt sich langsam nieder. Robin riss die Tür des Wohnwagens auf und trat schnell auf Ronah zu.
 

„Okay, lass mal sehen ...“, sagte er leise, während sie sich stöhnend nach vorne beugte und er ihr Shirt nach oben schob. Ein großer, roter Fleck zierte die untere Hälfte des Rückens der jungen Jägerin, und während Faith besorgt näher trat, schmierte Robin den Rücken mit einer Wundcreme ein, die er aus dem Wächterhaus geholt hatte.
 

„Der Aufwand zahlt sich doch gar nicht aus, so schlimm ist es nicht ...“, sagte Ronah, wurde aber von einem „Ach sei still ...“ von Faith abgewürgt.
 

„Das nächste Mal suchst du dir einen Trainingsort in der Stadt aus. Das war ja eine halbe Weltreise.“, klagte Faith scherzhaft. Robin sah sie kurz anklagend an und konzentrierte sich dann auf das, was Ronah im Wagen erzählt hatte.
 

„Er ist also einfach so aus dem Wald aufgetaucht? Was wollte er?“, fragte Robin nachdem er das Shirt wieder nach unten geschoben und die Tube wieder zugeschraubt hatte.
 

Langsam lehnte sich die dunkelhäutige Jägerin zurück und betrachtete Faith und Robin, die ihr gegenüber auf Vis altem Bett saßen und sie besorgt anstarrten. Auf Robins Wange prangte ein kleiner Verband, der die genähte Wunde aus dem Kampf vor zwei Tagen verbarg.
 

„Ihr übertreibt maßlos. Was soll er schon gewollt haben? Er war ein Dämon, ich bin ’ne Jägerin ... folgerichtig wollte er mich töten.“, stellte sie fest, griff nach der Flasche Wasser, die neben ihr lag und nahm einen kräftigen Schluck.
 

„Nein ... da muss mehr dahinter steckten...“, Faith stand auf und ging Richtung Ausgang. ‚Eve hat es gesagt. Sie werden sterben ...’, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf und besorgt drehte sie sich um.
 

„Okay, ganz egal was seine Motive waren, er hat den Kampf überlebt. Er wird seine Kräfte sammeln und zurück kommen. Er wird für dich zurück kommen, Ronah ...“
 

„Aber ...“, wollte Ronah Faith unterbrechen, kam aber nicht dazu, noch ein weiteres Wort zu sagen.
 

„Nein, lass mich ausreden. Er wird warten; auf einen Moment warten, indem du dich nicht richtig verteidigen kannst. Du wirst also ab jetzt nicht mehr alleine auf Jagd gehen, und du wirst außerhalb dieses Gartens auch nicht alleine trainieren, verstanden?“
 

Wenn Ronah nicht gewusst hätte, dass Faith dies absolut ernst meint, hätte sie laut losgelacht. War das ihr Ernst? Sie wollte sie hier nur wegen diesem lächerlichen Kampf einsperren? Sie hatte schon gegen viel stärkere Gegner gekämpft.
 

„Ach bitte Leute, was ist denn los mit euch? Der Kampf war doch harmlos!“ Ronah zuckte mit den Schultern und wollte aufstehen, als Faith auf sie zutrat.
 

„Hast du mich verstanden? Du wirst dich daran halten, bis wir den Dämon vernichtet haben.“
 

Ronah verdrehte die Augen, drängelte sich an der älteren Jägerin vorbei und öffnete die Tür.
 

„OB DU MICH VERSTANDEN HAST?“ schrie Faith, als sie sich umdrehte und Ronah besorgt aber bestimmend nachsah.
 

Überrascht sah sie Faith an. „Wow ... ich wusste ja nicht ... ähm.“ Sie sammelte kurz ihre Gedanken, dann fuhr sie fort: „Ja, okay. Ich werde mich daran halten. Mach dir nicht so viele Gedanken darüber!“ Daraufhin verließ sie den Wohnwagen.
 

Überraschend legte Robin seine Arme auf Faith’ Schultern. Diese reagierte nicht, sondern starrte ihrer jungen Kampfgefährtin besorgt nach.
 

“Faith, ich wollte nicht vor Ronah darüber reden, aber ich denke, dass du übertreibst.“
 

Von einer Sekunde auf die andere schüttelte sie seine Hand ab, drehte sich um und sah ihn aggressiv an.
 

“Du hast nicht gesehen, was ich gesehen habe!“ bellte sie den Wächter an, drehte sich wieder um und verließ ebenfalls den Bus.
 

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Cleveland, Ratszentrale

Einige Minuten später

„Buffy? Hier ist Giles. Uhm, wenn du zu Hause bist, dann komm so schnell wie möglich in der Ratszentrale vorbei. Und beeil dich! Es ist wichtig!“
 

Es gab einen Piepton, dem ein Klicken folgte. Giles seufzte entnervt.

Wie sehr er doch diese Anrufbeantworter hasste, aber so war wenigstens sichergestellt, dass Buffy seine Nachricht bekam und so schnell wie möglich kommen würde.
 

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Buffy’s und Dawn’s Wohnung

Eine Sekunde später

Gerade als der Wächter aufgelegt hatte, wurde die Tür geöffnet und Buffy bugsierte eine schwer lädierte Dawn durch die Eingangstür. Auch wenn ihre kleine Schwester das alles als harmloser abstufte als es aussah, war Buffy besorgt. Dieser Dämon war bestimmt nicht nur hinter Dawn her gewesen, weil er einen Spaß daran hatte Teenager zu ängstigen, sondern vielleicht auch weil sie eine Jägerin war. Wenn das so weiter ging, konnte Buffy sich auf harte Zeiten und schlaflose Nächte gefasst machen, bei denen sie sich fragen musste, ob ihre Schwester nicht vielleicht von einer Horde Vampire angegriffen wurde, oder vielleicht sogar schon tot war. Wie hatte ihre Mutter das immer nur ausgehalten?
 

Buffy verzog den Mund ein wenig, als hätte sie die gleichen Schmerzen wie ihre Schwester, was ja auch stimmte, denn die Erinnerung an ihre Mutter war auch Jahre nach ihrem Tot noch schmerzlich. Und gerade in Zeiten wie diesen wo sie Joyce´ Rat gut hätte gebrauchen können, merkte die blonde Jägerin erst wie sehr ihre Mutter fehlte. Nicht nur ihr. Auch Dawn.
 

„Mir geht es gut, Buffy. Ehrlich. Das ist nur ein Kratzer!“, versuchte Dawn ihre Schwester zu beruhigen und somit davon abzuhalten sie weiterhin wie ein rohes Ei zu behandeln, denn das war genau das, was sie vorausgesehen hatte - weshalb sie Buffy verschwiegen hatte, dass sie eine Jägerin war.
 

„Nein, es geht dir nicht gut!“ erwiderte Buffy ruhig und berührte Dawn leicht an der verletzten Rippe. Das Mädchen stöhnte sofort auf und verzog das Gesicht, was ihre große Schwester mit einem grimmigen Lächeln quittierte. „Ich hole Verbandszeug. Rühr dich nicht von der Stelle, Dawn!“, bestimmte die blonde Frau und setzte ihre jüngere Schwester vorsichtig auf einen Stuhl. Jede Erschütterung schmerzte wie tausend Messerstiche. Hoffentlich begann die Wunde auch wirklich schnell zu heilen.
 

Dawns Befürchtungen zerstreuten sich jäh als sie einen Blick auf die Blessuren an ihren Armen warf. Sie begannen sich zu verkleinern, worüber Dawn dankbar seufzte.

Buffy kehrte mit etwas Verbandszeug zurück, nahm Dawn gegenüber Platz und verband ihre Rippen. Die jüngere Summers zischte ein paar Mal, als Buffy mit dem Verband ihre verletzte Rippe streifte. All das geschah schweigend.
 

Vielleicht war es nur reine Einbildung, aber Dawn hatte das Gefühl, dass Buffy sich zwar mit dem Gedanken anzufreunden versuchte, dass ihre Schwester jetzt eine Jägerin war, es ihr aber mehr als schwer fiel. Und ihre Lügerei der letzten Monate hatte nicht gerade dazu beigetragen es Buffy leichter zu machen.
 

„Das müsste erstmal reichen. Die anderen Verletzungen fangen schon an zu heilen.“, sagte Buffy leise, packte die Erste-Hilfe-Utensilien wieder in den Koffer aus dem sie sie genommen hatte und musterte Dawn, als sehe sie sie zum ersten Mal.
 

Dawns Blick hingegen glitt an ihrer Schwester vorbei. Sie konnte sie nicht ansehen, konnte die Traurigkeit und Sorge in ihrem Blick nicht ertragen. Da leuchtete etwas. Der Anrufbeantworter!
 

Erleichtert endlich etwas zu Buffy sagen zu können, wandte sich Dawn an ihre Schwester: „Jemand hat eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen.“ Um zu unterstreichen was sie meinte, wies Dawn kopfnickend auf das blinkende rote Lämpchen.
 

„Buffy? Hier ist Giles. Uhm, wenn du zu Hause bist, dann komm so schnell wie möglich in der Ratszentrale vorbei. Und beeil dich! Es ist wichtig!“
 

„Klingt übel! Wir sehen uns dann später!“, Buffy schien genauso erleichtert zu sein, abgelenkt zu werden, denn so schnell wie sie an der Wohnungstür war, roch es förmlich nach Flucht. Doch Dawn sprang auf, was sie augenblicklich wieder schmerzlich an ihre verletzte Rippe erinnerte. Sofort war ihre große Schwester bei ihr.
 

„Ich komme mit!“, brachte die Braunhaarige hinter zusammengepressten Lippen hervor.
 

„Das kommt überhaupt nicht in Frage! Du bist verletzt und solltest dich ausruhen!“
 

„Buffy ich bin eine Jägerin! In ein paar Stunden wird es mir besser gehen. Außerdem hat Giles gesagt, dass es wichtig ist. Vielleicht kann ich euch helfen.“
 

Auch wenn Buffy davon überzeugt war, dass Dawn in ihrem Zustand niemandem eine Hilfe war, willigte sie ein. Auch deshalb, weil für eine Diskussion jetzt der falsche Zeitpunkt war.
 

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Cleveland, Wächterhaus

Etwas später

„Dieser Dämon passt auf deine Beschreibung.“, sagte Giles überzeugt, als er das Buch vor sich umdrehte, damit Ronah und die anderen einen Blick auf die Zeichnung werfen konnten.
 

„Das ist er.“, nickte die Jägerin und versuchte den restlichen Text zu entziffern.
 

„Gib dir keine Mühe, außer du kannst Altgriechisch.“ Der Wächter nahm das Buch wieder auf, und lehnte sich gegen die Tischkante. Im selben Moment kamen Buffy und Dawn herein. Schockiert über Dawns körperlichen Zustand wurden beide begrüßt.
 

„Was ist passiert?“, Robin trat helfend auf die beiden zu.
 

„Ach nichts,“ winkte Dawn ab. „Nur ’ne kleine Prügelei ...“
 

Giles horchte auf, aber außer einem besorgten Gesicht blieb ihm nicht viel Zeit, nachzufragen, da Buffy ihrer Schwester rasch aber fürsorglich einen Stuhl hinstellte und sich dann selbst neben Giles setzte, wobei ihr Blick auf die Zeichnung im alten Buch fiel.
 

„Das ... Das ist er!“, stellte sie schockiert fest. „Ich glaube ihr wart schneller, als ich denken konnte. Dieser Dämon hat Dawn angegriffen!“
 

„Ronah aber auch.“, warf Faith ein.
 

Buffy fuhr herum, um sich Ronah genauer anzusehen. Also hatte er nicht nur ihre Schwester im Visier gehabt.
 

„Wir müssen ihn so schnell wie möglich erledigen!“, entgegnete Robin, nicht ohne Dawn einen besorgten Blick zuzuwerfen. „Wenn er gezielt Jägerinnen angreift, können wir uns ausrechnen, wann ihm dies bei dieser Auswahl irgendwann gelingen wird.“
 

„Schon erledigt.“, Buffy grinste und verschränkte ihre Arme. Ihr Blick wanderte durch die Runde, die sie nur erstaunt ansah. „Ich habe ihm das Genick gebrochen.“
 

Doch noch bevor sich Erleichterung bei allen zeigte, las Giles ohne auf Buffy zu reagieren den Text des Buches laut vor.
 

„Der Kodakan Dämon ist ein taubstummer Dämon aus der Mythologie der Hindukush. Gegen ihn helfen keine Bannsprüche, weil er sie nicht hört. Er riecht die Gewalt, und ist sofort zur Stelle wenn er ein neues Opfer für sich gutschreiben kann. Er saugt ihnen die Lebensenergie aus.“
 

„Taubstumm?“, fragten Dawn und Ronah im Chor. Das erklärte die Stimme in ihren Köpfen.
 

„Ich kann mich eigentlich nicht daran erinnern, ob er was gesagt hat ... eigentlich war es mehr so, als würde er meine Gedanken lesen.“, sagte Dawn und Ronah nickte zustimmend, als alle Blicke auf sie gerichtet waren.
 

Giles las ungerührt weiter. „Sie können die Gedanken ihrer Opfer lesen und per Gedankenübertragung mit ihnen kommunizieren. Sie saugen ihren Opfern die Lebensenergie aus, um selbst einen längeren Lebensstatus zu haben, länger zu leben, und schlussendlich einen höheren, gottesähnlichen Status zu erreichen.“, Giles sah besorgt auf, als er ein paar Zeilen weiter stumm überflogen hatte.
 

„Ist das nicht alles unwichtig? Ich habe ihn bereits getötet!“, ließ Buffy etwas enttäuscht über den ausbleibenden Applaus verlauten.
 

„Die einzigen Möglichkeiten ihn zu töten ist ihm selbst die Energie auszusaugen, ihn einzufrieren und ihn anschließend zu zerschlagen, oder ihm das Herz zu zerreißen.“
 

„Ihre Bücher klingen immer mehr wie Horrorbücher,“ stöhnte Buffy. „Was heißt das genau?“
 

„Genick brechen hilft nicht ...“, antwortete Giles, um Buffys Hoffnung zu zerschlagen.
 

„Wir werden uns an die Beschreibung halten müssen,“ meinte Faith. „Ich hab kein Problem dieses Mistding einzufrieren. Wir brauchen nur einen Köder.“
 

„Und wieso konnte ich den Dämon nicht hören? Ich bin während der Kampfzeit doch auch zu einem seiner Opfer geworden.“, entgegnete die blonde Jägerin.
 

„Nun, das ist nicht so einfach. Der Kodakan Dämon saugt nun ... Um ...,“ etwas unbehaglich sah Giles zwischen Ronah und Dawn hin und her. „Ja ... Er ... ähem,“ ein nervöses Räuspern von Giles ließ alle ungeduldig zu ihm hinübersehen. „Nun ja, er saugt nur Jungfrauen die Lebensenergie aus, weil nur diese eine Art reine Energie in sich tragen.“, antwortete Giles. „Und deswegen kommuniziert er nur mit diesen Opfer.“
 

„Wie bitte? Diese Einstellung ist doch total veraltet, und frauenfeindlich dazu!“, Buffy war empört.
 

„Ich glaube darum kümmert sich unser Dämon nicht sonderlich,“ murmelte Faith mit einem ziemlich breiten Grinsen.
 

„Also wenn er nur Jungfrauen tötet ... dann bleiben Männer verschont?“, fragte Andrew vorsichtig.
 

„Fragt da einer aus Sorge um sein Leben?, antwortete Kennedy spitz.
 

„Pass lieber auf dein eigenes auf!“ grinste er zurück. „Wenn es nämlich ein politisch nicht korrekter Dämon ist, bist du für ihn auch eine Jungfrau!“
 

„Einige von den Opfern sind männlich, vielleicht ist es ein emanzipierter Dämon.“, entgegnete Willow, als sie den Text des Buches überflog, das nun auf dem Tisch vor ihnen lag.
 

„Gut, dann gehen wir mal davon aus, dass der Dämon auf beide Geschlechter steht.“, warf Buffy in die Runde.
 

„Ist das nicht genauer im Buch definiert?“, fragte Willow, die den Band bereits wieder Giles zugeschoben hatte.
 

„Wieso hatten Sie früher in der Bibliothek eigentlich nie solche interessanten Bücher?“, meldete sich Xander.
 

„Weil ich dich kannte,“ gab Giles trocken zurück und Xander musste grinsen.
 

„Was sollte denn genauer definiert sein?“, schaltete sich Robin dazwischen.
 

„Na, definiert der Dämon nicht die biologische Jungfräulichkeit?“, Willow blickte zu Giles.
 

„Das können wir nicht definitiv wissen und das Buch gibt nicht viel her.“, antwortete ihr der ältere Wächter.
 

„Kann doch sein, dass er bei Lesben eine Ausnahme macht.“, Kennedy hob ihre Augenbrauen.
 

„Ich glaube, wir sollten wieder auf unsere ursprüngliche Diskussion zurückkommen!“, ließ Giles verlegen verlauten, als das Gespräch in die falsche Richtung geriet.
 

„Sehe ich auch so.“, Faith stimmte ihm zu. „Also nur Jungfrauen? Wieso hat er gerade Ronah und Dawn ausgesucht?“
 

„Vielleicht nur, weil sie Jägerinnen sind. Es könnte doch sein, dass ihre Energie noch reiner und stärker ist als die von normalen Menschen.“, antwortete Willow. „Und sicher gab es schon vorher andere Opfer.“
 

„Also ich möchte doch schwer hoffen, dass meine kleine Schwester neben ihren Jägerinnenkräften auch noch ihre Unschuld besitzt,“ sie sah fragend und drohend zu Dawn hinüber. Die junge Jägerin nickte eifrig. Mit dem Hauch eines schlechten Gewissens dachte sie an jenen Tag zurück, an dem sie so gerne mit Shin geschlafen hätte. Ronah dahingegen blieb auffällig stumm. „Und zudem.“, fuhr Buffy leicht reserviert fort. „Was für ein Glück, dass der Dämon erst jetzt hier in Cleveland aufgetaucht ist. Stellt euch vor, wenn der Dämon früher in diese Gegend gekommen wäre! Wir hätten nicht gewusst das Dawn in Gefahr schwebt ... Es ist gut, dass wir es endlich auch wissen.“
 

„Soll das eine Anspielung sein, Buffy?“, entgegnete Willow bevor Dawn protestieren konnte.
 

„Vielleicht ... Wenn du und Dawn nicht geheimgehalten hättet, dass ...“
 

„Könntet ihr euer Gespräch zurückhalten?“, fragte Giles etwas angekratzt. „Ich denke nicht, dass wir jetzt Zeit für private Probleme haben. Noch dazu die Zeit für Streitereien ...“
 

„Ich will mich ja gar nicht streiten. Ich bin nicht mal wirklich sauer auf Willow. Ich würde nur gern wissen, wieso sie keine Probleme hatte mich zu verraten.“, fuhr Buffy ungehindert von Giles drohendem Zwischenwurf fort.
 

„Ich? Frag doch Xander!“, antwortete Willow etwas sauer, ehe sie sich auf die Zunge beißen konnte. Schuldbewusst blickte sie zu Xander hinüber und deutete ein „es tut mir leid“-Schulterzucken an.
 

„Aber ...“, mischte sich Xander. Doch bevor ein Streit wirklich ausbrach, beeilte sich Willow in Anbetracht der stark umwölbten Stirn von Giles, das Ruder herumzureißen:
 

„Wartet Leute ... Giles hat recht. Uns jetzt anzufauchen, bringt doch nichts. Reden wir später in Ruhe darüber. Wir haben genug andere Probleme. Vergessen wir die Reiter nicht.“, Willow griff nach ihrer Tasche und zog einen dicken Stapel Blätter hervor. „Ich habe nämlich auch noch eine gute Nachricht an diesem etwas verpatzten Tag. Das Buch ist decodiert.“ Sie schob Giles die Blätter zu. „Und ich glaube Dawn hat zu den Visionen noch etwas hinzuzufügen ...“, sie nickte der jungen Jägerin auffordernd zu.
 

„Na ja, was Will meint ... ich hatte damals auf dem Geisterschiff eine Vision von einem Reiter und als ihr alle diesen mysteriösen Traum hattet ... da hatte ich ihn auch.“ Etwas geschockt starrten die anderen, ausgenommen von Willow, Dawn an, die sich sehr unwohl fühlte. Langsam erzählte sie von Cleveland, dem Erdbeben, der zerstörten Stadt, dem Wasser und schließlich von jenem Reiter, der aus dem Wasser hervorbrach und in den Himmel aufstieg.
 

„Heißt das ... der vierte Reiter ist hier?“, Buffy sah entsetzt zu Giles, der langsam nickte.
 

„Durchaus möglich ... ich kann erst mehr sagen, wenn ich das Buch gelesen habe. So lange sollten wir uns wohl auf diesen Kodakan Dämon konzentrieren. Sobald ich es gelesen habe und uhm. .. Lilys Notizen durch habe, weiß ich mehr.“
 

„Lily.“, Faith drückte sich von der Wand los. „Gutes Thema ... wissen sie was diese...“, Faith unterdrückte den Wunsch all ihre Verwünschungen laut auszusprechen. Sie wollte Giles’ Gefühle nicht verletzten. Etwas überrascht über ihr plötzliches Feingefühl, blinzelte sie unsicher, fing sich aber rasch wieder. „Sie hat Vi ermordet.“
 

„Ich weiß.“, sagte Giles ruhig und sanft. „Ich habe ihre Aufzeichnungen gefunden.“
 

„Und was wollen Sie dagegen unternehmen?“
 

„Ich schätze, sie wird dafür büßen müssen, wie jeder normale oder andere Verbrecher auch....“
 

„Sie wollen sie einem Gericht überlassen?“, brauste Faith auf.
 

„Wir können sie wohl schlecht selbst richten.“, mischte sich Robin ein.
 

„Und ich werde den Rat benachrichtigen.“, fügte Giles hinzu. „Wenn sie sich in London blicken lässt. .. werden wir sie sofort verhaften lassen.“
 

Faith machte eine skeptische Miene. Sie wollte Giles Worten glauben und darauf vertrauen, aber sie rechnete damit, dass dieses Miststück von einer Wächterin noch einige Asse im Ärmel hatte.
 

„Hm ...“, machte Dawn plötzlich nachdenklich. „Also ich weiß nicht ... Lily hat mir ziemlich genau erklärt, was sie plante. Das habe ich euch allen ja schon berichtet. Dabei hat sie keine Reiter erwähnt.“
 

„Es ist möglich, dass sie von ihnen wirklich nichts weiß. Hätte sie das Buch vom Friedhof gehabt ... wer weiß.“, überlegte Giles laut. „Vielleicht wäre dann einiges anders gelaufen. Aber wenn wir gerade erneut vom Thema abgekommen sind ... dieser Unsterbliche, den ihr erwähnt habt ...“
 

Willow und Dawn horchten auf.
 

„Nun ... dieses Lichtwesen hat euch nicht doch noch mehr darüber erzählt?“
 

„Das hätten wir ihnen doch längst erzählt,“ ereiferte sich Dawn.
 

„Gut ... dann werden wir wohl das alles Schritt für Schritt herausfinden müssen ... sofern uns die Zeit dafür bleibt. Vielleicht steht über diesen Unsterblichen etwas in der Literatur. Ansonsten ... suchen wir diesen Kodakan Dämon.“
 

„Heißt das jetzt auch noch Nachtschicht?“, fragte Buffy ohne viel Begeisterung. „Albany war anstrengend ...“
 

„Vielleicht könnten Faith und Kennedy losziehen.“, beruhigte Giles, während die anderen bereits aufbrachen. „Ich würde sowieso ... Nun ... könnte ich dich bitte für einem Moment alleine sprechen?“, Giles sah Buffy eindringlich an. Es fiel ihm überraschend leicht seine einstige Jägerin darum zu bitten und es fühlte sich auch richtig an. Vor einigen Monaten wäre er nie dazu in der Lage gewesen. Als er Buffy zwar zögernd aber zustimmend nicken sah, ohne Skepsis im Blick oder Ablehnung, wusste er, dass es ihr wohl ähnlich erging.
 

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Giles Büro

Sie hatten wirklich andere Probleme und Sorgen und wie es schien, hielt sich der örtliche Höllenschlund nicht damit zurück ihnen zu der bevorstehenden Katastrophe mit reichlich exotischen Dämonen das Leben zu erschweren. Trotzdem war es Giles wichtig, dass diese erneute unausgesprochene Sache zwischen Buffy und ihm geklärt wurde.
 

Buffy hatte noch nicht die Tür hinter sich geschlossen, als sie Giles mit ihren Worten hastig zuvorkam:
 

„Hören Sie, Giles, ich weiß, weswegen sie mit mir sprechen wollen. Willow und ich haben darüber geredet. Und ich verstehe auch wieso sie nun ... Ehm ... darüber verärgert sind.“, sagte Buffy unsicher und registrierte Giles’ nach oben wandernde Augenbraue. „Verstimmt?“, fragte sie sich selbst verbessernd nach, und als auch die andere Augenbraue von Giles nach oben wanderte, versuchte sie es mit einem kleinlauten: „Gekränkt?“
 

Giles musste schließlich schmunzeln, auch wenn ihm nicht gerade danach war, und schüttelte den Kopf. „Verletzt würde es eher treffen. Du hättest zu mir kommen sollen und mit mir offen über deine Befürchtungen reden können.“
 

„Sind Sie sich da sicher?“, Buffy trat von der Tür weg und setzte sich auf einen der Besucherstühle. Sie fühlte sich nicht gerade wohl in ihrer Haut, aber die Gewissheit, dass sie beide in ihrer Beziehung gereift waren und offener miteinander umgehen konnten, gab ihr ein wenig Sicherheit. „Ich meine, Sie waren vor einem halben Jahr sehr euphorisch und in allem was Sie taten sehr.. unbeirrbar. Zudem waren Sie verliebt. Der Versuch leise Zweifel anzubringen, wurden so gut wie alle übersehen, überhört und missachtet. Und zu allem...“, Buffy spielte nervös am Saum ihrer Bluse herum, ehe sie etwas leiser die Worte hervorbrachte: „Wir waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht so weit.“
 

Giles senkte seinen Blick, um das erneute Lächeln zu verbergen. Buffy hatte ja recht und eigentlich tat es ihm bereits sehr leid, dass er Willow für das, was Buffy ihr aufgetragen hatte, so barsch angegangen war. Er würde sich bei ihr entschuldigen müssen. Und es gab auch keinen Grund wirklich länger böse auf Buffy zu sein. Er verstand ja, was sie getan hatte.
 

Er setzte sich neben sie auf den zweiten Besucherstuhl, weil er ihr nicht durch den Platz hinter seinem Schreibtisch die alte, kühle Distanz entgegenbringen wollte, und beide sahen für einen kleinen, schweigsamen Moment in verschiedene Richtungen. Buffy fand die alte Schriftrolle neben dem Eingang sehr interessant, während Giles Blick zum Fenster hinausging. Noch immer regnete es, wenn auch nicht mehr so stark. Es war ein trister Frühlingstag gewesen, der irgendwie zu dem ganzen Tag passte.
 

„Uhm ... Ja.“, begann Giles zögernd und räusperte sich erneut, während sie beide weiter in die jeweils gewählte Richtungen blickten. „Das haben wir ja jetzt dafür ganz gut hinbekommen.“
 

„Haben wir, ja.“, Buffy drehte ihren Kopf und blickte ihren ehemaligen Wächter mit einem sanften Lächeln an. Nicht im Traum hatte sie nach Willows Offenbarung daran geglaubt, dass es so friedlich ablaufen würde. Sie hatte mit mehr Vorwürfen und einem sehr verletzten Engländer gerechnet.
 

„Und ich meine ... du hast ja nicht so vollkommen unrecht gehabt, was Lily betraf. Und es ist ja auch nicht so, dass nun ... Willow in deinem Auftrag Aufzeichnungen, Notizen und Gespräche ausspioniert hätte. Sie war nur. .. aufmerksam.“ Auch Giles wandte sich wieder Buffy zu. „Vielleicht ... wäre ich vor einigen Monaten wirklich ... verletzt gewesen und verärgert.“
 

Buffys Gesicht verzog sich ein wenig. Kam jetzt doch die befürchtete Ansprache?
 

„Darum denke ich ... vergessen wir die Geschichte?“
 

„Oh, darauf können Sie wetten.“, sagte Buffy erleichtert und konnte das erste Mal seit sie das Büro betreten hatte wirklich befreit lächeln. Sie lehnte sich entspannt zurück. „Und ... wie gehen wir jetzt wegen Lily weiter vor? Haben Sie schon den Rat informiert?“
 

Giles schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, was wir tun werden oder tun können. Lily scheint vom Erdboden verschwunden zu sein. Ich habe mit England telefoniert ... aber sie sagen, sie hätte sich noch nicht gemeldet.“
 

„Wissen sie dort Bescheid?“
 

„Ich war... vorsichtig in dem was ich ...,“ Giles unterbrach sich, als er Buffys anklagendes Gesicht sah und seufzte. „Ich hatte nicht den Mut, ihnen zu sagen, was Lily getan hat. Es ist so viel Schreckliches passiert und wir sind auf jeden so angewiesen ... es hätte sicher dazu beigetragen, dass die Anderen an ihrer Arbeit und am Aufbau zu zweifeln begonnen hätte. Zudem wusste ich wegen Vi ja selbst noch nichts.“
 

„Emma!“, Buffy saß auf einmal kerzengerade im Stuhl und Giles war sichtlich verwirrt über Buffys Reaktion auf seine Worte.
 

„Emma?“
 

„Ja, Emma. Sie ist doch gestern Morgen nach London geflogen. Auf Lilys Vorschlag hin ... sie verstehen?“
 

„Großer Gott ...,“ Giles Gesicht verdüsterte sich. „Ich rufe sofort an und frage nach.“, dabei griff er bereits nach dem Hörer und wählte die Nummer. Buffy saß gespannt da und hoffte, dass sich ihre Sorge verflüchtigen würde.
 

„Rupert Giles. Ja ... ja ich weiß, dass niemand hier ist. Aber es ist ein Notfall. Versuchen Sie es bei Lenhardt. Er gehört zu den Frühaufstehern.“ Meine Güte, dachte Giles, es musste etwas vor oder nach fünf Uhr morgens in London sein. Daran hatte er im ersten Moment gar nicht gedacht. Er wurde vom Nachtportier in die Warteschleife geschaltet und während er auf eine Reaktion wartete, sah er über seine Brille hinweg zu Buffy. Er fühlte, dass die Jägerin große Angst um die junge, neue Jägerin hatte. Und er Trottel hatte die Reise auch noch genehmigt. „Oh ... Mr. Lenhardt,“ auch wenn Giles mit dem Mann gerechnet hatte, war er nun doch erstaunt. „Es tut mir leid, wenn ich so früh anrufe ...“
 

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London -

Hauptsitz Rat der Wächter

„Aber nicht doch, Mr. Giles.“, Lenhardt lehnte sich mit einem breiten, zuckersüßen Lächeln in seinem Stuhl zurück. „Ich bin meist so früh im Gebäude, weil man ungestört ist, ehe die anderen gegen acht eintreffen und einem das Leben mit Meetings und Problemen erschweren. George sagte etwas von einem Notfall?“
 

Cleveland

“Es geht um eine junge Jägerin aus Cleveland. Emma Perkinson. Wir haben sie gestern in ein Flugzeug gesetzt ...“
 

London

„Ja, der Name ist mir vertraut. Ms. Usher und Sie haben uns erst vor einigen Tagen ihre Anreise mitgeteilt. Was ist mit ihr?“
 

Cleveland

“Sie sollte inzwischen angekommen sein ... haben Sie etwas von ihr gehört?“ Giles wurde nervös. Das waren keine guten Zeichen.
 

London

„Nein, nicht das ich wüsste. Und das Meiste geht über meinen Schreibtisch, wie Sie wissen.“ Lenhardt beugte sich nach vorne und nahm die dampfende Teetasse in die Hand. „Was ist passiert?“
 

Cleveland

„Das wüsste ich selbst gerne.“, seufzte Giles. „Hören Sie ... sobald Emma ankommt, rufen Sie mich umgehend an. Und dasselbe gilt auch für Ms. Usher. Es gab hier Probleme und wir wissen nicht in wie weit wir ihr noch trauen können ...“
 

London

„Hört sich wirklich nach einem Notfall an.“, sagte Lenhardt kühl, nippte an der Tasse und stellte sie zurück. „Aber natürlich melde ich mich wieder bei Ihnen, sobald sich eine der Damen bei mir meldet.“, sein Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln und sein Blick richtete sich nach vorne, während eine zweite Tasse Tee vom Schreibtisch aufgenommen wurde – Lily Usher schlug ihre Beine übereinander, stellte die Untertasse auf ihrem Knie ab, und schenkte Lenhardt in diesem Moment eines ihrer gewinnenden, warmen Lächeln.
 

Cleveland.

„Danke, Mr. Lenhardt. Ich melde mich bald noch einmal und werde Ihnen alles über Ms. Usher berichten sobald wir das Gesamtbild erfasst haben,“ Giles schüttelte den Kopf, als Buffy ungeduldig drein sah und ihre Enttäuschung und ihre Sorge wuchs.
 

London

„Aber natürlich. Ich bin sehr gespannt. Auf Wiederhören.“, Lenhardt legte auf und blickte erwartungsvoll zu Ms. Usher. „Wo waren wir stehen geblieben?“
 

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Cleveland, Shin’s Haus

Nächster Tag, Nachmittag

„Shin ... es tut mir leid wenn ich wieder so einfach hereinplatze.“, Dawn stand vor Shins Tür, und wackelte von einem Bein aufs andere.
 

„Hallo Dawn. Ist alles in Ordnung?“, fragte er besorgt, als er bemerkte wie aufgebracht sie war.
 

„Ja ... mehr oder weniger. Darf ich reinkommen?“
 

„Na ja ... Tradition hin oder her ... Natürlich. Schließlich muss ich ja nichts mehr verstecken.“ Er lächelte. „Aber beruhig dich erst mal.“ Liebevoll legte er eine Hand auf ihre Schulter. „Was ist los?“
 

Beide steuerten auf seine Zimmertür zu. Shin blieb im Türrahmen stehen. „Setz dich bitte. Soll ich dir etwas zu trinken bringen?“
 

„Nein danke.“, Dawn setzte sich auf sein Bett, und bewunderte die verschiedenen Drachen die auf die Decke gestickt waren.
 

Also schloss er die Tür hinter sich, und setzte sich auf die andere Bettkante.
 

„Was willst du mir denn erzählen?“, fragte er erneut.
 

„Dieser Mord, an einer meiner Mitschülerinnen. Ich ... Ich bin mir nicht sicher, ob die Polizei recht hat.“ Sie sah ihn durchdringend an. „Das Mädchen war eine Musterschülerin. Sie wurde ermordet ... aber nicht von einem Junkie.“ Tief in sich fühlte Dawn, dass sie mit Shin auch über das andere Problem reden konnte ... doch diesen Dämon behielt sie erst einmal für sich.
 

„Ich habe erst heute von dem Mord erfahren. Aber so etwas geschieht nun mal. Bist du dir wirklich sicher?“
 

„Ja, ich weiß auch nicht wieso. Aber es ist so ein Gefühl. Na ja ...“, Dawn suchte nach den richtigen Worten. Sie hoffte, dass wenigstens ihr Freund ihr glauben würde.
 

„Lass der Polizei einen Tag Zeit ... vielleicht haben sie sich getäuscht und alles klärt sich auf. Weißt du was ... ich hab dich vermisst. Du hast dich rar gemacht ... selbst auf der Arbeit. Wie war’s eigentlich mit Lily im Kino?“, fragte Shin, um etwas von der annahenden Stille zu verdrängen. Anscheinend ging das ganze Dawn sehr Nahe, und vielleicht gab es ja noch etwas was sie bedrückte. Shin setzte sich im Schneidersitz hin und rückte ein Stück näher zu Dawn.
 

„Ich hab dich auch vermisst.“, sie streichelte über seinen Arm. „Aber ... es war... alles etwas stressig ... und das mit dem Kino ... meine Güte. .. Lily ... ich hab dir davon ja noch gar nichts erzählt ... sagen wir so, ich kam in den Genuss mich wie Jack Bauer zu fühlen ...“
 

Nachdem Dawn Shin alles erzählt hatte was sie glaubte, dass er wissen musste, ausgenommen jene Stellen, die ihre Existenz als Jägerin und Schlüssel betrafen, wurde ihr klar, dass sie Shin eines Tages die Wahrheit darüber sagen musste. Auch wenn er ein Dämonenjäger war, und vor kurzem ganz offen mit ihr über seine Familientradition gesprochen hatte, war ihre Geschichte doch eine ganz andere ...
 

Besorgt sah Shin sie an und legte erneut einen Arm um sie. „Entführt ... ? Mein Gott, was war denn mit der los? Da hast du wohl nicht wenig durchgemacht. Aber ich verspreche dir immer für dich da zu sein! Falls da mehr ist, dass du mir erzählen möchtest ...“
 

Er ahnte etwas - ganz bestimmt. Sie konnte es fühlen. Oder bildete sie es sich nur ein? Doch darüber wollte sie jetzt nicht so genau nachdenken. Sie wollte sich einfach in seinen Arm kuscheln und dem Gefühl nachgeben, sich zum ersten Mal seit den letzten Tagen richtig entspannen zu können.
 

„Danke.“, flüsterte sie, und lehnte ihren Kopf an seine Schulter.
 

Nach ein paar Minuten fing es an erneut leicht zu regnen. Dawn hob ihren Kopf. „Ich liebe es, wenn ich den Regen höre.“ Sie lächelte ihren Freund an. „Und ich liebe es, hier in deinen Armen zu liegen.“
 

„Ich seh’ das wohl auch so.“, er strahlte und warf Dawn ein zuckersüßes Lächeln entgegen. „Obwohl es jetzt langsam genug geregnet hat.“
 

Dawn konnte nicht anders, als ihm einen kurzen Kuss auf die Lippen zu geben. Doch diese Sekunde kam ihr so kurz vor, und sie wollte mehr von seinen Lippen schmecken. Aber sie konnte sich nicht rühren, ihr Herz klopfte einfach immer schneller.
 

Shin versank in ihren Augen, und da sie ihm gerade einen Vorgeschmack gegeben hatte, lehnte er sich etwas nach vor, um erneut seine Lippen mit ihren zu vereinen. Wie hatte er sie in den letzten Tagen vermisst ...
 

Für ein paar Sekunden saßen sie einfach nur so da. Doch dann legte Dawn ihre Hände um seinen Hals, und langsam begannen ihre Zungen sich zu erforschen. Er liebte den Geruch ihres Shampoos, und spielte mit ihren Haaren, bis seine Hände langsam ihren Rücken hinunterwanderten.
 

Dawn fühlte dieses angenehme Kribbeln, das seine Zunge und seine Hände verursachten. Er machte sie verrückt nach ihm. Sie hatte keine Ahnung wie lang sie schon so beisammen saßen, und lehnte sich zurück, um vollständig auf dem Bett zu liegen.
 

Ohne ihre Zunge für eine Sekunde missen zu müssen, folgte Shin ihr, und schmiegte seinen Körper an ihren.
 

Dawn wollte mehr von ihm fühlen, und ließ ihre Hände über seinen Rücken streifen. Als sie weiter unten angekommen war, fuhr sie mit ihren Händen unter sein Shirt, und genoss es seine weiche Haut zu fühlen.
 

Dawn ließ Shin einen angenehmen Schauer über den Rücken laufen. Es war einfach so unglaublich schön sie zu küssen, sie zu schmecken ...
 

Für eine Sekunde löste Dawn ihre Lippen von Shins, und sah ihm einfach nur in die Augen. Wie von einer oberen Macht gesteuert, zog sie sein T-Shirt hoch, und über seinen Kopf.
 

Mit einer Hand fuhr sie die Konturen seines Oberkörpers nach, während ihre andere Hand noch auf seinem Rücken ruhte.
 

Sie machte ihn nur noch abhängiger. Anstatt sie wieder auf den Mund zu küssen, wanderte sein Mund zu ihrem Hals, und hinterließ sanfte Küsse auf diesem. Währenddessen streiften ihre Hände noch immer seinen Körper entlang.
 

Als er an ihrem Shirt angenommen war, sah er ihr in die Augen.
 

Dawn nickte, und gab sich vollständig seinen Berührungen hin....
 

++++
 

Kennedys Wohnung

Selber Zeit

„Morgen ist der wichtigste Tag in deinem Leben!“, sagte Kennedy, als sie wie ein Feldwebel vor Andrew stand. Zufrieden ließ sie ihren Blick über die Einkaufstüten auf dem Boden schweifen, die mit aller nötigen Kleidung und wichtigen Accessoires vollgestopft waren.
 

Andrew stand wie ein Häufchen Elend vor ihr und versuchte beleidigt die Krawatte etwas zu weitern, da sie ihm fast die Luft abschnürte. Zu seinem Bedauern hatte Kennedy ihm verboten ein Comic Motiv zu wählen, und ihm einen schlichten, schwarzen Schlips ausgesucht. Wenn er genauer darüber nachdachte, wäre so etwas bei James Bond allerdings auch lächerlich gewesen.
 

Kennedy blätterte in ihrem ledernen Terminplaner. „Also, shoppen und beim Friseur waren wir schon, jetzt bringe ich dir bei wie man sich bei Tisch benimmt, und heute Abend werden wir...“
 

„Heute Abend? Heute Abend wollte ich aber mit Warren ins Autokino und das Spiderman Double Feature gucken! Wir müssen analysieren, ob die Szene mit dem Split Screen in der Brille aus Matrix geklaut ist!“
 

Kennedy blieb der Mund offen. „Huh? Hältst du mich denn für bescheuert? Kein Mensch geht in ein Autokino, um sich Filme anzugucken. Meinst du, ich wüsste nicht, was ihr da macht?“
 

Andrew sah sie mit seinem unschuldigsten Augenaufschlag an. „Huh?“
 

„Ihr guckt den ganzen Liebespaaren beim Rummachen zu und ärgert euch darüber, dass solche nervigen Typen wie ihr es seid, keine Freundinnen abkriegen!“
 

Andrew schaltete von verwirrt auf beeindruckt um. „Wow, du hast aber eine schmutzige Phantasie!“
 

Ohne ein weiteres Wort zu sagen, sah sie ihn schockiert an. Es war besser diese Diskussion ein andermal fortzuführen.
 

Nachdem sie die Einkaufstüten in Andrews Armen gestapelt hatte, beorderte sie ihn in ihre Wohnung. Als sie sorgfältig den Esstisch gedeckt hatte, begann Kennedy mit den ersten Erziehungsversuchen.
 

„Also, stell dir einfach vor, du bist James Bond. Kopf hoch, Brust raus, Lächeln. Du hältst die Gabel in der linken Hand und das Messer in der Rechten, so isst man in England. Das Besteck von Außen nach Innen. Und sitz’ gerade ...“
 

Andrew seufzte. „Und das soll ich alles gleichzeitig machen?“
 

„Ja, ja ich weiß schon, ihr seid nicht multi-tasking fähig, weil eure Gehirnhälften nicht richtig miteinander verbunden sind. Deshalb habt ihr auch kein sprachliches Denken und keinen multiplen Orgasmus!“
 

Er sah Kennedy hoffnungslos verwirrt an. „Männer haben keinen multiplen Orgasmus?“
 

„Das muss ich dir jetzt nicht erklären, oder?“, Kennedy rollte mit den Augen.
 

„Heißt das, sie werden davon blind und kriegen Leberschäden?“, fragte er verzweifelt.
 

Kennedy stieß einen Seufzer aus und nahm ihm das Besteck aus der Hand. “So, jetzt proben wir das richtige Trinken!“
 

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Cleveland, Park

Etwas später am Nachmittag

Das Licht einzelner Sonnenstrahlen brach sich in den Pfützen, die nass schillernd den schmutzigen Parkweg überzogen. Die zartgrünen Blätter auf den Bäumen, und die blühenden Krokusse verbreiteten einen Hauch von Frühlingsstimmung, auch wenn die prasselnden Regentropfen und das Gedränge, der durch den Schauer hastenden Menschen so rein gar nichts Frühlingshaftes an sich hatten.
 

Ein kleines Mädchen in einem gelben Regenmantel stand mit ihrer Mutter am Ufer des Teichs und verfütterte Brotreste an die Gänse.
 

Dawn musste über diese Szene schmunzeln. Manche Dinge änderten sich wirklich nie.
 

Heftiges Fußgetrappel riss sie aus ihren Gedanken und im nächsten Moment stieß sie beinahe mit einem tütenbepackten Andrew zusammen, der um die Ecke gerannt kam. “Entschuldigung,“ keuchte er, “Oh, hi Dawn, was machst du denn hier?“
 

“Ich bin auf dem Heimweg.“, stammelte sie. “Ich war bei Shin und jetzt bin ich auf dem Heimweg! Weg von Shin. Zu mir.“
 

“Hast du’s eilig?“, fragte Andrew. “Falls nicht, dort drüben ist ein Café und ich könnte dir ’ne Coke spendieren ...“
 

“Uhm ... das ist lieb, danke, aber ich bin grad’ nicht in Kaffee-mit-Coke Stimmung.“ Sie lächelte vor sich hin.
 

“Willst du lieber ’ne Karotte?“, Andrew zog eine solche aus einer seiner Einkaufstüten. “Haben viel Vitamin A, das ist sehr gesund für die Augen. Ich hab’ gleich ’nen ganzen Packen mitgenommen ...“
 

Er brach ab und blickte Dawn an. Irgendwie schien ihr Lächeln heute strahlender zu sein, als sonst und in ihren Augen lag dieser ganz besondere Glanz. “Du siehst verändert aus.“, stellte der Junge fest, und musterte sie neugierig, doch ihre Kleidung war wie immer. “Neue Frisur?“, versuchte er es vorsichtig.
 

Dawn blickte ihn verwirrt an, und ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. “Abgesehen davon, dass meine Haare klatschnass sind? Selbe wie immer!“
 

Sie überlegte, wie sie das Gespräch auf ein unverfänglicheres Thema bringen konnte und stellte fest, dass sie das eigentlich gar nicht wollte. Alles in ihr war noch so warm und so hell und sie wollte dieses Licht und diese Wärme solange wie möglich auskosten bevor sie wieder in den Alltag zurückkehrte.
 

Alles hatte sich heute Nachmittag verändert. Auch wenn ihre Probleme dadurch nicht kleiner geworden waren.
 

“Kommst du nicht von selbst darauf?“, fragte sie leise.
 

“Na ja.“, murmelte Andrew verlegen, “weißt du, ich hab’ immer gedacht, dass das nur in Filmen so sei. Dass man hinterher anders aussieht, mein ich ... Und ich hab’ mich oft gefragt, warum so ein Riesenwirbel, um diese eine Sache gemacht wird ... ob sie das eigentlich wert ist.“
 

“Wie meinst du das?“, wunderte sie sich. “Willst du mir jetzt etwa erzählen, der erste Kinobesuch sei ein bedeutenderer Augenblick im Leben eines Mensch?“
 

“Ich denk’ mal, es hängt von jedem Menschen selbst ab, welche Augenblicke in seinem Leben bedeutend sind.“, sagte Andrew, “aber das hab’ ich jetzt gar nicht gemeint. Ich meine, alles hängt immer nur an dieser einen Sache fest, so als ob es nichts Anderes gäbe. Das ist wie beim Essen, es gibt ein Steak als Hauptgericht und alles andere ist nur Vorspeise und Nachtisch und Beilage.“
 

Dawn kicherte: “Ja, genau, und wenn man irgendwann einen Vegetarier trifft, fragt man ihn als erstes: ’Wovon lebst du eigentlich? Ohne Steak wird man doch nicht satt!’
 

Ohne Übergang wurde sie wieder ernst. “Ich hab’ das immer ein bisschen wie eine Pyramide gesehen, wo ein Stein auf dem anderen aufbaut und man geht einen Schritt und noch einen Schritt und irgendwann, wenn man dazu bereit ist, geht man dann den letzten Schritt. Aber es stimmt schon, warum soll es eine Regel für alle Menschen geben, welches der letzte Schritt ist?“
 

“Gibt es ja auch nicht.“, widersprach Andrew, “und wie soll es überhaupt einen letzten Schritt geben, wenn es noch Hunderte anderer Schritte gibt, die man vielleicht bloß deshalb nicht macht, weil man nicht checkt, dass der Weg noch weiter geht?“
 

“Jeder Schritt ist etwas Besonderes.“, Dawn dachte an den Tag zurück, als sie Shin zum ersten Mal bei Cleveland Rides getroffen hatte. Dann die Katastrophe mit dem Ball, und wie lange es gedauert hatte, bis sie sich endlich ausgesprochen hatten. Und schließlich die Teezeremonie und ihr erster Kuss ... und dann...
 

“Du lächelst wie die Monalisa.“, stellte er fest und sie erwachte aus ihrem kurzen Tagtraum.
 

“Es hat alles gepasst.“, hauchte sie leise. “der Zeitpunkt, die Stimmung, einfach alles. Es war etwas Besonderes für mich, für uns beide. Und das nicht nur wegen der einen Sache, wenn du verstehst, was ich meine. Es gab so vieles, das einfach so wunderschön war. Er war bei mir, er hat mich in den Armen gehalten und ich habe...“
 

“Sein Herz klopfen gehört?“, fragte Andrew leise zurück. “Du hast deinen Kopf auf seine Brust gelegt und zugehört, wie es schlägt und dich gefragt, ob es nicht einfach nur ein Wunder ist, dass es jemanden wie ihn für dich gibt, und dass er hier bei dir sein kann ...“
 

“Woher...?“, setzte Dawn überrascht an, doch Andrew unterbrach sie mit erhobener Hand.
 

“Nenn’ es Intuition!“, lächelte er, wandte seinen Blick von Dawn ab und wieder der endlos scheinenden Straße aus Regentropfen und vor Nässe glänzenden Bäumen zu.
 

++++
 

Cleveland,

eine Autobahnbrücke

’Und ich dachte, dir würde etwas an mir liegen.’, der ältere Dämon drehte sich um. Sein Bruder stand hinter ihm, mit weit aufgerissenen Augen, die blutunterlaufen waren.
 

‚Hast du es etwa schon wieder nicht geschafft?’, mit hochgezogenen Augenbrauen sah er seinen Bruder an. Einige seiner verfaulten Zähne waren abgebrochen, und waren nur noch als Stummel zu erkennen. Dunkelbraunes Blut rann langsam aus seinem Mund.
 

Ohne ein weiteres Wort stürzte sich der Jüngere auf seinen großen Bruder. Er vergaß all den Schmerz, den er durch den Kampf mit den Jägerinnen erlitten hatte. Er verdrängte die Scham, die sich in ihm angesammelt hatte, und den Gedanken, dass er seinen Vater nie würde stolz machen können.
 

Doch sein Schlag ging ins Leere. Sein Bruder stand schon hinter ihm. Schockiert starrte der Jüngere die Wand an.
 

‚Ganz ruhig, mein Kleiner. Denkst du wirklich, dass du mir etwas anhaben kannst? Schade, dass die Jägerinnen nicht herausgefunden haben, wie sie dich hätten töten können. Aber eine dieser zwei Möglichkeiten werde ich gern anwenden.`
 

‚Nein...!’, das durfte doch nicht passieren. ‚Ohne mich kannst du hier erstrecht nicht überleben!’
 

‚Doch, dass kann ich.’, antwortete der Ältere ruhig. ‚Ich habe deinen Kampf doch still und heimlich beobachtet. Ich kenne deine Schwachstellen, und schade, dass sie dir nur das Genick, und nicht sämtliche andere Knochen gebrochen haben.’
 

Im nächsten Moment startete der große Bruder seinen Angriff, um etwas von seiner Kunst zu zeigen. Er stützte sich an der Wand ab, sprang hoch und umklammerte anschließend den Hals seines Bruders mit beiden Beinen. Das Abschütteln war zwecklos, denn langsam verließen den Jüngeren die Kräfte. Auch der Druck auf sein Genick war alles andere als angenehm.
 

Der Ältere grinste, und schleuderte seinen Bruder mit einer Umdrehung hart gegen den Boden.
 

‚Uuh...’
 

Der Jüngere lag kraftlos auf dem Boden. Mit lauten Schritten ging der Ältere auf und ab.
 

‚Wie kann ich dich richtig leiden lassen?’, fragte dieser und packte seinen Bruder an den Schultern um ihn hochzuheben, und ihm von hinten sein Knie gegen den Rücken zu rammen.
 

‚Du bist eine Schande für unsere Familie! Du bist Schuld, dass Vater starb! Und er hat dich beschützt!’
 

Der Jüngere krümmte sich am Boden. Seine ganzer Körper zitterte, und er spürte jedes einzelne Glied. Wenn er überleben wollte, war die einzige Möglichkeit aufzustehen und gegen seinen Bruder anzutreten.
 

Schließlich stand er auf, zuerst wackelig auf den Beinen. Er schaffte es nicht sich ganz aufzurichten, da sein Rücken mit jedem Millimeter, den er sich erhob, mehr schmerzte.
 

‚Glaubst du wirklich, dass du eine Chance hast? Ich glaube, ich sollte deine Lebensenergie sammeln bevor sie endgültig draufgeht.’, sein Bruder lachte höhnisch.
 

‚N-Nein...’, antwortete der Jüngere leise und starrte auf den Boden. ‚Aber ich kann es doch versuchen!’ Im nächsten Augenblick griff er an und schlug auf seinen Bruder ein. Ein paar Mal streifte er ihn sogar. Doch als sein Bruder anfing sich zu wehren, wurde die ganze Sache schon schwieriger. Anstatt nur die Angriffe abzublocken, schlug er belustigt zurück und ein Hauch von Wahnsinn legte sich in seine Augen.
 

‚Können wir endlich mit den Kinderspielchen aufhören?’ Er stoppte einen Fußtritt seines Bruders mitten in der Luft und hielt sein Bein fest. Danach schleuderte er ihn mit einer Hand gegen die Mauer der Autobahnbrücke. Die Autos, die vorbeifuhren, kümmerten ihn nicht.
 

Bevor der Jüngere auch nur seine Augen aufmachen konnte, stand sein Bruder schon in voller Größe vor ihm.
 

‚Noch einen letzten Wunsch?’
 

Doch sein kleiner Bruder hörte ihn nicht mehr.
 

‚Pah, dann eben nicht!’ Er packte ihn am Hals und sog langsam jeden Funken Lebensenergie aus seinem Blutsverwandten. ‚D-Das war’s schon?’, schockiert ließ er seinen Bruder sinken. Anscheinend hatte er etwas zu hart reagiert. Aber immerhin war er selbst durch diese minimale Energie stärker geworden. Stark genug, um gegen diese mickrigen Jägerinnen anzutreten, und endlich die nächste Ebene zu erreichen...
 

AKT4
 

Straßen von Cleveland

Am Abend

“Buffy!”
 

“Dawn.”, die blonde Jägerin fuhr herum, und sah ihre Schwester vor sich stehen, die außer Atem angerannt kam. Bevor sie zum Reden ansetzten konnte, fuhr Buffy fort. “Du weißt dass ich nicht sonderlich einverstanden damit bin, wenn du so leichtsinnig in die verschiedensten Kämpfe ziehst. Auch wenn es sich nur um Kleinzeugs handelt.”, sie hob ihre Hand, in der sie einen Holzpfahl hielt.
 

“Aber Buffy... ich habe es gerade in den Abendnachrichten gesehen. Der Dämon hat ein neues Opfer gefunden,” betreten sah sie auf den Boden.
 

“Anscheinend hatte Giles Recht, und ich habe ihn mit meinem Genickbruch nicht getötet...”
 

“Hör zu... die Polizei glaubt wieder an einen harmlosen Mord, obwohl man vermutet, dass es derselbe Mörder sein könnte wie bei Tiffany und in einigen anderen Fällen, die vor ein paar Tagen.. ”
 

“Was ist.. habt ihr ihn? Den Dämon?”, begeistert rannte Ronah auf die beiden zu, gefolgt von Faith.
 

“Was macht ihr denn hier?”, fragte Dawn, als die vier auf gleicher Höhe waren.
 

“Falsche Straße genommen.”, antwortete Faith knapp.
 

“Du wirst sicher nicht mitgehen Dawn!”, entgegnete Buffy um die Diskussion mit ihrer Schwester wieder aufzunehmen. “Erinnere dich was bei dem Kampf gestern passiert ist.”
 

“Buffy, ich glaube wir zwei sollten dass allein übernehmen.”, sagte Faith, bevor Dawn erneut protestieren konnte.
 

“Aber...”, Ronah sah Faith verwirrt an. Schließlich war Faith bei ihr, und sie hatte ihr nur verboten allein zu kämpfen.
 

“Ronah, ich weiß was in dir vorgeht, aber ich will kein Risiko eingehen.”
 

“Faith hat Recht.”, antwortete Buffy, und nickte den beiden Jüngeren zu. “Vor allem wenn es der Dämon auf Jungfrauen abgesehen hat und nicht speziell auf euch als Jägerinnen.”
 

“Woher wollt ihr wissen, dass ich nicht...,” begann Ronah, wurde aber von vielsagenden Blicken von Buffy und Faith unterbrochen. Sie grinste verlegen und ersparte sich weitere Worte.
 

Dawn sah ihre Schwester beleidigt an. “Ich bin auch eine Jägerin. Ob es dir passt oder nicht. Aber wenn du meinst.”, murmelte sie, und drehte sich auf der Stelle um. Sie rannte in die entgegengesetzte Richtung. Vielleicht würde der Dämon ja ihr über den Weg laufen, dann musste sie kämpfen. Und wenn Giles‘ Informationen stimmten, konnte ihr der Dämon nicht mehr sehr viel anhaben und das wollte sie auskosten. Dank Shin, lächelte sie in sich hinein.
 

“Aber...”, Buffy war verwirrt. “Was sollte das jetzt wieder?”, rief sie ihr nach, aber bekam keine Antwort. “Ich hoffe sie geht nach Hause...”, murmelte sie in sich hinein.
 

“Ronah...”, Faith sah ihr in die Augen. “Geh nach Hause.”
 

Doch bevor sie antworten konnte wurde die restliche Stille der Nacht von einem lauten Schrei durchschnitten. Dawn....
 

Ohne eine Sekunde zu warten setzte Buffy zum Sprint an, und versuchte die Richtung aus der der Schrei kam ausfindig zu machen. Der Schrei ihrer eigenen Schwester ging ihr durch Mark und Bein.
 

‚Wen haben wir denn da?’, fragte der ältere Dämon belustigt, als er direkt vor Dawn auftauchte, und seine Faust ein paar Millimeter vor ihrem Gesicht zum Ruhen kam. ‚Hey, Zu faul mir zu antworten?’
 

Der Kodakan Dämon fixierte sie mit den Augen. Dawn starrte ihn an. Er war größer und furchterregender als jener, den sie gestern getroffen hatte. Es gab also zwei.... oder wie viele noch?
 

‚Mach dir keine Sorgen. Um meinen Bruder habe ich mich längst selbst gekümmert... es gibt jetzt nur noch mich.’ Seine Augen waren kalt und drückten Grausamkeit aus, und durch die Straßenscheinwerfer war zu erkennen, dass einige Narben auf seinem Körper prangten. Ein Teil seiner Kopfhaut wies große Brandspuren auf.
 

“Du kannst nicht mehr so einfach mit mir spielen!”, die junge Jägerin ließ sich leicht nach hinten fallen, stützte sich mit ihren Händen am kalten Asphaltboden ab, und schlug mit einem Fußtritt seine Faust weg. Doch der Dämon zog rechtzeitig seinen Arm zurück, sodass Dawn nur seine Fingerknöchel traf. Er grinste.
 

Mit der anderen Hand packte er ihren Fuß, und schleuderte sie wie seinen Bruder ein paar Meter weiter. Kurz bevor Dawn gegen einen Laternenpfahl schlug, schützte ihre Schwester sie mit ihrem eigenen Körper, und wurde selbst gegen den Pfahl geschleudert.

“Uh...”
 

“B-Buffy?”, nachdem sie von ihrer Schwester vor erneuten Schmerzen gerettet wurde, verlor sie ihr Gleichgewicht, und fiel wieder auf die Straße.
 

“Wenn du glaubst dass ich nicht schneller als du rennen kann, hast du dich geschnitten!”, Buffy lächelte trotz der Schmerzen. Es war kein guter Start für einen Kampf gegen diesen Dämon. Er war bereits einige Schritte näher gekommen, doch auch Faith und Ronah waren bereits am Kampfort eingetroffen.
 

“Das ist ein anderer,” stöhnte Dawn. “Wir hatten gestern die Ehre mit seinem Bruder,” erklärte Dawn weiter.
 

‚Welche nehm’ ich mir jetzt?’, fragte sich der Dämon, und musterte eine nach der anderen. Er erkannte Ronah, die seinen Bruder allein nahezu fix und fertig gemacht hatte. Egal ob er eine von den starken oder von den Schwächeren wählte, eine würde reichen, um die Stufe nach oben zu steigen. Und zwar eine nach der anderen. Aber was er wollte, war die unbefleckte, reine Lebensenergie.
 

‚Der sieht aber nicht gerade freundlicher als der Letzte aus.’, dachte sich Ronah, und ihr wurde klar, dass der Holzpfahl ihr nicht viel nützen würde.
 

‚Jägerin!’, der Dämon grinste Ronah an. Diese würde ein leichtes Opfer werden, und ihm Unmengen an Energie schenken. Vorerst waren die anderen uninteressant. Er konnte ihre Gedanken lesen, und das hieß dass sie ein gefundenes Fressen war.
 

Erschrocken zuckte Ronah zusammen. “Habt ihr das auch gehört?”
 

“Was denn?”, fragte Dawn besorgt, als sie sich wieder aufgerappelt hatte, und Buffy half das Gleichgewicht zu bewahren.
 

”Diesen verdammten Dämon!”
 

Im nächsten Augenblick war der Dämon hinter ihr aufgetaucht, und schlug ihr mit einer Faust ins Genick. Ronah fiel nach vorn, doch bevor sie auf dem Boden aufschlug, trat der Dämon mit voller Wucht erneut schräg gegen ihren Hals, und um dem Ganzen noch eins drauf zu setzen sprang er hoch, und versenkte seine spitzen Ellbogen direkt in Ronahs Schlüsselbeinen.
 

Bevor er sich über seine gezielten Schläge freuen konnte, stand Faith direkt vor ihm, bereit zum Schlagabtausch. Ohne eine Sekunde zu warten rammte sie ihm ihr Knie direkt in den Magen, und als der Dämon für einen kurzen Moment nach vorn kippte, schlug sie ihm mit ihrem Ellbogen schräg ins Genick. Er durfte Ronah nichts antun, nicht nachdem was mit Vi passiert war. Er hatte kein Recht dazu, aber er hatte die Bestimmung zu sterben. Genauso wie Lily, genauso wie jeder andere der Ronah oder einem anderen ihrer Freunde etwas antun wollte.
 

Nachdem sie kurz von ihm abließ, taumelte er ein paar Meter zurück, doch die Jägerin rannte erneut auf ihn zu. Mit Schwung trat sie ihm in den Oberkörper, und brachte ihn zu Fall. Ohne dass er reagieren konnte, sprang sie auf seinen Bauch, und schlug ihm mit ihren Fäusten direkt ins Gesicht. Bei jedem Schlag konnte sie hören wie seine Zähne in Einzelstücke zerbrachen, und seine zerfranste Lippe aufquoll, und platzte.
 

Zufrieden rammte sie ihre Fäuste weiter gegen ihn, doch als sie das nächste mal ausholte, stellte sie erschrocken fest, dass der Dämon ohne Mühe ihre beiden Unterarme gepackt hatte. All die mobilisierten Kräfte stockten in dieser einen Sekunde die Faith vorher heraufbeschworen hatte, um sich endlich an jemandem zu rächen, auch wenn sie es nicht schaffen würde das Gesicht von Lily an seinen Kopf zu tackern.
 

Er schleuderte sie nach hinten, jedoch nicht ohne weiter ihre Arme festzuhalten. Am liebsten würde er sich noch länger mit ihr beschäftigen, und ihre Angriffe einstecken, doch vielleicht würde sein wahres Opfer dann schon längst verschwunden sein.
 

Er ließ Faith‘ Unterarme los, und trat über die Jägerin. Mit einem weiteren Grinsen trat er genüsslich auf ihre Hände, bis sie anfing sich zu winden, und sich langsam die Haut aufwetzte. Er drehte seinen Kopf, und verfolgte Ronah mit seinen Augen. Buffy und Dawn hatten sie wieder auf die Beine gebracht. Es war keine Zeit mehr zu verlieren. Um Faith für ein paar Minuten außer Gefecht zu setzten packte er sie erneut an ihren Armen, und trat ihr mit seinem Knie immer wieder gegen den Kopf. Sie konnte förmlich fühlen wie ihre Nase splitterte. Warmes Blut schoss aus ihrer Nase, und verteilte sich auf dem Boden und dem Körper des Dämons. Die Versuche der Jägerin sich aus seinen Fangen zu befreien waren zwecklos. Immer bevor sie ihn wegtreten wollte, war er bereits ausgewichen. Nachdem sie das Gleichgewicht verlor, und leicht nach hinten fiel, lies er sie mit einem Arm los, und schlug ihr mit diesem immer weiter ins Gesicht, nicht ohne sie mit seinen Füßen weiter zu treten.
 

Um dem ganzen ein Ende zu bereiten, schleuderte er sie mit Wucht auf den Boden, und rammte ihr seinen Ellbogen in den Bauch. Sie spuckte Blut, und verlor dass Bewusstsein.
 

Ohne eine Sekunde zu warten rannte er auf die restlichen drei zu. Er sprang hoch, hielt sich mit seinen Händen an Ronahs Schultern fest, und trat Buffy und Dawn mit seinen Beinen direkt in den Oberkörper. Durch den Aufprall wurden beide nach hinten geschleudert. Mit einem lauten Krachen landete Dawn in einem Gestell einer Feuerleiter, und Buffy wurde gegen ein paar Mülltonnen geschleudert. Allein durch das Geräusch war die Alarmanlage eines nicht weit entfernten Autos losgegangen. Doch ohne sich darauf zu konzentrieren winkelte der Dämon seine Beine an, und drückte damit gegen Ronahs Hals.
 

Sie rang nach Luft, doch nachdem er den Druck verstärkte, war nicht einmal mehr das anfängliche Husten zu hören. Lediglich ein Keuchen drang durch ihre Lunge.
 

‚Ich muss etwas tun!’, schoss ihr durch den Kopf.
 

‚Du kannst nichts tun. Ich werde dich töten, ich werde dir jeden Funken Energie aussaugen, und du wirst leiden!’, antwortete der Dämon, und lachte höhnisch.
 

Seine Stimme hallte immer wieder in Ronahs Kopf, und langsam bekam sie Panik. Sie war doch eine Jägerin, wieso sollte sie sich nicht richtig wehren können? Sie würde Faith beweisen dass ihre Sorge umsonst gewesen war.
 

Sie sammelte ihre Kräfte um sich dann mit Wucht nach hinten zu schmeißen, und dem Dämon sein Gleichgewicht zu rauben.
 

Dieser stellte erschrocken fest, dass Ronah schneller gehandelt hatte, als er ihre Gedanken lesen konnte. Diese hatte aber dennoch keinen Vorteil im Kampf daraus gezogen.
 

‚Na warte!’, das reichte. Schon vom Kampf mit der anderen Jägerin war er wütend geworden, und diese konnte er doch mit Links besiegen. Er würde dem ganzen schnell ein Ende bereiten. Bevor Ronahs Atem sich wieder beruhigt hatte, packte er sie mit einer Hand am Hals und hob sie hoch. Mit letzter Kraft schrie sie so laut sie konnte, doch nach wenigen Sekunden verstummte ihre Stimme.
 

‚Es war schön euch minderwertige Wesen gekannt zu haben!’, ertönte die Stimme des Dämons in Ronahs Kopf, gefolgt von einem hysterischen Lachen.

Das Ringen nach Luft war zwecklos, und mit der kleinsten Bewegung versiegte der restliche Sauerstoff der sich in ihrem Körper befand. Langsam fühlte sie sich viel schwächer als sie eigentlich war. Ronah verlor jegliches Gefühl in ihren Gliedmaßen. Doch sie spürte, wie der Dämon mächtiger wurde. Mächtiger als die Ausgabe die Faith besiegt hatte.
 

Nach ein paar Sekunden verschwamm die Gegend, die Lichter der Straßenlaternen wurden unklar, und ihr Blick fiel auf Faith’ Körper der am Boden lag. Ronah fühlte dass ihre Panik überhand nahm. Doch dann hatte sie keine Kraft mehr, ihre Augen offen zu lassen.
 

Siegessicher hob der Dämon ihren Körper noch etwas höher, um sein neues Opfer der ganzen Welt zu präsentieren. Er konnte förmlich fühlen wie ihre Kraft in seinen Körper überging, und seine Muskeln vibrierten.
 

Doch im nächsten Augenblick konnte Ronah ihre Rettung hören. Auch wenn sie nur leise in ihrem Kopf ankam. Mit einem lauten Schrei rannte Buffy auf den Dämon zu, auch wenn ihr insgeheim klar war, dass er sie nicht hören konnte. Mit dem gleichen Angriff wie er vorhin Ronah das erste mal richtig außer Gefecht gesetzt hatte, schlug sie auf ihn ein, und rammte ihre Ellbogen in seinen Körper.
 

Auch wenn sie es nicht gerade gern sehen wollte, konnte sie den Dämon nur mit der Hilfe einer weiteren Jägerin besiegen. Nachdem der Dämon im Überraschungsmoment seinen Griff lockerte, rannte auch Dawn auf ihn zu, sprang hoch, und traf mit einem geschickten Fußtritt seinen Arm. Doch kurz nachdem der Schmerz nachgelassen hatte, packte der Dämon erneut fester zu. In seinem inneren wurde er wahnsinnig, wenn er nicht bald den Rest seiner Energie bekam.
 

Als Buffy ihn von hinten mit Schlägen eindeckte, versuchte er sie einfach abzuschütteln. Doch als sie erkannte das Faustschläge nichts halfen, umklammerte sie seinen Körper mit ihren Beinen, und rammte ihm ihren Holzpfahl in den Rücken. Ein Gefühl von Schmerz kroch durch seinen Körper als sie immer wieder von vorn begann, und ihr schwarzes Blut entgegen spritzte. Sie löste sich von seiner Gestalt, und rammte ihm ohne Pause Fußtritte von der Seite schräg in den Magen, während Dawn noch immer mit seinem Arm beschäftigt war. Mit einem weiteren Schlag schaffte die junge Jägerin es, seinen Griff entgültig zu lockern und Ronah zu befreien.
 

Während Buffy nachdem sie von ihm erneut zurück geschleudert wurde wieder auf ihn zu rannte, nutzte Dawn die Zeit um sich an ihm für den letzten Kampf mit seinem Bruder zu rächen. Nacheinander schlug sie ihre Fäuste gegen seinen Magen. Sie drehte sich, und landete mit voller Kraft einen Treffer mit einem Fußtritt, den sie gekonnt auf seinen Oberkörper ansetzte. Nicht ohne sich zu wehren. Der Kodakan Dämon setzte zum Gegenangriff an, und nachdem er einige Schläge von Dawn geblockt hatte, holte er mit seiner Faust aus, und traf sie an der Schulter. Doch Dawn hatte sich bereits geduckt, um Buffy besseren Einstieg für ihren Angriff zu gewähren. Ihre Schwester sprang mitten im Lauf hoch, und trat ihm in den Oberkörper. Für kurze Zeit verlor er das Gleichgewicht, und nachdem Buffy sich an ihm festhielt, rammte sie ihre Fäuste gegen sein Gesicht, dass noch Spuren von Faith’ Angriff aufwies.
 

“D-Dawn!”, rief Ronah, als sie wieder genug Kräfte gesammelt hatte, und es geschafft hatte zu Faith zu gelangen. Mit letzter Kraft hob sie ein Messer hoch, das Dawn im schlechten Licht zuerst nicht erkannt hatte. Da Buffy mit dem Dämon beschäftigt war, holte sie sich die Waffe. Mit einem lauten “Buffy!”, machte sie ihre Schwester auf sich aufmerksam, und warf ihr das Messer zu.
 

“Wir haben hier leider keine Kühlbox, also werde ich dir dein Herz leider herausreißen müssen!”, schrie diese, und nahm das Messer so in die Hand, um ihm dieses in die Schulter zu rammen. Er stolperte nach hinten, und mit einem lauten Krachen landeten beide in ein paar kaputten Holzkisten. Ohne es zu bemerken waren beide an einer baufälligen Häuserwand angelangt, nicht weit von der Feuerleiter entfernt.
 

Der Dämon starrte sie verwirrt an. Er war nicht auf diesen Verlauf des Kampfes eingestellt gewesen. Er versuchte sie abzuschütteln, doch dass half nichts. Im nächsten Moment packte er ihren Hals. Auch wenn sie unrein war, um sich zu retten würde er alles in Kauf nehmen... ‚Nur noch etwas Energie für meine Perfektion!’
 

Buffy rang nach Luft, und ein Gefühl von Übelkeit baute sich auf. Auch wenn für einen kurzen Moment ihre Kräfte sanken, zog sie das Messer aus seiner Schulter, und stach ihm damit immer wieder in seine Arme. Nach ein paar weiteren Messerstichen hingen einige Hautfetzen von seinen Armen, und das Blut hatte sich auch auf Buffy‘s Körper verteilt. Doch dieser Angriff zeigte Wirkung, und sein Griff lockerte sich erneut.
 

Um sich vollkommen aus seinen Fängen zu befreien, verlagerte Buffy ihr Gewicht nach hinten, und stand nun über ihm. Bevor er sich auch aufrichten konnte, schleuderte sie das Messer in seinen Oberkörper. Für einen kurzen Moment stockte er, und spuckte immer wieder Blut. Nachdem sie ihn so von sich abgehalten hatte, kniete sie sich erneut auf seinen Körper.
 

Da ihr Messer sich schon in seinem Oberkörper befand, packte sie es, und zog es mit aller Kraft nach unten. Das Blut das aus diesem Schnitt quoll, klebte nun an ihren Händen.

Wenn sie daran dachte, dass sein Blutsverwandter ihre Schwester angegriffen und verletzt hatte, bauten sich in ihrem Körper noch mehr Kräfte auf. Faith wäre fast draufgegangen, und sie wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass er wieder aufstand, und erneut ein Opfer auswählen würde.
 

Immer wieder schlitzte sie mit dem Messer seinen Oberkörper auf, bis sie durch das ganze Blut nichts sehen konnte. Sein ganzer Körper war von Maden zerfressen, und warf ihr einen bestialischen Gestank entgegen. Ohne Rücksicht darauf zu nehmen, rammte sie das blutbeschmierte Messer ein letztes Mal in seinen Körper. Für einen kurzen Moment, eine einzige Sekunde, konnte sie seinen schmerzerfüllten Schrei hören, der ihr das Blut in den Adern gefrieren lies. Es erinnerte sie an Faith, als sie trotz seines Todesschreis noch einmal mit voller Wucht in seinen Oberkörper stach.
 

Außer Atem kippte sie leicht nach vorn. Angeekelt vom Gestank richtete sie sich dann aber auf, und ging mit wackeligen Beinen auf ihre Schwester zu, die sie die ganze Zeit über beobachtet hatte. Sie hatte das Messer bei ihm gelassen, und wischte sich nun die Überreste seines Bluts von ihrer Handfläche. Danach half sie Dawn auf.
 

Die beiden stolperten in Richtung von Ronah und Faith, und ohne ein weiteres Wort zu sagen, nur mit einem siegerischen Lächeln auf den Lippen, hoben Buffy und Dawn Faith hoch, um sie nach Hause zu bringen. Insgeheim hofften sie, dass ihre Verletzungen nicht zu schwer waren, aber immerhin war sie eine Jägerin, und sie würde im aussichtslosesten Kampf um ihr Leben kämpfen. Auch wenn ein Todeskampf damit gemeint war.
 

++++
 

Straßen von Cleveland /

Ratsgebäude

Sie hatten Dawn nach Hause gebracht und von dort aus Robin angerufen, damit er wusste, was auf ihn mit Faith zukam. Buffy hatte darum gebeten, dass er Willow und Xander informierte. Vielleicht würden sie ja in die Ratszentrale kommen und sie ein bisschen vom Geschehen ablenken. Sie wollte verdrängen, dass ihr der Kampf nahe ging. Außerdem machte sie sich sorgen um Faith, die es seit der Bombe nicht mehr so schwer erwischt hatte.
 

Buffy hatte auch das Gefühl, dass sie dringend mit ihren beiden Freunden über ein paar Dinge reden musste, die sie nicht mehr länger vor sich herschieben wollte.
 

Robin stand auf der Strasse und erwartete sie ungeduldig. Er kam sofort auf sie zugerannt und wollte wissen, wie es allen ging... obwohl seine größte Sorge natürlich Faith galt. Sie klärten ihn über den Kampf und dessen Ausgang auf, während sie Faith um das Gebäude zum Wohnwagen trugen.
 

“Ich schau mal bei Giles rein,” entschuldigte sich Buffy leise, als sie das Gefühl hatte zu stören.
 

Niemand hielt sie zurück und an der Hintertür angelangt fand sie diese überraschend unverschlossen. Eine alte Angewohnheit von Giles...
 

Sie sah ins Büro, doch das lag einsam und dunkel vor ihr. Ein Geräusch aus dem Konferenzraum ließ sie dort nachsehen. Verwundert sahen Xander und Willow in die Richtung der Tür, als Buffy in ihr Blickfeld rückte.
 

“Hallo Buffy! Geht’s dir gut? Was macht Faith,” Willow kam auf ihre Freundin zu geeilt. “Wir haben gehofft, dass du noch vorbeischaust.”
 

“Du gehörst ins Bett,” mahnte Xander. Hat dir der Kampf nicht genug Kräfte geraubt?”, fragte er, als sie ein paar Schritte näher kam.
 

“Ich weiß nicht, vielleicht wollte ich einfach nur reden. Es schien mir sinnvoller, als mich in mein Bett zu legen und seelenruhig zu schlafen, als hätten wir nicht gerade zu viert einen gewaltigen Dämon ums Eck gebracht.”
 

“Bist du dir da sicher?”, Willow lächelte, und folgte der Freundin zurück an den Tisch.
 

Buffy nickte. “Sicher. Ihr seid wirklich nur wegen mir noch hier?” Sie lehnte sich auf die Tischkante neben Xander.
 

“Eigentlich hatte ich Giles versprochen noch ein paar Recherchen zu tätigen. Da konnte ich auch noch ein paar Minuten länger bleiben,” Willow gähnte. “Ich bin das Nachtarbeiten ja schon gewohnt, auch wenn der Kaffee mit der Zeit etwas langweilig schmeckt.” Unmotiviert schüttete sie das braune Gebräu in ihre Tasse.
 

“Und mich hat Robin aus dem Bett geklingelt,” gestand Xander. “Aber was tut man nicht alles für seine liebste Buff.”
 

Buffy sah ihn kurz zweifelnd an. Ein böser Gedanke stellte sich ein: ‚Schleimer’. Erst bei Giles petzen... halt.. sie wollte nicht anfangen kindisch zu werden, sondern sich lieber darüber freuen, dass sie beide auf sie gewartet hatten – wie früher. “Eigentlich könnte ich auch irgend etwas koffeinhaltiges vertragen,“, antwortete Buffy, und blickte über Xanders Schulter, der durch ein Buch mit kryptischen Buchstaben blätterte. „Es ist gut, dass ihr hier seid. Ich wollte mit euch reden.“
 

“Oh, über was denn?”, fragte Willow mit keiner guten Vorahnung, als sie sich wieder auf ihren Sessel setzte, und die Tasse auf den Tisch stellte.
 

“Nun darüber, dass ihr beide vor mir wusstet, dass meine Schwester eine Jägerin ist.” Buffy sah Willow durchdringend an, und Xander drehte sich um. “Es ist einfach nur so... so schockierend, dass Dawn es zunächst einmal jemanden anderem anvertraut hat, als damit zu ihrer eigenen Schwester zukommen.”
 

“B-Buffy...es ist anders als du denkst. Es war schwer für Dawn es mir zu erzählen. Und ich war mir selbst bei meinen Vermutungen über sie nicht sicher, bis es sich nach einiger Zeit bestätigte....”, antwortete Willow.
 

Buffy schüttelte uneinsichtig den Kopf. “Wäre es so schwer gewesen, es mir direkt zu erzählen? Außerdem warst du ja nicht die einzige, die davon erfahren hat Willow! Oder Xander?”, nun sah sie ihren besten Freund an.
 

“Sie hat es mir nicht erzählt Buffy. Ich habe es erst erfahren, als ich es mit meinem magischen Auge gesehen habe, ich wollte es nicht wissen.”, antwortete er ruhig, nachdem er seinen Stuhl in ihre Richtung gedreht hatte.
 

Buffy blickte ihn düster an. Kurz musste sie daran denken, dass Giles von ihrem Abkommen mit Willow über Xander erfahren hatte. Kein netter Zug von ihrem Freund, wenn sie es sich genauer betrachtete. Aber früher oder später hätte sie es vielleicht Giles selbst erzählt. So war ihr das unangenehme Geständnis erspart geblieben. Es war ja nichts schlimmes gewesen, nur eine reine Vorsichtsmassnahme gegen Lily und im Gespräch mit dem Wächter hatte Buffy erleichtert feststellen können, dass er nicht wirklich böse auf sie war. Darum konzentrierte sich die Jägerin lieber wieder auf die Sache mit Dawn. Diese war ihr erheblich wichtiger:

“Und du hast nicht einen Moment daran gedacht, diese Information an mich weiterzuleiten?”, Buffys‘ Stimme wurde etwas lauter. Sie musste sich eingestehen, doch nicht so einfach damit fertig zu werden.
 

“Buffy, ganz ruhig. Dawn wird schon ihre Gründe gehabt haben es dir nicht zu erzählen!”, entgegnete Willow, bevor sich Xander verteidigen konnte.
 

“Natürlich hatte sie die. Wir haben geredet. Aber es geht hier nicht um Dawn und das sie mich belogen hat. Jetzt geht es nur um euch und mich!” Buffy erhob sich von der Tischkante, und ging langsam auf und ab, ohne ihren Freunden in die Augen zu sehen. “Ich bin ihre Schwester! Ich hätte die erste sein müssen die es erfährt, und nicht du Willow. Oder du, Xander!” Sie verschränkte ihre Arme.
 

Die Hüterin suchte nach den richtigen Worten, aber sie fand sie nicht. Nachdem Giles ihr zuletzt den schwarzen Peter zuschieben wollte, würde es denn heute auch so sein? Was konnte sie dafür, dass Dawn es Buffy nicht erzählen wollte.
 

“Gibt es denn noch etwas, das ich vielleicht wissen sollte?”, Buffy funkelte sie an.
 

“Ich bin mir nicht einmal sicher ob ich die erste war, die es erfahren hat.”, antwortete Willow, und versuchte ruhig zu klingen. “Andrew und Lily wussten es genauso.”
 

Schockiert sah Buffy sie an. Sie wollte sich einreden, dass es das dämmrige Licht war, das ihre Augen langsam glasig werden ließ, aber es war ihre Traurigkeit, die sie nur mit Wut überspielen wollte. Mit einer Hand ballte sie eine Faust, mit der anderen fuhr sie sich durchs Haar, nicht ohne weiter auf und ab zu gehen, und auf den Boden zu sehen.
 

Ihre Schwester vertraute diesem...diesem Freak und dieser Möchtegern-Wächterin mehr als ihr?
 

“Jeder außer mir wusste es. Heißt das jetzt, meine kleine Schwester vertraut euch mehr als mir?“ Buffys Stimme zitterte.
 

Weder Willow noch Xander konnten ein Wort sagen, und folgten wie gebannt Buffys Schritten, die den Holzboden noch lauter klingen ließ.
 

“Meine Güte, Willow. Xander... fast wäre Dawn durch ihre und eure Leichtsinnigkeit fast erneut umgebracht worden!” Mit Tränen in den Augen sah sie ihre besten Freunde an.
 

“Ich weiß...,“ begann Willow zögernd und ruhig. „Aber schau...“, ihr gingen die Worte aus und sie sah hilfesuchend zu Xander.
 

„Buffy, es geht doch nicht darum, welches Vertrauen wir oder sie dir entgegengebracht haben Buffy. Ich habe es dir nicht erzählt, weil ich selbst überrascht war, und ich es für besser gehalten habe, dass Dawn es dir selbst erzählt, was sie aber nicht getan hat,“ erklärte Xander. “Wir sind genauso ihre Freunde wie die deinen. Sie hat ein Recht darauf sich die Person auszusuchen, mit der sie im Vertrauen reden möchte. Versteh das doch!”
 

“Dawn wollte einfach nur Dawn sein, und nicht offiziell durch die Gegend rennen und Vampire jagen. Es gibt Tausende Jägerinnen auf der Welt, und sie hat dir nun einmal angemerkt, dass das Ganze nicht so einfach an dir vorbeigezogen ist. Du bist nun einmal nicht mehr die einzige Jägerin auf der Welt, und nun leider auch nicht mehr die einzige in eurer Familie..”, entgegnete Willow und stand auf. “"Es tut mir leid, dass es so offensichtlich ist, aber du wirst es akzeptieren müssen..."
 

Buffy schüttelte unter Tränen den Kopf. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Ihre besten Freunde sahen nicht ein, dass sie sich verletzt und übergangen fühlte. Das hatte doch nichts damit zu tun, dass sie nicht mehr die Nummer eins war. Nein wirklich nicht...
 

“Vielleicht reden wir ein anderes Mal in Ruhe darüber,” schlug Xander vorsichtig und leise vor. “Wenn du dich vom Kampf erholt hast. Okay?”
 

“Okay,” flüsterte Buffy und war dankbar, dass wenigstens einer von ihnen seinen kühlen Kopf bewahren konnte. Vielleicht sah sie alles zu eng, vielleicht auch nicht. Möglicherweise waren ihre Gefühle vollkommen in Ordnung, andererseits... konnte man es ihr wirklich übel nehmen? Ohne ein weiteres Wort zu sagen, drehte sie sich um, und war auf dem Weg Richtung Tür. Vielleicht musste sie wirklich einfach damit fertig werden...
 

++++
 

Cleveland, Schulbus

zur selben Zeit

“Wie lange wird sie noch bewusstlos sein?” fragte Ronah, während sie Faith’ Stirn langsam mit einem feuchten Tuch abwischte.
 

“Sie wird sicherlich Morgen wieder wach sein..” antwortete Robin, der ebenfalls besorgt zu Faith sah.
 

Die dunkelhaarige Jägerin war mit Wunden übersät und aus irgendeinem Grund hatte sie starkes Fieber.
 

“Ich denke das liegt an den Jägerinnenkräften in ihr..” flüsterte Robin, während er sich auf einen der Stühle setze und Ronah beobachtete, wie sie Faith’ Decke weiter nach oben schob, und sich dann neben ihn setzte.
 

“Wir sind heute Nacht fast gestorben.. sie hat mir das Leben gerettet..” flüsterte Ronah, als sie sich setze, und traurig zum Bett der Jägerin sah.
 

“Wenn Faith heute Nacht nicht dabei gewesen wäre, wäre ich drauf gegangen.. ich.. ich kann das einfach nicht glauben..” Tränen bildeten sich in den Augen der jungen Frau, und sie begann zu schluchzen, als der Wächter seinen linken Arm um ihre Schultern legte und sie fest an sich heran drückte.
 

“Faith wird es Morgen schon wieder besser gehen.. du wirst es sehen..” sagte er leise, und er hatte auch keine Zweifel daran. Klar sah Faith zur Zeit schrecklich aus, aber sie war eine Jägerin. Sie würde Morgen zwar noch keine Saltos schlagen, aber das Schlimmste würde sie hinter sich haben.
 

Er konnte nur nicht glauben, dass Faith und Ronah heute Nacht fast gestorben waren.. er hätte sie beinahe verloren, und irgendwie schien Faith die große Gefahr geahnt zu haben. Waren diese Träume mit dieser Eve, von der sie ihm erst gestern erzählt hatte, etwa richtige Visionen?
 

Ronah schluchze ein weiteres Mal, und er drückte sie wieder an sich, während er Faith besorgt anblickte.
 

++++
 

Kennedys Wohnung,

nächster Vormittag

Während Kennedy versuchte Willows Unterwäsche in ihrem Schrank zu verstauen, saß Andrew im Wohnzimmer und war dabei, sich mit einem Filzstift Notizen in seine Handinnenfläche zu schreiben. Sein neuer Anzug saß perfekt, und durch das Gel, das Kennedy ihm vorher in die Haare geschmiert hatte, war so gar nichts von dem Haarwirbel zu sehen.
 

„Ich bin ein ganz normaler Junge! Ich bin kein Geek! Ich bin ein normaler Junge und ich bin mit einem Mädchen verlobt. Weil das nämlich normal ist, jawohl. Normale Menschen sind... „
 

„...heterosexuell. Weil das nämlich normal ist. Ich bin ein ganz normales Mädchen und bin mit einem Jungen verlobt. So gehört sich das!“ Während Andrew ein Gespräch mit dem Wohnzimmerspiegel führte, stand Kennedy vorm Waschbecken im Bad.
 

Mit einem lauten Krach zuckte Kennedy zusammen. Andrew hatte anscheinend irgendetwas umgeschmissen. Als sie einen Blick aus dem Badezimmer warf, konnte sie Andrew im Wohnzimmer sehen, der eine Vase in der Hand hielt, und grinste. Anscheinend war das Material so stark, dass nichts zerbrochen war. Kennedy rollte mit den Augen. Hoffentlich würde so etwas nicht auch passieren, wenn ihre Eltern kamen.
 

Doch sie konnte nicht weiter darüber nachdenken, denn im nächsten Moment läutete es an ihrer Tür.
 

Erneut zuckte sie zusammen. Sie warf ein gespieltes Lächeln auf, und zog Andrew mit sich.
 

Als sie die Tür öffnete, lief ihr ein kalter Schauer den Rücken herunter, als hätte sie nicht realisiert, dass ihre Eltern zum Besuch kamen.
 

„Herzlich Willkommen!“, ließ Kennedy betont fröhlich verlauten, und stieß Andrew mit ihrem Ellbogen in die Rippen.
 

„Ja, Herzlich Willkommen“, er lächelte. “Mein Name ist Wells. Andrew Wells.“
 

Mit einem Nicken trat ihr Vater ein, mit seiner Frau im Arm. Zuerst musterte er Andrew, nicht ohne darauf zu achten, ob die Bügelfalten seines Anzugs exakt waren. Anschließend ließ er seinen Blick durch die Wohnung schweifen, während ihre Mutter sich einen Augenblick länger die Zeit nahm Andrew zu mustern, dem langsam aber sicher der Angstschweiß auf die Stirn trat.
 

„Ich glaube, unser Mädchen hat ihr Geld gut investiert, nicht wahr Schatz?“, fragte er seine Frau, die es ohne Widerspruch bejahte.
 

„Wollt ihr uns denn nichts anbieten?“, fragte Kennedys Mutter leicht pikiert.
 

„Uhm, ja! Folgen Sie mir bitte.“, Andrew verstand sein Stichwort, und drehte sich auf der Stelle um. Mit lauten Schritten ging er ins Wohnzimmer wo sie einen Begrüßungschampagner bereitgestellt hatten. Bevor Andrew in der Tür verschwunden war, hakte sich Kennedy bei ihm unter, und mit einem Seufzen verschwand ihr Dauerlächeln, das sofort wieder erschien, als ihre Eltern ebenfalls eintraten.
 

Mit einem perfekten Handgriff öffnete Andrew die Flasche, ohne einen Tropfen der Flüssigkeit zu verschütten, und füllte drei der Gläser. „Aber...“, flüsterte Kennedy, bevor sie schockiert feststellte, dass Andrew plötzlich eine Packung Apfelsaft in der Hand hielt, und das letzte Glas für sich einschenkte.
 

„Ich trinke keinen Alkohol, das ist schlecht für die Leber!“, entgegnete Andrew, als Kennedy ihn mit offenem Mund anstarrte, und ihre Eltern ihn ebenfalls musterten.
 

„Das lobe ich mir, mein Herr!“, antwortete Kennedys Vater mit einem Lächeln, und Kennedy selbst fiel ein Stein vom Herzen.
 

Um ihre Eltern von ihrem Glück zu überzeugen, legte sie Andrews Arm um ihre Taille. Dieser ruhte nun schwer auf ihr, und Kennedy wurde klar wieso sie Frauen bevorzugte.

Als Andrew die peinliche Stille durchbrechen wollte, in der sich alle nur ansahen, stellte er schockiert fest, dass sich seine Notizen durch die Kälte und Feuchtigkeit der Gläser in unleserliche Buchstaben verwandelt hatten.
 

Plötzlich öffnete sich mit einem Quietschen die Tür. „Hallo mein Schatz!“, war laut vom Eingang zu hören, und Kennedy stellte schockiert fest, dass Willow im Türrahmen stand.
 

Verblüfft flogen die Blicke der Eltern zwischen ihrer Tochter und der fremden, jungen Frau hin- und her. Was war denn hier los?
 

Willow schluckte heftig. Natürlich, Kennedy’s Eltern waren heute zu Besuch. Wie hatte sie das vergessen können? Was hatte sie da jetzt nur angerichtet?
 

“Schatz, ich kann dir alles erklären!“ Andrew fiel vor Kennedy auf die Knie und nahm ihre Hand. “Es war nur ein One-Night-Stand, nichts weiter. Sie bedeutet mir nichts, überhaupt nichts. Du weißt, dass ich nur dich liebe!“ Er setzte seinen Unschuldsblick auf.
 

“Du hast mich betrogen!“ Fieberhaft ging Kennedy alle Seifenopern durch, die sie irgendwann in ihrem Leben gesehen hatte. Eine theatralische Szene war jetzt angebracht, und ach ja, richtig, die Ohrfeige!
 

“Du Schuft!“ schrie sie, sprang von ihrem Platz auf und klebte ihm eine, wobei sie natürlich wieder mal ihre Kräfte vergaß und sich im ersten Moment wunderte, warum Andrew zu Boden ging. Sie warf ihm einen entschuldigenden Blick zu, und schimpfte dann weiter: “Du bist doch nur hinter meinem Geld her!“
 

“So, ich war also nur ein One-Night-Stand für dich!“ schaltete sich Willow ein. “Oh Andrew, wie konntest du mir das nur antun?“
 

Sie hielt sich rasch die Hand vor den Mund, um ein Kichern zu unterdrücken und schaffte es gerade noch rechtzeitig, dieses in ein Schluchzen umzuwandeln. “Du hast nur mit mir gespielt,“ schniefte sie.
 

Mr. Richards baute sich vor Andrew auf. “Verschwinden Sie von hier und kommen Sie niemals wieder in die Nähe meiner Tochter. Sonst werden Sie mich kennen lernen, oder besser gesagt, unseren Anwalt!“
 

“Ja, Sir.“ Andrew rappelte sich vom Boden auf und wetzte Richtung Tür davon, gefolgt von einer immer noch hysterisch schluchzenden Willow. “Wie konntest du nur so mit meinen Gefühlen umgehen? Hast du überhaupt kein Herz?“
 

Mit einem Seufzer ließ Kennedy sich aufs Polster zurücksinken. Das war ja gerade noch mal gut gegangen.
 

“Mach’ dir nichts draus,“ sagte ihre Mutter beruhigend. “Schon, als ich ihn gesehen habe, war mir klar, dass er ein typischer Frauenheld ist. So einer, auf den die Mädchen scharenweise reinfallen. Aber..."
 

“... du wirst schon noch den Richtigen finden,“ fügte ihr Vater hinzu.
 

++++
 

Ost-Russland

Dicke Schnee- und Eismassen befanden sich unter den Füßen Silijas, als sie der eingehüllten Gestalt nachsetzte, die in enormen Tempo in die Schneestürme lief.
 

“ Стой демон!“ schrie die junge Jägerin, deren langes, kastanienfarbenes Haar unter einer grauen Mütze steckten.
 

Der Dämon grunzte ein weiteres mal, bevor er plötzlich stehenblieb, und verwirrt durch den Vorhang aus Schnee starrte. Ohne eine weitere Sekunde zu verschwenden, stieß sie sich vom Boden ab, streckte die Arme aus, rammte den Dämon, und stürzte mit ihm zusammen zu Boden.
 

Laut brüllte er auf, dann leuchteten plötzlich seine hellgrünen Augen gelb auf, und Silija wurde einige Meter durch die Luft geschleudert, bevor sie hart auf dem gefrorenen Schnee aufschlug.
 

„Ты об этом ещё пожалеешь!“ schrie sie, während sie sich wütend den eiskalten Schnee aus dem Gesicht wischte.
 

“Ich bin nicht von hier, ich versteh kein Wort!” antwortete der Dämon plötzlich, grunzte wieder, und wollte an der Jägerin vorbei, zurück in das kleine Dorf laufen. Die andere Richtung war.. falsch.
 

Bevor er sie jedoch passieren konnte, zog sie ein Messer aus ihrer Jacke und schleuderte es ihm in das rechte Bein.
 

“Au.. verdammt!” schrie der Dämon, bückte sich, zog das Messer und warf es entnervt in den Schnee. Während violettes Blut aus der Wunde lief und im Schnee zu seinen Füssen eine Spur zog, humpelte er weiter auf die Stadt zu.
 

“ Куда ты идёшь?“ schrie Silija wieder auf russisch, holte ihn erneut ein, und schleuderte ihn zu Boden. „Сука, куда ты спрятал дети?“ sie holte wieder mit ihrer rechten Hand aus und schlug ihn in das blauhäutige Gesicht. Sie musste unbedingt wissen, wohin dieses Monster die Kinder verschleppt hatte... bei dieser Kälte hatten sie kaum eine Chance zu überleben.
 

Sie schlug hart auf ihn ein und seine Nase brach mit einem hässlichen Geräusch. Er schrie unter Schmerzen auf, und versuchte sich unter ihr weg zu ziehen, hatte jedoch keine Chance.
 

Silija zog ihre Mütze vom Kopf und schüttelte ihre langen Haare aus, bevor sie aus der Mütze ein kleines Fläschchen nahm, indem sich eine grün leuchtende Flüssigkeit befand.
 

Sie zog den Stöpsel aus der Flasche und hielt sie direkt an seine Nase. Ein bestialischer Geruch stieg ihm in diese, während sie ihn weiter anschrie.
 

„Эта жидкость может убить тебя! Скажи правду, иначе я буду использовать её!“
 

“Ich versteh dich nicht, du Schlampe!” schrie er wieder, und wollte seine letzten Kräfte aufwenden, um sie von sich zu stoßen, als er plötzlich Wasser rauschen hörte.
 

Siljia hörte das Geräusch ebenfalls und drehte alarmiert den Kopf langsam Richtung Himmel. In der nächsten Sekunde flog plötzlich mit unvorstellbarer Geschwindigkeit ein Pferd über sie hinweg. Sie war sich bewusst, dass es sich dabei um ein dämonisches Reittier handeln musste, doch vom Reiter selbst sprang ihr nur eine schrecklich verzerrte Freskenmaske sofort ins Auge, bevor er wieder in den dicken Nebelmassen und den Schneewolken verschwunden war.
 

Das penetrante Rauschen wurde immer lauter, und Silija ließ vor Schreck das Fläschchen fallen, als sie eine Flutwelle auf sich und den Dämon zukommen sah. Sie sprang auf, und blickte auf den Gegner nieder, der gerade schreiend von der Flüssigkeit zerfressen wurde.
 

Wo um alles in der Welt kam hier in den kalten Steppen auf einmal so viel Wasser her....
 

“ Боже мой!“ flüsterte sie, als sie von der Flutwelle erfasst wurde, die zu Land dem Reiter in der Luft zu folgen schien. Silija wurde von den Wassermassen mitgerissen, und sie schrie, als sich ihre Lunge mit Wasser füllte – doch alles was herauskam war ein ersticktes Gurgeln.
 

Sie wusste, dass sie sterben würde....
 

Einen Augenblick später wurde ihre Leiche von den Wassermassen freigegeben, und blieb auf dem zum Teil geschmolzenen Eisboden zurück.
 

Und da lag sie, ihre Leiche, in der Eiswüste, mitten im Nichts, während der Wind wieder aufkam, und das geschmolzene und zurück gebliebene Wasser wieder einfror. Der Wind wurde stärker und trug starke Schneemassen mit sich, die sich über den leblosen Körper der Jägerin legten und sie kurz darauf unter sich begruben.
 

GrrrrARRRGH



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