Zum Inhalt der Seite

Immortal

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

2. Mors angelus - Todesengel

Ich lehnte das Fahrrad gegen das eiserne Tor. Natürlich hatte Enrico es sich weder nehmen lassen, mit nach Deutschland zu kommen, noch, etwas anderes als eine Villa mit hohen Sicherheitsgrad zu beziehen. Ich hätte lieber hier allein in einem Apartment oder ähnlichem gewohnt.

Trotzdem es fast fünf Kilometer vom Park bis hierher waren, hatte ich den ganzen Weg über geschoben. Mittlerweile war es dunkel geworden. Ich hatte über das nachdenken müssen, was Raphael mir offenbart hatte.

Eigentlich müsste ich für ganz Ischariot eine Warnung ausrufen, aber sie würden mir nicht glauben. Zuerst wollten sie wissen, woher ich das denn hätte, und das konnte ich ihnen unmöglich sagen. Zweitens würden sie es gar nicht glauben wollen. Und daher würden sie mir auch nicht glauben. Ich wollte es zwar eigentlich auch nicht – allein die Vorstellung machte mir Angst, das würde bedeuten, dass der alte Krieg von vor 18 Jahren wieder ausbrechen würde, den unsere Eltern mitgemacht hatten, und dass wir ihn diesmal austragen würden – aber mir blieb nichts anderes übrig. Ich hatte die Angst, das ehrliche Entsetzen in Raphaels Augen gesehen. Wenn es wirklich zum Kampf kommt, dachte ich bitter, habe ich als einzige Nachkommin von Ischariot die schlechtesten Karten von allen.

Etwas anderes beschäftigte mich aber noch wesentlich mehr. Warum hatte Raphael mich gewarnt? Im Grunde waren wir Feinde.

Ich mag dich, Vic, ich mag dich als Person. Einfach deswegen. Wir sollten alle dieselben Voraussetzungen haben.

Ich mag dich.

Aber eben nicht genug, mein Lieber. Du magst mich vielleicht, aber ich fürchte, ich habe mich in dich verliebt.

Das war mir eigentlich schon klar gewesen, als ich hierher gekommen war und ihn das erste Mal in der Schule gesehen hatte. Aber erst heute war es mir richtig zum Bewusstsein gekommen, als ich so nah neben ihm gesessen hatte, seine Stimme direkt neben mir gehört hatte. Irgendwie hatte das etwas von einem schlechten Kitschroman. Romeo und Julia lassen wieder mal grüßen! Wir waren Feinde, verdammt. Ich durfte ihn nicht lieben. Enrico würde mir den Kopf abreißen. Oder eher, ihn abreißen lassen, er tat ja niemals etwas selbst, wenn er es auch erledigen lassen konnte.

Plötzlich hörte ich ein leises Lachen hinter mir. Ein raues Männerlachen. Ich fuhr herum.

„Heiliger Vater, hilf mir“, murmelte ich und schlug unwillkürlich das Kreuzzeichen, eine Geste, die mir in Fleisch und Blut übergegangen war. Neineinein…

Der einzig Anwesende hier lehnte an eine Hauswand auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Er war groß… hatte halblange, schwarze Haare, trug einen roten Mantel und Hut. Ich hatte ihn noch nie gesehen, aber natürlich war mir klar, wer das war. Was machte er in Deutschland? Was wollte er von mir? Und was sollte ich tun? Mein Kama war noch auseinander geschraubt und befand sich in meinem Rucksack. Daneben das silberne Kreuz, das eigentlich meinen Hals schützen sollte und das ich Raphael zuliebe abgenommen hatte. Und wenn ich schrie, würde er mich sofort töten. Ebenso, wenn ich versuchen würde zu fliehen. Nicht, dass ich zu einem von beidem in der Lage war. Die Angst lähmte mich. Allmächtiger Vater, Raphael hatte Recht. Er machte wieder Jagd.

Bisher hatte er den Kopf gesenkt, doch nun hob er ihn, musterte mich durch seine Sonnenbrille – dass er sie trug, machte mir mehr Angst als wenn ich seine Augen gesehen hätte – und kam dann langsam ein paar Schritte auf mich zu, während ich noch immer unfähig war, mich zu bewegen.

Zwei oder drei Meter trennten uns noch, als er stehen blieb. Noch nie in meinem Leben hatte ich solche entsetzliche Angst gehabt.

„Du bist also Maxwells Mündel. Auf jeden Fall siehst du besser aus als er“, stellte Alucard fest. Seine Stimme jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken und spätestens jetzt war ich mir sicher, dass das das letzte sein würde, was ich in meinem Leben hören würde. Doch noch immer brachte ich kein Wort heraus.

„Bist du stumm?“, fragte er dann belustigt und trat noch einen Schritt vor. Erneut schlug ich das Kreuz, ohne es eigentlich selbst zu registrieren.

„In nomine patris et filii et spiritus sancti”, murmelte ich. „Bleib mir von Hals!“ Automatisch war ich in meine Muttersprache Italienisch verfallen, aber er verstand mich dennoch. Nichts anderes hätte ich erwartet.

Er grinste breit. „Welch treffende Wortwahl, Victoria!“ Woher kennt er meinen Namen?! Auch er redete jetzt Italienisch, aber irgendwie klang es… auf eine seltsame Art falsch. „Aber ich hatte ohnehin nichts anderes vor.“ Das Grinsen des Vampires wurde noch etwas breiter. „Zumindest noch nicht heute.“

Ich spürte, wie ich am ganzen Körper zitterte und schwitzte, schloss für einen kurzen Moment die Augen und als ich sie wieder öffnete, war er verschwunden. Zitternd lehnte ich mich an das große eiserne Tor.

Zurück geblieben war nur eine verstörte Victoria Maria Maxwell, die grade den Schock ihres Lebens erlitten hatte.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (1)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2009-06-10T22:06:13+00:00 11.06.2009 00:06
o.O Alu hat ein neues Spielzeug gefunden...


Zurück