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Maulwürfe und andere Chaoten

Ja, der Titel wird definitiv noch geändert!
von

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Teil 14: Jonas

Nervös rückte Jonas seine Krawatte zurecht, während das Taxi vorfuhr. Warum er ausgerechnet hatte kommen sollen und nicht Tim oder Anja, die sich mit solchen Situationen viel besser auskannten, wusste er nicht recht. Sein einziger Gedanke war im Moment, wie er möglichst unauffällig drinnen ankommen – und anschließend wieder verschwinden sollte. Er war nicht eingeladen, das war kein Problem für den Clan gewesen. Das größere Problem war, unauffällig an Alisha heranzukommen und mit ihr in aller Ruhe reden zu können.

Er hasste das große Trara von offiziellen Empfängen. Entsprechend missgelaunt verzog er nun das Gesicht, als er den Menschenauflauf vor dem Eingang bemerkte.

„Wir sind da“, murmelte ihm Neill zu. Er hatte sich eine Chauffeuruniform angezogen und sah darin, wie Jonas neidvoll bemerkte, einfach nur gut aus.

„Danke“, murmelte er ebenso leise zurück. Er glaubte nicht, dass Neill sich vorstellen konnte, wie sehr er ihn um seine Aufgabe beneidete: Unauffällig im Hintergrund zu bleiben und nur dann einzuspringen, wenn wirklich Not am Mann war. Stattdessen sollte Jonas selbst an der vordersten Front kämpfen, geschickt den Fotografen ausweichen und so tun, als wäre es sein persönlicher Abend. Vor allem in der Kombination eine wundervolle Aufgabe.

Er fühlte, wie Neill über den Rücksitz seine Schulter drückte. „Du schaffst das, Mann. Du wurdest ausgebildet, du siehst gut aus... dein einziges Problem dürften die Fotografen sein, von denen wimmelt's wirklich überall.“

„Ich weiß. Ich sollte nicht so nervös sein.“ Jonas lächelte. „Aber das ist leichter gesagt als getan wenn der letzte Einsatz schon eine ganze Weile zurückliegt und du noch nicht mal weißt, ob das Mädel wenigstens ja oder nein sagt.“

„Du sollst sie fragen ob sie mit zu den Maulwürfen gehören will, nicht ob sie mit dir ins Bett geht!“, flachste Neill. „Davon hängt nicht dein Leben ab.“

„Aber meine Ausbildung“, brummte der Blonde so leise, dass es schwer war, ihn zu verstehen.

Neill drückte noch einmal seine Schulter, dann stieg er aus und öffnete geschäftig die Tür, als wäre er wirklich nichts anderes als der Chauffeur, für den er sich ausgab. „Viel Glück“, hörte Jonas ihn noch murmeln, dann war er auf sich selbst gestellt.

Mit einem arroganten Gesichtsausdruck stieg Jonas aus und steuerte auf die Menge zu, die in Richtung Eingang strömte. Wie erwartet gab es keine weiteren Probleme, der gefälschte Personalausweis und die über Umwege ergatterte Einladung wurden überprüft, sein Gesicht mit dem Foto auf dem Ausweis verglichen, dann bekam er die Papiere wieder zurück.

Sein Puls raste und unauffällig fühlte er nach, ob das Pochen an seinem Hals ihn verraten könnte. Dabei gab er vor, seinen Kragen wieder zurecht zu rücken, und lief mit selbstbewusster Miene an den Securitymännern vorbei. Nach links und rechts grüßend, als kenne er die Menschen, durchquerte er zügig, aber nicht eilig den Saal. Links von ihm stand ein großes Buffet aufgebaut, am anderen Ende des Saales spielte ein Orchester. Der Chef von Alishas Vater musste einen großen Einfluss haben, wenn eigens für seinen Geburtstag solch ein riesiger Kostenaufwand betrieben wurde.

Aber all das nahm Jonas mehr unterbewusst wahr. Was ihn momentan beschäftigte, war, wie er in dieser Masse von Menschen die Personen finden sollte, die er suchte. Routiniert wich er einer, zugegebener Maßen sehr hübschen, Reporterin aus, die ihn bereits verdächtig intensiv musterte, und schlug den Weg in Richtung Tanzfläche ein. Wenn er den Mann nicht bald finden würde, der ihnen als Kontaktmann diente, würde er zusehen müssen, wie er den Abend totschlug. Seinen Informationen nach tauchte Aishas Vater immer erst etwas später auf und momentan war es noch recht früh.

Plötzlich erstarrte er. Vor ihm, in einem langen, schwarzen Abendkleid, saß sie. Sie hatte die Haare zu einem lockeren Knoten im Nacken zusammengebunden, sodass sein Blick zuallererst auf ihren freien Rücken fiel. Der Saum des Kleides war asymmetrisch geschnitten, mit weinroter Raffung an der Seite. Passend zum Kleid trug sie einen tiefroten Seidenschal, den sie lässig um den Hans geschlungen hatte.

Sie sah großartig aus.

Jonas räusperte sich leise, um sich wieder unter Kontrolle zu bekommen, überprüfte ein lestztes Mal seine Krawatte und ging vorsichtig auf sie zu. „Erlauben Sie?“, fragte er mit einem, wie er hoffte, charmanten Lächeln, und hielt ihr auffordernd die Hand hin. Der überraschte Blick, den sie ihm zuwarf, zeigte ihm, dass sie mit allem gerechnet hätte – aber nicht mit ihm.

Zögernd sah sie ihre Mutter an, die fragend zurückblickte, und ließ ihren Blick wieder zu ihm zurückwandern. Dann nickte sie entschlossen und schenkte ihm ein strahlendes, aber noch immer höfliches Lächeln. „Einverstanden.“

Sie schlängelten sich langsam durch die Menschenmenge, aber erst, als sie ein Stück vom Tisch entfernt waren, ließ sie die offizielle Maske fallen. „Was machst du hier?“, platzte sie heraus. „Das hier ist die Geburtstagsfeier von einem der höchsten Bosse der gesamten Firma, ich dachte du arbeitest für eine kleinere Zeitung? Es wurden doch nur Vertreter der größeren Zeitungen eingeladen!“

Er lachte leise. „Stimmt. Aber wenn die internationale Presse sich um den Chef von einem mittelgroßen Unternehmen in Deutschland kümmert, kann das nur Gutes für den Chef heißen, wenn er einen Vertreter einlädt. Und ein Presseausweis ist recht schnell ausgestellt.“

Skeptisch zog sie eine Augenbraue hoch. „Und du bist natürlich aus dem Ausland.“

„Ja.“ Jonas entdeckte im Vorbeigehen seinen Kontaktmann in einem dunkelblauen Anzug und nickte ihm höflich zu, mit der freien Hand eine unauffällige Geste machend: Ich komme gleich. Der Kontaktmann hatte ihn gesehen und nickte höflich zurück, ebenfalls nahezu unsichtbar aufzeigend: Ich habe dich gesehen. Nachher am Buffet.

„Und woher sollst du kommen?“, hakte Alisha nach, die von der Vereinbarung der beiden Männer nichts mitbekommen hatte. „Aus Frankreich? Die Nase dafür hast du ja.“

„Eine französische Nase?“ Amüsiert musterte er sich im Vorbeigehen in einem der vielen Fenster, die vor der dunklen Nachlandschaft das Spiegelbild der feierlichen Gesellschaft zeigten. „Was ist daran so französisch? Nein“, fuhr er fort, ohne auf ihre Antwort zu warten, „ich bin von England. Das war am wahrscheinlichsten, da das Unternehmen die meisten Handelspartner in England hat. Und wer ist schon nicht beeindruckt von einem englischen Journalisten, der die deutsche Sprache perfekt beherrscht, als wäre es seine eigene?“

„Aber was machst du, wenn einer eben dieser englischen Geschäftspartner dich anspricht und dich fragt, von welcher Zeitung du kommst? Dann hast du zwei Probleme: Erstens---“

Er unterbrach sie. „Ich habe gar kein Problem. Ich spreche Englisch, ich habe mir falsche Papiere besorgen lassen... alles ist geregelt. Die Clans sind überall vertreten, auch wenn du nicht allzu viele Mitglieder persönlich kennenlernen wirst. Aber die Person, die mir mehr oder weniger eine Stelle in England verschafft hat, ist auch ganz nebenbei diejenige, die in ein paar Wochen meine Ausbildung weiterleiten wird.“

„Du bist noch nicht fertig ausgebildet?“

„Nein, ebenso wenig wie du. Ich habe lange Zeit nicht trainiert, auch wenn ich mich halbwegs fit gehalten habe. Ich muss einiges nachholen, einiges auffrischen und so weiter.“

„Na ja“, gab sie zu bedenken, „aber selbst wenn du einen vollständigen, wenn auch gefälschten Ausweis hast, selbst wenn dir keiner auf die Schliche kommt, selbst wenn du wirklich sogar schaffst, die Engländer davon zu überzeugen, dass du für englische Zeitungen arbeitest – wie erklärst du deinen deutschen Akzent?“

„Gar nicht.“ Er schmunzelte. „Ich habe keinen.“ Inzwischen waren sie auf der Tanzfläche angelangt und er führte sie in einem eleganten Halbkreis in Tanzhaltung.

„Wie bitte?“ Während ihre Füße sich halb automatisch zu bewegen schienen, starrte sie ihn ungläubig an. „Das ist nicht dein Ernst!“

„Es wäre besser für uns beide, wenn du so tun würdest, als hättest du mich gerade erst kennen gelernt“, machte Jonas sie aufmerksam und drehte sich langsam im Takt der Musk. „Offiziell kennen wir uns erst seit etwa fünf Minuten, wenn das überhaupt hinkommt. Da macht es sich nicht so gut, wenn jemand, der einen von uns beiden kennt, hier rüber sieht und merkt, wie vertraut wir uns auf einmal sind.“

Gehorsam setzte sie wieder ein neutrales Lächeln auf, ließ sich aber nicht beirren. „Wie lange warst du bitte in England, bis du keinen Akzent mehr hattest?“

„Ich war noch nie in England. Ich hatte gute Lehrer.“

„Wen?“

„Die kennst du alle noch nicht. Aber du wirst sie bald kennen lernen.“

„Na super“, stöhnte sie leise. „Bist du nur hergekommen, um mit mir zu tanzen und mir eine lange Nase zu drehen, was du für tolle Leute kennst?“

„Nein, ich bin hier, um mit dir über deine Zukunft zu reden. Hast du den Brief bekommen?“

Sie machte große Augen und schien ehrlich überrascht. „Was für ein Brief?“, fragte sie. „Ich habe keinen bekommen.“

Jonas hatte das dringende Bedürfnis, den Kopf gegen die Wand zu schlagen, ließ es aber doch letztendlich bleiben. „Wir hatten dir eigentlich einen Brief geschickt, in dem es um dich und deine Zukunft bei den Maulwürfen geht. Er hätte eigentlich schon vor längerer Zeit ankommen müssen, ich werde wohl mal mit der Verwaltung reden müssen.“ Und mit Matthias, fügte er in Gedanken hinzu. Vor allem mit Matthias.

„Und was stand drin?“

Jonas seufzte. „Alles in allem stand darin nichts weiter als dass du dir bis heute Abend überlegen solltest, ob du mitmachen willst oder nicht. Und dass ich da sein werde, um mir deine Entscheidung anzuhören und sie weiterzuleiten.“

„Ich bin dabei.“

Diesmal war es an ihm, sie anzustarren. „Willst du es dir denn nicht wenigstens nochmal überlegen?“, krächzte er überrumpelt.

Sie bedachte ihn mit einem schiefen Blick. „Willst du mich nicht dabei haben?“

„Doch.“ Er hatte Mühe, seine zur Schau getragene Gelassenheit wiederzufinden. „Aber ich hätte gedacht, dass du noch nachdenken willst. Ich hätte das an deiner Stelle sicherlich gewollt.“

„Aber du bist nicht an meiner Stelle“, versetzte sie giftig. „Ich bin siebzehn, nicht sieben. Ich kann meine Entscheidungen selbst treffen und brauche sie nicht mehr ewig vor mir her zu schieben, nur um andere zu überzeugen, dass sie wirklich durchdacht sind.“

Er nickte langsam. „Okay. Aber was macht dich so sicher, dass du dabei sein willst? Immerhin geht es hier vielleicht auch um dein Leben.

Du wirst Menschen sterben sehen“, fügte er etwas leiser und eindringlicher hinzu. „Glaub mir, es ist kein Honigschlecken.“

„Zuckerschlecken“, verbesserte sie ihn automatisch. „Ist schon okay, ich glaube dir ja, dass du auch als Engländer durchgehst.“

„Heißt das wirklich Zuckerschlecken?“, überlegte er halblaut. „Nun, wie dem auch sei“, er schüttelte leicht den Kopf, „es wird nicht nur schön sein. Im Gegenteil.“

„Das ist mir klar“, erwiderte sie eine Spur zu heftig. Dann, plötzlich schüchtern, fragte sie zögernd: „Ist es eigentlich normal, wenn man... also, wenn man Gewicht verliert?“

Als Jonas verwirrt die Stirn runzelte, fuhr sie fort: „Ich weiß, es ist normal, wenn man zunimmt, das hat Tim ja schon gesagt, aber ist es auch normal wenn man isst und isst und isst, aber trotzdem abnimmt?“

„Das kann alles passieren, aber wie kommst du darauf?“, meinte er schulterzuckend. „Ich meine, niemand weiß wirklich, wie dein Stoffwechsel anfangs reagiert. Das einzige, was du tun kannst, ist in dem Fall, noch mehr zu essen.“

„Das geht nicht“, erwiderte sie leise mit einem traurigen Unterton in der Stimme. Verwirrt sah Jonas sie genauer an.

„Warum nicht?“

„Dann macht sich meine Mum wieder mehr Sorgen. Als ich erst fünf Kilo abgenommen hatte, ist sie schon fast verrückt geworden vor Sorge. Aber seit ich weiter Gewicht verliere, wird sie regelrecht hysterisch. Und wenn sie mitbekäme, dass ich abnehme, obwohl ich jeden Tag Chips esse als wäre ich nicht mehr ganz sauber, würde sie mich in die Klinik einliefern lassen und dafür sorgen, dass so lange an mir herumgedoktort wird, bis jemand den Fehler gefunden hat.“

„Bitte nimm es mir nicht übel, aber deine Mutter ist mir gerade leicht unsympathisch. Es mag zwar ungewöhnlich sein, wenn ein Mädchen so schnell abnimmt, aber du bist nicht so dünn, dass sie sich wirklich Sorgen machen müsste. Dafür ist ihre Reaktion ein wenig... nun, übertrieben.“

„Stimmt schon.“ Alisha zögerte.

„Aber?“, frage Jonas sanft.

Sie holte tief Luft. „Ich hatte eigentlich eine größere Schwester. Ich war noch zu klein, um mich wirklich daran zu erinnern, aber mein Bruder hat mir gesagt, dass mein Vater ihm davon erzählt hat, als ich im Krankenhaus war. Sie war etwa vierzehn Jahre alt, als sie sich zu Tode hungerte.“ Sie schluckte. „Sie hatte Bulimie.“

„Deine Mutter muss sehr früh Kinder bekommen haben“, überlegte Jonas laut.

„Sie war sechzehn, als Lilo zur Welt kam. Mit fast achtundzwanzig Jahren bekam sie dann mich und mein Bruder kam hinterher, als sie dreißig war.“

„Das tut mir Leid“, murmelte Jonas beschämt. „Unter den Umständen kann ich es eher verstehen, dass sie sich mehr Sorgen macht.“

„Schon okay“, seufzte Alisha. „Du konntest es ja nicht wissen.

Ist es okay“, fragte sie nach einer kleinen Pause, „wenn wir einfach von was anderem reden?“

„Ja klar“, sprang Jonas hilfsbereit ein. „Wir waren bei deinem Gewichtsverlust.“ Er dachte nach. „Ich könnte Anja fragen, ob wir dir unauffällig Schokoladenrationen zukommen lassen können. Reine Butter isst du wahrscheinlich nicht allzu gern.“

Sie verzog angeekelt das Gesicht. „Nein, danke.“

„Gut. Dann schicken wir dir Schokoladencarepakete, damit du nicht zu schnell weiter Gewicht verlierst und deine Eltern sich nicht mehr Sorgen machen als sie eh schon tun werden.“

Sie atmete auf. „Danke, dann muss ich mir wenigstens darum keine Gedanken mehr machen.“ Ein breites Grinsen breitete sich auf ihrem Gesicht aus. „Und jetzt bist du dran.“

„Womit bin ich dran?“

„Du hast gesagt dass du keinen deutschen Akzent hast“, erinnerte sie ihn. Ein frecher Unterton hatte sich bei ihr eingeschlichen. „Beweis es.“

„So my dear, what would you like me to say?“

Sie überlegte. „Tell me what will happen to me, now that I told you I'm in.“

„I think we should first leave the dancefloor“, schmunzelte er. „It's not very easy to prevent others from hearing what I tell you if there are so many people around.“



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