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Maulwürfe und andere Chaoten

Ja, der Titel wird definitiv noch geändert!
von

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Teil 7: Tim

"Jetzt rück schon raus, was ist passiert?" Tim öffnete die die Fahrertür und ließ sich ins Auto fallen. Seine Nervosität hatte die letzten Minuten nicht gerade abgenommen und er hatte das Gefühl, dass irgendetwas im Argen lag. Jonas hatte nicht geklungen, als wäre der 'Vorfall', wie er es genannt hatte, harmloser Natur gewesen. Jonas' Mimik, sein Tonfall, sein gesamter Körper sprachen Bände. Der normaler Weise immer gut gelaunte und lachende Blonde war schweigsam wie sonst nie, und seine sonst so ausdrucksstarken Hände steckten in seinen Hosentaschen. Die Angelegenheit war ernst.

"Wir müssen zum Krankenhaus." Die Art, wie Jonas das sagte, jagte Tim eine Gänsehaut über den Rücken und er musste sich zwingen, sanft anzufahren.

"Wer?"

"Wie, wer?"

"Wen fahren wir besuchen? Oder was willst du sonst da? Du holst mich bestimmt nicht mitten in der Nacht in einem Club ab, um mit der Nachtschwester zu flirten."

Jonas sah mit ausdruckslosen Gesicht aus dem Fenster. "Alisha hat's erwischt. Sie ist nicht lebensgefährlich verletzt, aber es geht ihr gar nicht gut. Sie hat ein Messer in die Seite bekommen, mit welcher Vorgeschichte das ablief weiß ich nicht. Aber ihr Blutverlust ist hoch, sie musste Transfusionen bekommen. Den Eltern haben wir erklärt dass sie von einem Betrunkenen angefahren wurde."

Ungeduldig sah Tim ihn von der Seite an. "Ja, und? So was passiert. Allen von uns ist so was mal passiert. Und es wird auch wieder passieren. Wieder und wieder und wieder. Was ist an diesem Mal so besonders, dass du mich aus dem 'Downtown' geholt hast?"

Schweigen breitete sich aus und Tim war kurz davor, Jonas zusammenzustauchen, als dieser antwortete. Seine Antwort war leise, aber Tim verstand ihn nur zu gut. "Sie sind wieder da. Und ich habe das Gefühl, dass sie es auf Alisha abgesehen haben. Es ist nicht auszuschließen dass der Angriff von ihnen durchgeführt wurde, aber dann gäbe es einige Ungeklärtheiten. Wir stehen noch ganz am Anfang und alles ist so verwirrend, dass keiner weiß was jetzt getan werden soll.

Tatsache ist, dass Alisha besseren Schutz braucht. Sie wird im Moment in künstlichem Koma gehalten, bis sie die Muta überstanden hat." Er verzog das Gesicht. "Ich denke, das ist das Beste für sie."

Tim schnaubte. Als ob sein Leben nicht schon kompliziert genug verlaufen würde.

"War deine Muta schlimm?"

Wieder verzog Jonas das Gesicht. "Ich möchte lieber nicht daran erinnert werden. Ich habe Erbrochenes weggewischt, mir absichtlich den Arm an meinem Spiegel aufgeschlitzt und dann hinterher meine gesamte Wohnung in Schutt und Asche gelegt... mal ganz abgesehen davon, dass ich jetzt vermutlich vermisst werde, ist auch noch so ziemlich alles vorbei, an das ich mich gerade erst gewöhnt habe. Das ist hart."

"Du hättest dich nicht so sehr daran gewöhnen dürfen, dann wäre auch deine Muta nicht so schlimm ausgefallen."

"Ich weiß."

Wieder schwiegen sie sich an. Diesmal war es an Tim, die Stille zu brechen.

"Warst du schon in der Zentrale?"

"Woher hätte ich sonst die Informationen haben sollen?" Jonas kramte in seiner Tasche, die er im Fußraum verstaut hatte. "Ich habe einiges erfahren, das mich wirklich geschockt hat. Ihr lebt nicht gerade ruhig im Moment. Wie kommt es, dass du trotzdem noch Zeit für einen Job und Mädchen hast?" Fündig geworden, warf er Tim ein Buch mit der Aufschrift "Arabisch" auf den Schoß.

"Was soll ich damit?"

"Was für deine Bildung tun." Jonas' Zähne leuchteten im Schein der entgegenkommenden Autos gespenstisch auf. Sie waren auf der Autobahn und Tim überschlug die Strecke, die sie noch zu fahren hatten. Noch etwa eineinhalb Stunden.

"Nein", fuhr der Blonde ernster fort. "Da ist so ziemlich alles drin, was ich in den letzten Jahren an Informationen gesammelt habe. Ich war auch nicht untätig. Der Job bei der Zeitschrift hatte auch seine Vorteile, musst du wissen. Ich hoffe, du kannst die arabische Schrift lesen?"

"Nein. Aber du wirst mir sicher weiterhelfen."

"Ich soll es dir übersetzen? Vergiss es, es ist im Code geschrieben... du verstehst sicher nicht mal einen Bruchteil, wenn ich es dir einfach so vorlese."

Tim seufzte. "Also gut, dann lese ich es mir wohl doch im Krankenhaus durch... willst du nicht zufällig eine Zusammenfassung machen?"

"Zuerst du, das ist wichtiger." Jonas packte die Tasche wieder weg. "Wenn ich wieder anfangen will, brauche ich so viele Informationen wie möglich."

"Also gut." Sie überholten einen LKW, bevor Tim fortfuhr. "Anja hat die stamminterne Leitung bekommen. Sie ist jetzt für jegliche Gerichtsverfahren zuständig, kümmert sich um Probleme mit den anderen Stämmen und so weiter. Die Führung über die Kämpfer sowie die Verantwortlichkeit für ihre Ausbildung liegt bei mir. Es wird dir nicht gefallen, aber zur Zeit ist Capoeira dran, du hast eh einiges nachzuholen. Alex ist der Leiter des Such- und Nachforschungskommandos, daneben auch zuständig für jegliche versteckte Operationen und Anjas rechte Hand."

"Was werden Alishas und meine Aufgaben sein?"

"Das werden wir dann sehen. Das kommt darauf an, wie ihr euch anstellt, aber ihr werdet auf jeden Fall erst mal Neills Aufgaben übernehmen, also für unsere Ernährung sorgen, bis euer Stoffwechsel sich eingependelt hat. Ich schätze mal, damit seid ihr erst mal vollkommen ausgelastet. Neill wird euch näheres erklären, wenn es so weit ist."

Jonas runzelte die Stirn. "Apropos, was ist eigentlich mit dem? Warum ist er nicht mit eingestiegen?"

"Alisha kennt ihn noch nicht und er sie noch nicht. Er kam erst dazu, nachdem Alishas Grundausbildung abgeschlossen war, und sie werden sich erst kennenlernen, wenn Alisha wieder voll und ganz dabei ist. Für dich ist der Wiedereinstieg kein Problem, weil du keine Familie mehr hast. Aber für sie ist das etwas komplett anderes. Sie muss sich erst von ihrem jetzigen Leben lösen und unsichtbar werden – und dann hat sie das Problem, dass sie noch weniger mit dem Stamm zu tun hatte als du. Sie wird das komplette System wieder von vorne lernen müssen, und auch wenn es ihr nicht schwer fallen wird weil sie alles schon mal konnte, wird es viel Arbeit für sie sein."

"Das stimmt allerdings", musste Jonas zugeben. "So langsam verstehe ich auch, warum sie im künstlichen Koma gehalten wird... Es muss für sie schrecklich sein." Er lachte humorlos. "Selbst ich hatte das Gefühl, dass ich jeden Moment sterben muss, wie soll es dann erst für sie sein?"

"Eben." Tim nickte. "Und jetzt würde ich sagen du döst noch ein wenig vor dich hin, du siehst aus als hättest du dank deiner Muta nicht gerade viel Zeit gehabt um dein Frühstück zu verdauen."
 

Die restliche Fahrt verlief recht ereignislos. Tausende Autos kamen Tim entgegen, während er sich seine eigenen Gedanken zu den neusten Ereignissen machte, unzählige Male überholte er und wurde überholt. Neben ihm döste Jonas unruhig und schreckte immer wieder auf, um sich mit einem gehetzten Blick umzusehen und, etwas beruhigter, wieder einzudösen.

Was würde als nächstes passieren? Was sollte Tim als nächstes tun? Eins war klar: Mit der bisherigen Ruhe war es erst mal vorbei. Wenn die Zentrale von der momentanen Gefahr wusste, würde sie auch die Aufgabe übernehmen, die anderen Stämme zu warnen, eine Aufgabe, die äußerst anstrengend war. Es gab viele kleine Stämme, die in größeren Überstämmen geordnet waren, wie sollte man jedes einzelne Mitglied vollkommen benachrichtigen können?

Jonas zuckte im Schlaf zusammen, als Tim leise lachte, wachte aber nicht auf. Jedes einzelne Mitglied benachrichtigen, das war nicht nur wegen der Anzahl der Mitglieder unmöglich. Die Stämme waren vor allem deswegen all die Jahrhunderte geheim geblieben, weil niemand jemals mehr wusste als zwingend notwendig war. Es würden alle gewarnt werden, dass die gleiche Gruppe, die auch schon vor etwa fünf Jahren Unruhe gestiftet hatte, wieder unterwegs war. Ansonsten wäre die einzige Veränderung, dass das Nachrichtennetz weiter verbessert und vor allem besser kontrolliert würde. Die Stämme waren bereits bis zur Perfektion durchorganisiert und jeder wusste, was er in einer Notsituation zu tun hatte – und was zu lassen. Aber trotzdem...

Tim musste sich selbst gegenüber zugeben, dass ihn der kleine Vorfall mehr beunruhigte, als er zeigen wollte. Wie viel wusste die Zentrale über den Stamm, der sich gegen alle anderen gestellt hatte? Sicher, die Tatsache, dass das Stammessystem die gesamte Welt beherrschte, wenn auch unterschwellig, war nicht jedem geheuer. Aber bis jetzt war jeder noch so gut geplante Putschversuch zum Scheitern verurteilt gewesen, jedenfalls jeder, der vom Inneren der Organisation aus geplant wurde. Und jetzt?

Der neue Stamm hatte den Aufbau der Organisation übernommen, sich aber bewusst gegen alles abgeschottet, was ihn sonst mit den anderen Stämmen verbinden konnte. Alle Stämme trugen die Namen eines Tieres, dessen Fähigkeiten mit denen des Stammes besonders übereinstimmten. Der neue Stamm hatte keinen Namen. Sicher, er bekam auf diese Art und Weise mehr Namen zugeordnet, als man auf eine A4-Seite schreiben konnte. Aber Tim konnte bei bestem Willen nicht sagen, ob er das gut oder schlecht finden sollte. Ein Stamm brauchte einen Namen, erst recht wenn er ein starker Gegner war. Aber sollte man wirklich zulassen, dass der Name, den der Stamm bekam, so stark war, dass jeder allein schon bei der Erwähnung eine Gänsehaut bekam? Und das würde zweifellos früher oder später passieren. Je größer die Angst, desto machtvoller der Name. Ein altbekanntes Muster.

Tim straffte die Schultern, um die leichte Verspannung zu lösen, die so langsam einsetzte. Es brachte nichts, sich jetzt Gedanken über den neuen Stamm zu machen. Er sollte sich lieber auf die Fahrbahn konzentrieren. Später würde er sich mit Jonas zusammensetzen und einen genaueren Plan erstellen, was zu tun war, nicht jetzt. Jetzt ging es erst mal darum, so schnell wie möglich zum Krankenhaus zu gelangen.



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