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Oh Mann, Ryoga! – Eine schamlose Parodie.

von

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Enthüllt und erwacht.

Seine Augenlider spannten sich. Ein Schütteln lief durch seinen Körper, begann bei seinen Zehenspitzen und jagte bis zu seinen Haaren hinauf.

Als Reaktion drehte er sich unwirsch auf die Seite.

Ein weiteres Schütteln, diesmal ungleich stärker, erfasste ihn und warf ihn beinahe von seiner Schlafstätte aufs Parkett.

Diesmal erwachte er zwischen Schock und Zorn und sog gepresst Luft ein.

„Bei Himmel und Hölle, was…?“

Er kam nicht dazu seine Frage zu vollenden. Anstelle dessen durchlief ihn ein drittes Schütteln, ließ seine Zähne wie Stalaktiten bei einem Erdbeben klappern und seinen Kiefer wie die dazugehörige Höhlendecke wackeln.

Aus großen, anklagenden Augen sah er sich um.

Wer wagte es ihm diesen Streich zu spielen? Welcher Unhold vergriff sich an der gesegneten Nachtruhe des großen Tatewaki Kuno?

Seine Augen verengten sich erbost. Man könnte sagen, er erfuhr eine Offenbarung.

Hatte Kodachi eines ihrer Puder auf seinem Futon getestet?

Mürrisch hob er die Matratze an, schüttelte sie aus und legte sie zurück aufs Parkett. Erst dann kam ihm der Gedanke, dass es eigentlich keine so gute Idee war einen Gegenstand, der mit eventuell hochgiftigem Puder bestäubt war, inmitten eines geschlossenen Raumes zu bewegen.

„Ach, verdammt auch eins…“

Voller Unmut distanzierte er sich von seiner Schlafstätte, zog das Shoji – eine herrlich unpraktische Schiebetür aus Papier und Holz – auf und schlurfte müde auf die Terrasse, die sich nahtlos an sein Zimmer anschloss.

Von dieser aus sog er die kühle Luft ein und warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Teichoberfläche. Silbern schimmerte die Reflexion des Mondes obenauf wie eine Münze.

Wahrhaft, ein schöner Anblick. Ein Teich bei Mondenschein vermochte auch das Herz des größten Kriegers in seiner Kampfeslust zu zähmen und sei es auch nur, um seinen Blick auf dessen prächtige Schönheit zu locken.

Tatewaki spürte förmlich wie sein Herz sich beruhigte.

Mit einem Lächeln wandte er sich ab, hob den rechten Fuß zum Schritt und erzitterte. Hierbei genügt es nicht nur zu sagen, dass es ihn schüttelte. Dieses Erzittern glich nämlich einem Schütteln in einer Weise, in der ein Kinnhacken einem Tätscheln gleicht.

Nicht, dass das für Nerima-Verhältnisse einen großen Unterschied machte. Insbesondere nicht im Fall Tatewaki Kunos, dessen einziger Kontakt zu weiblichen Wesen fast immer – eigentlich ausschließlich - in toxischen Reaktionen, knirschenden Knochen und Hämatomen vielfältigster Farbgebung endete.

Störrisch kroch der Oberschüler zurück in seinen Raum, fühlte den Schweiß auf seinem Gesicht und beschloss in nächster Zeit einen Ventilator anzuschaffen – Tradition hin oder her!

Ein merkwürdiges Glühen riss ihn aus seinen Überlegungen.

Nicht unneugierig sondierte er die Quelle des Lichts. Es war ein schwarzes Kästchen aus Marmor, kaum länger als eine Elle und vier Finger breit. Die darin eingelassenen Reliefen waren es, die dieses unheilvolle Glühen verbreiteten.

Es gab nicht viele Momente, in denen Tatewaki ein Licht aufging. Dieser war so einer und er wusste die hinter seiner Stirn blühende Erkenntnis in erstaunlich akkuraten Worten wiederzugeben.

„Bitte nicht!“
 


 

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Oh Mann, Ryoga! – Eine schamlose Parodie.
 

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Kapitel 6 – Enthüllt und erwacht.
 

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Die Charaktere gehören mir nicht, sie gehören Rumiko Takahashi. Da ich weder weiblich noch kleinwüchsig bin, schließe ich, dass sie mir auch nie gehören werden.
 

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Die Nacht war noch jung. Theoretisch konnte die Nacht auch überhaupt nicht alt werden, was natürlich im Umkehrschluss bedeutete, dass sie ebenso wenig jung sein konnte.

Das hielt sie trotzdem nicht davon ab, dem Tag für einige Stunden die Schau zu stehlen.

In Ryogas Kammer war es dementsprechend stockdunkel.

Gespannt hörte das Neomädchen auf ihren eigenen Atemrhythmus.

Es klopfte an der Tür.

In der heiligen Dreifaltigkeit von HART, BRUTAL und UNERBITTLICH bebte besagte Tür in den Angeln. Das Winseln der Scharniere entrang der Göttin ein Seufzen.

Ehrlich gestanden, hatte sie hiermit gerechnet.

Wie sahen ihre Optionen auf?

Einerseits konnte sie jetzt aufstehen, ihre Kleider glatt streichen und kopfüber aus dem Fenster hopsen.

Andererseits konnte sie liegen bleiben, sich das Kissen über den Kopf ziehen und hoffen, dass das Klopfen von alleine aufhörte.

Natürlich konnte sie auch gequält stöhnen, ihre Kollegen da oben und ihren Arbeitgeber hier unten verfluchen – was sie aufgrund ihrer Sprachsperre nicht wirklich konnte - und die Tür öffnen.

Ryoga seufzte, schüttelte den Kopf über ihre eigene Dummheit und schlurfte die eineinhalb Meter zur Tür. Schließlich wollte sie nicht, dass das hölzerne Brett in ihren begrenzten Wohnraum fiel.

Zaghaft drehte sie den Türknauf, atmete durch und zog die Tür auf.

Nicht wirklich unerwartet, fand sie Ukyo vor sich.

Allerdings war es eine sturzbetrunkene Ukyo, die ihr lallend einen Arm um die Schulter warf und sich gackernd an sie presste.

„Ukyo?“

„Yo!“

„Vielleicht solltest du…“

„W-Wsch schollte isch Schübsche?“

Zwei große, braune Rehaugen blinzelten verschroben in Ryogas.

Seltsamerweise wurde der Neogöttin recht warm – und dass nicht nur ums Herz.

„Schule. Schulegehen. Ich meine, morgen musst du zur Schule gehen. Deshalb Bettgehen.“

„Musch isch? W-Will nisch“, schmollte die Köchin und drückte sich offenherzig an ihre errötende Bedienung.

„A-Aber Ukyo…“

„Schei schtill. D-Du wirscht trinken!“, stellte die Köchin mit einem finalen Unterton fest.

„Und schwar mit m-m-mir! Kapiert?“, hickste die Erbin der Kuonji-Linie stolz.

„D-Darf ich fragen weshalb?“

Kurz schlich sich ein nachdenklicher Ausdruck auf Ukyos Gesichtszüge. Dann entgleisten diese zu einem stumpfsinnigen Lächeln und Kuonji gröllte.

„Nö! U-Und schetzt k-komm mit!“

Freudig hicksend packte Ukyo Ryogas Hand und schleifte die überrumpelte Göttin hinterher.

Wie Ryoga beunruhigt feststellte geradewegs ins Schlafzimmer ihrer Chefin.

Dort standen bereits vier randvolle Sakeflaschen - respektive drei randvolle und eine leere, die es dennoch schaffte irgendwie voll auszusehen - neben dem Futon, zwei gebrannte Keramikbecher und mehrere Kerzen.

Irritiert kräuselte die Junggöttin ihre Stirn und wurde von Ukyo unsanft in die Höhle der Löwin hineingestoßen, ehe die Bewohnerin dieser die Tür zuzog. Ein Rumsen später war auch das erledigt.

Unsicher lugte Ryoga zu ihr.

Ob es Ukyo gut ging?

„Hicks!“, verkündete diese fröhlich.

Nun ja, die Frage hätte sich dann ja wohl erledigt.

Es vergingen keine drei Sekunden, da hatte sich die Herrin des Hauses auch schon zu ihrer Untermieterin gesellt und ihr einen Arm um die Schulter gelegt.

„T-T-Trinkt i-ihr Göttscher ei’entlich?“

„Nein?“, offerierte Ryoga und fühlte Ukyos Stirn probeweise auf Fieber.

„Oh-ho! Du jescht aba janz schön auf Tusch-Tusch-Tuchfühlung, wei?“

Was war nur mit Ukyo los? Sie benahm sich so komisch.

Sie war doch nicht etwa...

Aufmerksam musterte Ryoga ihre Chefin.

Glasiger Blick – Check.

Wenig intelligentes Grinsen – Check.

Im Auflösen begriffene Artikulationsfähigkeit – Check.

„Sag mal Ukyo, bist du besoffen?“

„Hicks!“

„Heißt das ja?“

„Hicks!“

Hilfreicherweise ergänzte Ukyo ihre Aussage diesmal mit einem fröhlichen Nicken und grinste sorgenfrei drein. Überhaupt lenkte dieses Grinsen Ryogas Aufmerksamkeit auf Ukyos gerötete Wangen, von da aus auf die seidigen Strähnen, die ihr ins Gesicht hingen und letztendlich auf die blütenweiße Yukata, die sie trug.

„Je-Jefälschst dir?“

„Pardon?“

„Ob’s d-dir je-jefällt hab’ isch jefragt!“

Überstürzt riss sich Ukyo von Ryogas Seite fort, sprang auf – und fiel dabei fast sofort um – und drehte sich in einer Parodie von Eleganz mehrfach um die eigene Achse.

Als sich Gleichgewicht und Schwerkraft verhöhnt genug vorkamen, schickten sie Ukyo auf direktem Weg zu Boden. Respektive wäre sie zweifelsohne auf dem Parkett aufgekommen, hätte da nicht eine gewisse Göttin in der Leere zwischen Ukyo und dem Holzboden gesessen.

Dementsprechend stürzte sie ihrer Bedienung in die Arme und lachte heiter.

Nun lässt sich viel über Ryoga sagen – er, eh sie ist aber trotz allem ein Mann.

Zumindest in den Tiefen ihres Herzens war sie das, weswegen ihre Wangen scharlachrot anliefen. Das wiederum lag nicht alleine an der Umarmung.

Schuldig hieran waren eher die zwei Wölbungen, die sich gegen ihr eigenes Set drückten.

„U-U-Ukyo…“

„Schei schtill! Ischt d-d-doch nisch’ so, a-als o-ob du M-Mädschen nisch’ leid’n könnt’st.“

Da war es wieder. Das Thema, vor dem Ryoga zurückgescheut war und ehrlich gestanden, wollte sie die Frage ihrer sexuellen Orientierung nicht mit einer betrunkenen Ukyo erläutern. Insbesondere da sie wusste, dass mit ihrer Libido alles in Ordnung war. Aber erkläre das mal jemandem, der keine Ahnung davon hatte, dass sie tatsächlich ein Junge war.

„Weischt du wasch?“

„Nein?“, antwortete Ryoga durchaus wahrheitsgetreu.

„R-R-Ranma isch’n I-Idiot!“, blaffte die Köchin und drückte sich noch fester an sie.

„Erzähl mir was Neues“, raunte Ryoga und errötete ob des engen Kontakts.

„Wasch?“

„Nichts.“

„Oh.“

So verharrten beide. Ryoga auf ihrem Hinterteil und Ukyo an sie geklammert.

Gedämpft erfüllten die Kerzen den Raum mit Licht. Ein Geruch von Zimt hing latent in der Luft und umschmeichelte die Nase.

Langsam zog sich Kuonji zurück und griff nach einer Flasche und einem Becher.

Zielsicher wie ein gesprengter Wasserfall goss sie Reisschnaps ein, verteilte die Hälfte davon auf sich, beäugte das verwundert und reichte Ryoga den Becher.

Dann nahm sie den zweiten und verfuhr erneut so, eingeschlossen dem Verschütten.

„Kampai!“, lallte Ukyo und hob die Tasse.

„Kampai“, stimmte Ryoga wenig enthusiastisch ein, zwang sich nach einem bösen Blick seitens Ukyos zu einem Lächeln und beließ ihre Tasse auf gleicher Höhe.

In einem Zug leerte ihre Chefin das scharfe Gebräu.

Unter einem Seufzen kippte auch die Junggöttin ihre Portion weg und spürte den Reisschnaps durch ihren Hals, ihre Speiseröhre entlang und letztendlich in ihren Magen tröpfeln.

Es fühlte sich nicht unähnlich einem Magendurchschuss an.

„Ey! V-V-Verschträgscht w-wohl nisch’s, eh?“, gluckste Ukyo erheitert und beugte sich mit Kennermiene zu ihr vor.

„Ehehehe…“, lachte Ryoga ihrerseits, hielt die Schmerzgrimasse mit Mühe von ihrem Gesicht fern und ihren Magen notdürftig in Zaum.

Sie hatte nicht gewusst, dass Sake derart hochprozentig war. Alles was sie bisher über Sake in Erfahrung gebracht hatte, war, dass er niemandem schmeckte und ihn doch alle tranken.

Irgendwie unplausibel – aber so waren Menschen nun mal.

„R-R-R-Ranschan isch wirklisch e-e-ein I-Idiot!“

„Ja – und?“

„W-Warum l-l-liebe isch i-ihn dann?“

Fragend sah das Mädchen die Göttin an. Ihr Haar war verwuschelt von ihrem Ausrutscher kurz zuvor und ihre Yukata klaffte einladend auseinander.

Ryoga ihrerseits bemühte sich tunlichst wegzuschauen. Was sich als sehr schwer herausstellte, schließlich war sie in der Blütezeit ihrer Hormone.

Ukyos Frage beantwortete das aber nicht. Außerdem – woher sollte sie die Antwort darauf wissen? Sie wusste ja noch nicht einmal, weshalb diese Mädchen sich so sehr an diesen Idioten klammerten wie Ertrinkende an Treibholz.

Also entschloss Ryoga das zu sagen, was ihr zuerst auf die Zunge fiel.

„W-Weil niemand anders f-für dich da war?“
 

Ukyo hörte die Worte ihrer Bedienung.

Sie war schließlich nicht taub, nur strack. Trotzdem funktionierte ihr Gehirn noch gut genug, um das Gesagte zu verarbeiten und in den abgedunkelten Gängen ihres Bewusstseins die Notstromversorgung umzulegen. Ihr Verstand nahm die Arbeit murrend wieder auf.

„Ach? A-An wen hättsche isch misch d-denn w-w-wenden soll’n Sch-Schlau-Schlaumeier?

Hierauf wusste Ryoga nichts zu erwidern. Sie zuckte mit den Achseln.

„K-Klasse! T-T-Toll’r R-Rat. Sch-Scheig m-mir doch m-mal e-einen, d-der misch w-wollte?“

In Ukyos Stimme floss Bitterkeit. Ein Schimmer von Tränen legte sich über ihre beiden Augen.

„K-K-Komm Ukyo, n-nicht weinen! B-B-Bitte nicht!“, versuchte Ryoga sie zu beruhigen.

„Nischt w-weinen? W-W-W-Warum n-nisch? Isch b-bin allein. N-N-Niemand d-da für misch. V-V-Völlisch allein.“

Ein Schluchzen entrang sich ihrer Kehle und kleinere Tränen perlten an ihren Wangen ab.

Sie hatte sich selten so deprimiert gefühlt. Sie hatte bis heute aber auch nur selten Alkohol getrunken.
 

Ryoga war ratlos.

Da saß ein Mädchen, noch dazu ihre Chefin, traurig und verbittert vor ihr und klagte ihr Leid – und sie hatte keine Ahnung was sie tun konnte.

Sie besaß in etwa soviel soziale Fähigkeit wie ein Bumerang.

Sie war es gewohnt benutzt und fortgeworfen zu werden. Nur war sie derart dämlich, trotzdem immer wieder zum Werfer zurückzukehren.

Schon seltsam. Ihr Orientierungssinn war so schlecht, aber nichtsdestotrotz verschlug es sie immer wieder nach Nerima.

Hilflos beobachtete sie Ukyo.

Sie kannte sich nicht damit aus, jemandem einen Rat zu geben und Trost zu spenden. Das war der Fortgeschrittenenkurs in sozialen Angelegenheiten – wer aber so häufig auf Reisen war wie ein Hibiki, der hatte keine Gelegenheit fürs Erlernen der vorab erwähnten sozialen Fertigkeiten.

Dementsprechend konnte die Göttin mühelos einen Stein zerschmettern, scheiterte aber daran anderen Leuten zu helfen. Aber genau das sollte sie doch tun, oder? Sie war doch eine Göttin und Götter halfen Menschen, nicht?

Aber keiner hatte es für nötig befunden, ihr das WIE zu erklären!

Währenddessen hatte Ukyos Schluchzen nicht abgenommen und große Tränen kleckerten auf ihren weißen Kimono herab und färbten ihn dunkel.

Ryoga atmete durch und stählte sich.

Dann griff sie zu und zog Ukyo in ihre Arme.

Sie wusste nicht, womit sie gerechnet hatte. Vielleicht hatte sie einen Ellbogenstoß erwartet, vielleicht aber auch wüste Worte. Was anderes war sie immerhin nicht von der Köchin gewohnt.

Umso verwunderter war sie, als Kuonji ihre Arme um sie schlang und in ihr Seidenoutfit heulte.

Ungelenk streichelte die Göttin Ukyos Rücken, starrte sich nach allen Seiten nach Hilfe um, erhielt keine und verfluchte den Göttinnen-Hilfsservice, der wahrscheinlich gerade Urlaub machte.

„R-R-Ryoga?“, schniefte ihre Chefin.

„Hm?“

„J-J-Jungsch schind blöd.“

„Wem sagst du das.“

„R-R-Ryoga?“, schniefte sie erneut.

„Hm?“

Zur Antwort fühlte sie wie sich ein Paar weiche Lippen an ihre pressten.

Ehe sie sich versah, waren nicht nur die Lippen an sie gepresst und sie wurde auf den Futon gestoßen.

„U-U-U-Ukyo, w-w-w-was tust du?“ Ihre Blicke begegneten sich und Ukyo lächelte ein unbestimmbares Lächeln.

„N-Neue H-H-H-Horischonte entdecken. N-N-Neue Horischonte.“

Wie von selbst verlöschte das Kerzenlicht – tatsächlich verlöschte es wirklich von selbst – und ließ Dunkelheit sowie eine Köchin über einer Göttin zurück.
 

Der nächste Morgen kam unerwartet schmerzhaft.

Jeder Sonnenstrahl wurde zum Schwert, jedes Geräusch zur Pfeilspitze, jeder Gedanke an Essen zu einem Erlebnis, das einen recht schnell von dieser Erwägung abbrachte.

Kurzum war Ukyo übel. Sehr übel sogar. Wenn sie sich das so bedachte, war ihr speiübel.

Nicht, dass das unerwartet wäre. Hinzu kamen fürchterliche Kopfschmerzen und ein saurer Geschmack im Mundraum.

Außerdem stank hier etwas nach Angebranntem.

Es war ein widerlicher Gestank, der die Geruchsrezeptoren ihrer Nase in einen Würgegriff nahm. Übrigens kam auch ihr selbst dabei das Würgen.

Was stank nur so erbärmlich, noch dazu an einem solchen Morgen?

Ein Knarren außerhalb des Zimmers alarmierte sie. Aus einem Reflex heraus wandte sie ihre Augen – zwangsläufig damit auch den Kopf – der Tür zu. Sie bereute es sogleich.

Stöhnend ließ sie ihr Haupt aufs Kissen zurücksinken. Ihre Nase wimmerte unbehelligt davon weiter.

Es knarrte erneut.

Mit fiebrigem Blick starrte Ukyo auf die Tür, in der bereits ihre treue Bedienung mit einem Tablett stand. Auf dem Tablett dampfte etwas beunruhigend.

„Was ist das?“, stöhnte Ukyo ihre Frage hervor und blinzelte ihre Angestellte an.

„Okonomiyaki?“

Misstrauisch beäugte die Erbin der Kuonji-Linie den verkohlten Teig – der im jetzigen Zustand mehr Kohle als Teig war – und verspürte einen Stich im Herzen.

Wie konnte man ein Okonomiyaki nur derart misshandeln? Waren Göttinnen nicht sonst als gnädig gepriesen?

„Erinner’ mich dran, dich nie an’n Grill zu lassen, ’kay?“
 

Verwirrt starrte Ryoga auf ihr erstes zubereitetes Okonomiyaki und wunderte sich stillschweigend, wovon Ukyo da sprach.

Stimmte denn etwas hiermit nicht?

Argwöhnisch besah sie sich den rabenschwarzen Teig, der ihr zur Antwort eine kleine Wolke Kohlenstaub entgegenspuckte.

Ihre ermattete Chefin stöhnte auf und hielt ihren Kopf. Ob es Ukyo nicht gut ging?

Besorgt trat die Göttin in Ausbildung näher.

„Alles in Ordnung Ukyo?“

„Wird schon gehen – wie im Nachgedanken ergänzte sie – müssen.“

„Oh.“

Ratlos kratzte Hibiki ihren Hinterkopf.

„Hast du vielleicht Hunger?“

Ukyos ungläubiger Blick genügte als Reaktion.

„Also, wenn du nicht putzen willst Ryoga – ne danke.“

„Oh.“

Eine gespannte Stille setzte ein. Ukyo brach sie fast sofort.

„Warum is’ mir nur so schlecht und warum bin ich so verschwitzt?“

Ryoga lief rot an.

„E-E-Erinnerst d-du dich n-nicht?“

Ukyos folgendes Murmeln ließ sich zu einem „Nicht wirklich“ zusammensetzen. Vorausgesetzt man verfügte über das entsprechende Gehör und genügend Kreativität zum Interpretieren.

„Wieso?“ Is’ was passiert?“
 

Ukyo sah uninteressiert auf. Ihr tat alles zu weh, als dass sie das nötigte Interesse für andere Dinge hätte aufbringen können. Trotzdem enervierte Ryogas Herumdrucksen sie genug, um nochmals nachzuhacken.

„Okay – was is’?

Ächzend richtete Ukyo sich auf – und die Decke glitt, den Gesetzen der Schwerkraft folgend an ihr herab. Und entblößte sie im Kostüm der ersten Stunde.

Ein Umstand, den die Köchin erst im nächsten Augenblick völlig begriff, als sie verdattert auf ihre nackten Brüste starrte.

„M-Meine Kleidung?“

Ryoga lief rot an.

„D-Die hast d-du ausgezogen.“

„Ausgezogen?“, wiederholte Kuonji langsam.

Ryoga nickte verunsichert.

„Und wann hab’ ich mich bitteschön ausgezogen, ich denk’ ich würd’ mich dran erinnern!“

Hibiki sah betreten zur Seite.

„I-Irgendwann nachdem d-du dich betrunken u-und b-bevor du mich ausgezogen h-hast. Denke ich“, stammelte die Göttin zweiter Klasse.

„W-Wie meinen?“

Erkenntnis dämmerte auf Kuonjis Miene.

„D-D-Das k-kann doch nicht, d-du m-meinst, wir ha-haben…?“

Ukyo Kuonji war ein abgebrühter Mensch. Besuchte sie eine Kneipe, so war sie es, die Leute rausschmiss. Kritisierte jemand ihr Essen, so lächelte sie, kassierte und schmiss die Person danach raus. Sie war immerhin auch finanzorientiert.

Diesmal allerdings half ihr alle Abgebrühtheit nichts – sie errötete trotzdem.

Ihrer Bedienung erging es nicht besser.

Ryogas Wangen spiegelten die Farbe ihrer eigenen.

Im nächsten Augenblick wurde Ukyo jedoch fahl. Aschfahl.

„Oh mein Gott! Ich hab’ Ranchan betrogen!“

Das Gesicht ihrer Hilfskraft verzerrte sich.

„Wie bitte? Das ist der einzige Gedanke, den du hast? Das war auch mein erstes Mal!“

Unwirsch fuhr Ukyo ihre Vertragspartnerin an.

„Als ob du das verstehst! Ich bin Ranchan versprochen! Mit diesem – sie rang hysterisch nach Worten und Luft – Unfall hab’ ich meine Familienehre verloren! Ich hab’ mein Anrecht auf Ranchan verloren!“

Ryogas Miene verdunkelte sich; sie schnaubte und dampfte vor Wut.

„Ranchan? Gestern war er noch’n Idiot und ich? – zähneknirschend presste sie hervor – Bin ich der Ersatz?“

„Was beleidigst du Ranchan?“, wütete Ukyo ihrerseits und ignorierte die implizierte Frage.

„Ich – ihn beleidigen? Als ob er’s nicht verdient hätte! Dieser polygame Mistkerl!“

Jetzt war es an Ukyo zu schnauben. Zielsicher – so zielsicher wie man mit einem mittelschweren Kater sein kann – taumelte sie auf ihre Bedienung zu. Mordlüstern ballte sie Fäuste.

Wie konnte Ryoga nur so von ihrem Verlobten sprechen? Woher nahm sie sich das Recht?

Ryogas nächste Worte brachten ihren Ansturm allerdings ins Wanken.
 

„Dieser Kerl verdient dich doch überhaupt nicht! Er hat hunderte Mädchen um den Hals! Und ich?“, skandierte die Göttin und krallte ihre Finger in die Seide ihres Kostüms.

„W-Was?“

„Verdammt! DU hast mich ins Bett gezogen. Nicht andersrum! Und jetzt bin ich dir nicht mehr gut genug, nachdem dein Alkoholanteil runter ist?“ Zornestränen sammelten sich in Ryogas Augenwinkeln.

„I-Ich war – ich war betrunken!“

„Und ändert das was? Letzte Nacht fand trotzdem statt!“

Keinen Schritt vor ihr blieb ihre Arbeitgeberin stehen. Unsicherheit penetrierte ihre Züge.

„A-A-Aber Ranchan.“

Ryogas Geduldsfaden riss endgültig.

„Hat Akane, hat Shampoo und viele andere.“

„A-A-Aber er…“

„Was? Ist für dich da? Arbeitet für dich? Verbringt Zeit mit dir? Er frisst sich bei dir durch, sonst nichts.“

Die Junggöttin bemerkte den verletzten Ausdruck auf Ukyos Gesicht. Diesmal musste sie diesen aber ignorieren, ansonsten würde sie ihre Entschlossenheit verlieren und damit Ukyo an Ranma.

Sicher, Ukyo war nicht ihre erste Wahl für ein erstes Mal.

Aber sie sollte verdammt sein, wenn sie zuließ, dass Ranma ihr Ukyo wegnahm!

„Was soll ich denn tun?“, schniefte das Objekt ihrer Überlegungen und sah Ryoga geschlagen an.

„Die Antwort hast du dir gestern gegeben.“

Und mit diesen Worten trat die Göttin zweiter Klasse, dritter Kategorie mit limitiertem Zugriff auf ihre Gastgeberin zu, holte tief Luft und zog sie in ihre Arme.

Ukyo wehrte sich nicht. Sicher, sie hätte sich auch nicht wehren können, selbst wenn sie gewollt und ihre ganze Kraft aufgewandt hätte. Wenn Ryoga Hibiki jemanden umarmte, konnte dieser jemand im Grunde schon froh sein, wenn er das überhaupt überlebte.

„Wie kann ein Dummkopf wie du, so was kluges sagen?“, murmelte Ukyo, ihr Kinn auf Ryogas Schulter gestützt.

„Frag’ mich was Leichters“, seufzte die Göttin und streichelte zaghaft über Ukyos Haar. Die Berührung war dicht gefolgt von einem elektrisierenden Kribbeln, das ihren Bauch einnahm. Ryoga überging es mit geröteten Wangen.

„Warum ich? Warum nicht ein anderes Mädchen?“

„Wenn ich das nur wüsste“, flüsterte die Göttin und blickte himmelwärts.

Ukyo fing den Blick nach oben auf.

„Und – antworten sie dir?“

„Anrufbeantworter.“

Kurz währte Stille. Dann lachten beide. Sie lachten über die Absurdität der Situation, darüber dass ihr beider Leben innerhalb einer Nacht völlig neu aufgerollt worden war und dass die heutige Morgenwelle an Kundschaft ruhig warten konnte.

Lachen tat gut. Es half über die seltsamsten Dinge hinwegzukommen.

Ja, dass Leben war schon verrückt.

Das schloss Nerima nicht aus, dass verifizierte nur den Umstand.
 

Zu ähnlicher Zeit erwachte auch jemand anderes aus seinem Schlummer. Sein Kopf dröhnte nicht minder als der einer gewissen Okonomiyaki-Köchin.

„Aufwachen!“

Verschlafen blinzelte Ranma zwischen seinen Augenlidern hindurch. Ein herzhaftes Gähnen schloss sich an.

„Das Essen ist schon fertig. Beeil’ dich.“

Unter halbgesenkten Lidern nahm Ranma die Eigentümerin der Stimme in Augenschein.

„Kein Hammer?“, konstatierte er mürrisch.

„Beeil’ dich – oder ich überleg’s mir anders.“

Entgegen dem, was man erwarten könnte, floss eine gesunde Prise Humor in Akanes Antwort.

Ranma grinste seinerseits.

„Musstest du so fest zuschlagen?“

Akane seufzte gespielt.

„Ukyo hätte es uns sonst nicht abgenommen.“

Ranmas Augenbrauen zogen sich zusammen.

„Du hast’s doch genossen, gib’s zu!“

Theatralisch gingen nun auch Akanes Augenbrauen auf Wanderschaft, allerdings nach oben.

„Wer? Ich?“

Ranma winkte ab, lächelte und setzte sich auf.

Die jüngste Tendo hockte sich – nach einem misstrauischen Blick zu allen Seiten – neben ihn und kuschelte sich an seine Schulter.

„Schön geträumt?“, fragte sie.

Kurz fiel Ranmas Lächeln ab, war aber sofort wieder an seinem Platz.

Akane hatte es trotzdem bemerkt.

„Was ist los?“

Verlegen über die Aufmerksamkeit seiner Verlobten kratze er sich – nicht unähnlich einer gewissen Göttin – den Hinterkopf.

„Na ja, da ist so’n komischer Traum.“

„Um was geht’s?“

„Das ist der Witz – ich erinner’ mich nicht.“

Spielerisch drückte sich Akane noch ein wenig enger an Ranma.

„Na – dann wird’s wohl nicht wichtig gewesen sein, oder?“

Erst unsicher, dann aber entschlossener nickte Saotome und genoss den Duft und die Nähe zu seiner Verlobten.

Natürlich konnte der Moment nicht anhalten.

„Akane, Ranma! Kommt runter. Die Schule beginnt bald und ihr müsst noch frühstücken.“

Die beiden Jugendlichen warfen sich einen abgeklärten Blick zu und seufzten simultan.

„Kommen!“, intonierten beide und verließen den Raum die Treppe hinunter.

Akane ging voran und stählte ihren Gesichtsausdruck auf BITTERBÖSE. Ranma folgte nach, die Hände in den Hosentaschen und – was Akane nicht sah – einer schmalen Sorgenfalte auf der Stirn.
 

Ukyo gähnte wie eine Löwin. Sie hatte zwar nicht mitgezählt, aber sicherlich schon zum zehnten Mal.

Ryoga hatte ihr vorhin noch ein Aspirin aufgelöst, das rhythmische Hämmern war aber widerwillig aufzugeben.

„Nie wieder Alkohol.“ Je häufiger sie das Motto wiederholte, umso besser klang es.

Nicht nur hatte sie sich einen gehörigen Brummschädel zugezogen – und das sogar ganz ohne Kampf, vorausgesetzt man rechnete die Aktivitäten von letzter Nacht nicht auch noch zu einer Kampfsportart -, sondern auch eine Göttin verführt und damit ihre Verlobung mit Ranma ironischerweise zur Hölle gejagt.

Vielleicht stammte die Migräne ja von ihren ganzen Problemen, die ihr wie eine Polka durchs Bewusstsein rumpelten? Das erschien plausibel – zugegeben. Aber sie war niemand der aufgab und sich von ein paar Hindernissen aufhalten ließ.

Ergo war der Alkohol schuld!

Das war schön und gut, die erwähnten Probleme blieben aber dennoch bestehen.

Wie etwa sollte sie sich nun ihrem Verlobten gegenüber benehmen?

Was noch viel heikler war, wie sollte sie mit Ryoga umgehen?

Wenn sie da nur an den Abschied vor ein paar Minuten dachte, konnte sie sich ein sardonisches Grinsen nicht verkneifen.

Es war ein Augenblick peinlicher Stille gewesen, gefolgt von einem schüchternen Lächeln ihrer Bedienung und einer verlegenen Umarmung. Das schlimme jedoch war, dass es Ukyo gefallen hatte!

Die Erbin einer der stärksten Kampfkochlinien Japans seufzte über die Ironie der Lage. Erst hatte sie sich wegen ihrem Verlobten den Großteil ihres Lebens als Junge verkleidet und die Mädchen waren auf sie geflogen. Jahre später dann war sie auf Rachefeldzug gegangen und hatte den Kampf verloren. Dafür gewann sie ihren Verlobten zurück – nur um herauszufinden, dass besagter VERLOBTER die Hälfte der Zeit über eine VERLOBTE war.

So gesehen war der Sprung von einem Halbmädchen zu einem richtigen Mädchen auch nicht weiter besorgniserregend.

Nun war sie also doch zur Lesbe geworden. Verdammt auch eins – und ihr Vater hatte es noch dazu prophezeit, nachdem er ihren Lebensstil mitverfolgt und später über Ranmas Fluch erfahren hatte.

Was sollte sie jetzt nur tun?

Jeden Moment konnte Ranma neben, über, hinter oder vor ihr auftauchen und in seiner fröhlichen Stimme rufen…

„Ucchan!“

Erschrocken fuhr sie zusammen und blickte in die unschuldige Miene vor ihr.

Augenblicklich war die Schuld da und kratzte wie eine ungezogene Katze an ihren Nerven. Mit dem gedanklichen Äquivalent einer zusammengerollten Zeitung fegte sie das imaginäre Tier zur Seite.

„Ha-Hallo Ranchan!“

Ranma musterte sie forschend.

„Geht’s dir gut, biste nervös oder was?“

Ukyo lächelte krampfhaft. Warum musste sich Ranma genau diesen Moment aussuchen, um so etwas wie Einfühlungsvermögen aufzubauen? Ansonsten war er doch eher der Faust-Voraus-Typ. Warum also nicht dann, wenn er es sein sollte?

Unverhofft kam ihr Akane zur Hilfe und ersparte ihr eine Antwort.

„Guten Morgen Ukyo.“

„Morgen Akane“, antwortete die Okonomiyaki-Bäckerin erleichtert.

Neugierig haftete der Blick ihrer Rivalin an ihr.

„Geht es dir gut? Du wirkst irgendwie nervös.“

Kuonji begann zu schwitzen.

Das war jetzt echt nicht mehr witzig. Machte sich hier jemand lustig über sie?

Fragend bohrten sich Akanes Augen in ihre. Ein zweites Augenpaar – so eisigblau wie das andere erdbraun – gesellte sich in Form Ranmas dazu.

„M-M-Mir geht’s kla-kla-klasse! Echt! K-Kein Grund zur Sorge Leute!“, lachte die Köchin übertrieben heiter, spürte ihren Kopf zum Gelächter pochen und betete um ein Wunder.

Umso verblüffter war sie, als auch ein Wunder eintrat.

„Halt ein Wesen der Finsternis! Ich fordere die Hand der unschuldigen Blüte Akane Tendo, um deretwillen ich dich erschlagen werde! Der Himmel ist mein Zeuge und ich sein gerechter Zorn.“

Ukyo konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Man merkte, dass Kuno Ryoga bisher noch nicht getroffen hatte. Wenn irgendjemand der Zorn des Himmels war, dann doch wohl ihre Bedienung. Das hatte die Göttin in Ausbildung alleine mit dem Streit von heute Morgen bewiesen.

„En garde!“

„Och, schon wieder einen auf Shakespeare? Willst nicht mal Ruhe geben?“

„Nimmer würde ich rasten, so lange ich dich auf Erden weiß. Meine Pflicht ist die meine und wird von mir zu Ende gebracht!“

Zum besseren Verständnis, was denn nun genau diese Pflicht darstellte, deutete die Spitze von Tatewakis Bokken auf Saotome.

„Ehrlich mal Kuno. Wie schaffst du’s ständig aus der Klapse zu kommen? Komm’ schon, verrat’s mir.“

„Spotte du nur Höllensaat! Worte wie die deinen vermögen mich nicht zu beirren!“

Ranma feixte genüsslich.

„Also DAS wusste ich schon vorher.“
 

Tatewaki Kuno ersparte sich eine weitere Antwort. Anstelle dessen verengte er die Augen zu Schlitzen, um das störende Sonnenlicht auszugrenzen und besser zu sehen.

Dann stürmte der Blaue Donner der Furinkan Oberschule auf seine langhaarige Nemesis zu. Seinen treuen Bokken schleifte er wie einen Kometenschweif hinterher.

Kurz vor seinem Ziel – Ranma streckte ihm aufmunternd die Zunge raus – durchschlitzte Kuno die Luft vor sich. Das Holzschwert heulte vergnügt.

Nichtsdestotrotz verfehlte es.

Dafür kostete sein Besitzer gleich darauf den harten Granit zu seinen Füssen.

Es verbleibt zu sagen – er schmeckte reichlich abgetreten.

Griesgrämig schnellte Tatewaki hoch und fixierte den Teufel Saotome.

„Wenn du müde bist, geh’ besser heim. Sonst tritt noch einer auf dich.“

Das genügte!

Der Oberschüler knirschte mit den Zähnen, zwang sich zu einem tiefen Atemzug und brachte seinen Bokken vor sich in Position.

Ein Kampfschrei verließ seinen Mund, als er im plötzlichen Sprint auf sein Ziel zuhielt.

Diesmal würde er treffen. Er konnte es förmlich spüren. Heute war sein Tag gekommen.

Er grinste überlegen und schlug zu.

Nebenbei erwähnt – er traf nicht.

Immerhin bekam er doch noch etwas zu spüren. Und zwar die Kleinigkeit von hundert Schlägen gegen Stirn, Solarplexus und Handgelenke. Es genügt zu sagen, dass das Holzschwert zwar als erstes fiel - aber nicht als letztes.
 

Ukyo rieb ihre Schläfen, als sie gemeinsam mit einem beschwingten Ranma und einer meckernden Akane das Schulgebäude betrat. Den Gefallenen überließen sie Nabikis medizinischem Versorgungsdienst mit dem etwas eigensinnigen Namen Buy or die.

Von da an entwickelte sich der restliche Tag wie üblich.

Zumindest hätte Ukyo sich das gewünscht.

Was allerdings geschah, stahl ihr die Sprache und erfreulicherweise ebenso die Migräne.
 

„Ich gehe nach Hause!“

Verblüfft sah der Lehrer über den dünnen Rand seiner Nickelbrille.

„Sie wollen uns schon verlassen Herr Saotome?“

Auf den Gesichtszügen des Betreffenden spiegelte sich Verwirrung.

„Ich meine ICH GEHE NACH HAUSE ist die richtige Übersetzung.“

Der Lehrer blinzelte, sah konfus zur Tafel, daraufhin zurück zu Saotome, erneut zur Tafel und ein letztes Mal zu seinem Problemschüler.

Er konnte es nicht fassen.

„D-Das ist korrekt Herr Saotome.“

Nicht weniger erstaunt als der Lehrer, waren auch Ranmas Klassenkameraden.

Wie sich bald offenbaren sollte, kennzeichnete dieses Geschehnis nur den Beginn einer Kette von Seltsamkeiten. Insofern man überhaupt noch irgendetwas, was in Nerima vorfiel als seltsam bezeichnen konnte.

Trotzdem gab sich der Erbe des Musabetsu Kakuto Ryu größtmögliche Mühe, die Lehrer mit seinem neuen Wissen zu schocken. Erwähnenswert wäre, dass er es auch schaffte – und zwar bei jedem einzigen.

Dann kam die Pause und es sollte sich zeigen, dass dieses Verhalten nur den Beginn der richtigen Probleme signalisierte.

Der Gong schallte durchs Schulgebäude.

Wie der Wutschrei eines prähistorischen Tieres weckte er schlummernde Schüler auf und spornte die halbwegs Wachen an, schnellmöglich das Weite zu suchen.

In diesem Punkt unterschieden sich die Schüler der Furinkan Oberschule nämlich keineswegs von anderen Schülern. Der Pausengong verhieß Freiheit.

Das diese Freiheit nicht nur räumlich, sondern auch zeitlich begrenzt war, erhöhte deren Wert nur umso mehr.

Fidel quasselte die Schar an Jugendlichen und strömte auf den Vorhof hinaus. Draußen war schönes Wetter, die Sonne warm und der Himmel klar. Natürlich wollte da jeder gleich der erste sein.

Jedoch besteht zwischen wollen und können ein nicht unerheblicher Unterschied. Das weiß jeder, der seine Morgenpost zur Abwechslung auf der Fußmatte und nicht im Pool vorfinden möchte.

Es genügt zu sagen, dass Ranma, Ukyo und Akane unter den ersten waren. An diesem Umstand waren ihre respektiven Reputationen nicht ganz unschuldig.
 

Ukyo schnaufte tief durch und holte erleichtert Luft.

Sie hatte während des Unterrichts ihre Aufmerksamkeit zwischen Ranma – grinsend, aber überzeugt – und der beschriebenen Tafel – staubtrocken, aber überzeugend – geteilt. Nichtsdestotrotz hatte sie bislang nicht kapiert, was hier eigentlich vor sich ging.

Seit wann war Ranma so gebildet?

Ukyo kräuselte die Stirn und musterte ihren Verlobten argwöhnisch. Es war ihr schon komisch vorgekommen, als Ranma heute Morgen so was wie Einfühlungsvermögen bewiesen hatte. Als er allerdings damit begann im Mathematikunterricht Ungleichungen zu lösen – noch dazu schneller als der Lehrer selbst -, dämmerte ihr, dass etwas nicht so ganz mit rechten Dingen von statten ging.

Ganz im Ernst – wegen seiner sensiblen oder intelligenten Persönlichkeit waren weder sie, noch Akane, noch Shampoo seine Verlobten. Nicht, dass sie derartige charakterliche Züge nicht zu schätzen wüssten. Es war einfach nur so, dass Ranma Saotome diese nicht oder nur in sehr ungeschliffenem Maß besaß!

Vielleicht sollte sie Akane mal auf die Seite nehmen und herausfinden, ob diese etwas wusste?

Das letzte was sie gebrauchen konnte, war nämlich ein Ranma, der den eigentlichen Grund hinter ihrer Nervosität erriet.

Dann konnte sie sich ihren Anspruch auf ihn abschminken!

Dann wäre sie nicht mehr länger seine Verlobte.

Apropos Verlobte…

Das Klingeln eines Fahrrads kündigte Shampoo an, ehe es ihr „Ni Hao!“ konnte.

Scheppernd kam der Vorderreifen auf dem Kopf ihres Verlobten auf. Respektive, dass war, womit sie und so ziemlich jeder andere rechnete.

Jedoch verfehlte das Fahrrad sein Ziel um mehrere Meter und machte mit einem enttäuschten Scheppern Bodenkontakt.

Die Besitzerin hingegen zeigte sich verblüfft über diesen Bruch in der Routine. Nicht, dass dieser Umstand sie von einem Sprung samt Umarmung abhielt.

Nein, dafür brauchte es schon mehr, um eine Amazone von ihrem zukünftigen Angetrauten fernzuhalten – eine Faust ins Gesicht etwa.
 

Shampoo torkelte benommen zurück. Zögerlich befühlte das Mädchen ihre Wange und spürte die Haut pochen. Genau dort, wo Ranmas Fingerknöchel sie getroffen hatten.

Verständnislos sah sie ins Gesicht ihres Verlobten und begegnete zwei Miniaturgletschern, die ihr entgegenleuchteten.

Unbewusst trat sie einen Schritt von dem Jungen weg.

Sie konnte es noch nicht so recht glauben. Ranma hatte sie geschlagen.

Der alleinige Gedanke wirkte bereits absurd, das Konzept lächerlich.

Der Schmerz auf ihrer Wange war jedoch nur zu echt.

Hilfesuchend blickte sie in die Runde, denn die Konfrontation hatte Schüler angelockt. Viele der Gesichter waren Shampoo unbekannt, aber sie erkannte auch Ukyo und Akane unter den Umstehenden.

Ihrem Anblick nach waren diese nicht weniger verwirrt und entrüstet als die Amazone selbst.

Letztlich fixierte Shampoo ihren Blick wieder auf ihren Verlobten, der sie seinerseits kühl musterte.

Reflexartig distanzierte sie sich einen weiteren Schritt.

Es lag an seinen Augen. Die Augen, in denen sie sich sonst so gerne sah, wirkten nun so unheimlich und fremd.

In ihrem Unverständnis beschloss sie zu fragen.

Jemand anders kam ihr allerdings zuvor und brach die angespannte Stille, die sich über den Pausenhof gelegt hatte.

„Ranma! Was sollte das? Wieso hast du Shampoo geschlagen?“

Shampoo sah seitwärts und erblickte das Tendo-Mädchen, das die Fäuste in die Hüften stemmte und Ranma zornig anfauchte.

Auf dem Gesicht ihres Verlobten machte sich Verwirrung breit und er zog die Stirn kraus.

„I-Ich hab’ Shampoo geschlagen?“, repetierte Saotome fassungslos.

Ihr Verlobter drehte sich ihr zu und suchte ihren Blick.

Erschrocken wich die Amazone erneut zurück.

Ranmas Gesicht war so unschuldig wie sie es kannte. Selbiges konnte man aber nicht von dem Eis in seinen Augen behaupten. Dieses jagte ihr nämlich eine Gänsehaut über den Rücken.

Dabei war Mousse doch gar nicht hier…
 

„Saotome! Hierfür wirst du leiden!“

Fast auf den Punkt mit Shampoos Gedanken jagte dieser Kampfschrei über den Hof. Dicht gefolgt von einer Schwadron an Wurfmessern, die auch dem mental Langsamsten ankündigten, wer hier in kriegerischer Absicht vorbeikam.

Mühelos tanzte Ranma um die Messer und wich dem Sprungkick Mousses zur Seite hin aus.

Ohne an Geschwindigkeit zu verlieren – das gestreckte Bein noch immer erhoben – verwandelte der halbblinde Amazone den Sprung- in einen Drehkick.

Ranma bewies aber erneut, dass er schneller war.

Und so tauchte der bezopfte Kampfsportler unter dem Angriff hindurch und landete einen Hacken in Mousses ungeschützten Bauch.

Getreu seinem gefiederten Alter Ego hob dieser ab, spie im Flug seinen Luftvorrat aus und landete rücklings und röchelnd auf dem Boden.

Unter anderen Umständen wäre der Kampf hiermit zu Ende gewesen.

Die hiesigen Umstände waren jedoch fern von normal. Mousse war nämlich richtig wütend.

Also war der männliche Amazone ruckzuck wieder auf den Beinen und verlor keine Zeit den Angriff fortzuführen. So schleuderte er zwanzig Ketten gleichzeitig auf seinen Feind – der diesen ohne Probleme auswich.

Zähneknirschend sprang Mousse zurück, um die Entfernung zwischen ihnen zu erhöhen und um mehr Projektile werfen zu können.

Ranma gab ihm erst gar nicht die Chance, sondern setzte ihm wie ein Raubtier nach und ließ seine Fäuste fliegen.

Schlag um Schlag hämmerte auf den langhaarigen Jugendlichen ein, als er vergeblich zurückwich und Ranma doch an ihm klebte wie eine Zecke – eine sehr kräftige, schnelle Zecke.

Mousse schnaubte nach der zehnten oder elften Rückwärtsrolle, die er in kurzer Folge nacheinander ausführte. Kaum berührten seine Füße den Boden, da tauchte Saotome auch schon wieder mit zurückgezogenen Fäusten auf.

Diesmal war es allerdings der Amazone, der den ersten Schlag tat.

„Hackuo Ken!“

Sein Ausruf war gefolgt von einer rasenden Bewegung seines rechten Armes.

Nichtsdestotrotz schaffte es sein Gegner im letzten Augenblick zurückzuweichen, allerdings nicht mehr ganz so lax wie noch wenige Momente zuvor.

„Nicht schlecht – beinahe hättest mich gehabt Entchen.“

Ranmas Grinsen sprühte vor Arroganz.

Dann senkten sich die Mundwinkel und die Arroganz machte einem gewissen Erstaunen Platz. Betont langsam sah der Kampfsportler an sich herab und beäugte das daumengroße Loch in seinem Hemd.

„Okay Kumpel – jetzt reicht’s.“

Ranma ließ seine Knöchel knacken und funkelte den Amazonen finster an.

Grinsend setzte er einen Fuß vor, spannte seine Muskeln und brachte seine Fäuste vor sich.

Mousse imitierte die Geste in seiner Facon und ließ mehrere Wurfmesser zwischen seinen Fingern aufblitzen.

Shampoos Einschreiten allerdings ließ ihn hadern.
 

„Ihr aufhören! Shampoo wütend!“

Damit versprach sie nicht zu viel. Selbst die Unsportlichsten bemerkten das blaue Leuchten, das ihre Konturen umgab. Dabei sah die junge Amazone wie ein farblich verwirrtes Glühwürmchen aus.

Zornig wechselte ihr Blick von ihrem Landesmann zu ihrem Verlobten.

Während der erste bockig wegsah, erwiderte der zweite ihren Blick ohne zögern.

„Und – was willste dagegen machen Sprachgenie?“

Shampoos Augen verengten sich.

Es gab nicht viel, womit man sie emotional treffen konnte. Schließlich war sie eine Amazone und ihr damit einhergehender Stolz ließ sie abfällige Kommentare jeder Art überhören.

Ihre unrühmliche Sprachpraxis zählte leider nicht dazu.

„Du wiederholen“, presste Shampoo hervor.

Sie wusste nicht, was in Ranma gefahren war. Aber alles besaß seine Grenzen.

Er mochte zwar ihr Verlobter sein, aber ein solches Verhalten ging eindeutig zu weit.

„Du hast’n Problem mit’n Ohren? – scherzhaft schlug Ranma mit der Faust in die hohle Hand, ehe er fortfuhr – Ach, DESWEGEN sprichste so erbärmlich japanisch.“

„Saotome! Wie kannst du es wagen, ich werde…“

Mit einer harschen Geste brachte Shampoo ihren chinesischen Verehrer zum Schweigen.

Das hier war jetzt ihre Angelegenheit.

Wie es den Anschein hatte, musste sie ihren Zukünftigen disziplinieren.

Entschlossen begab sie sich in Kampfstellung und zog ihre Arme nach links unten und rechts oben. Ihren rechten Fuß setzte sie vor.

„Oh-ho. Geht das Sparring aufs Haus?“

Die Amazone ignorierte den Spott und stürzte auf ihren Verlobten zu.

Sie hätte nie gedacht, dass sie Ranma einmal an seinen Platz verweisen müsste. Aber wie es schien, steckte selbst in dem rückgratlosesten Mann ein primitiver Rest Aufmüpfigkeit.
 

Akane Tendo konnten ihren Augen nicht trauen.

Das ihre Sicht besser war, als die von Mousse half dabei auch nichts.

Denn was gerade eben vor sich ging, war einfach nur irrsinnig.

Heute Morgen hatte Ranma doch noch so normal gewirkt und dann wurde er auf einmal zur Intelligenzbestie. Als würde das nicht reichen, griff er Shampoo an, beleidigte diese sogar und wollte sich dem Anschein nach mit dieser prügeln.

Ratlos sah sie zu Ukyo, die das Schauspiel mit gerunzelter Stirn mitverfolgte.

Ohne es zu wissen, echote sie Shampoos vorherigen Gedankengang.

Was ging hier nur vor?

Plötzlich stürmte die Amazone auf Ranma zu, nur um kurz vor ihm um die eigene Achse zu wirbeln. Dieser Drehbewegung folgten auch ihre Arme, die wie die Ränder eines Kreisels nach ihrem Verlobten schlugen.

Unnötig zu erwähnen, dass er diesen lachend auswich.

Gleiches galt für die nachgesetzte Handkante und dem Sprungkick.

Dafür traf der Tritt Ranmas, der die lavendelhaarige Kriegerin durch die Luft katapultierte.
 

Shampoo kam mit einem unfemininen Grunzen auf.

Das hatte verdammt wehgetan!

Dafür würde sie ihrem Verlobten – Ranma hin oder her – die Hölle heiß machen. Auch wenn sein Name ‚Wildes Pferd’ bedeutete, so war er definitiv zu wild für sein eigenes Wohl.

Sie würde ihm das schon noch begreiflich machen.

Zornschnaubend sah sie auf und wünschte sich im nächsten Moment, genau DAS nicht getan zu haben.

So wäre ihr nämlich erspart geblieben, Ranma auf sie zuschießen zu sehen. Was üblicherweise von ihrer Seite aus für Jubel gesorgt hätte, nahm sich als nicht ganz so schön aus, wenn der Ansturm ihres Verlobten von dessen zurückgezogener Faust begleitet war. Umso erstaunlicher war, dass die Faust niemals Kontakt machte - zumindest nicht mit ihr.

Ranmas Schlag war nämlich in Mousses Handteller zum Erliegen gekommen.

Nichtsdestotrotz hatte es den Amazonen einen Meter zurückgeschoben.

„Niemand rührt meine Shampoo an!“, keuchte er.

„Dann nehm’ ich halt mit dir Vorlieb“, antwortete Ranma.

Ehe sich der Chinese versah, entlud ihr Verlobter eine regelrechte Schlagserie auf Mousse, der seinerseits viel zu nahe war, um ausweichen zu können.

Fäuste knallten wie Gewehrschüsse auf seinen Körper ein und ließen seine Gliedmaßen hilflos zucken. Noch dazu konnte er nicht zurückweichen – wie Shampoo mit Entsetzen feststellte -, denn Ranma hatte den Spieß umgedreht.

Die Hand mit der Mousse Ranmas Schlag abgefangen hatte, hielt ihr Verlobter nun unerbittlich fest und kettete den halbblinden Amazonen damit unweigerlich an sich. Eine Flucht war also unmöglich und obwohl Ranma schon längst gewonnen hatte, ließ er nicht vom Chinesen ab.

Shampoo hatte genug gesehen.

Hastig sprang sie auf, bereit ihrem Kindheitsfreund zu Hilfe zu kommen und brach unerwartet zusammen. Überrascht probierte sie es erneut und bemerkte, dass ihre Beine nicht mehr reagierten.

Ungläubig sah sie auf und in die kalten Augen Ranmas, der noch immer unermüdlich auf Mousse einhieb und ihr nebenbei zuzwinkerte.
 

Fernab des Chaoss verweilte eine Gestalt im Schatten des Schulgebäudes.

Seine Augen hielt er gegen die Sonne verengt und verfolgte das Massaker mit düsterer Miene mit.

Noch konnte er nicht eingreifen.

Erst wenn die beiden Chinesen außerhalb der Reichweite Saotomes waren, konnte er tätig werden. Er mochte zwar nicht viel mit diesen Ausländern zu tun haben, aber wenn es sich vermeiden ließ, so sollten das Mädchen und der Junge nicht weiter zu Schaden kommen.

Wie sich zeigte, musste er nicht lange warten.

Schließlich ging der Chinese nach über zwei vollen Minuten an Schlägen zu Boden.

Jetzt oder nie – seine Zeit war gekommen seine Berufung zu erfüllen.

Respektive, dass war was er plante, doch kam ihm jemand unerwartet zuvor.
 

„Ranma?“

„Ja?“

Der Angesprochene klopfte seine Hände ab und drehte sich lächelnd um.

Der Hammer setzte dem Lächeln ein Ende und schickte ihn unsanft in die Bewusstlosigkeit.

Auf das einsetzende Murmeln achtete Akane gar nicht weiter.

Sie hielt den Griff ihres Hammers und fühlte das Zittern in ihren Fingern.

Was war hier nur los?

Wieso hatte ihr Verlobter so die Kontrolle verloren?

Seit wann kämpfte Ranma so aggressiv und böse?

Befremdet musterte sie den Körper zu ihren Füßen und sah dann zu Shampoo und Mousse.

Mousse war Mousse – sozusagen. Sein Gesicht war blutig, angeschwollen und erste blaue Flecken zeichneten sich darauf wie misslungene Faschingsschminke ab.

Shampoo war über ihn gebeugt, schüttelte ihn und herrschte ihn auf Chinesisch an.

Ukyo trat neben sie.

„Was war das eben?“

Ukyo begegnete ihrem Blick.

„Kein Schimmer. Sieht aus wie’n neues Problem, wenn du mich fragst.“

Akane nickte dazu. Ja, wenn das kein Problem war, was dann?

„Ukyo?“

„Hm?“, gab diese geistesabwesend zur Antwort.

„Hilfst du Shampoo und Mousse?“

Überrascht merkte die Köchin auf und nickte unsicher.

„Shampoo bringt ihn sonst noch versehentlich um.“

Ukyo riskierte einen Blick in Richtung der beiden Amazonen, sah wie Shampoo den ohnmächtigen Jungen durchschüttelte und nickte bestimmt.

„Danke.“

Mit diesen Worten packte Akane ihren ohnmächtigen Verlobten, zog ihn sich über die Schulter und verließ den Schulhof.

Es genügt zu sagen, dass sie wie Moses durch ein Meer ging. Nur bestand dieses Meer aus erschrockenen Schülern, die sich eilig nach rechts und links teilten.
 

Ryoga gähnte herzhaft.

Sie saß im Dunkel des Restaurants, eine Cola vor sich auf dem Thresen und in ihre Dienstmädchenuniform drapiert.

Wie üblich kam sie sich reichlich dämlich in diesem Aufzug vor.

Aber was sollte sie machen?

Ihre Chefin bestand darauf. Anscheinend kam das Kostüm gut an – zu Ryogas Leidwesen, insbesondere bei der männlichen Bevölkerung – und brachte Kunden ins Restaurant.

Ryoga seufzte leise.

Was Ukyo wohl gerade machte?

Wahrscheinlich langweilte sie sich in der Schule.

Die Göttin schmunzelte.

Ja, dass klang ganz nach ihr – schon seltsam, was man so über andere Menschen herausfand, wenn man ein paar Wochen mit ihnen zusammenlebte.

Alte Vorurteile stellten sich als falsch heraus und man baute neue auf.

So war Ryoga einst davon ausgegangen, dass Ukyo sehr dominant und brutal war.

Das stimmte so nicht ganz.

Sie war einfach ein Mensch, der dir unmissverständlich klar machte, dass es gesünder war ihren Worten Folge zu leisten.

Das lief zwar aufs selbe hinaus – Ukyo meinte aber, dass es besser klang.

Und Ryoga würde sich hüten, etwas anderes zu behaupten.

Sie hing schließlich an ihrem körperlichen Wohl.

Deswegen vermied sie es auch, sich außerhalb des Furos in einen Mann zurückzuverwandeln. Sollte Ukyo ihre wahre Identität je herausfinden, so würde sie auch ihre Göttlichkeit nicht vor der Rache der Köchin schützen.

Es war schon merkwürdig.

Da war sie jetzt eine Göttin und benahm sich doch wie ein Schwein – theoretisch gesprochen.

Überhaupt hatte dieses Szenario nicht wenig Unähnlichkeit damit, was in der Vergangenheit zwischen ihr und Akane vorgefallen war.

Wie es schien, lief nicht nur sie, sondern auch ihr Leben gelegentlich im Kreis.

Das Klingeln des Telefons schreckte sie aus ihren Gedanken auf.

Gemächlich erhob sich das Halbmädchen, schlenderte um die Theke und griff nach dem Hörer.

„Ja, hier Hibiki Ryoga. Willkommen bei Ucchan’s dem Okonomiyaki-Himmel.“

Herrgott – wie sie diesen Spruch hasste!

„Hallo Ryoga. Wie schön, dass ich dich gleich an das Telefon bekomme.“

„H-Hey warte mal. Kasumi?“

„Genau. Ich hoffe ich störe nicht?“

„K-Keineswegs. A-Aber woher weißt du, dass ich hier arbeite?“

Kurz herrschte Stille am anderen Ende der Leitung.

„Könntest du mir wohl einen Gefallen tun?“

„Einen Gefallen? Sicher. Aber um nochmal auf meine Frage…“

„Das ist aber nett von dir Ryoga.“

„Ehehehe… G-Gern geschehen. A-Aber was ist’s denn?“

Kampfgeräusche setzten im Hintergrund ein.

Irgendjemand beschwerte sich sehr laut und sehr unschön.

Glas ging zu Bruch und das Platschen von Wasser erklang.

„Ranma geht es nicht so gut. Könntest du morgen vielleicht vorbeikommen?“

„Eh - warum ich?“

„Weil du Ranmas bester Freund bist natürlich.“

Bester Freund? Nicht, wenn sie etwas mitzureden hatte!

Was sie anscheinend nicht hatte, schließlich sprach sie hier mit Kasumi Tendo.

„Okay – ich komme.“

„Das ist aber nett von dir Ryoga. Dankeschön und bis morgen.“

„Bis morgen.“

Das Klicken im Telefon beendete das Gespräch und Hibiki legte auf.

Na, dass konnte ja heiter werden. Immerhin war morgen Samstag – das hieß, dass vormittags ohnehin frei war und sie – also sie und Ukyo - das Restaurant erst gegen Spätnachmittag öffnen würden.

Vielleicht konnte sie sich ja auf eine nette Prügelei mit Ranma einlassen?

In den letzten Wochen war sie nicht wirklich zum Trainieren gekommen und da käme ihr eine nette Schlägerei gerade recht, um die steifen Muskeln zu erwärmen.

Ryogas Augen weiteten sich.

Sie hatte ganz vergessen nachzufragen, woher Kasumi von ihrer Arbeitstelle wusste! Geschweige denn, woher die älteste Tendo-Schwester das Wissen nahm, dass die weibliche Ryoga Hibiki auch der männliche Ryoga Hibiki war.

Die Türglocke erzitterte und bimmelte einladend.

Sie entschloss sich derartige Fragen auf morgen zu verschieben.

Damit sah Ryoga auf, spürte eine Explosion an Schmetterlingen im Bauch und unterdrückte den Drang dumm zu grinsen. Es fiel ihr sehr schwer.

„H-Hey, w-w-wie w-war d-dein Tag?“

So stolz war sie darauf die Frage nonchalant herausgebracht zu haben, dass sie Ukyo erst gar nicht wirklich in Augenschein genommen hatte. Jetzt allerdings sah sie den Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Chefin.

„Ist was passiert?“

Ukyo nickte, seufzte und ließ sich auf einem Hocker an der Bar nieder.

Ryoga wusste, dass es nur eine Person gab, die Kuonji zusetzen konnte.

„Er hat Mousse und Shampoo verprügelt.“

„W-W-Wie bitte?“

Verblüfft glotzte sie Ukyo an.

„Und was war bei dir so?“

Ryoga konnte ein Zucken ihrer Mundwinkel nicht unterdrücken.

„Ein Anruf… nur ein Anruf…“
 

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Nachwort des Autors:
 

Unverhofft kommt oft.

Ich hoffe, dass gilt nicht nur für Kapitel 6 – das ich nun doch früher fertig bekam, als ich plante -, sondern auch für den Inhalt, der diesmal eindeutig aktionlastiger und hoffentlich überraschender als die vorherigen Kapitel ausfiel. Als kleiner Bonus ist dieses Kapitel auch weit größer, als es eigentlich werden sollte. Na ja, kann man nichts machen.

Jetzt beginnt nämlich die eigentliche Story.
 

Normalerweise probiere ich ja die Übersetzungen – bzw. eine bildliche Beschreibung – von den japanischen Dingen, die ich nenne, im Text mit einzubinden.

Diesmal gelang mir das aber nicht immer, deswegen erläutere ich nochmals das, was unklar sein könnte.
 

Ein kleiner Glossar zum besseren Verständnis:
 

Kampai: Hierbei handelt es sich um den japanischen Trinkspruch. So wie wir in Deutschland „Prost“ oder die Amerikaner „Cheers“ grölen, sagen die Japaner „Kampai“.
 

Ni Hao: Das müsste zwar den meisten Fans von Ranma-1/2 ein Begriff sein, ich erläutere es aber trotzdem. „Ni Hao“ ist Shampoos Standard-Phrase und bedeutet soviel wie „Hallo“.
 

Hackuo Ken: Ein absoluter Klassiker. Hierbei handelt es sich um eine der einmal und dann nie wieder eingesetzten Techniken. „Hackuo Ken“ oder auch der „Schlag der Schwanenfaust“ erfordert einen Nachtopf in Schwanenform, den der Verwender mit erstaunlicher Präzision und Schnelligkeit dazu verwendet, seinem Gegner einen harten Schlag zu verpassen. Davor und danach wird der Nachtopf versteckt – da es eine Technik von Mousse ist, versteckt dieser den Nachtopf in seinen voluminösen Ärmeln.
 

Viel Spaß,
 

euer Deepdream.



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Kommentare zu diesem Kapitel (3)

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Von:  elina
2008-06-05T05:50:55+00:00 05.06.2008 07:50
Wahh, das war aber ein langes Kapitel! Bin aber trotzdem schneller durch, als gedacht ^^"

Ich fang schon an zu denken, dass diese komische evil Person Kasumi selbstpersönlich ist.. oder mindestens was vergleichbares.. so wie sie immer informiert ist.. ^^°

Die Sache zwischen Ryouga und Ukyo habe ich irgendwie erwartet, auch wenn nicht gerade auf diese Weise. Das die Köchin sich betrinkt und dann auch noch neue Horizonte erforscht... hihi.. War gut ^^

Das mit Kuno war auch lustig. Schade, dass er die neugebackene Göttin nicht gesehen hatte - das wär was! Andererseits, Glück für Ryoga..
Nabikis "Buy or die" fand ich einfach super..!

Was in der Schule passiert ist, hat mich nicht weniger überrascht als Akane und die anderen. Was es wohl für eine Gestalt da war? Der panda vielleicht? ^^"" Naja, das werde ich ja noch erfahren, oder?

Das Ende fand ich am besten. Es sind so viele Fragen nun offen ^^
Klasse Geschichte! Ganz ehrlich: respekt!

Dein Schreibstil gefällt mir immer besser, auch wenn einige Begriffe mir neu sind ^^" doch das lässt sich nicht vermeiden, und ich find es auch sehr gut so ^^

OK, dann bis zum nächsten Mal! ^^//
Von:  MichiruKaiou
2008-05-10T09:25:08+00:00 10.05.2008 11:25
Das Kapitel war wirklich aktionsreicher. Es ist geladen mit spannenden Wendungen und mysteriösen Ereignissen.

Der Start mit Kuno gefiel mir schon mal richtig gut. Und dann nach dem Titel führt du die Geschichte an anderer Stelle, finde ich schreibtechnisch wirklich klasse.

Die Sache zwischen Ryoga und Ukyo hat mich wirklich umgehauen, aber das hast du wirklich gut dargestellt, auch der Streit am nächsten Morgen war einfach toll!

Kunos Auftritt war auch stark. Also seine Sprache hast du einfach super getroffen, dass kann ich mir richtig gut vorstellen. Allgemein waren dort die witzigen Kampfbeschreibungen sehr gelungen.

Die Szene von Ranma und Akane fand ich auch sehr gut. Und das Ranma dann in der Schule zur Intelligenzbestie motiert ist wirklich erschreckend XD
Aber eine sehr interessante Situation.

Danach folgt meine Lieblingsszene. Shampoos Auftritt kam gut rüber und ich fand die Situation total gut, dass Ranma sie geschlagen hat. Wirklich mal was Neues. Es war klar, dass Mousse dann nicht weit sein kann. Den Kampf hast du einfach nur toll beschrieben, egal ob zwischen Ranma und Mousse oder Ranma und Shampoo, ich bin wirklich begeistert!
Besonders mag ich dabei auch Shampoos Entschlossenheit, dass sie sich das nicht von Ranma gefallen lassen will.
Der mysteriöse Beobachter bringt dann auch noch zusätzlich Spannung rein, was ich auch richtig gut finde.

Kasumis Anruf war dann ein gekonnter Abschluss. Die Action schwächt ab, aber du hältst die Spannung, genau so muss das sein.

Das Kapitel war einfach nur rundum spitze^^
Von:  Ghost6
2008-04-22T14:11:46+00:00 22.04.2008 16:11
hi...

klasse kapitel... nur was ist in Ranma gefallen... da sist sonns tnicht so seine art... nun ich denke das es was mit der kraft hat die die erde wiede runterjochen hat....
bin gespannt wie es weiter geht^^
Kasumi kommt emir auch merkwürdig rüber... und es ist offensichtlich das sie mehr weiß als sie zugiebt... ob sie auch so ne art göttin ist... zuzutrauen wärs hier....


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