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Kunan

Das Amulett von Thana
von

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Der Hohe Rat

Der Hohe Rat
 

Canis wandte sich an den rechten der beiden Männer und murmelte etwas, das Luca nicht verstehen konnte.

Der Angesprochene nickte, drehte sich um und ging ins Zelt.

Kurze Zeit später kam er wieder heraus, nickte erneut und bezog wieder seinen Posten. Canis winkte Luca und zusammen betraten sie das riesige Zelt.

Sie befanden sich auf einer Art Flur. Die Wände und der Boden waren aus rotem Stoff.

Canis führte ihn durch einen Durchgang.

Die Wände dieses Zimmer hatten neben dem Rot auch noch Goldverzierungen. Der Boden und die Decke waren dunkelblau. In allen vier Ecken stand jeweils eine Öllampe auf einem marmorfarbenen Sockel, der Luca bis zur Hüfte reichte. Sie brannten nicht. In der Mitte befand sich ein niedriger, langer Tisch, an dem vier Männer knieten.

Sie erinnerten Luca an seinen Traum, in dem auch vier fast gleich hohe Schatten vorgekommen waren.

Sie trugen Umhänge, jeder in einer anderen Farbe – rot, blau, braun und weiß.

Canis verbeugte sich halb und bedeutete Luca mit einem kurzen Blick, es ihm gleich zu tun.

„Setzt euch“, sagte der Mann im weißen Umhang. Die beiden gehorchten und setzten sich den Männern gegenüber an den Tisch.

Die Männer sahen zuerst Canis an, dann Luca. Dieser mochte es noch nie, wenn ihn jemand ansah, vor allem nicht mit diesem prüfenden Blick. Lucas Blick schweifte erneut zu den Öllampen, um ja den Blicken zu entgehen. Doch er spürte immer noch die Augenpaare, die auf ihm ruhten.

Nach einer Weile, die Luca unerträglich fand, fing der Mann im roten Umhang endlich zu Sprechen an: „Wir sind Cassius, Badok, Fedis und Actus.“ Während er sprach, deutete er zuerst auf den Mann im weißen Umhang, dann auf die braun und blau gekleideten und zuletzt auf sich selbst.

Dann fuhr er fort: „Canis hat dir sicherlich schon erzählt, dass wir zusammen den Hohen Rat bilden.“ Luca nickte.

Actus warf Cassius einen kurzen Blick zu, der daraufhin aufstand und einen schweren Vorhang löste, der neben dem Eingang befestigt war. Nun war es so dunkel, dass Luca nur Umrisse erkennen konnte, doch Cassius musste die Öllampen angezündet haben, denn es wurde nach einem Augenblick wieder so hell, dass Luca für den ersten Augenblick geblendet wurde.

Doch da die Öllampen die einzigen Lichtquellen waren, fragte Luca Cassius irritiert: „Wie wird das Licht so hell?“

Für diese Worte schenkte Canis ihm einen wütenden Blick und sagte: „Vergebt ihm, er weiß nicht, was er da tut!“

Aber Luca störte die Ratsmitglieder anscheinend nicht, denn sie schienen es interessant zu finden, dass er diese Frage gestellt hatte.

„Die Lampen beinhalten das Blut von Drachen“, erklärte Actus und sah vergnügt drein, als er Lucas erstarrtes Gesicht erblickte. „Es ist sehr schwierig zu bekommen und deshalb auch sehr teuer. Nur die Reichen können sich dieses Öl leisten.“

Cassius hatte sich inzwischen wieder hingesetzt und erneut sahen alle Luca an.

Keiner sagte ein Wort.

Nach einer Weile durchbrach Luca entnervt die Stille:

„Könnte man mir endlich mal erklären, warum ich hier bin?“ Canis sah ihn erneut empört an. Er wollte etwas zu Luca sagen, doch er erblickte Fedis’ Gesichtsausdruck und blieb still, denn Fedis lächelte und schüttelte leicht den Kopf.

„Du bist ganz wie dein Vater, Luca.“ Er sah freundlich in Lucas Augen. Luca versuchte, dieses Mal dem Blick Stand zu halten. Nachdem er ein paar Sekunden in die dunkelblauen Augen geschaut hatte, kam es ihm so vor, als ob hinter diesen Augen eine ganze Welt lag.

Luca sah weg. Ihm waren diese Augen irgendwie unheimlich. Er sah in die anderen Gesichter. Auch diese hatten einen ähnlichen Ausdruck. Nur Canis’ Blick blieb ernst. Nach einem Moment fielen ihm wieder die Worte ein, die Fedis gesagt hatte.

„Was meinen Sie damit?“, fragte Luca den Mann in dem blauen Umhang. Fedis seufzte.

„Da du genauso vorlaut bist wie er, möchte ich es dir erzählen.“ Luca sah ihn böse an. „Er hat vor fünfzig Jahren – in unserer Zeit - Kunan vor dem Untergang bewahrt. Damals befanden wir uns im Krieg mit Argolis, einem unserer Nachbarstaaten. Paratas, Herrscher von Argolis und Magier, möchte schon seit vielen Jahren die Herrschaft über Kunan haben. Wir hätten damals keine Chance gehabt, ihn mit seinen Magiern und Soldaten zu besiegen. Kunan hat zwar die besten Krieger, doch zu wenig begabte Magier gehabt.

Wir haben eine Schlacht nach der anderen verloren.

Deinen Vater, Luca, haben wir noch rechtzeitig gefunden. Er musste irgendeinen Gegenstand berührt haben, den irgendeine von diesem verdammt unordentlichen Feenvolk zurückgelassen haben musste. Denn nur so können Menschen aus deiner Welt unabsichtlich zu uns gelangen.

Aber dank ihm und einige andere … besondere Magier haben wir den Krieg beenden können. Er war damals ungefähr so alt wie du, Luca.“

Luca starrte ihn ungläubig an. „Wie konnte er denn helfen?“

Badok stand auf, schob den Vorhang beiseite und spähte hinaus auf den Flur. Dann kam er wieder zurück und sagte leise, als ob es nicht jeder hören sollte:

„Er war ein Schattenreiter.“

Jeder Gehorsam fiel von Canis ab. „Ein Schattenreiter?!“, rief er verwundert. „Es ist allgemein bekannt, dass Schattenreiter ganz normale Magier wären. Nur mit mehr Kraft.“

„Dies ist eine Lüge, die wir verbreitet haben, um das Volk nicht zu beunruhigen“, sagte Badok ernst.

Luca blickte nicht mehr durch. „Wer oder was ist ein Schattenreiter?“, fragte er.

„Ein Schattenreiter ist ein Mensch, der magische Fähigkeiten hat und …“

„Mein Vater hat keine magischen Fähigkeiten. Das hätte ich doch bemerkt!“

Doch Badok erklärte weiter:

„Man wäre ein einfacher Zauberer, wenn man nur Magie benutzen könnte. Ein Schattenreiter hat neben der Magie auch noch die Fähigkeit eines Schamanen. Er kann mit Toten kommunizieren und sie aus dem Totenreich zurückholen. Er ist sogar dazu in der Lage, dem Geist seine alte Kraft wiederzugeben, um ihn als Partner zu haben, der ihn schützt und zusammen mit seinem Herrn kämpft. Doch für die Schamanenkraft braucht man ein Amulett. Und zwar ein ganz bestimmtes.“

„Dein Vater brauchte das Amulett von Thana“, sagte Actus. „Es befindet sich momentan in der Festung von Rhim Baldharr. Sie liegt in der Nähe der Grenze; versteckt von Nhabia, einem Gebirge. Paratas hat es uns gestohlen, nachdem dein Vater es damals in unserer Obhut zurückgelassen hatte. Wir haben natürlich versucht, es zurückzubekommen, aber es ist uns nicht gelungen.“

„Nicht umsonst zählt die Festung von Rhim Baldharr als uneinnehmbar“, sagte Cassius leise.

„Wir vermuten, dass du das gleiche Amulett brauchst, wie dein Vater, da ihr beide gleichen Blutes seid.“

Lucas Fragenballon platzte. „Aber woher habt ihr gewusst, dass ich sein Sohn bin? Wie bin ich eigentlich hierher gekommen und woher wisst ihr so genau, dass ich auch einer von diesen Schattenreitern bin?“

Cassius antwortete verschmitzt: „Wir sind dafür verantwortlich, dass du hergekommen bist.“

„Was?!“, schrie Luca. „Ihr hättet uns beide beinahe umgebracht!“

„Du solltest eigentlich erst dann hierher kommen, wenn dein Vater den Zauberspruch gesagt hätte, aber irgendwas muss da schief gegangen sein.“

Luca erinnerte sich daran, dass sein Vater noch irgendetwas gemurmelt hatte, bevor die Münze aufgeglüht hatte.

„Paratas muss auf eine mir unbekannte Weise erfahren haben, dass es dich gibt. Er hat wahrscheinlich jemanden geschickt, um dich zu töten, bevor du nach Kunan gelangen kannst.

Es tut uns sehr Leid, was passiert ist, wir hätten besser aufpassen sollen.“

„Wir sind beinahe gestorben!“, rief Luca. Er war so außer sich, dass Canis seine Hand auf seine Schulter legen musste, um ihn am Aufstehen zu hindern.

„Luca“, sagte Canis leise. „Vergiss nicht, wo du dich hier befindest.“

„Das geht schon in Ordnung, Canis“, sprach Fedis ruhig, um ihn Einhalt zu gebieten.

„Deinen Eltern und auch deiner Schwester geht es bestens. Unsere Feen haben ihnen einen Schlafzauber gegeben, sodass sie nicht aufwachen, bevor du nicht zurück bist. Außerdem vergeht die Zeit hier viel schneller als in deiner Welt.“ - „Wieso eigentlich?“ Luca hatte sich wieder etwas beruhigt und Canis ließ ich los. „Wieso ich?“

Actus seufzte. „Wie wir schon erwähnt hatten, bist du der Sohn von einem der letzten Schattenreiter. Wir mussten dich herholen, weil unsere Spione erfahren haben, dass Paratas erneut seine Streitkräfte sammelt, um uns anzugreifen. Und dieses Mal gibt es viele Gruppen aus Kunan, die sich ihm anschließen werden. Darunter auch Atoc, einer der stärksten Magier Kunans. Dies haben wir deinem Vater mitteilen lassen. Dein Vater musste nur noch eine Münze mit der Währung von Kunan an einen Platz legen, wo er wusste, dass du dort noch einmal vorbeigehen würdest, bevor ihr losfahrt. Diese Münze war die einzige Möglichkeit, dich hierher zu bringen, zusammen mit dem Zauberspruch.“

„Aber meine Schwester hätte sie doch auch finden können.

Außerdem hätte er sie mir auch persönlich geben können“, fügte er noch murmelnd hinzu.

Er konnte es einfach nicht fassen, dass sein Vater ihm nichts über Kunan erzählt hatte.

„Nur ein Schattenreiter konnte die Münze überhaupt sehen. Und warum er sie dir nicht persönlich gegeben hat, weiß ich nicht. Vielleicht wollte er sich nicht stundenlang deine Fragen anhören.“ Actus lächelte.

Der Hohe Rat erhob sich. Luca und Canis taten es ihnen nach.

Es ist ganz schön anstrengend so lange auf den Beinen zu sitzen, dachte Luca. Seine Beine kribbelten, als ob hunderte von Ameisen auf ihnen herumlaufen würden.

Fedis wandte sich an Luca.

„Das wäre es erst einmal. Du kannst dich hier in Kailu gerne umsehen, falls du das möchtest. Wir haben noch einiges mit Canis zu besprechen.“

Luca ging zum Vorhang, hob ihn hoch und wollte gerade hinausgehen, als Fedis noch etwas hinzufügte:

„Du musst uns versprechen, dass du in Kailu bleibst, Luca.“

Luca nickte und trat aus dem Zelt.



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