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Die Unsterblichen

von

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Seelenverwandschaft

Alles was er spürte kam ihm unwirklich vor. Sein Rücken tat weh und ein stechender Schmerz breitete sich in seinem Gehirn aus. Er war unfähig sich zu bewegen, oder er wusste einfach nicht mehr wie... Dann hörte er Stimmen, laute Stimmen... Eine kam ihm bekannt vor. „Was denkst du dir hier aufzukreuzen nach allem... Wie kannst du es wagen?! „, „Ich wollte nicht das er verletzt wird, ich hatte die Vision erst Sekunden vorher, sonst hätte ich ihn gleich...“ „Schweig!“.

Ja er erinnerte sich, die Kälte, das Dach, dann Feuer... Er schlug die Augen auf und fand sich in einem großen gemütlichen, jedoch modern eingerichtetem Zimmer wieder, sein Zimmer. Die Stimmen verstummten und eine kleingewachsene, jedoch umwerfend attraktive, hochmütig wirkende Frau kam herein geschritten. Sie setzte sich auf die Bettkante und legte ihm die eisigen Finger auf die Stirn. „Du hättest ihn nicht rufen sollen Athan...“ Athan, eigentlich Athanassios überhörte diese Bemerkung, lächelte die strenge Frau an und sagte: „Ganz gleich was geschehen ist, nur er kann uns noch helfen. Er hat die besten Verbindungen zum Orden.“ Die Frau runzelte die Stirn: „Du musst vorsichtig sein. Er ist gefährlich, dass hat er gezeigt, du erinnerst dich hoffentlich...“ Er setzte ein übertrieben freundliches Gesicht auf. „Würdest du ihn hereinbitten?“.

Ohne ein weiteres Wort verließ die Frau den Raum und gab dem schwarzhaarigen Mann, der vor der Tür stand einen forschen Wink mit der Hand. Langsam ging er in das Zimmer und schloss die Tür hinter sich.

„Sie hat Recht, ich bringe nur Ärger...“ „Dummes Gerede, nur du kannst uns noch helfen...“ Der andere setzte sich aufs Bett, genau dorthin wo die Frau zuvor gesessen hatte und machte eine besorgte Miene. Athan richtete sich auf, der andere wollte ihn davon abhalten, aber Athan wies ihn ab. „Ich bin unsterblich, schon vergessen? So ein paar Schmerzen machen mir nichts aus. Du hättest mich überhaupt nicht retten müssen, ich wäre sowieso wiedergekommen...“ „Ich weiß...“ erwiderte der andere, „...aber ich weiß auch wie schmerzhaft das für dich ist Athan, nicht nur körperlich...“

Dann herrschte eine Weile Stille... Sie starrten in verschiedene Richtungen und versuchten sich nicht ansehen zu müssen, sie wussten beide, was bei ihrem letzten Treffen passiert war,... Doch plötzlich schien der andere es sich anders zu überlegen und rückte ganz nah an Athan heran. „Ich habe dich so vermisst“ Er strich ihm das vom geschmolzenem Schnee nasse Haar aus dem Gesicht und atmete den Duft von Flieder tief ein. „Ich weiß, ich dich auch.... Linus.“ Athan schlang seinen verletzten Arm um Linus Hals und ihre Lippen berührten sich, als Linus seine starke Hand in Athans langem, braunem Haar vergrub. Als sie sich voneinander lösten wandte Linus, schwer atmend sein Gesicht von Athans ab. Er hatte es schon wieder getan... „Ich bin so ein Idiot...“ Doch Athan legte die Hand auf seine Schulter und flüsterte ihm ins Ohr: „Ich auch...“ Linus atmete tief ein und wieder aus. Er durfte es nicht noch einmal passieren lassen. Er blendete den Duft aus und konzentrierte sich auf innere Leere, genau wie sein Vater es ihm beigebracht hatte.

„Du sagtest ihr werdet gejagt, ist es ein Nocturni oder ein Zivilist?“ Athan schüttelte resigniert den Kopf. Schon wieder lenkte er ab, wie er es immer tat... „Ich sagte dir doch ich weiß es nicht. Ich habe Tag und Nacht versucht ihn auszuspionieren, aber nie habe ich ihn länger als eine Stunde beobachten können. Er ist wie ein Schatten, wenn man ihn erhaschen will fängt man nichts als Luft. Er wechselt die Waffen wie seine Socken, einmal hat er mich irgendwie entdeckt und ist mit einer Armbrust auf mich losgegangen!“ Athan kicherte, als ob ein Pfeil ihn töten könnte, aber Vorsicht ist manchmal besser,...“ Seitdem bin ich vorsichtiger geworden und habe mich und die Familie nur noch verteidigt. Wir mussten unsere Jobs aufgeben und die Kleine kann nicht mehr in die Schule. Ich meine sie ist nicht wirklich in Gefahr, wenn dieser Kerl keine Waffen mit schwarzer Magie einsetzt aber ich will nicht, dass sie schon mit 19 ihre erste Auferstehung hat, das wäre viel zu früh! Außerdem, wenn er von den Nocturni als Spion geschickt wurde, sollten wir kein Risiko eingehen,... Aber bis jetzt hat er noch keine Magie eingesetzt...“ „Athan, er hat uns auf dem Dach erwischt, mit Drachenfeuer, ist das etwa nicht magisch?“ Athan schaute verwirrt drein „Drachenfeuer?“ Und dann erinnerte er sich an die Hitze, bevor die kühlen Blitze aus reinem Licht sie eingehüllt hatten... Sein Gesicht war weiß. Er hätte vorsichtiger sein sollen... „Es war nur eine Frage der Zeit.“ Sagte er halb zu Linus, halb zu sich selbst. Linus strich erneut mit seiner Hand über Athans Gesicht und sagte: „Wir schaffen das zusammen.“ Athan fühlte sich unwohl, schwach und hilflos in seinen Armen. Aber irgendwie ließ ihn sein Herz nicht los. Es gehörte Linus und sie waren für immer aneinander gebunden, das wusste er wieder als Linus ihn erneut küsste, diesmal vorsichtiger.

Doch just in diesem Moment platzte die Tür auf und eine junge Frau, fast noch ein Kind kam mit strahlendem Gesicht in das Zimmer gestürmt. Schnell ließen die beiden voneinander ab, aber die Frau schien nichts bemerkt zu haben, rannte freudig auf den anderen zu und rief euphorisch: „Linus!“ Darauf folgte eine stürmische Umarmung. Sie schien die wachsame Ader ihrer Mutter nicht geerbt zu haben... „Oh ich bin so froh dich wieder zu sehen.“ „Ich freu mich auch.“ Sagte Linus, der inzwischen seine Scham vergessen hatte und über das ganze Gesicht strahlte. „Sibill du siehst hervorragend aus, wie geht es dir?“ fragte Linus. Sie hatte ihn schon immer gemocht und irgendwie schien sie ihn zu verstehen. Sie war die einzige in der Familie, die ihm nach dem Geschehnis keine Vorwürfe gemacht hatte. „Gut, seitdem ich nicht mehr in diesem muffigen Donutladen arbeiten muss, aber das Collage fehlt mir trotzdem ein wenig. Da waren so viele interessante Nicht-Menschen, stell dir vor, ich habe sogar einen Werwolf getroffen!“ Linus rümpfte die Nase. Sie umgab sich also immer noch mit gefährlichen Andersmagischen. „Ein Werwolf? Ist das nicht gefährlich für ihn unter Zivilisten?“ Sibill schüttelte den Kopf und schaute Linus vorwurfsvoll an. „Du meinst wohl eher: »Ist das nicht gefährlich für die Zivilisten?«. Nein ist es nicht, er hat aller 3 Wochen, wenn wieder Vollmond ist eine Befreiung, weil sein Vater ihn für ein „Projekt in seinem Familienunternehmen“ braucht. Er hat außerdem nur ein Teilzeitstudium belegt.“ Linus seufzte, „Wem hast du denn sonst noch erzählt dass du eine Phönix bist?“ Augenblicklich lief Sibill rot an und auf ihrer Nase setzten sich die Sommersprossen deutlich von ihrem Hautton ab. „Ich..., nur meiner Clique...“ Sie schaute beschämt zu Boden. „Und wie viele Leute sind das?“ Sibill zählte die Namen zur Verdeutlichung an ihrer Hand ab. „Ach nur Wolf, Water und Seven... Sie sind alle unter Schutz, sie würden niemanden von uns verraten!“ Linus schien nicht gerade überzeugt. Augenblicklich war die tolle Stimmung verflogen und eine unangenehme Stille legte sich über die drei. Dann fing Athan an zu sprechen: „Ist schon gut Sibill, du hast ihnen ja nicht verraten, wo wir uns verstecken, nehme ich an?“ Sibill atmete erleichtert aus. „Nein, habe ich nicht. Wir reden nicht über unser zu Hause...“ Linus hatte sich wieder gefangen und schaute Sibill mit einem entschuldigten Blick an, doch hinter seiner Stirn machte sich Wut breit... Jetzt kannten sie die Quelle, wenn eine Familie von Sibills Freunden erwischt worden war, dann wussten sie alles über die anderen Mitglieder der Clique... „Lasst uns essen gehen“, sagte Athan, dessen blaue Flecken an Arm und Rücken langsam zu verschwinden schienen. Er setzte sich auf und nickte Linus freundlich zu. Dieser brachte Athans Sachen, die die alte Frau über die Lehne eines schwarzen Holzstuhls gelegt hatte. Nicht ohne Linus vorher einen missbilligenden Blick zuzuwerfen... Sibill trampelte inzwischen die Treppe hinunter. Dann fragte Athan: „Woher wusstest du eigentlich wo unser Standort war? Ich hatte es dir nicht gesagt.“ Linus grinste schadenfroh: „Ich hab die alte Schachtel gerufen und ihr ein Geist-Bild von dir geschickt, nachdem ich dich in den Central Park gebeamt hatte, sie hat mir ein Tor materialisiert und am Ende mit einem Morgenstern auf mich gewartet. Den hat sie aber schnell fallen gelassen, als sie dich gesehen hat.“ Athan nickte bloß, auf seinem Gesicht war ein schelmisches Lächeln zu sehen, jedoch auch ein ernster Ausdruck in seinen Augen... Sie gingen zusammen die lange Wendeltreppe des großen Anwesens hinunter. Goldene Lichter, die von alten, eleganten Gaslampen ausgingen, erhellten die große Eingangshalle, in der die Treppe endete. Ihre Schritte hallten wider, wie in einem großen Bahnhof und als sie das Ende der Halle erreicht hatten, öffnete sich eine von drei Türen, auf der jeweils das Zeichen der Familie prangte: ein Phönix, der mit dem Schnabel den Mund einer Frau berührte. Es zeigte die Entstehungsgeschichte der Phönixfamilie. Linus erinnerte sich an das erste Treffen mit Athan und wie er diese Geschichte erzählt hatte: s„Unsere Familie ist uralt.“, begann er „Es heißt vor langer Zeit soll sich ein Phönix in eine Menschenfrau verliebt haben, aber sie konnte seine Liebe nicht fühlen, heiratete einen anderen Menschen. Der Phönix begriff, dass sie niemals zusammenfinden würden und gab ihr ein Geschenk als Zeichen seiner ewigen Liebe: Die Unsterblichkeit durch Auferstehung. Diese Frau ist meine Urahnin, seitdem hat sich unsere Familie extrem vergrößert, bis zum Nocturni Krieg...“ „Du zerfällst also zu Asche wenn du stirbst?“ hatte Linus erstaunt gefragt. „Ja. So könnte man das ausdrücken...“ „Und dann bist du wieder ein Baby?“ Linus schaute entsetzt. „Hahaha... Nein, ich bin wieder genauso wie vorher, außer ich will jünger aussehen, dann kann ich den Vorgang vorher stoppen, aber dann bleibe ich so bis ich wieder auferstehe und das ist ganz schön lästig...“
 

„Kommst du?“ rief Athan, der schon hinter der Türschwelle stand und ungeduldig seufzte. „Ja natürlich...“ Sie betraten einen Raum, der noch prunkvoller war als die Eingangshalle. In der Mitte stand ein großer, hölzerner Tisch, der über und über mit Speisen bedeckt war. Es waren sieben Gedecke aufgelegt. Am Tischende saß die „alte Schachtel“ die Frau, die als erste in Athans Zimmer gekommen war. Sie sagte „Schlimm genug, dass du ihn mitbringst, jetzt muss ich ihn auch noch bewirten.“ „Du weißt genau, dass er mich mitgebracht hat, er hat mich gerettet, du solltest vielleicht etwas dankbarer sein.“ Die Frau verzog das Gesicht und schaute Linus böse an. „Ist schon gut“, sagte er. „Ich sollte wohl besser gehen...“ Dieser Ausdruck in ihren Augen, der ihn in seinen Träumen verfolgte war wieder da... Linus trat hinaus in die Halle und bewegte sich auf den Ausgang zu. Athan warf einen Blick auf die Frau, der hätte töten können und knallte die Tür des Esszimmers zu als er ebenfalls in die Halle hinausstürmte. Er erreichte Linus, der schon fast den Ausgang erreicht hatte und berührte ihn an der Schulter: „Bleib, bitte! Sie hat es nicht so gemeint, es ist ihre Art so mit Andersmagischen umzugehen, das weißt du doch...“ „Sie hat es genau so gemeint wie sie es gesagt hat!“ schrie Linus, aus dessen Augen wildes Feuer sprühte. Dann drehte er sich von Athan weg. „Ich bringe dir nur Unglück, ich will nicht, dass es so ist wie letztes Mal, ich war schuld das du fast...“ seine Stimme brach und er legte die Hand auf den Türknauf, doch Athan hielt ihn fest an der Schulter gepackt. „Das ist nicht wahr, ich war genauso schuld daran. Außerdem können wir es nicht mehr ungeschehen machen. Und ich lebe doch noch oder?“ Linus drehte sich wieder um, ließ aber die Hand auf dem Knauf. „Darum geht es nicht, ich bin eine Gefahr für dich...“ dann drehte seine Hand den Knauf und der Verteilungszauber setzte ein, als Linus Athans Hand weg schlug und hinaustrat.
 

Athan verschloss sein Gesicht, ging wieder ins Esszimmer, wo schon seine gesamte Familie versammelt saß: Sibill seine Nichte, die junge attraktive Frau mit dem hochmütigen Gesichtsausdruck: Dorothee seine Schwester und neben ihr, ihr Mann Falk, dann auf der anderen Seite seine zwei Brüder Ben (Benignus) und Cyrus, am Tischende, seine Mutter Zaida. „Ich habe keinen Hunger.“, sagte Athan und es war eine glatte Lüge, aber er konnte es nicht ertragen mit ihr an einem Tisch zu sitzen, nicht heute. Er schloss die Tür, diesmal sanft und schritt die Treppe hinauf. Er hatte so gehofft, dass sie ihn wenigstens akzeptieren würde, wenn er ihn gerettet hatte. Vielleicht hatte sie es gewusst, dass er, Athan das Drachenfeuer selbst erschaffen hatte... Sein Plan war gescheitert, jetzt musste er wieder allein nach dem unbekannten suchen. Es wäre ja zu schön gewesen mit ihm die Familie zu retten...

Als er in seinem Zimmer ankam, war immer noch die Kuhle in seiner Weichen Matratze wo Linus gesessen hatte. Er legte sich auf sein Bett und suchte das hölzerne Kopfende ab. Dann fand er was er gesucht hatte und öffnete das Geheimfach. Darin lag ein goldener Schlüssel. Er nahm ihn heraus und drehte ihn in der Hand, dann ging er zu seiner Zimmertür und schloss sie mit dem magischen Schlüssel ab. Heute konnte niemand in sein Zimmer gelangen, selbst nicht, wenn man den richtigen Schlüssel hatte. Er legte den Schlüssel wieder in das Fach und verschloss es mit einer komplizierten Handbewegung. Das Holz schien nachzuwachsen... Dann zog er ein Bündel unter dem Bett hervor, ein Gegenstand, der in ein dreckiges Tuch gewickelt war. Athans Hände zitterten, als er ihn auspackte. Es war ein in weißes Leder gebundenes Buch. Als er es aufklappte ertönte eine leise Melodie, von einem Klavier gespielt. Auf den pergamentenen Blättern waren Fotos aufgeklebt. Sie zeigten einen jungen Mann mit kurzem, schwarzem Haar und durchdringenden blauen Augen, der einen anderen mit braunem Haar und gerötetem Gesicht mit seinem Arm umklammerte. Er und Linus, als sie noch gemeinsam zur Schule gingen. Das nächste Bild zeigte wiederum die beiden, jedoch mitten in einer Schneeschlacht. Das war der Tag, an dem sich die beiden fürchterlich erkältet hatten und Linus jedoch als einziger der beiden im Bett bleiben musste, da Athan schon nach einem Tag wieder gesund war. Tränen tropften auf die makellosen Seiten und zum ersten Mal sah er sich auch die zweite Seite des Buches an, das er vor zwei Jahren von Linus zum Geburtstag bekommen hatte, kurz bevor...
 

Die beiden lagen im Bett, halbnackt und Arm in Arm, Linus hatte den Kopf auf seine Schulter gelegt und atmete schwer. Athan streichelte sein Haar. Sie waren in Linus Haus. Er lebte allein, seitdem seine Eltern gefallen waren. Athans Herz schlug schneller, als Linus den Kopf hob und in seine warmen, braunen Augen sah. Er wusste, welche Schmerzen Linus hatte, welche Energie es ihn kostete so nah bei ihm zu sein, aber sie waren es schon so oft gewesen, hatten schon so oft so dagelegen. Keiner von den beiden ahnte dass es diesmal anders ausgehen könnte. Sie waren sich so sicher, zu sicher. Athan machte eine erschrockene Bewegung, als Linus sich über ihn schob um ihn zu küssen. Das war das Ende. Linus Augen veränderten sich, sie waren nicht mehr so still wie ein klarer See, das tiefe Blau wurde zu violett und Athan spürte einen kurzen süßen Schmerz als Linus seine Fangzähne in seinen Hals bohrte...
 

Linus schrak auf, er atmete schwer und hatte immer noch die Erinnerung an den Geschmack von Athans Blut auf der Zunge. Es war ein so realer Alptraum gewesen... Er hatte sich genauso gefühlt wie damals, geborgen und sicher und dann hatte sich alles so schnell verändert? Wie hatte er das zulassen können? Er ging von seinem Bett hinüber zu einem heruntergekommenen, schmutzigen Waschbecken. Die Fliesen platzen schon an einigen Stellen von den Fugen ab und ließen kleine und große Risse entstehen, in denen sich Spinnen einnisten konnten. Er sah sein Gesicht in dem angelaufenem Spiegel: so schön, so rein, so gefährlich. Er öffnete den Mund und starrte seine Zähne an, die sich allmählich wieder auf die für Menschen übliche Länge verkürzten. Dann drehte er den Wasserhahn auf und ließ sich das kalte Wasser erst über die Hände, dann über den Nacken laufen. „Allein wird er es nicht schaffen...“ sagte er leise zu sich selbst. „Aber ich kann, ich darf nicht in seiner Nähe sein. Es ist zu gefährlich.“ Er versuchte sich selbst zu überzeugen, er versuchte es, aber es schien ihm nicht zu gelingen. Eine sanfte Stimme in seinem Kopf sagte „Ich habe dich auch vermisst“ und er sah in braune Augen...
 

Athan war inzwischen bis zur Mitte des Buches vorgedrungen. Dann blätterte er wieder um. Die Erinnerungen waren zu schön um wahr zu sein. Seine anfängliche Trauer war verflogen. Er freute sich über die Bilder, die sie beide in unbeschwerten Zeiten zeigten. In der Mitte der Seite war ein Bild, das anders als die anderen mehrere Personen als sie zwei zeigte. Er war auf diesem Bild bei ihnen im Haus, bei Linus Familie. Sie standen in einer lockeren Gruppe zusammen. Linus, Er und Linus Eltern. Alle lächelten. Sie waren so froh, dass er einen Freund gefunden hatte, ihnen war es egal, ob er Vampir war oder nicht. Sie wussten, dass Linus nie jemanden etwas zu Leide tun würde. Sie hatten ihn so erzogen, dass er andersmagische und Zivilisten nicht als Beute ansah. Sie waren eine von der Vampirgesellschaft verhasste Sippschaft, die sich nur von Tierblut ernährte. Niemals hätten sie einen Menschen oder Magischen angerührt. Doch bei ihnen beiden war es anders. Linus hatte es ihm erklärt, als sie sich das erste Mahl mehr als freundschaftlich näher gekommen waren, bevor er ihn wegschickte...
 

Mein Vater hat es mir einmal erklärt, aber ich habe ihm nicht geglaubt...“ Linus atmete schwer, er leckte sich die Lippen und grub die Fingernägel in seinen Arm. „Was meinst du, ich verstehe dich nicht!“ sagte Athan, völlig verwirrt über das, was sie gerade getan hatten. Er verstand es nicht, sie hatten sich geküsst... „Du bist mein Bestimmter, mein Seelenverwandter, nenn es wie du willst,...“ Athans Herz schlug schneller und Linus vergrub die Nägel tiefer in seinem Arm. „Geh, bit-te“ wimmerte Linus, Athan war wie versteinert. „GEH!“ schrie Linus. Seine Stimme hatte sich verändert, sie war verzerrt und seine Augen waren violett... Athan rannte aus dem Zimmer.
 

Seine Finger zitterten als er zu dem ersten Bild gelangt war, auf dem die Beiden sich küssten... Linus Eltern waren nicht gerade begeistert gewesen, aber sie hatten nichts gegen ihre Beziehung einzuwenden gehabt. Nur bei Linus Eltern hatten sie sie selbst sein können. Dort mussten sie sich nicht verstecken, die zwei Seelenverwandten.

Auf der nächsten Seite war eine Seite aus einem Buch aufgeklebt:
 

Seelenverwandtschaft
 

Die Seelenverwandtschaft ist eine besondere Macht der Magie. Sie entsteht durch die Tatsache, dass alle unsere Seelen am Anfang eines ihrer vielen Leben, in dem Fluss der elementaren Energien schwimmen. In diesem Fluss sind alle Seelen eins, aber auch wieder nicht. Jede Seele ist durch noch nicht manifestierte Energie von den anderen getrennt. Aus dieser noch nicht manifestierten Energie entstehen „neue“ Seelen und in sie verwandeln sich Seelen, deren Lebenszeit im universalen Sinne abgelaufen ist. (Auch nachzulesen auf Seite 2 Der Sellenfluss und das Universum) Entstehen aus dieser unverfälschten Materie neue Seelen, dann kann es sein, dass sich Zwillingsseelen entwickeln. Aus der unverfälschten Materie entsteht eine Seele, die sich dann nochmals teilt und so zwei eigenständige Seelen bildet. Diese Seelen sind zwar in ihrem Ursprung gleich, können aber auf völlig verschiedenen Erdteilen, in völlig verschiedenen Geschöpfformen auftreten.
 

Treffen sich nun diese Seelen, dann fühlen die Träger dieser Seelen eine unaussprechliche Verbundenheit. Es herrscht eine Liebe, die tiefer geht, als alle irdischen Lieben. Diese Personen sind, nachdem sie sich erst einmal getroffen haben unfähig ohne einander normal zu leben. Meist verursacht das bei den zwei Seelenträgern unheimliche Schmerzen, denn sie sind unfähig sich vollkommen zu trennen, aber auch unfähig sich vollkommen zu vereinen.

Weitere Probleme treten auch auf, da die Seelen nicht weiblich oder männlich sind. Somit ist nicht vorauszusehen, welche zwei Seelen sich, im normalen Sinne zueinander hingezogen fühlen, deshalb gibt es auch Verbindungen irdischer Liebe zwischen zwei Männern oder zwei Frauen. Das jedoch verursacht das Problem, dass die Seelenverwandten auch zwei Männer oder zwei Frauen sein können, deren Verbindungen in den meisten Gesellschaften verpönt sind. Seelenverwandtschaft ist also im Allgemeinen schmerzhaft.
 

Historisch bekannt sind mehrere Seelenverwandtschaften: Die Verbindung von Paris und Helena, die zum Sturz von Troja führte, außerdem die unglückliche Liebe zwischen einem Phönix und der schönen Aurelia, die mit der Bildung der Phönixfamilie endete und mehrere Verbindungen zwischen Zauberern. Im großen Buch der Vampire, dass von der mächtigsten und ältesten aller Vampir-Familien den Glorias geführt wird, ist die Rede von Seelenverwandtschaft zwischen Vampiren und Andersmagischen oder Menschen. Diese Verbindung zeigt sich durch einen unwiderstehlichen Duft, den der Seelenverwandter des Vampirs ausstößt. Der Vampir verfällt in eine Art Trance und kann diesem Duft nicht widerstehen. Durch diese Tatsache finden Vampire öfter als alle anderen Geschöpfe ihre Seelenverwandten, jedoch ist von nur wenigen Verbindungen solcher Art bekannt, dass sie ohne den Tod des Nicht-Vampirs bestehen konnten.
 

Athan stockte der Atem. „So ist das also...“ Er strich liebevoll über die Seite mit dem Buchausschnitt und blätterte um, auf die letzte Seite. Und dort stand, in feiner Handschrift geschrieben der Satz: „Was man wirklich liebt, zerstört man nicht.“ Darunter das Initial:
 

Linus Glorias
 

Linus hockte an seinem Bett, er fühlte Athan, er fühlte seinen Schmerz, fühlte wie er anfing zu weinen, fühlte seine Tränen... Sein Herz fing an sich zu verkrampfen, er war Athan und seine Finger strichen über den Einband eines in weißem Leder gebundenen Buches. Seine Hände zitterten und die Tränen ließen die feine Handschrift auf der letzten Seite verschwimmen.

Weißes Licht umhüllte Linus Körper und Athan hörte ein Zischen, ehe starke Arme sich um seinen Körper schlangen und eine Hand seine Tränen weg wischte. Athan schluchzte und Linus atmete seinen Duft ein, so süß wie Flieder... „Schon gut.“ Er streichelte Athans Gesicht und Athan lehnte sich an ihn. Er ließ sich fallen und der ganze Schmerz, den er verdrängt hatte die ganze Zeit stürzte aus ihm heraus. Er konnte nicht sprechen, die Tränen versiegelten seine Stimme. Er atmete stoßartig und alle seine Glieder waren verkrampft. Linus dachte alles was Athan dachte, es war, als wären sie verschmolzen. Zum ersten Mal wusste Athan was Linus wirklich, wahrhaftig spürte. Er spürte dasselbe... Er roch diesen Duft, so süß wie Flieder... und der Duft legte sich auf seine Zunge. Linus Arme wurden steif und Athan konnte wieder sprechen. „Lass es zu Linus. Ich kann durch dich nicht sterben, weil du mich liebst.“ Eine einsame Träne rann Linus Gesicht entlang als Athan ihn küsste. Er wehrte sich nicht gegen die Gier, er wehrte sich nicht gegen die Bilder, die in seinem Kopf erschienen von dem Tag als er Athan zum ersten Mal gebissen hatte. Er fühlte wie Athans Hände seinen Körper entlang strichen und er zitterte. Doch nichts passierte, das Tier in ihm erwachte nicht. Seine Augen blieben blau und Athan schlief in seinen Armen ein, nackt und hilflos. Und keinen einzigen Kratzer am ganzen Körper tragend.



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