Zum Inhalt der Seite

Wolf - Lover

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Sühne

Kapitel 5: Sühne
 

~ * ~
 

Ferlan kniete sich neben seine Mutter auf den Boden. Er schob einen Arm unter ihrem hindurch und brachte sie in eine aufrechte Position. Sachte hob er eine von Selias eiskalten Händen an sein Gesicht und versuchte, sie zu wärmen.

" Mutter", flüsterte er und drückte Selia vorsichtig an sich. Stumm sah Ferlan Tyrna nach, der mit der regungslosen Bedana an ihnen vorbei ging.

" Wo ist das Baby?" fragte er eine Frau, die um ihn und Selia herum stand.

Ein mitleidiges Kopfschütteln war die einzige Antwort, die er bekam.

Selia, die mitbekommen hatte, dass sich das Gespräch um ihren Enkelsohn drehte, grub ihre Hände tief in Ferlans Unterarm. " Was - was ist mit Len?"

" Ich weiß es noch nicht genau", antwortete der ausweichend. Suchend blickte er sich um. Gerade kam ein Bewohner langsam auf den Dorfeingang zu. In den Armen trug er ein winziges Bündel Stoff. Len?

Ferlan schwieg und wartete, bis alle Leute an ihnen vorbei gegangen waren. Eine der Frauen hatte die weinende Melva an sich genommen und ging mit ihr weg.

" Komm", sagte Ferlan zu seiner Mutter und half ihr vorsichtig auf die Beine.

" Ich will nach Hause", antwortete Selia kaum hörbar.

" Sollen wir nicht zuerst zu Alinor, damit sie sich dich ansehen kann?"

" Nein!" Selia riss sich aus Ferlans Armen und schritt los. " Mir geht es gut! Ich muss zu Bedana!"
 

~ * ~
 

Die Menschen, die vor Bedana und Tyrnas kleinem Haus standen, traten hastig beiseite, als sich Selia energisch ihren Weg zwischen ihnen hindurch ins Hausinnere bahnte.

Tyrna hatte Bedana auf dem Bett niedergelassen und hockte neben ihr.

Selia nahm ebenfalls auf dem Bett an der Seite ihrer Tochter Platz und unterhielt sich flüsternd mit Tyrna.

" Wie geht es ihr?" fragte Ferlan.

" Sie lebt", kam es als Antwort.

Ferlan trat näher und blickte auf seine bewusstlose Schwester hinab. Ihr Oberkörper hob und senkte sich nur minimal und in Brusthöhe prangte ein großer Blutfleck auf ihrem Kleid.

" Ich geh und rufe Alinor!" rief Ferlan bei dem Anblick erschrocken.

" Schon gut!" Tyrna griff nach Ferlans Handgelenk und hinderte ihn am weggehen. Der traurige Blick, den er dem jungen Mann zuwarf verriet mehr, als man es von dem sonst eher ernst wirkenden Tyrna gewohnt war, und obwohl er noch keine dreißig Winter zählte, wirkte er in diesem Moment um viele Jahre gealtert. " Das ist nicht ihr Blut", fügte er flüsternd hinzu.

" Von wem dann?" Irritiert sah Ferlan von seinem Schwager zu seiner Mutter, die ihr Gesicht in ihren Händen verbarg und leise vor sich hin weinte.

Wortlos nickte Tyrna zur Wiege, in der normalerweise Len schlief. Mehr musste er nicht mehr sagen.

Fluchtartig stürmte Ferlan aus dem kleinen Haus und verließ das Dorf.
 

* * * * *
 

Seine schmerzenden Lungen zwangen Ferlan schließlich, anzuhalten.

Erschöpft ließ er sich auf einem umgestürzten Baum nieder und atmete tief durch. Die Sonne war mittlerweile schon längst hinter dem Horizont verschwunden und die ersten Sterne zeigten sich am immer dunkler werdenden Himmel.

Wie lange er ziellos durch den Wald gelaufen war, wusste Ferlan nicht mehr. Nachdem ihm Tyrna zu verstehen gegeben hatte, dass Len nicht mehr lebte, war er einfach drauflos gegangen und hatte nicht eher angehalten, bis er sich schließlich am Rande des Waldes wiederfand.

Zurück wollte er vorerst nicht mehr. Die Enge im Dorf und die vielen Toten und Verletzten, machten ihn wahnsinnig.

Ferlan schlang die Arme um seine angezogenen Knie und starrte zwischen den Bäumen hindurch ins Leere.

Der Arm, der sich nach einer Weile um seine Schulter legte, ließ Ferlan das erste mal seit Stunden wieder aufblicken. Neben ihm standen Iona, Aredh und Cal, zu der der Arm gehörte. Ihre hellen Augen wirkten in dem rußgeschwärzten Gesicht wie zwei im Mondlicht glitzernde Seen und ihr Mund lächelte aufmunternd.

" Euch geht es gut?!" Ferlans Gesicht erhellte sich.

" Ja", nickte Aredh. " Ich schätze, wir hatten Glück. Ionas Familie ist wohlauf und die Schmiede steht auch noch."
 

" Was ist mit Enree?"

" Dem geht es auch gut." Aredh ließ sich neben Ferlan auf dem Baum nieder und drehte sich so herum, dass er seinen Freund ansehen konnte. " Wir suchen dich schon die ganze Zeit."

Ferlan erhob sich von seinem Sitzplatz. " Tut mir leid, dass ich einfach weggelaufen bin und euch nicht beim aufräumen geholfen habe."

" Nein, das ist es nicht." Cal warf Aredh einen unsicheren Blick zu. " Wir sind wegen etwas anderem gekommen."

" Wegen was denn?"

" Alinor meinte, es wäre besser, wenn du vorerst im Dorf bleibst, bis alles geklärt ist", antwortete Iona ausweichend und vermied es, Ferlan anzusehen.

" Wieso, bis alles geklärt ist? Wegen den Waffen, die wir benutzt haben?" Misstrauisch kniff Ferlan seine Augen etwas zusammen und sah die drei jungen Leute der Reihe nach an. Seine Freunde schienen mehr zu wissen, als sie ihm verraten wollten.

" Wir sollten jetzt zurückgehen", sagte Iona und machte sich auf den Weg ins Dorf.
 

Ferlan wartete, bis auch Cal losgegangen war.

" Was soll das?" fragte er Aredh, der neben ihm herging.

" Du weißt doch noch, als wir den Helm und die anderen Sachen bei einem der getöteten Gegner gefunden haben, oder?"

Ferlan nickte in Erinnerung daran. " Die Münzen und den Dolch..."

" Und eben auch den Helm", unterbrach Aredh Ferlan. " Du hast doch da gesagt, dass du die Symbole irgendwann schon mal gesehen hattest."

" Ja", Ferlan legte nachdenklich einen Finger an seinen Mund. " Irgendwie kamen sie mir bekannt vor. Ich weiß nur nicht mehr, woher."

" Ianee..."

" Was hat sie damit zu tun?" fragte Ferlan verwirrt.
 

* * * * *
 

Aredh war stehen geblieben und wartete, bis Ferlan schließlich die Zusammenhänge verstanden hatte. Stumm nickte er, als sich Ferlans Gesichtsausdruck wandelte.

" Ihr Schmuck", sagte Aredh leise. " Der und die Symbole auf dem Helm des Kriegers waren identisch."

" Heißt das, sie haben nach Ianee gesucht? Dachten sie, wir hätten sie entführt?"

" Nicht ganz", Aredh fuhr sich mit der Hand durch sein kurzes Haar. " Ianee hat uns doch erzählt, dass sie völlig alleine mit ihren Eltern im Wald gewohnt hat."

" Stimmt!" Angestrengt ging Ferlan in Gedanken die weiteren Möglichkeiten durch.

" Ferlan!" unterbrach Aredh seinen Freund. Sie waren stehen geblieben und Aredh blickte sich nach Iona und Cal um, die schon ein gutes Stück vorausgegangen waren und den beiden jungen Männern keine besondere Aufmerksamkeit mehr schenkten. " Ich dürfte es dir noch nicht sagen, weil es nur eine Vermutung ist und noch niemand etwas genaueres weiß, aber", Aredh senkte die Stimme. " Sie machen dich für den Angriff verantwortlich."

Ferlan erbleichte. " Aber - aber wieso?" rief er geschockt.
 

" Ianee muss gelogen haben. Etwas an ihrer Geschichte von dem Überfall auf ihre Familie und dass sie ganz alleine war, muss falsch gewesen sein. Aber was genau, und warum sie das getan hat, weiß keiner."

" Sie können doch nicht mir die Schuld geben! Für was denn?!" zischte Ferlan Aredh leise zu, damit es Iona und Cal, die mittlerweile stehen geblieben waren und auf ihre beiden Freunde warteten, nicht mithören konnten.

" Weil du derjenige warst, der die Kleine ins Dorf gebracht hat."

" Das ist doch lächerlich! Woher sollte ich denn wissen, dass das Mädchen lügt?" Ferlan lief ein paar Schritte vor, um dann wieder zu Aredh zurückzukehren. Vor seinem Freund blieb er stehen und sah ihn fragend an. " Wer behauptet denn so was? Barneagh?" Ferlan begann wieder damit, im Kreis zu laufen. " Ich kann mir nicht vorstellen, dass er so etwas von mir denkt! Aredh!" Ferlan packte seinen Freund an den Schultern. " Wie kommt Barneagh darauf, mir so was vorzuwerfen?"
 

" Es war nicht Barneagh, der das gesagt hat..." Aredh ließ die Schultern sinken und schwieg einen Moment lang. " Barneagh... Er hat den Angriff nicht so gut überstanden, wie wir."

" Was?!" Ferlan musste sich an einem nahen Baumstamm festhalten, so überrascht war er von der Neuigkeit, die ihm Aredh unterbreitete. " Er lebt doch noch, oder?"

" Ja", Aredh winkte Cal und Iona zu, damit sie weitergingen und lehnte sich gegen einen alten zerfurchten Baum, bevor er Ferlan antwortete. " Er lebt, aber er ist sehr schwer verletzt und kann sich nicht um seine Aufgaben kümmern."

" Jetzt versteh ich!" Ferlan sank zu Füßen des Baumes und starrte ausdruckslos vor sich hin. " Tyrna! Er ist Barneaghs Stellvertreter! Diese Vorwürfe kommen von ihm, oder?!"
 

~ * ~
 

" Es tut mir leid, Ferlan, das war nicht meine Absicht", murmelte Aredh schuldbewusst.

" Wie kommst du darauf, dass es deine Schuld gewesen sein sollte?"

Aredh sah auf seine Hände hinab. " Weil ich es war, der den Helm und die anderen Sachen zu Alinor und dem Rat gebracht hatte..."

" Aber du kannst doch nichts dafür, was Tyrna sich schließlich ausdenkt!" schob Ferlan Aredhs Zweifel beiseite. " Ich frage mich, warum er das tut? Ich weiß, dass Len tot ist, aber mich dafür verantwortlich zu machen, ist doch mehr als unsinnig!"

Stumm zuckte Aredh mit den Schultern. " Barneagh hätte wahrscheinlich anders entschieden, als Tyrna."

" Komm, wir gehen! Ich möchte mit Tyrna sprechen!"
 

* * * * *
 

Aredh hob die Hand und klopfte an die Tür von Tyrnas Haus.

" Kommt rein!"

Dicht gefolgt von Ferlan, betrat Aredh das Haus und sah sich im Raum um. Die vielen Menschen, die noch bis vor wenigen Stunden das Haus des stellvertretenden Stammesführer belagert hatten, waren bis auf zwei Männer die zusammen mit Tyrna am Tisch saßen, verschwunden.

Sich mutig ein Herz fassend, trat Ferlan hinter Aredh hervor. " Ihr habt mich gesucht?"

Die beiden Männer, die zur Wache des Dorfes gehörten und die Ferlan nur vom sehen her kannte, drehten sich zu ihm herum und betrachteten sich ihren neuen Gast.

" Gut, dass du wenigstens von alleine hergekommen bist, Ferlan." Nervös trommelte Tyrna mit den Fingerspitzen auf die Tischplatte.

" Ja", Ferlan trat noch einen Schritt vor und sah den drei Leuten fest in die Gesichter. " Ich bin hier, obwohl es gar keinen Grund dazu gibt!"

" Was?!" der Stuhl kippte um, als Tyrna aufsprang. " Ich habe mich wohl gerade verhört?!"

Ferlan fing die Sachen auf, die ihm sein Schwager entgegen warf.

" Gibt es immer noch keinen Grund, Ferlan?!" schrie Tyrna.

Aredh bückte sich und hob eine silberne Kette auf, die herunter gefallen war. Wortlos hielt er sie seinem Freund hin.
 

~ * ~
 

Ferlan blickte stumm auf die Gegenstände in seiner Hand. Bei dem einen handelte es sich um Ianees Kette, die sie trug, als sie sie im Wald fanden und das andere war eine bronzene Schnalle - Offensichtlich von einem Gürtel, der einem Erwachsenen gehört haben musste.

Beide waren auf den ersten Blick vollkommen unterschiedlich, aber die Verzierungen in der Mitte, zeigten das selbe ungewöhnliche Muster.

" Sie gleichen sich, aber dass muss ja nichts bedeuten", wand Ferlan ein. " Ianees Vater war Händler und kam viel herum. Es könnte doch sein, dass er zufällig mit dem Stamm gehandelt hat, der uns überfiel!"

" Du bist anscheinend dümmer, als ich dachte!" Tyrna war ein Stück auf Ferlan zu gekommen, doch der wich kein Stück zurück. Im Gegenteil.

Ferlan verschränkte die Arme vor seiner Brust und reckte das Kinn. " Und du kannst nur Behauptungen aufstellen, ohne sie zu begründen!" knurrte er trotzig.

" Jetzt reicht es mir endgültig!" schrie Tyrna und machte eine, für Ferlan zu schnelle und unerwartete Bewegung nach vorne.
 

Der Schlag seines Schwagers ließ den jungen Mann gegen den Tisch taumeln und zu Boden stürzen.

" Deine Rachegedanken haben dich wohl um den Verstand gebracht!" schrie Ferlan laut und rappelte sich wieder vom Fußboden auf. Er war gerade im Begriff, sich auf den Älteren vor sich zu stürzen, ließ es aber sein, als die zwei Männer, die bis jetzt dem Streit schweigend zugesehen hatten, nach ihren Waffen griffen und sich von ihren Sitzplätzen erhoben.

Auf ein Zeichen Tyrnas wartend, standen sie hinter dem Anführer der Krieger und ließen Ferlan nicht aus den Augen.

" Wir sollten besser nach draußen gehen", sagte Aredh in die aufgekommene Stille hinein. " Bedana zuliebe." Er nickte zu dem Bett an der Wand, in dem Ferlans ältere Schwester schlief und sich von dem Angriff erholte.

Tyrna schien noch zu überlegen, ob Aredh recht hatte, entschied sich dann aber dazu, dem Jüngeren zu glauben.
 

* * * * *
 

" Wie viele Beweise willst du denn noch, bis du begreifst, dass es stimmt, was ich sage?" Tyrna hatte Ferlan an seinem Hemd gepackt und schob ihn vor sich her, zur Tür hinaus.

" Weiß Barneagh davon, was du mir vorwirfst?" Ferlan riss an seinem Hemd, bis Tyrna losließ. " Wahrscheinlich nicht, oder?! Geh zu ihm! Ich will wissen, was er dazu sagt! Zu Unrecht lasse ich mich nicht von dir beschuldigen!"

" Hör zu!" Tyrna ergriff Ferlans Kinn und zwang ihn dazu, ihm in die Augen zu sehen. " So lange, wie Barneagh seinen Aufgaben nicht nachkommen kann, bin ich derjenige, der die Entscheidungen trifft! Und ich sage dir, dass du an dem Angriff Schuld bist und dafür bezahlen wirst!"

Wütend schlug Ferlan Tyrnas Hand weg. " Du kannst nicht einfach entscheiden, wie du willst, Tyrna! Auch du musst dich an die Befehle Anderer halten! Was hat der Große Rat dazu gesagt?"

Tyrnas Gesichtsausdruck wandelte sich. Das Wütende darin wich einem Lächeln.
 

" Alinor hat gesagt, dass du hier bleiben sollst, bis wir mehr wissen." Tyrna machte eine kleine Pause. " Du stehst, bis der Rat sich versammelt und darüber beraten hat, unter Arrest!"

Auf Tyrnas Kopfnicken hin, näherten sich die zwei Männer.

" Los, komm!" sagte der größere der Beiden ruhig und fasste Ferlans Oberarm, um ihn wegzubringen. Gefolgt von Tyrna und dem anderen Mann, schritten sie Richtung Dorfmitte hin.

" Tyrna, warte!" rief Aredh und rannte hinter dem großen dunkelhaarigen Mann her. " Vielleicht tust du Ferlan wirklich Unrecht."

" Geh nach Hause, Aredh! Meine Entscheidung steht fest und daran lässt sich nichts ändern!" Den jungen Mann ignorierend, drehte sich Tyrna wieder um und ließ Aredh stehen.

" Wir werden ja sehen, was der Rat dazu sagt!" rief Aredh dem Anführer der Krieger hinterher. Wütend machte er sich auf den Weg nach Hause.
 

* * * * *
 

Der leise Klang einer Trommel ließ Ferlan die Augen öffnen.

Langsam erhob er sich von seinem Platz vor dem Fenster und ging mit schlurfenden Schritten zur Tür.

Ein paar Strahlen des hellen Mondlichts fielen durch die kleine Öffnung im oberen Teil der Holztür und spiegelten sich in seinen erstaunten Augen wieder. Ferlan streckte sich etwas und lauschte.

Das trommeln ebbte ab, wurde leiser, um dann im nächsten Moment wieder anzuschwellen.

" Was ist passiert, Laoren?" fragte Ferlan den Mann, der vor der Hütte, in die man ihn vor zwei Tagen eingesperrt hatte, auf seinem Posten stand.

Stumm stand Laoren, das Gesicht zur Dorfmitte gewandt, da und schwieg.

" Sag mir doch was ist!" rief Ferlan aufgebracht. " Ich weiß, dass etwas passiert sein muss! Ich kenne diese Art der Trommelschläge!"

" Wenn du so gut Bescheid weißt, dann muss ich es dir ja nicht mehr erklären", antwortete Laoren herablassend.
 

" Es kann aber nicht sein! Sie müssen sich irren!" Ferlan rüttelte an der Tür und schrie. " Lass mich raus! Ich will es selbst sehen!"

Laoren versuchte, das Geschrei zu ignorieren. " Es wäre besser für dich, wenn du jetzt still bist!"

" Zuerst will ich hier raus! Hast du gehört!" Ferlan schlug so heftig gegen die Tür, dass die Scharniere verdächtig knarrten und aus ihrer Verankerung zu springen drohten. " Mach auf, Laoren!"

Erschrocken wich Ferlan zurück, als die Tür zu seinem Gefängnis aufgerissen wurde und Laoren vor ihm stand. Die Schatten in seinem Gesicht wirkten im Dunkel der Hütte bedrohlich und kalt.

Völlig ruhig stand er vor Ferlan und sah auf ihn herab.

" Ich darf gehen?" fragte Ferlan zögerlich und deutete zur Tür, die einen Spalt breit offen stand.

" Aber gerne doch", erwiderte Laoren in betont ruhigem Tonfall. " Nur so, wie du jetzt aussiehst, kannst du nicht gehen..."

" Wieso? Was stimmt denn nicht mit mir?" Ferlan blickte an sich herab. " Gut, meine Kleider sind nicht gerade sauber, aber..."

Statt zu antworten, lachte Laoren leise.
 

" Du bist verrückt!" Ferlan machte Anstalten, an dem vor ihm Stehenden vorbei zu gehen, doch ein plötzlicher Schlag in sein Gesicht schleuderte ihn zu Boden.

" Was soll das?" schrie Ferlan auf und hielt sich die Hände vor sein Gesicht. " Du hast doch gesagt, dass ich gehen kann! Warum schlägst du mich?"

Ein blinkender Gegenstand fiel vor Ferlan auf den staubigen Fußboden.

Äußerst beherrscht, fast emotionslos erklang Laorens Stimme. " Ich sagte doch, dass du so, wie du jetzt bist, nicht gehen kannst! Das", er zeigte auf den silbernen Gegenstand vor Ferlan. " Das ist für dich der einzige Weg nach draußen!"

Leise entfernten sich Laorens Schritte von Ferlan. Die Tür wurde zugezogen und er war wieder so alleine, wie vorher.
 

~ * ~
 

Nachdem der Schlüssel in der Tür herumgedreht und Laorens Schritte endgültig verklungen waren, hob Ferlan den Kopf.

Das Blut, das ihm aus Nase und Mund strömte, fiel in dicken Tropfen herab auf den kleinen Dolch, den Laoren ihm hingeworfen hatte.

Ferlan wischte sich das Blut weg und griff mit zitternden Händen nach dem Messer. Betrachtend drehte er es hin und her und strich mit seinen Fingern über die silbern blitzende, sanft geschwungene Klinge, die hier und da von ein paar Scharten unterbrochen war.

, Laoren und die anderen haben Recht', dachte Ferlan bei sich. Viele Leute waren tot; durch seine Schuld.

Barneagh nun auch...

Was wollte er hier? Warten, bis der Rat ihn unter Tyrnas Einfluss zum Tode verurteilte? Warten, bis jemand wie Laoren kam und ihn aus Rache tötete? Warten, und ewig an seine Schuld erinnert werden?

Ferlans Hände verstärkten ihren Griff um den Dolch. Wenn das wirklich der einzige Weg für ihn in die Freiheit war, würde er ihn nehmen! Trommeln würde niemand für ihn schlagen, aber das interessierte Ferlan nicht mehr. Sollten sie seinen kalten Körper in den Wald werfen.
 

Schwer wog die Waffe in Ferlans Hand. Genauso schwer, wie die Schuld, die ihn fast zu erdrücken schien.

Tränen liefen Ferlans Wangen hinunter. Sie mischten sich mit dem Blut, das immer noch unaufhörlich aus den Wunden strömte und tropfte zusammen damit in den Staub.

Seine Gedanken schweiften zu den Menschen in seinem Dorf, die er seit ewigen Zeiten kannte. Sie alle könnten noch am Leben sein, hätte er damals auf seine Freunde gehört und das Kind im Wald gelassen.

Ferlan hob den Dolch in die Höhe und hielt kurz inne.

Das fahle Gesicht, das von der blanken Klinge reflektiert wurde, starrte ihn vorwurfsvoll an. Die unausgesprochenen Worte, die es ihm entgegenschleuderte, hallten in seinem Kopf wider.

, Feigling!' schrie ihn sein Spiegelbild an. , So viele mussten wegen dir leiden und du machst es dir einfach und stiehlst dich davon?!'

Wütend warf Ferlan den kleinen Dolch in ein Ecke der Hütte.
 

* * * * *
 

Ende - Kapitel 5: Sühne



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (4)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von: abgemeldet
2004-12-04T08:54:47+00:00 04.12.2004 09:54
Hallo!

Was kann ich schreiben, was die anderen nicht schon geschrieben haben und was gleichzeitig nicht eine Wiederholung von dem ist, was ich selbst schon mal geschrieben habe?
Das ist gar nicht so leicht..
Vielleicht der Punkt "Dialoge"!
Mir gefällt es sehr, dass sie in diesem Kapitel so viel Platz einnahmen! Und trotzdem gingen Beschreibungen etc. nicht unter...Das ist wirklich toll gemacht!! Wie bekommt man das nur so hin? O.O Bei mir wieder nicht sehr viel geredet...*selberärger*
Und dann stimme ich doch einfach mal wieder jemandem zu:
Milu hat recht, das Kapitel ist wirklich beeindruckend! Es..."wirkt" einfach! (Wer versteht was ich meine kann stolz auf sich sein, mir fehlt einfach das richtige Wort! ^^'')
Zum Schluß dann noch die Bemerkung, dass es mir gefällt, wie viel man über die Charaktere erfährt! Das macht die Identifikation richtig einfach!
Bye

Pitri
Von: abgemeldet
2003-03-28T17:35:40+00:00 28.03.2003 18:35
Wow ... dieses Kapitel war ein bisschen kürzer als die anderen ... aber ... beeindruckend ... keine Ahnung wieso ... weiß nicht was ich sagen soll ^^" Ich fand es fürchterlich gut, ich les gleich das nächste ... so eine geile Story

(*les* Ein seeeeeeeehr vielsagender Comment Oo Ich weiß mich wirklich auszudürcken ^^;;;;;;;)
Von:  Ixtli
2003-01-26T23:49:51+00:00 27.01.2003 00:49
@ Quarkpflaume
War ja auch beabsichtigt, dass es so scheint, als wäre Bedana tot, oder zumindest schwer verletzt. Obwohl es mir zuerst zu einfallslos erschien, die Leser etwas zu verwirren. Ich bin echt froh, dass es auch funktioniert hat *gg*
Mir graut's vor dem nächsten Teil. Jetzt müssen sie Ferlan loswerden und ich weiß auch schon wie, aber ich will das nicht schreiben... Er tut mir irgendwie leid... XD
Von:  julianehahn
2003-01-26T18:36:46+00:00 26.01.2003 19:36
?? sätze verdreht? find ich eigentlich nich!
der teil is wieder klar und verständlich geschildldert. ich mag vor allem die stellen an denen man noch nich weiß was passiert is. ich hab zB gedacht bedana is tot, und als ferlan im ?kerker? (wie heißt das bei denen?) war hab ich erst vermutet die trommeln wären irgendwelche verbannungstrommeln >..!
Von:  Ixtli
2003-01-25T16:05:58+00:00 25.01.2003 17:05
Hallöchen
Endlich kann ich wieder ins Net ^___^ Und dann gleich so ein toller Kommentar. Danke ^^

Meinst du mit dem "verdreht", dass ich den Satz den du da als Beispiel aufgeführt hast, zu kompliziert geschrieben habe? Wenn ja, dann achte ich da beim nächsten Mal drauf.
Ich vergesse oft, dass der Leser ja nicht das weiß, bzw. denkt, was ich in meinem Kopf habe und zu Papier bringen möchte. Da liegt dann anscheinend der Fehler ^^;;

Die Wölfchen kommen bald. Aber erst muss Ferlan weg - ist er ja schon fast *ggg*

Bis dann ^^
Von:  hekari
2003-01-20T12:10:45+00:00 20.01.2003 13:10
Wunderbar herzergreifend.
Mir gefallen seine Selbstzweifel.

Kommen dann bald die Wolfis????

Sprachlich ist dieser Teil schön ausgereift.
Du hast versucht vor allem im Satzbau viel Abwechslung reinzubringen.
Doch manche Sätze wirken manchmal noch irgendwie verdreht.
So kommt es zumindest mir vor.
Ich kenne das, bei mir klingt das immer genauso.

Aber mir gefällt der Stil der Story. Mach weiter!!!!!!!!

Hekari


Zurück