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Die Blutfehde der Youkaifürsten

von

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Streuner

damals...
 

„Was hat der hier zu suchen?“ Samushi ist der erste der Neuankömmlinge, der seine Sprache wiederfindet. Folgsam sind die Streuner dem Ruf ihrer Anführerin gefolgt. Doch wie groß ist ihre Überraschung, als sie dort nun noch einen weiteren Daiyoukai antreffen. Nicht nur einen Daiyoukai sondern den Fürst des Westens persönlich. Überrumpelt, besorgt und skeptisch blicken die sechs Youkais Sesshomaru an. Ihnen ist ohne Zweifel anzusehen, dass sie seine Anwesenheit hier in keinster Weise gut heißen. Alleine die Nordyoukais wagen es, ihrem Ärger Luft zu machen.

„Ja, verdammt!“, pflichtet Kegawa seinem Freund sofort bei, „Haben wir den Typen nicht erst neulich in seine Schranken gewiesen?“ „Nee, ham wir nicht!“, raunt Samushi ihm zu, „Yaeba kam uns dazwischen.“ „Ach ja, richtig!“, erinnert sich Kagewa und dann redet er wieder laut, „Aber wir hätten, wenn der Ostler uns nicht aufgehalten hätte!“ „Wollt ihr wohl die Klappe halten, ihr zwei Vollidioten?“, brummt nun einer der Ostyoukais, der ein Stück hinter Yaeba steht. „Halt doch selbst die Klappe, Katsubou!“, schnappt Samushi zurück.

„Samushi, der Nishi-aitsu haut dich gleich, wenn du so weitermachst. Guck mal, der guckt schon ganz sparsam!“, die helle Stimme stammt von dem zierlichen Ostyoukai der ein paar Schritte entfernt auf dem Boden hockt und Sesshomaru mit blitzenden Augen und frechem Gesicht angrinst. „Ja, wahrscheinlich überlegt er sich gerade, ob du als Zwischenmahlzeit ausreichst“, fügt der große, kräftige Ostyoukai, der hinter dem Zierlichen steht, hinzu, „Aber da brauch er sich keine Sorgen machen, so fett wie du bist!“

Wütend springt Samushi auf den Ostyoukai zu und packt ihn am Brustpanzer. „Ich bin nicht fett, klar? Brauchst du schon wieder ne Abreibung, Raihone? Soll ich dir diesmal das Rückgrat brechen, damit du Ruhe gibst, oder reichen vielleicht ein, zwei Arme?“

Schweigt!“, kommt der knappe aber scharfe Befehl von Hanaki. Erstaunlicherweise ist schlagartig Ruhe und sämtliche Streuner senken die Köpfe. Lediglich Samushi gibt Raihone noch einen schmerzhaften Hieb in die Rippen.

Mit geschürzten Lippen blickt Hanaki kurz zu Boden. „Verzeiht mir Sesshomaru-sama, meine Untergebenen wissen offenbar nicht was sich in Gegenwart eines Fürsten gehört.“ Als wäre das ein Befehl, sinken augenblicklich sämtliche Youkais auf die Knie hinab und senken den Blick.

Einen langen Moment mustert Sesshomaru nur schweigend die Szene. Ganz offenbar hat diese Frau ihre Leute fest im Griff. Mit langsamen Schritten kommt er näher und mustert die Youkais genauer. Keiner von ihnen wagt es, aufzubegehren, doch er erkennt wie ihm mehrere der Augenpaare verstohlen folgen. Was für ein undisziplinierter, verkommener Haufen von Raufbolden!

Tatsächlich scheinen die Einzigen, die sich zu benehmen wissen, Yaeba und Dieser dort zu sein! Hoch aufgerichtet baut sich nun Sesshomaru vor dem einzigen Westyoukai in diesem Rudel auf. „Du, steh auf!“, befiehlt er. Geschmeidig kommt der Youkai auf die Füße und blickt Sesshomaru nun direkt an. Doch seine Bewegungen sind steif und seine Miene ist regungslos. Nur seine goldgelben Augen verraten, dass er am liebsten diese Situation vermeiden würde.

„Kossoridoku!“, sagt Sesshomaru ruhig, „Hier bist du also!“ Der Angesprochene wagt nicht den Blick abzuwenden, doch er sagt auch kein Wort. „Das ist unerwartet.“, fügt Sesshomaru ausdruckslos hinzu. Kühl betrachtet er den Westyoukai. „Wie kommt es, dass du dich entschlossen hast, dich den Streunern anzuschließen?“ Der Angesprochene scheint einen Moment zu zögern, dann sagt er: „Ein Rudel von Wolfsyoukais stellte mir nach. Hanaki-dono kam mir zu Hilfe und aus Dankbarkeit gelobte ich ihr Treue.“ Sesshomarus Miene bekommt etwas verächtliches. „Weiß sie denn, was von deinem Treueschwur zu halten ist?“

Kossoridokus Augen sprühen nun vor Kälte: „Sie kann sich meiner Treue sicher sein. Ich verdanke ihr mein Leben!“ Doch Sesshomarus Blick sinkt gerade unter den Gefrierpunkt. Als er spricht ist seine Stimme ein Grollen: „Einer Streunerin schwörst du die Treue doch meinen Vater, einen Fürsten, verrätst du. Du verdienst deine Verbannung, daran besteht kein Zweifel. Müsste ich nicht damit rechnen, dass deine Gönnerin dich wieder beschützt, würde ich dir augenblicklich den Kopf von den Schultern trennen, schmutziger Verräter!“

Kossoridoku spürt instinktiv, dass der junge Fürst des Westens gerade ernsthaft über sein unmittelbares Schicksal entscheidet und so sieht er sich genötigt, etwas dazu zu sagen: „Ich kann nicht von Euch verlangen, dass Ihr mir verzeiht. Doch Euer Vater richtete bereits über mich, und er schenkte mir das Leben.“ Drohend kommt Sesshomaru näher: „Und du glaubst das rettet dich? Ich bin nun der Fürst! Ich entscheide!“ Unwillkürlich beginnt ein giftig grünes Licht um Sesshomarus Hand zu leuchten. Kossoridoku wird steif und seine Miene ist steinern. Nur seine Augen zeigen Beklommenheit.

Doch gerade als Sesshomaru seine gespreizten Klauen zum Schlag erheben will, packt ihn ein fester Griff am Arm. Sei Kopf fliegt herum und sein Blick trifft den Hanakis. Unmissverständlich blickt sie ihn an: „Nein! Das gestatte ich nicht!“ Für ein paar Sekunden scheint Sesshomaru mit sich zu ringen. Wütend starrt er die Daiyoukai an und seine Kiefer mahlen grimmig.

Dann schnaubt er einmal wütend auf, reißt sich von ihr los und Sekundenbruchteile später hat er dem Westyoukai vor ihm einen solch heftigen Schlag verpasst, dass er hart auf dem Boden aufschlägt. Vorsichtig setzt Kossoridoku sich wieder auf, fährt sich über seine zerfetzte Wange und doch wirkt er erleichtert. Er ist noch am Leben.

Aufgewühlt versucht Sesshomaru sich wieder zu beruhigen. Er atmet einmal tief ein und aus, doch das ist ein Fehler. Wieder erfasst ihn der eigenartige Geruch der Streunerin und raubt ihm fast die Sinne. Er keucht. Rasch wendet er sich ab. Nein, er wird sich davon auf keinen Fall unterkriegen lassen. Das wäre ja gelacht!

„Geh mir aus den Augen, Köter!“, zischt er giftig. Kossoridoku blickt zu seiner Anführerin hinüber. Sie nickt leicht. Dann schaut er noch einmal zu Sesshomaru hinüber und Augenblicke später ist er bereits im Wald verschwunden.

„Ich bin überrascht, dass Ihr ihn tatsächlich verschont habt!“, sagt Hanaki. Sesshomaru schweigt. „Wollt Ihr mir sagen, weshalb er, Eurer Ansicht nach, den Tod verdient hat?“, versucht sie es erneut. „Hat er dir das nicht erzählt?“, fragt Sesshomaru grimmig zurück. „Die Vorgeschichte meiner Leute ist für mich nicht von Belang. Wichtig ist mir nur, wie sie sich unter meiner Führung verhalten.“ „Wozu willst du es dann jetzt wissen?“, meint Sesshomaru ärgerlich. Sie legt den Kopf schief: „Ich bin einfach neugierig, was Euch so sehr in Rage bringen könnte. Es ist sicher gut zu wissen, was zu vermeiden ist, wenn man nicht Euren Zorn erregen will.“ „Du willst sagen, es geht dir nur um das Wohl deines Rudels?“ „Ist das denn so abwegig?“, sie hebt das Kinn, „Ich nehme meine Rolle als Anführerin sehr ernst und ich bin sicher Euch geht es ebenso!“

„Hey, dem hat sie's gegeben!“, ertönt plötzlich die hämische Bemerkung. Sesshomaru wirft einen schweigsamen wenn auch finsteren Blick in die Runde. Offenbar wird nun auch Hanaki bewusst, dass die verbliebenen Streuner noch immer in ein paar Metern Entfernung stehen und die Unterhaltung mit großem Interesse und zum Teil hämischen Grinsen verfolgen. Ärgerlich wendet sie sich an die frechen Youkais: „Habt ihr nichts Besseres zu tun? Holt euch euer Essen und dann verschwindet! Ich bin beschäftigt!“

Schmollend und vereinzelt kichernd drehen sich die Angesprochenen um und stürzen sich mit lautem Platschen in den See, um so viele Fische wie möglich einzusammeln. Raiuko und Raihone machen einen Wettkampf daraus und es ist ihnen ein Spaß, den beiden Nordyoukais möglichst viele Fische vor der Nase wegzuschnappen. Wüstes Fluchen und anschließendes Lachen ist die Folge. Nur Yaeba ist am Ufer stehen geblieben und beobachtet kopfschüttelnd wie die anderen Streuner sich austoben.

„Manchmal sind sie wirklich wie die Kinder!“, meint Hanaki entschuldigend. Dann wird ihre Miene wieder ernst. „Mögt Ihr mir nun erzählen, weshalb Kossoridoku den Westen verlassen musste?“ Ein wenig geistesabwesend beobachtet Sesshomaru das Treiben auf dem See. „Nein!“, sagt er kurz. Abschätzend legt Hanaki den Kopf schief: „Es scheint Euch doch sehr zu beschäftigen. Mögt Ihr es mir nicht doch anvertrauen?“ Nun wendet Sesshomaru sich ihr zu. „Ich sagte Nein!“, wiederholt er, „Welchen Grund hätte ich, dir irgendetwas derartiges anzuvertrauen? Du vergisst schon wieder deine Position!“

Sie weicht seinem Blick nicht aus, doch sie wirkt etwas irritiert. „Ihr seit völlig anders als alle Fürsten die ich bisher traf, Sesshomaru-sama!“ „Was willst du damit andeuten?“, fragt er wachsam. Sie öffnet schon den Mund, um zu antworten, doch dann überlegt sie es sich anders. „Gar nichts!“ „Dann rede nicht so daher!“, meint Sesshomaru unwirsch.

Für eine Weile fällt kein Wort zwischen ihnen. Dann sagt sie: „Gewährt Ihr uns die Gunst, uns beim Essen Gesellschaft zu leisten? Es ist kein sehr anspruchsvolles Mahl, doch es wäre uns eine Ehre, es mit Euch zu teilen!“

Unwillkürlich gehen Sesshomarus Gedanken zurück zu Arashitsumes Bankett. Nein, sicher kommt diese schlichte Fischmahlzeit bei weitem nicht an die ausgefeilte Küche des Osten heran, doch selbst diese Raffinesse konnte ihm das Essen nicht schmackhafter machen. Die Gesellschaft hat es ihm verleidet.

Nachdenklich blickt er wieder hinüber zu den ausgelassenen Streunern die noch immer im Wasser herumtoben. Der Nordyoukai Samushi hat Raihone zu fassen bekommen und ist gerade dabei, ihn gewaltsam ersäufen zu wollen, während der zierliche Youkai nun seinerseits Samushi im Würgegriff festhält und der Youkai mit Namen Kegawa gerade unbarmherzig auf den kleinen Ostyoukai einschlägt, um ihn von seinem Kameraden zu lösen. Der Ostyoukai Katsubou sammelt indessen seelenruhig die Fische um ihn her ein und scheint sich kein bisschen um den Kampf der anderen zu kümmern. Offenbar ist er solche Auseinandersetzungen gewöhnt.

Sesshomarus Blick geht nun hinüber zu Yaeba der noch immer am Ufer des Sees steht, doch nun beobachtet er den Westfürsten aufmerksam und Sesshomaru wird das Gefühl nicht los, dass der Ostyoukai es am liebsten sähe, wenn er hier so bald wie möglich verschwinden würde. Doch warum sollte er ihm diesen Gefallen tun? Er wendet sich wieder an Hanaki. „In Ordnung!“, sagt er. Schlimmer als die Gesellschaft Arashitsumes kann das hier nicht sein.

Nun geht ein strahlendes Lächeln über Hanakis Gesichts und Sesshomaru muss unwillkürlich schlucken. Sie ist einfach unbeschreiblich schön, wenn sie lächelt! Warum ist ihm das noch nicht früher aufgefallen? Doch augenblicklich ruft er sich wieder selbst zur Ordnung. Nein, es ist ein Ding der absoluten Unmöglichkeit, dass er sich auf irgendetwas in der Art einlassen kann! Ihr Aussehen hat ihm egal zu sein. Er hat eine Pflicht zu erfüllen. Ja, sie ist ja noch nicht einmal auf seinem Rang. So etwas kann niemals sein!

Energisch verbannt er die Gedanken aus seinem Kopf. Er wird lediglich mit ihnen essen und dann sofort weiter ziehen! Hier gibt es nichts mehr für ihn zu tun. Die Streuner stellen für sein Reich wohl keine Bedrohung dar, solange Hanaki sie unter Kontrolle hat. Und das hat sie! Nach der Mahlzeit wird er also umgehend aufbrechen, naja... oder zumindest bald darauf. Sein Blick geht zum sich immer mehr verdunkelnden Himmel. Eigentlich ist es ja für diesen Tag schon zu spät zum Reisen. Da kann er auch ebenso gut heute hier lagern. Vielleicht erfährt er ja noch das eine oder andere was ihm nützlich ist. Womöglich könnte er die beiden Nordyoukai ein wenig über ihren Fürsten ausfragen, wenn sich ihm nun schon einmal die Gelegenheit bietet. Und danach kann er ja immer noch abreisen. Es besteht ja eigentlich kein Grund zur Eile.

Gemächlich nähert er sich dem See und späht nach dem Fisch der ihm am nächsten ist. „Hier, nehmt!“, hört er neben sich. Er wendet sich um und sieht wie Hanaki ihm einen großen Karpfen entgegenstreckt. Wortlos ergreift er das leblose Beutetier und dabei berührt seine Fingerspitze für einen Sekundenbruchteil ihre Hand. Im selben Augenblick ist ihm, als hätte man ihm einen heftigen Hieb in den Magen verpasst. Doch er verkneift sich jegliche Reaktion. Wie ein starker elektrischer Schlag fühlte es sich an, doch seltsamerweise ist er sich sicher, dass dies kein Angriff war. Ja, es ist tatsächlich fraglich, ob sie das gerade überhaupt bemerkt hat.

Unwillkürlich hat er den Fisch so fest umklammert, dass er ihn beinah in der Mitte durchquetscht. Wahrscheinlich ist es wirklich das beste, wenn er bald aufbricht. Morgen... irgendwann morgen!
 

Hah! War das etwa schon alles?“, triumphierend umtänzelt Samushi den am Boden knienden Raihone. „Sieh es ein, Higashi-aitsu, du wirst mir nie das Wasser reichen!“ Mit schmerzverzerrter Miene presst sich Raihone die Hand an die Brust. Blut sickert darunter hervor und tropft in dicken Tropfen auf die Erde. „Ja, verpass ihm noch eine!“, stachelt Kegawa seinen Kameraden begeistert an, „Sorg dafür, dass er sich nie mehr erholt!“

Schweigend beobachtet Sesshomaru das Treiben auf der Lichtung. Die beiden Nordyoukais und das Geschwisterpaar Raihone und Raiuko aus dem Osten liegen mal wieder im Dauerklinsch. Diesmal ist Raihone der Unterliegende. Wie üblich wird dieses spielerische Kräftemessen aufmerksam von Yaeba beobachtet, jederzeit bereit einzugreifen, sollte die Sache aus dem Ruder laufen.

Fast eine ganze Woche ist er nun schon hier und diese Reibereien erlebt er jeden Tag. Wie er inzwischen herausgefunden hat, hocken die Streuner normalerweise nicht dauernd so eng aufeinander, doch Hanaki hat ihnen befohlen in der Nähe zu bleiben, damit Sesshomaru sich ein Bild von ihnen machen kann. Dadurch sind natürlich Spannungen vorprogrammiert.

Die Ostyoukais Katsubou und Yaeba sind eher unproblematisch, doch die Auseinandersetzungen zwischen den Nordyoukais und dem Geschwisterpaar, laufen selten so glimpflich ab wie heute. Raihone kann von Glück sagen, dass er heute lediglich aufgespießt wurde, denn die Nordyoukais haben auch keine Hemmungen, ihren Gefährten irgendwelche Körperteile abzureißen. Dies beruht allerdings auf Gegenseitigkeit. Wenn er auch äußerlich nicht viel hermacht, so ist der zierliche Raiuko dennoch ein ernstzunehmender Gegner wenn die Wut ihn packt. Glücklicherweise greift Yaeba meist rechtzeitig ein, um das Schlimmste zu verhindern.

Inzwischen kann Sesshomaru die Stärke der einzelnen Streuner recht gut einschätzen. Der schwächste von ihnen ist wohl Raihone, doch die Nordyoukais sind wirklich nur unwesentlich stärker. Raiuko hält sich mit den Kita-aitsu ziemlich die Waage doch der Westfürst vermutet, dass er noch längst nicht alles gezeigt hat, was er kann. Katsubou ist schwer einzuschätzen, da er sich selten an den Kämpfen beteiligt, doch alleine schon durch seine Erfahrung, wird er den anderen überlegen sein. Sesshomaru hat jedoch keine Probleme die Stärke des anderen Westyoukais einzuschätzen. Wenn Kossoridoku wollte, könnte er mit Sicherheit jeden einzelnen von ihnen besiegen. Mit Ausnahme von Yaeba!

Der kräftige Ostyoukai gibt Sesshomaru manches Rätsel auf, besonders im Bezug auf Hanaki. An seinem Verhalten als Befehlshaber gibt es nichts auszusetzen. Ohne das leiseste Zögern führt er unverzüglich jede ihrer Anweisungen aus.

Überhaupt scheint jeder einzelne der Streuner, seinen Chutaisho mit dem größten Respekt und tiefster Demut zu behandeln. Bisher hat er noch nicht einmal erlebt, dass ihr irgendjemand widersprochen hätte. Doch Yaebas Verhalten geht noch darüber hinaus. Der Westfürst ist sich sicher, würde sie sein schlagendes Herz fordern, er würde es sich selbst aus dem Leib reißen.

Sesshomaru spürt, dass der kräftige Ostyoukai das Vertrauen, wenn auch nicht die Sympathie der anderen Streuner besitzt. Zwar widersprechen sie ihm gelegentlich, doch auf ein direktes Kräftemessen laufen diese Auseinandersetzungen selten hinaus. Aus gutem Grund. Wie er feststellt, hat Sesshomaru den Ostyoukai damals richtig eingeschätzt. Seine Stärke ist wirklich enorm! Aus einiger Entfernung könnte man seine Aura gut für die eines schwachen Daiyoukais halten.

Ein wirklich interessantes Rudel. Er hätte nie gedacht, dass es eine Möglichkeit gäbe, wie Youkais aus drei verschiedenen Reichen friedlich miteinander leben könnten, nun ja, zumindest ohne sich gegenseitig zu töten. Er versucht sich gerne einzureden, dass es diese Tatsache ist, die ihn noch immer hier verweilen lässt, doch er weiß es besser. Aus irgendeinem Grund fällt es ihm unglaublich schwer, diese Gruppe zu verlassen... Sie zu verlassen!

Er ist schon viel zu lange hier. Was tut er noch hier? Gedankenverloren beobachtet er wie Yaeba Raiuko davon abhält, Samushi und Kegawa aufzuschlitzen, die gerade darüber diskutiert haben, ob sie Raihone zerstückeln oder nur köpfen sollen.

Auf einmal hebt er den Kopf. Wieder steigt dieser eigenartige Duft hinter ihm auf, der sein Herz jedes Mal zum Pochen bringt, wie das einer ängstlichen Maus. Er weiß, sie steht direkt hinter ihm. Er riecht es, er spürt den Luftzug wenn sie sich bewegt.

„Ich werde meine Reise fortsetzen“, sagt er ruhig. Erst kommt keine Antwort, dann sagt sie: „Wann?“ „Bald!“, antwortet er, „Ich bin schon viel zu lange hier.“ „Ich verstehe!“, kommt die Antwort nach einer Weile, „Ich war verwundert, dass es so lange dauerte.“ „Das klingt als würdest du es bedauern.“ „Oh nein!“, wehrt sie rasch ab, „Ich dachte nur, Ihr würdet einer Bande von Ranglosen bald überdrüssig werden.“

Nun wendet Sesshomaru sich zu ihr um. „Wäre es dir lieber, ich würde deine Leute töten?“ Ernst blickt sie ihn an: „Glaubt Ihr, Ihr hättet das fertig gebracht?“ Ein kaum merkliches Lächeln legt sich um Sesshomarus Mundwinkel: „Mit Sicherheit!“

„Erwartet Ihr jetzt einen Dank, weil Ihr es nicht getan habt?“, kommt die skeptische Frage. „Es liegt mir fern, etwas von dir zu erwarten“, antwortet er, „Es gibt nichts, was ich von dir wollen könnte.“ Sie schweigt.

Doch das stimmt nicht völlig, gesteht er sich ein. Es gibt da schon etwas... doch er schiebt den Gedanken sogleich zur Seite. Dies ist weder die richtige Zeit, noch die richtige Situation, ja, noch nicht einmal die richtige Person. Einen langen Moment blickt er sie mit ausdrucksloser Miene an. „Ich habe Verpflichtungen!“, sagt er schließlich, „Meine Reise ist noch nicht zu ende. Ich kann meine Verantwortung nicht länger leugnen.“

„Das verstehe ich“, sagt sie nachdenklich, „Ihr geht also in den Norden?“ „Ja!“ „Das ist gefährlich!“ „Sag bloß nicht, du bist um meine Sicherheit besorgt!“, sagt er und erneut legt sich ein leichtes Lächeln um seine Mundwinkel. Sie erwidert das Lächeln als sie ihre eigenen Worte erkennt. „Nein, durchaus nicht!“, entgegnet sie bestimmt, „Denn ich werde Euch begleiten!“

Sesshomarus Gesichtszüge entgleisen. Sprachlos starrt er sie an. „Schaut nicht so überrascht!“, rügt sie ihn erheitert, „Ich tue das nicht für Euch. Ich habe mit Inu Taihyouga eigene Angelegenheiten zu regeln. Auch ich schiebe sie schon seit längerem vor mich her. Es wird langsam Zeit, dass ich sie in Angriff nehme. Außerdem...“, sagt sie mit einem Augenzwinkern, „Was glaubt Ihr, was hier los ist, wenn der Westen seinen Fürsten verliert? Ich mach mir lediglich Sorgen um das Wohlergehen meines Rudels.“

Sofort will Sesshomaru energisch protestieren, doch er bringt kein einziges Wort heraus. Die Aussicht, noch eine erheblich längere Zeit, als ohnehin schon, mit ihr zu verbringen, weckt sehr zwiespaltige Gefühle in ihm. Einerseits hatte er gehofft, so endlich ihrem einnehmenden Wesen zu entkommen, doch andererseits ist da eine ganz leise Stimme in ihm, die sie nicht missen will. Warum sich dagegen wehren, es ist schließlich ihre eigene Entscheidung.

„Tu was du nicht lassen kannst!“, meint er beiläufig. „Wenn das so ist, sollten wir besser sofort aufbrechen.“ Kaum ist diese Entscheidung gefallen, da bereut Sesshomaru es auch schon. Worauf hat er sich da bloß eingelassen? Er hätte einfach „nein“ sagen sollen. Er hätte... Er hätte es nicht gekonnt! Wann nur hat sie einen solch starken Einfluss auf ihn bekommen? War es bei ihren zahlreichen Gesprächen über Führungsstile und Verantwortung? Was ist es, das ihn so an ihr anzieht? Ist es ihre Intelligenz? Ihre beispiellosen Ansichten? Ihre Würde? Oder ist es doch nur ihre seltsame Ausstrahlung? Ihr Aussehen und dieser berauschende Duft, der von ihrer Haut aufsteigt und seine Sinne in Flammen setzt? Würde er sie noch immer anziehend finden, wenn ihn dieser Geruch nicht so sehr enthemmen würde? Verdammt, wohin soll das führen?, versucht er diese Gedanken beiseite zu wischen. Sie ist eine ranglose Daiyoukai, eine Streunerin, und weiter nichts!

Gerade sieht er wie sie zu Yaeba hinüber geht, der noch immer mit Raiuko ringt, um ihn ruhig zu halten. Wer hätte gedacht, dass dieser zierliche Bursche solch üble Schimpfwörter kennt. Mit wenigen Schritten hat sie ihn erreicht und mit einem raschen, sicheren Griff packt sie den sich wie wild gebärdenden Youkai an der Kehle, hebt ihn mit Leichtigkeit hoch und schleudert ihn mit solcher Kraft zu Boden, dass er einige Meter weiter kugelt. Hoch aufgerichtet steht sie da und ihre Aura flammt für einen Moment in einem purpurnen Schimmern auf. Mit eisiger Miene blickt sie den ächzenden Youkai an. „Es reicht jetzt! Schluss damit!“ Raiuko hustet und fasst sich an den Hals. Betreten und scheu schaut er zu ihr auf. „Ja, Chutaisho!“, nuschelt er und dann senkt er den Blick. Auch die anderen sind jetzt still geworden. Kaum einer wagt auch nur zu atmen.

„Das ist ja nicht länger mit anzusehen!“, sagt sie laut, „Euer Benehmen lässt ernsthaft zu wünschen übrig!“ Betreten blicken die Youkais zu Boden wie gescholtene Kinder. „Ich glaube“, fügt Hanaki nun hinzu, „Ihr solltet mal wieder etwas Luft schnappen gehen. Na los, verzieht euch schon! Aber seht zu, dass ihr euch nicht andauernd in Schwierigkeiten bringt, verstanden?“ Ein scharfer Blick geht zu Samushi und Kegawa hinüber. „Ja, ist angekommen!“, brummt Kegawa. Noch einmal werfen sich die Nord- und die Ostyoukais giftige Blicke zu und dann verschwinden sie eilig zwischen den Bäumen.

Nur Yaeba ist noch geblieben. Hanaki winkt ihn zu sich. „Yaeba, ich werde in den Norden gehen“, sagt sie, „Ich übertrage dir die Verantwortung für die Bande. Mach dir keine Sorgen, ich werde bald zurück sein.“ Doch zu Sesshomarus Überraschung, fügt der Krieger sich nicht einfach, sondern er starrt sie ziemlich verständnislos an. „Was habt Ihr vor?“, fragt er ärgerlich, „Ihr geht mit ihm? Haltet Ihr das für klug?“ Doch offenbar hat die Anführerin mit dieser Reaktion gerechnet, denn nachsichtig erklärt sie: „Wenn Sesshomaru-sama vorgehabt hätte, mir etwas anzutun, hätte er in den vergangenen Tagen ausreichend Gelegenheit dazu gehabt. Meinst du nicht auch?“

„Es ist mir egal wozu er Gelegenheit hatte oder nicht!“, faucht Yaeba, „Ich werde Euch nicht mit ihm alleine lassen!“ Sie lacht amüsiert auf. „Hör nur, was du da redest! Man könnte fast meinen, du wärst eifersüchtig!“ Yaeba errötet unwillkürlich: „Das ist... doch völliger Unsinn! Ich kann es nur nicht gutheißen, dass Ihr gerade jetzt zu Inu Taihyouga geht. Der Fürst des Nordens wird ohnehin schon schlecht gelaunt sein, wenn Sesshomaru-sama dort auftaucht. Bringt Euch doch nicht immer unnötig in Gefahr!“ Sie winkt ab: „Ich liebe eben das Risiko.“ „Ach, verdammt, Chutaisho!“, schimpft er ärgerlich. Sie seufzt resigniert: „Manchmal kannst du einfach verflucht nervtötend sein, Yaeba, weißt du das? Du gönnst mir wirklich kein bisschen Spaß! Also von mir aus! Du kannst mitkommen.“

Wortlos hat Sesshomaru diesen Disput verfolgt. Er ist überrascht. Er hätte nicht damit gerechnet, dass dieser Streuner sich ihr so beharrlich widersetzen würde. Nun ja, es soll ihm egal sein. Es bestätigt nur das, was Arashitsume sagte, dass der Ostyoukais ein etwas anders geartetes Interesse an seiner Anführerin hat.

Ohne weitere Worte wendet Sesshomaru sich um und geht davon, wohl wissend, dass zwei Paar leise Füße sich ihm rasch anschließen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  Yvibel
2014-12-14T22:24:45+00:00 14.12.2014 23:24
Ohwei, ohwei, da hat sich unser Sess ja ganz schön einwickeln lassen und jetzt wird er die "netten Leutchen" nicht mehr los. XD Das kann ja heiter werden. Tja auch ein Sesshoumaru ist nicht aus Stein auch wenn er öfter gerne mal so tut. Er könnte einem irgendwie leid tun, dass er da rein geraten ist aber momentan find ich das, noch viel mehr lustig. Und so schön umschrieben und trotzdem, ist klar was Sache ist. Wirklich toll. Tja dann, wird er da jetzt wohl durch müssen und das dicke Ende bzw. ein böses Erwachen könnte folgen. Aber da er im "Heute" noch lebt kanns so schlimm nicht gewesen sein. Ein bisschen beruhigend. Wie das Sprichwort sagt: Was einen nicht umbringt, macht einen nur stärker! Scheint auf unser Hündchen ziemlich genau zu passen.
Denn mal bis zum nächsten Kapi.^^
Yvi

Von: abgemeldet
2011-01-09T21:02:58+00:00 09.01.2011 22:02
>„Samushi, der Nishi-aitsu haut dich gleich, wenn du so weitermachst. Guck mal, der guckt schon ganz sparsam!“,

xDDDDDDD ich musst gerade echtlachen. Meine Güte, ist das ein Haufen Frechdachse xD Man merkt gleich, dass die sich nur in den Wäldern aufhalten :P

Hm 'dono' ist eigentlich eher eine veraltete Anrede für Priesterin oder generell für eine heilige Frau, ich würde da doch eher bei dem sama bleiben.
Oh Mann xD Das ist vielleicht ein Haufen xDD Ich find die irgendwie sympathisch, keine Ahnung, warum :P
Allerdings irritiert mich das etwas mit dem Körperteile abreißen @@
Ich meine, selbst bei Dämonen wachsen die nicht nach. Bei Sessy sind sie zumindest nicht nachgewachsen... also sein Arm mein ich ...
Soo... Yaeba scheint wohl auch eine kleine Schwäche für die gute Hanaki zu haben ... Hrm, irgendwie ist das nicht schwer zu erkennen, wie er sich benimmt... Na, das kann ja noch spannend werden :D
Von: Kupferschweif
2010-06-28T13:11:53+00:00 28.06.2010 15:11
Sesshoumaru bekommt jetzt also auch noch eine Romanze. Eine Dreiecksbeziehung. Liegt bei denen wohl im Blut. ^^
Wenn Sesshoumaru sich doch noch auf Hanaki einlässt, ist verständlich, warum er sie hasst. Schließlich ist es unter seiner Würde, etwas mit einer Streunerin anzufangen. Mein Verdacht, dass er Tenmarus Vater ist, erhärtet sich gerade. Sie riecht für ihn so gut, weil sie... Arre, wie soll ich das nur nennen... rollig? läufig? Jedenfalls ist sie in der Zeit, in der sie schwanger werden kann, egal wie das heißt. Hätte er das nicht eigentlich im Unterricht lernen sollen? So für später, wenn er mal verheiratet ist und es darum geht, einen Erben zu zeugen?
Ich bin jedenfalls schon gespannt darauf, was so als nächstes passiert.
Bis denne
Jenny
Von:  Vanilla_Coffee
2010-01-25T19:56:34+00:00 25.01.2010 20:56
Macht es Sesshomaru etwa Spaß kleine "Reisegruppen zu bilden" XD
Naja aber dir scheint es ja auch Spaß zu machen kursiv zu schreiben was^^
Aber warts nur ab das red ich dir schon noch aus XD
Tja aber wie immer ne hilfreiche Rückblende^^
LG Mila
Von:  KilluahZaoldyek
2009-11-23T21:27:14+00:00 23.11.2009 22:27
Na da hat sich ja etwas entwickelt. *g*
Nicht, dass Sesshomaru mehr mit Tenmaru zu tun hat, als man bisher angenommen hat. o_Ô
Jedenfalls erstaunlich, dass Sesshomaru solange bei dem Rudel geblieben ist. Er konnte es wohl damals schon nicht lassen, ´ne "Reisegruppe" zu bilden. xD

LG
Kill ^^
Von: abgemeldet
2009-10-15T10:21:08+00:00 15.10.2009 12:21
Mein Vorredner hat mal wieder alles sehr gut gesagt, was es hier zu sagen gibt.
Man könnte hier höchstens hinzufügen, dass es etwas unwirklich wirkte, dass die Dame erst Sessomaru etwas verbitet, nachher aber einen Dank ausspricht.
Das hätte, wie ich finde, besser gelöst werden können.
Na ja

JLP
Von:  Hotepneith
2009-10-14T20:02:49+00:00 14.10.2009 22:02
Was für ein wildes Rudel aus aller Herren Hunde Länder. Die grundlegenden Unterschiede kommen hier deutlich hervor - allerdings auch eine Andeutung der Möglichkeit auf Frieden.

Wie auch immer Yaeba an seiner Chefin interessiert ist - er will sie wohl um jeden Preis vor allem und jedem beschützen. Und da der gute Sesshoumaru ein gewisses Interesse an ihr zeigt,könnte es auf der Reise nach Norden noch Ärger geben. Abgesehen davon natürlich, wenn sie am nördlichen Hof ankommen. Der Empfang wird kaum herzlich werden


bye

hotep


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