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Die Blutfehde der Youkaifürsten

von

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Hanaki

damals...
 

Die Sonne hat den Zenit schon längst überschritten und dennoch brennt sie nach wie vor unbarmherzig vom Himmel. Der Regen vom Vortag hat aus der Region eine Art Backofen gemacht. Doch Sesshomaru beschließt es einfach zu ignorieren. Er ist ohnehin auf dem Weg in den Norden, dort wird er noch früh genug Abkühlung erhalten. Bis dahin muss er es wohl tolerieren, dass die brennende Sonne alles in ihrer Macht stehende tut, um ihn erschöpft und durstig zu Boden zu drücken. Doch zum Glück ist er ja ein Daiyoukai und das bedeutet, er schwitzt nicht so schnell.

Unwillkürlich schnauft er ein wenig auf. Arashitsume sitzt jetzt bestimmt in seinem Garten und lässt sich von ein paar seinen Dienerinnen frische Luft zu fächeln. Nicht, dass er es nötig hätte, doch der Fürst des Ostens liebt es gerne bequem und luxuriös. Davon hat Sesshomaru sich in den letzten zwei Tagen zur Genüge überzeugen können. Er selbst hält wenig von Prunk und Luxus. Allzuviel Bequemlichkeit macht träge.

Auch das ist ein Grund gewesen, weshalb er Arashitsumes Angebot, noch ein paar Tage zu bleiben, abgelehnt hat. Zudem ist seine Aufgabe dort erledigt, es gibt also keinen guten Grund eine Abreise zu verzögern. Außerdem möchte er die vor ihm liegende Wanderung dazu nutzen, etwas mehr über das Streunerrudel herauszubekommen. Zwar ist das nicht zwingend notwendig, doch er ist neugierig. Außerdem kann er damit eine andere leidige Pflicht noch eine kleine Weile hinauszögern. Da er sich ja noch nicht angekündigt hat, wird Inu Taihyouga es ihm sicher nicht übelnehmen, wenn er einen kleinen Umweg macht.

Zwar hat Sesshomaru keine wirkliche Ahnung, wo er das Rudel finden kann, doch er hat beschlossen, an dem Ort zu beginnen, an dem er die Streunerin zum letzten Mal getroffen hat. Er braucht nicht lange, um die Lichtung wiederzufinden. Die Leichen sind inzwischen weggebracht worden, doch er schwere Geruch von Youkaiblut hängt noch immer in der Luft wie eine Dunstglocke. Besonders bei dieser Hitze potenzieren sich die Gerüche und der junge Fürst verzieht angewidert das Gesicht. Wenn er hier eine Witterung aufnehmen will, muss er wohl einen etwas größeren Radius ziehen.

Aufmerksam untersucht er die Umgebung um die Lichtung in etwa einem Kilometer. Gerade als er schon die Suche aufgeben will, steigt ihm eine flüchtige, kleine Note in die Nase. Das ist sie! Nun, wo er ihren Geruch in der Nase hat, wird er die Fährte nicht mehr verlieren.

Im bequemen Sprint läuft er zwischen den Bäumen entlang. Die Fährte führt ein wenig im Zickzack. Zwischendurch hält Sesshomaru mehrmals inne. Wie es aussieht hat sie sich inzwischen mit diesem Yaeba getroffen und da sind noch einige andere Fährten, die ihren Weg gekreuzt haben. Doch die Spuren laufen wieder auseinander. Offenbar nur ein kurzes Treffen.

Doch plötzlich stutzt er. Diese eine Fährte! Sesshomarus Stirn legt sich in Falten. So ist das also! Nun das verspricht ja interessant zu werden. Nun ist er erst recht entschlossen, diese Streuner einmal aufzusuchen. Doch nun macht seine Fährte urplötzlich eine eigenwillige Wendung und schlägt direkt auf die Richtung dieser anderen Fährte ein. Sesshomaru hebt die Brauen. Wenn ihn nicht alles täuscht, dann führt diese neue Spur auf direktem Weg zu Arashitsumes Palast. Oder ist das alles bloß ein Zufall? Eilig macht er sich daran, der Fährte weiter zu folgen.

Währenddessen ist die Sonne immer weiter gesunken. Es muss wohl bald Abend sein. Doch Sesshomaru stört sich nicht daran, dieser Spur kann er auch in völliger Dunkelheit folgen.

Unvermittelt tritt er hinaus auf eine Ebene. Ein großer See erstreckt sich direkt vor seinen Augen, umrahmt mit Bäumen. Zögernd kommt Sesshomaru zum stehen. Hier endet urplötzlich die Spur. Sie führt noch bis zum Ufer, doch das Wasser verschluckt auch noch die letzte Essenz des Geruches. Sie muss wohl den See schwimmend überquert haben. Innerlich flucht Sesshomaru, dass er sich ein solches Schnippchen hat schlagen lassen.

Aufmerksam sieht er sich um und zieht einmal mehr die Luft ein. Hier hängt der Geruch etwas stärker in der Luft. Sie muss erst kürzlich hier gewesen sein. Offenbar kommt sie öfters hierher. Es wird ihm wohl nichts anderes übrigbleiben, als das komplette Ufer des Sees nach ihrer Spur abzusuchen, wenn er nicht vorhat, hier auf ihren nächsten Besuch zu warten.

Auf einmal stellen sich Sesshomarus Nackenhaare auf. Irgendetwas geht hier vor. Langsam wendet er sich wieder dem See zu. Die bisher so ruhige Oberfläche wird nun urplötzlich von kleinen, schnellen Wellen überspült und ein elektrisches Knistern liegt in der Luft. Irritiert schaut Sesshomaru auf das Wasser. Hier und da sieht er nun Fische die an die Oberfläche getrieben werden und dort, mit dem Bauch nach oben, vor sich hindümpeln. Was hat das zu bedeuten?

Und auf einmal spürt er es! Eine mächtige Aura überflutet die Ebene und legt noch mal ein paar Tonnen mehr auf die ohnehin schon drückende Luft hier am See. Mehr interessiert als besorgt blickt der junge Westfürst sich um. Ein Verursacher ist zwar nicht zu sehen, doch das heißt noch nichts. Sein Blick wird nun angezogen von unzähligen, chaotisch plätschernden, kleinen Wellen die den See in einen brodelnden Kessel verwandeln.

Gerade will er das Phänomen aus der Nähe in Augenschein nehmen, als plötzlich etwas seine Aufmerksamkeit einfängt. Auf dem See, in der Nähe des Ufers bricht nun ein Kopf durch die Wasseroberfläche und mit kraftvollen Schritten bewegt sich die Person, die dazu gehört, auf das Ufer zu. Sesshomaru blickt wie gebannt auf diese Erscheinung. Sie ist es!

Mit geschmeidigen aber kraftvollen Bewegungen durchpflügt die schlanke Youkaifrau das Wasser als wäre es Gras. Ohne zu zögern, schreitet sie weiter auf den Strand zu. Ihre knielangen, schwarzen Haare schmiegen sich feucht um ihren Körper als wollten sie wenigstens ein wenig ihrer Blöße bedecken, denn sie ist vollkommen nackt. Selbst noch in der sinkenden Sonne wirkt ihre Haut unnatürlich blass und hat einen fast schon perlmuttfarbenen Teint. Natürlich hat sie Sesshomaru entdeckt und nun spielt um ihre Lippen ein sonderbares Lächeln. Ungeniert tritt sie ans Ufer und mit dunkelviolett schillernden Augen blitzt sie ihn amüsiert an.

Und nun trifft es Sesshomaru wie ein Schlag ins Gesicht. Dieser Geruch! Unter der stickigen Luft steigert sich die Intensität ihrer Witterung ins fast schon schmerzlich Unerträgliche. Das Wasser hat jeglichen Fremdgeruch fortgespült und übrig bleibt nur noch die klare, unverfälschte Essenz dieser, im wahrsten Sinne des Wortes, atemberaubenden Silhouette vor der abendlich sinkenden Sonne.

Unwillkürlich schnappt Sesshomaru nach Luft. Das hat er nicht erwartet. Niemals hätte er gedacht, dass ihm eine Witterung mal buchstäblich den Atem rauben könnte und er ist sich nicht sicher, ob ihm das gefällt.

Noch immer steht sie einfach da und blickt ihn leicht belustigt an. Er kann es nicht verhindern, dass sich sein Herzschlag beschleunigt. Fieberhaft versucht er sich zu überlegen, was er nun tun soll, doch seine Gedanken wollen einfach nicht so, wie er will. Soll er wegsehen? Das würde seine Verlegenheit nur noch deutlicher machen. Doch wenn er sie weiter anschaut, könnte sie glauben, er würde Gefallen an ihr finden. Beide Möglichkeiten behagen ihm nicht. Sie ist eine Streunerin, verdammt noch mal! Ruft er sich innerlich scharf zur Ordnung. Es ist egal was sie denkt! Er ist der Fürst des Westens! Wenn er will, kann er sie ansehen so lange er will.

Schließlich ergreift die Streunerin das Wort: „Na so was, Euch habe ich hier nun nicht erwartet.“ In diesem Moment wird Sesshomaru klar, dass es eigentlich keinen plausiblen Grund gibt, weshalb er hier ist. Aber muss er seine Anwesenheit wirklich rechtfertigen? Er schweigt, doch aus den Augen lässt er sie nicht.

Der Streunerin ist sein fixierender Blick nicht entgangen. Leicht legt sie den Kopf auf die Seite: „Gefällt Euch, was Ihr seht?“ Für einige Sekunden hängt diese Frage schwer in der Luft, während der junge Fürst krampfhaft überlegt, was er darauf antworten soll. Gefällt es ihm tatsächlich? Diesen Gedanken muss er erst einige Male hin und her bewegen, ehe er darauf eine Antwort geben kann. Er ertappt sich dabei, dass ihm zum ersten Mal in seinem Leben gänzlich die Worte fehlen.

Schließlich gelingt es ihm, seine Unsicherheit beiseitezustellen und so gleichmütig wie möglich sagt er: „Ich frage mich lediglich, ob du bereits des Lebens überdrüssig bist, so unbekümmert und freizügig wie du hier badest. Das ist sehr unvorsichtig.“ Dieses Mal erspart er sich die Höflichkeitsform.

„Sagt bloß nicht, Ihr seid um meine Sicherheit besorgt“, das Lächeln um ihren Mund hat einen leicht skeptischen Zug bekommen. „Davon kann wohl kaum die Rede sein!“, gibt Sesshomaru zurück, „Ich kann mir jedoch nur schwer vorstellen, dass ein paar Schwimmzüge zum Vergnügen, dieses Risiko wert sind.“ Ist es ihr den überhaupt nicht peinlich, wie sie so dasteht?

„Ach, das meint ihr!“, sie blickt über die Schultern und dann macht sie wieder ein paar Schritte in den See, packt rasch zu und hebt mehrere Fische heraus. „Das ist bloß Abendessen.“ Verwundert legt Sesshomaru die Stirn in Falten: „Eine etwas übertriebene Fangmethode, findest du nicht?“ „Sie ist effektiv!“, stellt die Streunerin entschlossen fest. Langsam bekommt Sesshomaru sich wieder in die Gewalt, auch wenn ihr Geruch ihn noch immer mit der Wucht einer Keule trifft. Doch selbstbeherrscht kommt er einen Schritt näher. Sie soll nicht denken, dass er ihre Stellung vergessen hätte. „Du lieferst dein Leben für ein paar Fische aus?“ Seine Stimme hat nun einen bedrohlichen Klang bekommen, und nun ist sie es, deren Augen schmal werden. „Wer sagt denn, dass ich es ausliefere!“

In diesem Moment nimmt Sesshomaru rechts von sich eine Bewegung wahr und er blickt sich um. Eine Gestalt kommt zwischen den Bäumen hervorgeschossen und einen Sekundenbruchteil später schiebt sie sich zwischen die Streunerin und Sesshomaru und richtet drohend einen Speer auf ihn. Es ist Yaeba. Sesshomaru hält inne und mustert den Krieger, der ihn wütend und entschlossen anfunkelt. „Keinen Schritt weiter, Nishi-aitsu! Oder deine Reise endet hier und jetzt!“

Mehr überrascht als eingeschüchtert hebt Sesshomaru die Brauen. Dies war scheinbar eine ernst gemeinte Drohung. Ob dieser Yaeba sich als so etwas wie ihren Leibwächter sieht? Wie töricht! Sie ist ein Daiyoukai. Sicher kann sie für sich selbst kämpfen. Doch irgendetwas sagt ihm, dass hier mehr hinter der Sache steckt. In Yaebas Augen liegt solch grimmige Entschlossenheit, dass es bereits über reines Pflichtgefühl hinausgeht. Mit halbem Kopf zurück ohne Sesshomaru aus den Augen zu lassen, fragt er nach hinten: „Chutaisho, seid Ihr in Ordnung, hat er Euch angefasst?“ Plötzlich legt sich eine Hand auf seine Schulter: „Nimm die Waffe runter, Yaeba!“ Der Befehl ist kurz und knapp. „Wir haben uns lediglich unterhalten. Es ist schon in Ordnung!“

Ruckartig fährt Yaeba herum: „Bitte, hört auf, Euch immer solchen Risiken auszusetzen!“ In seiner Stimme liegt Ärger aber auch Sorge und Resignation. Doch urplötzlich reißt er die Augen auf und hastig wendet er sich wieder ab. Sesshomaru erkennt selbst von hieraus, dass er errötet. „Und bekleidet Euch doch, verdammt noch mal!“, setzt er zerknirscht hinzu.

Sie seufzt entnervt. „Ach, was du nur wieder hast!“ Für einen kurzen Moment senkt sie den Blick, dann hebt sie ihre Hand, die nun von einem zart rötlichen Licht umwabert wird und presst die Faust auf die Brust. Augenblicklich hüllt der rötliche Schimmer ihren gesamten Körper ein und nur Augenblicke später formen sich Konturen von Kleidung. Das Ganze dauert nur ein paar Sekunden und als das Licht verblasst, trägt sie einen edlen, hellblauen Hakama und einen türkis-weiß gemusterten Kimono. Darüber ist ihr Oberkörper in einen fein verzierten Lederbrustpanzer gehüllt und über ihre Schultern wallt ihr nun je ein hüftlanger Strang dunkelgrauer Pelz herab. Ihre Haare sind trocken und zu einem langen Zopf auf dem Hinterkopf zusammengebunden. Nur links und rechts hängt ihr eine Strähne schwarzes Haar am Gesicht bis zu dem blau-weißen Gürtel herunter.

Unwillkürlich beeindruckt, schaut Sesshomaru sie an. In dieser Kleidung wirkt sie in der Tat eher wie ein Daiyoukai als wie ein dahergelaufener Streuner. „Ich dachte mir, diese Kleidung ist wohl ein wenig angemessener als meine übliche“, sagt sie nun mit einem leichten Lächeln, „Wir haben schließlich hochherrschaftlichen Besuch.“ „Wer sagt, dass ich zu Besuch bin?“, gibt Sesshomaru zurück. Ihre Brust hebt sich etwas als sie nun ihrerseits die Luft prüft. „Wie ich sehe, habt Ihr den Fürsten des Ostens bereits aufgesucht. Und da Ihr noch nicht versucht habt, mich zu töten, muss ich wohl annehmen, dass Arashitsume es nicht geschafft hat, Euch für seine Sache zu gewinnen. Somit interessiert es mich durchaus, zu welchem Zweck Ihr nun hier seid.“

Sie versteht es, sich gewählt auszudrücken, stellt Sesshomaru fest. Man merkt ihr ihre adlige Abstammung an. Trotzdem liest er in ihren Worten nichts von den Täuschungsversuchen, die Arashitsume angedeutet hat. Ein mal mehr ist sein Interesse geweckt.

„Dein Bruder hat in der Tat verschiedenes über dich erzählt“, entschließt er sich zum Gegenangriff überzugehen, „Doch ich bilde mir lieber selbst meine Meinung!“ Für einen kurzen Moment hält sie innen. Dann macht sie ein paar Schritte auf Sesshomaru zu: „So, hat er Euch das also verraten?“ Sesshomaru lässt sie nicht aus den Augen. Wieder steigt ihr eigenartig verlockender Geruch zu ihm auf. „Früher oder später, hätte ich es ohnehin bemerkt“, entgegnet er, „Mein Geruchssinn ist ausgezeichnet!“ „So, ist er das?“, kommt die leicht herausfordernde Frage. Wieder mach sie ein paar Schritte auf ihn zu.

Mit jedem Schritt nimmt ihr Duft an Intensität zu. Sesshomaru muss unwillkürlich nach Luft schnappen, doch er versucht mit aller Selbstbeherrschung, sich nichts anmerken zu lassen, doch sein gesamter Körper wird steif dabei. In seinem Kopf purzeln die Gedanken durcheinander und ein wohliger, warmer Dunst legt sich über seine Sinne. Was, zum Teufel, tut sie mit ihm?

Um sich wieder in den Griff zu kriegen, mach er ein paar rasche Schritte an ihr vorbei und tritt an das Ufer des Sees. Hier lässt es sich leichter atmen. Er mag es nicht zugeben, aber was auch immer diese Frau mit ihm macht, es ist sehr effektiv! Ob das ein Test ist, ein Test, der seine Selbstbeherrschung prüfen soll? Was wird sie tun, wenn er sich auch nur die kleinste Blöße gibt? Verdammt, er verliert schon wieder die Initiative. Das kann er nicht zulassen. Nicht gegenüber einer Streunerin! Dann würde er für alle Zeiten sein Gesicht verlieren.

Er schluckt einmal schwer, dann unterwirft er seine Zunge wieder seiner Kontrolle. „Dein Bruder hat offenbar recht gehabt. Du gefällst dir tatsächlich in der Rolle der Fürstentochter“, zu seiner Irritation gesellt sich nun auch Ärger, „Doch du bist nichts weiter als eine Streunerin!“, er wendet sich zu ihr um, „Keine Garderobe der Welt wird das ändern!“

Zum ersten Mal liegt nun Verblüffung auf ihrem Gesicht. Doch dann legt sich ihre Stirn verärgert in Falten: „Was hat denn mein ach so vollkommener, fürstlicher Bruder sonst noch so über mich erzählt?“ Erleichtert darüber, etwas Initiative zurückgewonnen zu haben, macht Sesshomaru wieder einen Schritt auf sie zu. „Eine ganze Menge. Er erzählte wie du deinen Vater verraten und das Geschenk für Inu Taihyouga gestohlen hast. Dann wärst du zusammen mit der Delegation aus dem Norden geflohen und dein Vater wurde von Inu Taihyouga getötet.“

Sesshomaru behält die Youkaifrau genau im Auge. Ihre Miene wechselt bei der Schilderung zunächst zu purer Erheiterung doch letztendlich zu mühsam unterdrücktem Ärger. Täuscht er sich, oder schieben sich ihre Reißzähne etwas unter ihren Lippen hervor. Überrascht stellt er fest, dass ihr Geruch sich leicht verändert hat, nun ist es etwas erträglicher. Dadurch ermutigt fügt er noch hinzu: „Versuch also nicht so zu tun, als würdest du auf einer Stufe mit mir stehen! Du bist eine Streunerin, eine Verräterin und eine Diebin und du tätest gut daran, zu erkennen wo dein Platz ist. Sei froh, dass ich noch so gnädig mit dir bin!“

Hoch aufgerichtet steht er da. Er legt so viel Geringschätzigkeit in diese Worte wie ihm möglich ist. Wie er nun feststellt ist auch Yaebas Gesicht mit jedem weiteren Wort finsterer geworden. Der Ostyoukai fletscht sogar die Zähne und fasst seine Waffe erneut fester. Drohend wendet er sich an Sesshomaru: „Hütet Eure Zunge, Nishi-aitsu! Wagt es nicht noch einmal in diesem Ton mit Chutaisho zu sprechen. Was wisst Ihr denn schon?“ Doch einmal mehr wird er unterbrochen. Mit einer ehrfurchtgebietenden Handbewegung schiebt Hanaki ihren Befehlshaber beiseite. Hoch aufgerichtet tritt sie auf Sesshomaru zu. Ihrem Blick fehlt nun jegliches Lächeln.

„Ihr glaubt, alles über mich zu wissen, doch Ihr solltet besser kein Wort von dem glauben, was mein Bruder sagt.“ „Seltsam!“, meint Sesshomaru herablassend, „Das Gleiche sagte er auch über dich.“ Ihr Gesicht läuft purpurrot an und ihre Nasenflügel flattern. Als sie spricht ist ihre Stimme ein Grollen: „Arashitsume hat Euch von dem Geschenk erzählt, ja? Hat er denn auch erwähnt, dass ich dieses Geschenk sein sollte?“ Verblüfft schaut Sesshomaru sie an. Damit hat er tatsächlich nicht gerechnet.

Ärgerlich verschränkt Hanaki die Arme. „Bei einem Besuch von Inu Taihyouga stellte mein Vater fest, dass der Fürst des Nordens... nun, Gefallen an mir gefunden hatte. Also beschloss, er mich mit Inu Taihyouga zu verheiraten. Er hoffte so, Einfluss über den Norden zu bekommen. Mein Vater hatte schon immer ein großes Interesse daran, Macht zu erlangen.

„Und ja, ich weigerte mich! Ich sagte den beiden Kriegern aus dem Norden, die mich abholen sollten, dass ich nicht mit ihnen gehen würde und sie gerne versuchen könnten, mich aufzuhalten. Wie sich herausstellte, hatten die beiden nicht mit so viel Widerstand gerechnet.“ An dieser Stelle muss sie ein wenig schmunzeln, als würde sie sich an etwas Lustiges erinnern. „Letztendlich hatten sie kein Interesse, es auf einen Kampf mit mir ankommen zu lassen, also ließen sie mich ziehen. Doch da sie um ihr Leben bangen mussten, wenn sie unverrichteter Dinge zu Inu Taihyouga zurückkehren würden, beschlossen sie kurzerhand, sich mir anzuschließen. Mein Vater wurde sehr zornig, als er es erfuhr und vor Wut verstieß er mich aus unserem Clan. Natürlich war auch Inu Taihyouga sehr verärgert. Er warf meinem Vater Verrat vor und zog gegen ihn in die Schlacht. Bei diesem Kampf wurde mein Vater von Inu Taihyouga getötet.“

„Soweit hätte es gar nicht erst kommen müssen“, unterbricht Sesshomaru sie ernst, „Dieser Kampf wäre zu vermeiden gewesen. Du hättet einfach deiner Familie die Treue halten müssen. Immerhin warst du eine Fürstentochter. Wenn der Frieden eures Reiches deine Freiheit kostet, dann ist das nur ein geringer Preis, findest du nicht? Es ist zutiefst schändlich sein Reich im Stich zu lassen. Ein Fürst sollte immer das Wohl seines Reiches vor das eigene stellen. Wenn du dazu nicht bereit bist, verdienst du es nicht, eine Prinzessin zu sein!“

Sprachlos blickt sie ihn an. Entgeistertes Erstaunen liegt auf ihrem Gesicht. Es dauert einige Sekunden ehe sie ihre Sprache wieder findet. Als sie spricht ist ihre Stimme leise und kein bisschen mehr aggressiv: „Ich will... nicht behaupten, dass ich alles richtig gemacht habe, aber glaubt Ihr denn, ich hätte es nur aus Abneigung gegen Inu Taihyouga getan? Wäre es so, hättet Ihr sicher recht. Doch ich tat es, um meinen Vater vor einem gewaltigen Fehler zu bewahren!

„Inu Taihyouga ist vielleicht wild und unbeherrscht, aber er ist gewiss nicht dumm! Selbst er wäre in der Lage, aus einer solchen Heirat Profit zu schlagen. Wäre ich seine Frau, stünde ihm der Weg zum Osten offen. Diese Heirat hätte dazu geführt, dass die beiden Reiche nicht mehr für sich selber stehen könnten und bei einem direkten Kräftemessen, würde mein Vater sicher unterliegen, wie wir ja leider erkennen mussten.“

Sie senkt den Blick. „Ich habe versucht ihn zu überzeugen, doch er war zerfressen von Gier!“, sie ballt die Faust, „Ich sah einfach keinen anderen Weg, um ihn aufzuhalten, als zu fliehen. Doch als ich hörte, dass er gegen Inu Taihyouga zu unterliegen drohte, konnte ich nicht mehr fern bleiben. Kegawa und Samushi begleiteten mich und gemeinsam fielen wir in den Kampf mit ein. Mein Vater war bereits tödlich getroffen, doch... wir kämpften verbissen weiter und schlugen Inu Taihyouga in die Flucht.

„Mein Vater war bereits tot und da ich noch immer eine Ausgestoßen war, wurde Arashitsume der neue Fürst. Es stand nun in seiner Macht, mich wieder in den Clan aufzunehmen. Doch er weigerte sich! Er warf mir Verrat vor und, dass ich alleine Schuld am Tod unseres Vaters wäre. Doch einige seiner Soldaten konnten meine Gründe verstehen“, sie wirft einen fast schon milden Blick auf den Ostyoukai neben ihr, „Sie hielten zu mir und versuchten, ihn zu überzeugen, doch er blieb hart.

„Ich befürchte, dass er eingeschüchtert war von meiner Stärke. Wahrscheinlich hatte er Sorge, ich könnte ihm die Macht entreißen, wenn ich wieder in den Clan aufgenommen würde, denn ich bin die Ältere von uns beiden.“ Ein schiefes Lächeln zieht über ihr Gesicht, „Kann man sich das vorstellen? Er bot mir an, mich wieder aufzunehmen, wenn ich doch noch in die Heirat einwilligen würde. Er hoffte wohl Inu Taihyouga damit von einem Vergeltungsschlag abhalten zu können.

„Doch ich hatte einfach genug davon! Ich wollte nicht Fürstin werden, ich wollte einfach nicht mehr hören, dass die Leute sich mehr für meinen Rang interessieren als für meine Taten. Ich schwor Arashitsume zu beweisen, dass ein Status ohne Taten und Würde keinen Wert besitzt, dass man sich Respekt verdienen muss und ihn nicht einfach einfordern kann. Doch davon wollte er nichts hören. Er jagte mich fort und auch alle die zu mir hielten. Doch obgleich wir jetzt Ausgestoßene sind und keine Heimat mehr besitzen, fühle ich mich doch meiner ursprünglichen Heimat verbunden. Ich gehe nicht oft aus dem Osten fort, auch wenn Arashitsume das gerne sehen würde. Doch er wagt nicht, etwas gegen uns zu unternehmen. Er fürchtet noch immer unsere Stärke und unsere Einheit, denn auch wenn Arashitsume es nicht wahrhaben will, so erinnert er sich noch gut an den Kampf von damals und daran, wie wir Inu Taihyouga in die Knie zwangen.“

Hier endet sie. Aufmerksam hat Sesshomaru zugehört. Er ist erstaunt. Diese Erklärung leuchtet ihm mehr ein, als die Geschichte die der Fürst des Ostens erzählt hat, doch sagte er nicht auch, dass seine Schwester eine gute Schauspielerin sei? Er kann sich nicht helfen, trotz allem, glaubt er eher ihr als ihrem Bruder. Und ob er will oder nicht, irgendwie kann er ihre Gründe nachempfinden. Die Frage bleibt jedoch immer noch, ob er ihr trauen kann.

Er ertappt sich dabei, das er ihr gerne glauben würde. Eine kleine Weile lang bewegt er ihre Worte in seinen Gedanken. Schließlich sagt er: „Warum erzählst du mir das alles? Es ist nicht meine Aufgabe, über diese Angelegenheit zu urteilen. Für mich kann nur von Interesse sein, ob von euch Streunern oder von den Fürsten der anderen Reiche eine Gefahr für den Westen ausgeht. Eure innenpolitischen Zwistigkeiten sind für mich wenig von Bedeutung, solange ihr sie nicht zu außenpolitischen macht.“

Sie hebt den Kopf und blickt ihn direkt an: „Ich erzähle Euch das, aus den gleichen Gründen weshalb Ihr hier seid! Ich trage die Verantwortung für meine Leute, sowie Ihr für die Euren. Auch ich muss wissen, ob der neue Fürst des Westens für mein Rudel eine Gefahr darstellt. Das war auch der Grund warum ich Euch neulich aufsuchte.“

Nun ist es an Sesshomaru die Initiative zu übernehmen. „Und zu welchem Schluss bist du gekommen?“ Für einen Moment mustert sie ihn abschätzend. „Ich denke, eine Art Waffenstillstand ist wohl die treffendste Bezeichnung. Was meint Ihr?“, gibt sie die Frage zurück. Sesshomaru überlegt kurz, da ist noch diese eine offene Frage. „Das werde ich entscheiden, nachdem ich dein gesamtes Rudel kennen gelernt habe.“

Sie nickt kurz. „Das klingt annehmbar!“ Nun wendet sie sich an Yeaba: „Ruf sie zusammen!“ Der Angesprochene bestätigt durch ein rasches Kopfnicken, dass er verstanden hat. Trotzdem wirft er Sesshomaru einen finsteren Blick zu und verlässt offenbar nur widerwillig die Seite seiner Anführerin.

„Nehmt ihm sein Verhalten nicht übel!“, bemerkt sie als der Krieger zwischen den Bäumen verschwunden ist, „Er nimmt seine Aufgabe sehr ernst. Ich wünschte, ich könnte das von all meinen Untergebenen sagen. Er ist der einzige dem ich vollkommen vertraue.“ Sie lächelt ein wenig. Ihr Duft nimmt nun wieder an Intensität zu. Sesshomaru schluckt einmal schwer. Macht sie das mit Absicht, oder hat es andere Gründe? Doch er hat noch nie von jemandem gehört, dessen Geruch sich willkürlich ändern ließe. Zu gerne wüsste er was dahinter steckt, doch er fragt lieber nicht. Lieber beißt er sich die Zunge ab, als zuzugeben, dass ihn ihr Geruch erregt.

Da plötzlich hebt Hanaki den Kopf. „Ah, sie sind da!“, sagt sie. Nur wenige Augenblicke später fallen um sie her sechs Youkais herab und kommen geschmeidig wieder zum Stehen. Sessomarus Gesicht legt sich in Falten als er die Neuankömmlinge mustert, denn er blickt nun in fünf purpurne, zwei eisblaue und ein goldgelbes Paar Augen.



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Kommentare zu diesem Kapitel (7)

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Von:  Yvibel
2014-12-14T18:15:45+00:00 14.12.2014 19:15
Und wieder hat sich ein Stückchen Vergangenheit offenbart. Trotzdem kann man sich noch nicht eindeutig festlegen wem von den Geschwistern man nun glauben soll. Rein intuitiv wäre ich auch mehr für die Frau. Aber ich habe mich ja schon öfter mal geirrt. Also abwarten. War sehr schön beschrieben, gerade mit dem See und der Umgebung klang fast ein wenig poetisch.^^
Plus die Situation, die ich nicht lesen konnte ohne ein anhaltendes, leichtes Grinsen. Tja, die Waffen der Frauen...da ist eine zugute Nase manchmal wohl doch eher ein Fluch. *g*
Okay, jetzt weiß man wieder etwas mehr und ich bin gespannt was noch kommt.
Bis dahin denn.^^
Yvi
Von: abgemeldet
2011-01-09T20:05:26+00:00 09.01.2011 21:05
Oh, ein Rückblickskapitel :3
Anstatt damals würd ich an deiner Stelle das eher kursiv setzen, das sieht besser aus und man ist nicht so leicht verwirrt, wenn man daie FF am Stück liest...

Doch zum Glück ist er ja ein Daiyoukai und das bedeutet, er schwitzt nicht so schnell.

Ich weiß nich, ich find den Satz irgendwie überflüssig ...
Bequemer Sprint? Findest du nicht, dass sich das ein bisschen widerspricht?

Oho, da ist Sessy wohl der Geruch ein wenig zu Kopf gestiegen. Tja, das Weibsvolk, schafft es aber auch immer, was :D

Wenn er will, kann er sie ansehen so lange er will.
Ich dneke mal, du siehst, was an dem Satz nicht so hübsch klingt ;)

Kimono und Hakama? Du meinst Hakama und Haori, wenn dann :3
Irgendwie scheint dir die Kleidung nicht sonderlich zu liegen, was :P
Uh, ich merke gerade, wie anstrengend es ist, ein Kapitel zu lesen, wo so enige Absätze drin sind... Vielleicht hab ich es ja schonmal angemerkt, aber ich würde dir raten immer dann eine neue Zeile zu beginnen, wenn eine andere Person spricht :3
Ansonsten finde ich das Gespräch zwischen den beiden sehr interessant. Und vor alllem, wie Sessy hin und hergerissen ist, zwischen dieser Anziehung und damit, sein Gesicht zu wahren xD
Man merkt ihm echt an,d ass er in diesem Flashback noch um einiges jünger und unreifer ist.
Das bringst du wirklich gut rüber :3

Sooo Das is doof, an so einer Stelle aufzuhören xD. Ich will wissen, wie es da weitergeht :x
Aber ich bewundere dich mal wieder darum, wie du es schaffst, das alles so gut rüberzubringen, ich glaube, ich hätte mich schon längst irgendwie verzettelt XD
Von: Kupferschweif
2010-06-28T13:11:16+00:00 28.06.2010 15:11
Jetzt wird also langsam geklärt, was Sesshoumaru gegen Hanaki hat. Hoffe ich jedenfalls, das interessiert mich nämlich wirklich. Ich krieg so langsam den Verdacht, dass Hanaki Tenmaru zu Sesshoumaru geschickt hat, weil Sesshoumaru ihr nicht wiederstehen konnte und Tenmarus Vater ist.
Wenn das wahr sein sollte, will ich Sesshys Gesicht sehen, wenn er das erfährt, wenn es nicht wahr sein sollte, geh ich in eine Ecke und mal Kreise in den Sand, bis meine Fantasie mich wieder in Ruhe lässt. ^^
Freu mich wirklich schon auf die Auflösung dieser Geschichte.
Bis denne
Jenny
Von:  Vanilla_Coffee
2010-01-25T19:45:30+00:00 25.01.2010 20:45
Sehr interresante Rückblende^^ Ich sehe schon. Rückblenden können echt hilfreich sein -.- Das sollte ich mir wohl mal merken^^
Aber tolles Kappi mal wieder^^ (Ich weiss das sag ich immer XD)
LG Mila
Von:  KilluahZaoldyek
2009-11-23T20:46:36+00:00 23.11.2009 21:46
Sososo, interessant.
Aber Sesshomaru hat ja gut erkannt, dass er besser ihr Glauben schenken kann, als ihrem Bruder.
Auch wenn er durch sie oder eher gesagt durch ihren Geruch verwirrt wird. xD
Hoffentlich bekommt man noch mehr von den Treffen der beiden mit. =)

LG
Kill ^^
Von: abgemeldet
2009-10-08T07:34:54+00:00 08.10.2009 09:34
Es ist gut, ein wenig von der Vergangenheit zu erfahren.
Warum Sessomaru die Streuner nicht mag, ist eher nicht herauszulesen, außer es ist gemeint, er mag es nicht, dass sie trotz ihres Statuses so stolz sind, dass die Dame ihn so betört(^^), und die meisten nichts auf seinen Stand zu geben scheinen.

Der Schreibstiel ist meiner Meinung nach super.
Ich habe das Kapitel sehr genossen

JLP
Von:  Hotepneith
2009-09-29T16:53:16+00:00 29.09.2009 18:53
Ohne Zweifel ein äußerst interessantes Zusammentreffen...Zumal der junge Fürst des Westens ein wenig fasziniert von der jungen Dame zu sein scheint.Andererseits hat er ja die Warnungen vor ihr durchaus im Ohr. Mal sehen, wie er sich entscheidet, wenn er die anderen Streuner kennenlernt.
Yaeba ist ja eifrig darauf bedacht, seine Rudelchefin zu schützen. Entweder er ist ein sehr treuer Leibwächter oder es steckt mehr dahinter.
Auf jeden Fall wird sich ja wohl aus diesem Zusammentreffen einiges in der gegenwärtigen Geschichte erklären lassen.

bye
hotep


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