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The waves of time

Eine Geschichte von Liebe, Schmerz und Tod. Und von Wiedergeburt…
von

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Decisions

"Liebe ist ein geistiger Vorgang, verbunden mit der Geschichte, die wir in uns tragen."
 

Federica de Cesco
 

**********************************
 

Still und dunkel lag der Wald unter einem wolkenverschleierten Vollmond.

Der markante Schatten des Universitätsgebäudes hob sich vor dem noch dunkleren Hintergrund nur dadurch ab, dass hin und wieder das Licht dieses Mondes von einem Fenster aufgefangen und zurückgeworfen wurde, wie kleine, forschende Augen, die in die Nacht spähten.

Doch der Wald jenseits des Gebäudes, der sich so weit das Auge reichte über das großflächige Campusgelände zog, war vollkommen schwarz.

Nur ein einzelnes, beinahe schon verschwindend schwaches Leuchten drang warm durch die Zweige der Bäume, die eine nicht allzu weit entfernte Lichtung umgaben.
 

Himura Kenshin saß mit verschränkten Beinen, nur mit einer baumwollenen Hakama bekleidet, auf seinem Futon und schrieb etwas in ein in dunkelrotes Seidenpapier geschlagenes Buch. Die Ruhe und der Frieden, die er hier draußen im Wald fand, waren Balsam für seine geschundene Seele. Er hatte daher gebeten in dieser kleinen, bescheidenen Jagdhütte wohnen zu dürfen, während er an dieser Universität dozierte. Man hatte den jungen Japaner schräg angesehen und viel darüber geredet, das wusste er sehr wohl. Doch es war ihm gleich. Sollten sie reden. Sie, die nicht einmal im Entferntesten ahnten, was er erlebt hatte.

Trotz des Friedens den er hier zu finden glaubte, hier draußen im Wald, war es doch so, dass die Vergangenheit ihn auch hier immer wieder einholte. Es war völlig gleich wo er sich befand. Fortlaufen nutzte ohnehin nichts mehr. Denn das, was er getan hatte, trug er in sich und für immer mit sich durch all die Leben, die ein grausames Schicksal ihm noch vorbehalten mochte.

Eine einzelne Träne rann über seine Wange. Sie verharrte für eine winzige Sekunde an einer Stelle, wo seine Haut unebener schien. Im milden Licht der papiernen Laterne konnte man nun einen leichten Schatten auf seiner linken Wange ausmachen, der die Form einer kreuzförmigen Narbe besaß. Die Träne rann weiter, verharrte an dem schmalen Kinn um dann, funkelnd, in seinen Schoß zu fallen.

Es war wie jede Nacht, seit er hier war. Es war genau wie jede einzelne, schwere, schwarze Nacht aller Leben, die er bislang gelebt hatte. Auch in dieser Nacht war er von Träumen geplagt worden. Schöne Träume von geliebten Menschen, die mehr wehtaten, als es Albträume jemals vermochten.

Und wieder war er stöhnend, schreiend aufgewacht, in Schweiß gebadet. Sein nackter Oberkörper glänzte im Licht der Laterne, die er immer brennen ließ, denn aus der Dunkelheit mochten die Träume plötzlich nur allzu reale Schatten zu ihm schicken. Seine Brust hob und senkte sich rasch, sein Herzschlag raste. Er schloss die Augen. Und wie jede Nacht begann er seine Träume und Gedanken niederzuschreiben. Der einzige Trost in all den Jahren und all diesen Leben, die er zu leben hatte.
 

Er war so müde.

So unendlich müde.

Warum durfte der Wanderer noch immer nicht ruhen?

War noch immer zu viel von einem Hitokiri in ihm? Hatte er nicht in all seinen Leben genug Menschen, genug Seelen gerettet und ins Licht geleitet, dass es seine Schuld sühnte?

Die Antwort war einfach und stand ihm jedes Mal, wenn er aufs Neue in ein Leben trat, in leuchtenden Lettern vor seinen brennenden Augen.

Nein.

Es würde niemals enden und auch niemals vorbei sein. Was er getan hatte ließ sich nicht vergelten. Niemals. All diese Menschen, denen er den Tod gebracht hatte. Doch unter all diesen Morden wog einer am schwersten.

Nein, es waren zwei.
 

„Tomoe… Kaoru…“, flüsterte er rau.

Der Schmerz wurde für einen Moment übermächtig. Er führte die rechte Hand an seine linke Wange und seine schlanken Finger zeichneten langsam das Kreuz, die Narbe nach.

Beide Frauen hatte er über alles geliebt. Doch beide Frauen hatte er durch die eigene Hand verloren.

Die eine erstochen, die andere mutwillig angesteckt mit einer unheilbaren Krankheit.

Das erste hätte er vielleicht nie verhindern können. Sie hatte sich im Kampf einfach dazwischen geworfen um ihn zu schützen. In Wahrheit hatte es den Tod für Tomoe bedeutet – und vielleicht hatte sie dies auch gewusst.

Aber Kaoru… Weitere Tränen traten lautlos aus seinen schmerzerfüllten, dunkelblauen Augen. Kaoru…

Er hätte nein sagen sollen. Er hätte sie in jener einen, endlosen Nacht einfach nicht lieben dürfen. Auch und gerade da sie es so gewollt hatte. Er hätte für sie beide denken müssen, er hätte sie für ihrer beider Sohn schützen müssen.

Für Kenji.
 

‚Großer Gott!’, dachte Kenshin. ‚Wenn ich auch so vieles falsch gemacht habe während meines Daseins, ist denn dieses eine, wunderbare Leben, das wir geschaffen haben, nicht ausreichend um zu sühnen?’

Kenjis Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf. Sein wunderbares Lächeln, als er noch klein gewesen war.

Himura verbarg das Gesicht in den Händen und weinte lautlos, seine Schultern bebten. Niemand war da, der ihn hören konnte. Und kein Gott schien das Leid dieses Menschen überhaupt zu ahnen.

Es war wie jede Nacht.

Es war wie in jedem Leben.
 

Er kam nicht wirklich jedes Mal neu zur Welt, wuchs von einem Säugling zu einem Mann heran. Nein. Es war anders.

Seltsamer.

Es war… nein. Er konnte es nicht wirklich beschreiben.

Seine Seele, sein Bewusstsein lebten einfach immer fort, wurden in einen anderen Menschen hineinversetzt, in gewisser Weise übertragen. In dem Moment WURDE dieser andere Mensch dann zu ihm, Kenshin Himura. Er war immer noch derselbe, wie vor vielen, vielen Jahren, vor über zweihundert Jahren. Und er hatte in dieser Zeit mehr als sechs Leben gelebt. Er hatte irgendwann aufgehört zu zählen. Immer wieder von neuem, jedoch immer wieder in eine andere Zeit verschlagen, erlebte er dieselbe, tragische Geschichte. Verdammt dazu, jedes weitere Leben mit der Erinnerung an die vorangegangenen zu verbringen. Wer oder was auch immer dafür sorgte, dass er all diese Qualen immer wieder aufs Neue zu erleben hatte, wusste er nicht. Er wusste nur, dass es kein Entrinnen gab. Wenn er sich das Leben nahm kehrte sein Bewusstsein in einer anderen Gestalt wieder und immer wieder.

Und er traf sie.

In jedem dieser Leben.

Tomoe und Kaoru.

Sie waren es niemals wirklich, genauso wenig wie er es jemals wirklich, zumindest in Gestalt, war, der da ruhelos durch immer wieder ein neues Zeitalter wanderte. Aber er erkannte ganz zweifellos ihren Charakter, ihr Art, ihre Sanftmut und gleichzeitige Stärke sofort, wenn er sie vor sich hatte. Und er konnte nichts gegen die Gefühle tun, die ihn immer wieder dazu zwangen, diese Frauen auch in jedem weiteren Leben bedingungslos zu lieben, zu schützen – und zu verlieren. Wieder und wieder.

Durch Krankheit, Unfall oder andere schreckliche Ereignisse …

Er verlor sie.

Und meist trug er auch wieder die Schuld an ihrem Tod.

Wieder und wieder starb der geliebte Mensch in seinen Armen.

Wieder und wieder musste er miterleben, wie seine Welt in Trümmern lag, gerade wenn er anfing, sich in der neuen Welt und Zeit zurechtzufinden. Und er war gezwungen zu altern und zu leben. Die ganze Zeit über in der grausamen Gewissheit, so viele Menschen getötet und auch seine Geliebte auf dem Gewissen zu haben. Bis er ein weiteres Mal in ein anderes Leben gerufen wurde.

Ein Teufelskreis, aus dem es kein Entrinnen gab.
 

Er hatte gehofft, dass es in diesem Leben anders sein würde.

Er war zum ersten Mal fortgezogen aus seiner Heimat. Zum ersten Mal seit er WIRKLICH gelebt hatte. Und er war nun so weit wie möglich entfernt von dem Land, dass er seine Heimat nannte. In diesem kühlen, reservierten und altehrwürdigen Land namens England hatte er gehofft, nun endlich Ruhe zu finden, vielleicht irgendwann alt werden und sterben zu können, um niemals mehr zurückkehren zu müssen.

Doch anscheinend sollte dem nicht so sein.

Auch dieses Mal nicht.

Denn da war sie….
 

Es war anders als die anderen Male zuvor.

Dieses Mädchen… Sie rief in ihm dieselben Gefühle wach, wie es seinerzeit Tomoe oder später Kaoru getan hatten. Doch er konnte sie dennoch nicht vergleichen. Irgendetwas… war anders als sonst. Intensiver. Fremder. Aufregender.

Wo es vorher so war, dass er Tomoe oder Kaoru eindeutig in seinem Gegenüber ausmachen konnte, so war es dieses Mal so, dass diese junge Frau, Madoka Sakurai, Eigenschaften von BEIDEN in sich vereinte. Oder auch KEINE deren Eigenschaften wirklich besaß. Sie war… es war seltsam, aber sie war wer sie war, ganz sie selbst und niemandes Geist oder Bewusstsein aus der Vergangenheit schien in ihr verborgen. Dennoch verspürte er eine solch tiefe Verbundenheit zu ihr, dass es ihn erstaunte. Ungleich heftiger und tiefer waren seine Gefühle, stärker als in jedem anderen Leben zuvor. Und doch konnte er sie nicht an sich heranlassen…

Sie faszinierte ihn. Er hatte in ihren Augen das Verständnis gesehen, ein Verständnis für sein Leid, von dem sie selbst wahrscheinlich noch nicht einmal wirklich wusste, dass sie es empfand. Er hatte diese… Zuneigung gesehen, die eindeutig da war, obwohl sie ihn nie zuvor gekannt hatte.

Zuvor war es anders gewesen. Wenn er in einer Frau Tomoes oder Kaorus Gegenwart gespürt hatte, so war es auch umgekehrt so gewesen, dass diese Frau auch ihn zweifelsfrei wieder erkannte. Es war nicht wirklich so, dass sie sich dann bei ihren Namen nannten, aber da war ein gegenseitiges (Ein-)Verständnis, das ohne Zweifel bewies, dass sie nicht nur in diesem einen Leben füreinander bestimmt waren.

Doch nun… Dieses Mädchen, Madoka, verwirrte ihn. Auf der einen Seite verspürte er das Verlangen (sehr stark) sie zu beschützen, vielleicht auch sie zu lieben. Auf der anderen Seite war sie eine völlig Fremde für ihn. Ein Widerhall der Liebe und Gefühle, die ihm diese Beiden wichtigsten Frauen in seinem Leben, Tomoe und Kaoru, entgegengebracht hatten, fand er auch in ihr – oder glaubte dies zumindest. Aber da war auch sehr viel von einem Mädchen, einer jungen Frau, die er nicht kannte, von Madoka Sakurai. Sie war eindeutig mehr sie selbst als jede Frau, deren Körper zuvor den Geist seiner früheren Geliebten beherbergt hatte.

Und das irritierte ihn.

Liebte er sie oder wollte er in ihr nur etwas sehen, was in Wahrheit gar nicht da war?

Wohin würde das führen?
 

Madoka…

Er dachte daran wie sie lächelte. Und er dachte an ihre Ungeschicktheit auf der Treppe im Hof. Er musste lächeln, obwohl seine Wangen noch immer feucht waren und die Tränen sein langes, dunkelrot schimmerndes Haar benetzten. Er dachte an die Tiefe ihrer Gefühle, die sich deutlich in ihrem Blick widerspiegelten, als Enishi ihn zum Kampf herausgefordert hatte.

Und sein Körper, sein Geist und seine Seele hatten darauf geantwortet. Schon vom ersten Tag an.

Nein. Kein Zweifel, sie hatte Eigenschaften, die er schon an Tomoe und auch an Kaoru sehr geschätzt und geliebt hatte. Aber hieß das denn auch, dass sie gekommen war, um ein weiteres Mal für ihn, nein, DURCH ihn zu sterben? Hieß das, dass sie wirklich DIEJENDIGE war, die ihm in diesem weiteren Leben das Herz aus dem Leib reißen würde?

Auf den Punkt gebracht: Würde er diesen wundervollen Menschen töten? Nur weil es ein grausames Schicksal so wollte?
 

Er hatte gehofft und gebetet. In jedem einzelnen Leben seit seinem Tod in Kaorus Schoß vor so langer Zeit. Er hatte jedes Mal gebetet, dass man ihm die Frau die er liebte nicht nehmen würde, dass er an ihrer Seite alt werden durfte. Jedes Mal.

Doch seine Gebete waren nie erhört worden.

Das brachte ihn nun dazu eine tief verwurzelte Angst zu empfinden, vor dem was kam und vor seinen eigenen Gefühlen.

Er konnte nicht verhindern, dass er sich verliebte. Das war wie ein ungeschriebenes Gesetz und einfach nicht zu ändern. Er und Tomoe, sowie er und Kaoru waren für immer auch durch die Zeiten miteinander verbunden und füreinander bestimmt. Und wenn dieses Mädchen hier, in dieser Zeit, an einem Ort so weit entfernt von Japan, nun Eigenschaften von diesen beiden aufwies... Das Schicksal, das ihn quälte, KONNTE gar nicht anders als dafür zu sorgen, dass er Madoka liebte.

Vom ersten Moment an. Ungleich heftiger als er es je empfunden hatte.

Sie war... anders. Dies faszinierte ihn und zog ihn magisch an.

Er wollte sie aber auch schützen vor dem grausamen Schicksal, von dem er glaubte, dass es unvermeidlich war, wenn er mit ihr zusammen sein würde.

Er konnte nicht ohne sie, aber er wollte auch nicht mit ihr sein.

Er DURFTE nicht.

In einem schwachen Moment hatte er sie zum Schwerttraining eingeladen.

Doch die Ereignisse dort, vor allem die Heftigkeit ihrer Reaktion und ihre offenen Gefühle für ihn, hatten ihm gezeigt, dass er keinen Schritt weitergehen durfte, wenn er nicht riskieren wollte, dass sie starb. Den Frauen die er liebte hatte er niemals mehr als Leid gebracht.

Er wollte sie nicht da mit hineinziehen.
 

Sein Blick fiel auf das Bild, das er neben dem Futon auf den Boden gelegt hatte. Es zeigte ihn. Sein verzweifeltes, erschrockenes Gesicht nachdem er vor den Augen Tomoes gemordet hatte, jedoch auch viel mehr das, was in seinem Inneren vorgegangen war. Und den blutigen Regen…

Er war später noch einmal zurückgegangen zum Trainingsplatz. Er wusste nicht einmal genau warum. Und da hatte er ihren Zeichenblock gefunden.

Es war Madokas Bild.

Und er begann sich zu fragen, ob sie nicht schon zu weit gegangen, ihm schon zu nahe war, als dass er sie noch schützen konnte…

Aber er hatte seine Entscheidung getroffen. Es tat unendlich weh. Aber er würde ihr von nun an aus dem Weg gehen. Er glaubte sie bereits zu sehr zu lieben, um ihr jemals, und sei es nur mit Worten, wehtun zu können.

Vielleicht war es sogar besser, wenn er England wieder verließ.
 

Draußen schrie ein Käuzchen in der Nacht.

Die Blätter an den mächtigen, alten Bäumen rauschten im aufkommenden Nachtwind. Die Kerze in der Laterne flackerte leicht, denn Himura hatte einen Fensterladen offen gelassen. Der Futon, den er sich angeschafft hatte, lag neben der Feuerstelle in der Mitte des Raumes.

Es wurde dunkler, als die Kerze langsam herunterbrannte. Doch immer noch wanderte die Hand des jungen Samurai unablässig mit der Feder über das Papier vor sich. Er schrieb und glitt in die Vergangenheit zurück. Er schrieb von früher, von seinem Leben als Wanderer. Er schrieb von den Menschen, denen er begegnet und die für ihn da gewesen waren. Sanosuke, Yahiko, Megumi, Misao… Die Erinnerung an sie, verblasst in Zeit und Gedanken, trat wieder lebendig vor seine Augen, wenn er über sie schrieb. Er hatte das Gefühl, etwas von ihnen für die Ewigkeit im Leben festzuhalten, wenn er all das aufschrieb, was geschehen war, damals zur Meiji-Zeit.

Auch die Zeiten in denen er Attentäter im Dienste der Regierung gewesen war hatte er nicht ausgelassen – beinhalteten sie doch den ersten, wirklich wichtigen Menschen in seinem Leben. Tomoe.

Er schrieb, bis seine Finger wund waren, jede Nacht. Und alles endete immer wieder bei einem einzigen Gedanken, der seinem Geist endlich ein wenig Ruhe vergönnte.

Bei dem Gedanken an seinen Sohn.

An Kenji.

Denn auch wenn das Schicksal womöglich der Meinung war, dieser Mensch hätte es niemals verdient Ruhe und Frieden zu finden, dieser Samurai hätte zu vielen Leid gebracht, so war er selbst doch fest davon überzeugt, dass DIES auf jeden Fall etwas gewesen war, dass er richtig gemacht hatte.

Und irgendwo, auf dieser großen, schnelllebigen und unablässig in Wandlung begriffenen Welt lebte vielleicht ein Nachfahre von ihm in dem Frieden, den er niemals haben würde.

Das tröstete ihn.

Und während ein blutroter Schimmer am Horizont über dem Wald im Osten einen neuen, nicht enden wollenden Tag ankündigte, schlief er endlich, endlich ein.
 

***
 

Ich schleuderte den Pinsel verzweifelt in eine Ecke des Raumes. Die Palette warf ich gleich hinterdrein und schließlich stieß ich die Staffelei vor mir auch noch um.

Außer einem mörderischen Lärm zu veranstalten erreichte ich damit jedoch nichts.

Ich stand erneut über den (nun etwas größeren) Trümmern einer Staffelei in Gladys und meinem Zimmer und erneut rollten mir die Tränen über die Wangen, die ich gar nicht weinen wollte. Nicht mehr.

Dieser IDIOT!

Alles verschwamm vor meinen Augen. Ich konnte es nicht verhindern. Fing ich einmal damit an zu heulen, dann schoss es aus mir hervor wie aus einem unerschöpflichen Brunnen.

Ich warf mich auf den buntbetuchten Sessel, zog sie Beine an den Körper und vergrub mein Gesicht an den Knien.

Es war ganz offensichtlich, dass Himura mir nach jenem Zwischenfall mit dem geheimnisvollen Schwertkämpfer aus dem Weg ging. Warum, war mir jedoch völlig schleierhaft. Ich war auch wütend auf mich selbst, weil ich mittlerweile glaubte, dass ich zu aufdringlich ihm gegenüber gewesen sei.

Konnte ich mich denn so getäuscht haben?

Seine Blicke, sein warmes Lächeln, die Einladung zum Training… Das alles MUSSTE doch etwas bedeuten! Ganz zu schweigen von den Träumen, die mich nun immer öfter heimsuchten und immerzu von ihm handelten.

Es tat weh zu sehen, dass er geradezu vor mir FLOH, wenn ich einen Raum betrat. Sicher, er tat dann so, als hätte er furchtbar wichtige Dinge zu erledigen – und womöglich war dem auch so - aber ich glaubte es besser zu wissen. Denn wo er zuvor meinen Blick geradezu aufgefangen hatte, so wich er ihm jetzt aus.

Das war nicht normal.

Was war nur los?

Und vor allem, was war schon wieder mit mir SELBST los?

Ich KANNTE diesen jungen Mann nicht wirklich. Wieder und wieder ging mir dies durch den Kopf. Und doch schnitt es mir wie mit einem Messer ins Herz, wenn er sich wegdrehte, kam ich ihm auf einem Gang entgegen.

Warum?

Warum nur reichte er mir erst seine Hand und schlug die meine dann beiseite?

Warum nur? Ich hatte keine Ahnung.

Aber er ließ mich einfach nicht los.

Ich hatte versucht zu vergessen. Wochen lang. Es war mir nicht möglich gewesen.

Mittlerweile war der Herbst mit Macht ins Land gekommen und die Luft war so kühl wie die Stimmung in meinem Herzen. Mir war, als würde nicht nur die Welt draußen welk und leblos werden und sich auf eisige Zeiten vorbereiten, sondern als würde auch in mir selbst ganz langsam aber beständig etwas absterben, wenn ich nicht bald mit Himura sprechen konnte.

Aber mit beträchtlichem Zorn auf mich selbst stellte ich auch fest, dass ich dazu bislang zu feige gewesen war. Ich hatte einfach nur Angst aus seinem Mund vielleicht das zu hören, was ich insgeheim schon die ganze Zeit über befürchtete. Dass ich ihn nicht interessierte. Dass ich ihm völlig gleich war.

Etwas krampfte sich in mir zusammen und ich schluchzte leise.

Verdammt…

Jetzt, wo ich mir endlich im Klaren über meine Gefühle gewesen zu sein glaubte…

Was sollte ich nur tun?
 

In den ersten Wochen nach dem Vorfall mit Enishi hatte es eine Zeit lang sogar so ausgesehen, als wenn Himura vorzeitig die Universität aus was auch immer für Gründen verlassen wollte. Viele munkelten, dass dies an diesem fremden Herausforderer gelegen haben mochte. Sie lachten über Himura und sagten ihm Feigheit nach, was mich maßlos ärgerte. Aus irgendeinem Grund war er dann doch noch geblieben. Aber er war mir von nun an so fern, dass ich bald daran glaubte, ich hätte mir diese innere Verbundenheit zwischen uns überhaupt von Anfang an nur eingebildet.

Doch warum dann diese Träume?

Versuchten sie mir etwas zu sagen, etwas mitzuteilen?
 

Ich hob den Kopf von meinen Knien.

Nein, so konnte das nicht weitergehen.

Ich glaubte zu wissen, wo er wohnte. Nicht hier im Gebäude. In der Hütte im Wald, welche die Studenten manchmal für Gelage benutzten.

Ich würde dorthin gehen und ich würde mit ihm reden.

Jetzt.

Was war denn schon dabei? Ich musste ihm ja nicht gleich mit meinen tiefsten Gefühlen kommen.

Ich versuchte mir Mut zu machen. Ich konnte ja meine Zeichenutensilien mitnehmen und vielleicht vertrieb das dann meine Nervosität ein wenig. Außerdem war das ein gutes Alibi um hinaus in die Natur zu gehen. Das leuchtend bunte Herbstlaub war das einzige, was momentan ein wenig Farbe in mein Leben und meine Malerei brachte.

Ich musste raus hier!

Als ich aufsprang und meine Sachen zusammensuchte hatte ich plötzlich dass Gefühl, die Wände um mich herum würden mich einengen und erdrücken. Es war so schrecklich dunkel zu dieser Jahreszeit, vor allem hier drinnen.

Ich stürmte aus dem Raum als Gladys gerade hereinkommen wollte. Mit hochgezogenen Brauen blickte meine Kommilitonin mir nach, als ich mit Riesensätzen die Treppe hinunterzustürmen begann.
 

*************************************
 

Gewidmet dem einen, wunderbaren Menschen, der das hier niemals Lesen wird.
 

Und meinen lieben und treuen Lesern. *umarm* Was würd ich ohne euch machen..?

Eure Madoka



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Kommentare zu diesem Kapitel (8)

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Von: abgemeldet
2007-10-18T14:27:03+00:00 18.10.2007 16:27
Das war wieder Genial, man konnte richtig mit Kenshin mitfühlen...*in tränen ausbrech*
Er hat echt kein leichtes Los gezogen, aber ich hoffe das Madoka ihm erlösung bringt...
Von:  Karen_Kasumi
2007-10-07T09:53:55+00:00 07.10.2007 11:53
Soooooooooo...komm ich auch endlich mal dazu, deine FF weiter zu lesen, Liebes......*anknuffel*
Ah, du hast auch diese kleine, leicht sadistische Ader, die Menschen in deinen Geschichten leiden zu lassen......darin gleichen wir uns. Ich LIEBE so etwas.....zu lesen und zu schreiben ;)
*knuffel*
Tja, was soll man noch dazu sagen?
Toll, wie immer.
Einfach genial........
Von:  Rogue37
2007-09-30T12:18:22+00:00 30.09.2007 14:18
Ano ... ICh weiß wem es gewidmet ist, richtig? Und in der TAt ich lese darin viel mehr als ich hier schriftlich und für jedermann jemals kommentieren würde *knuff*

Also lass mich auf das Dilemma dieses armen Kenshins eingehen. ICh kann mich eigentlich nur wiederholen, wieder und wieder und solang bis es dir langweilig wird es zu hören. Ich kann das nicht einmal ansatzweise beschreiben, aber diese Art des Leides, das ständig wiederkehrende, dazu verflucht zu sein, wieder und wieder das gleiche Leid zu durchleben, das ist was mich fesselt, was mich mitnimmt, mehr als jedes andere LEid dieser Erde. Diese Unmöglichkeit seinem SChicksal zu entrinnen. Und auch wenn man vielleicht nicht an Schicksal und all diese Dinge glaubt, so kommt man nicht umhin, sich auszumalen, wie es wohl wäre, wenn es das SChicksal doch gäbe. Wie furchtbar grausam es sein könnte, wieder und wieder das gleiche Leid zu erleiden und sich dessen auch noch bewusst zu sein.

Denn sind wir mal ehrlich, wer von uns weiß schon, ob er nicht jedes Leben wieder das gleiche durchleidet. Nur ist das eben der SEgen daran, wir wissen es nicht, wissen ja nicht einmal, ob wir wirklich schon einmal gelebt haben oder ob wir in einem weiteren LEben den gleichen Mist verzapfen. DAs ist der Segen der Unwissenheit. Kenshin dagegen ... Mit dem Wissen von jeder einzelnen Existenz, die er hinter sich hat, mit dem Wissen von jedem einzelnen schmerz. Gott, selbst der stärkste Mensch würde daran zerbrechen.

Und diese Überlegungen in dieser HÜtte. Ich könnt heulen, wenn ich das lese. DAs ist so gefühlvoll, ohne besonders schwer zu sein. ES ist und versteh mich nicht falsch, so einfach erzählt. Ohne all zu sehr auf die Tränendrüse zu drücken, einfach nur TAtsachen, leichte Worte, die einfangen sollen, was er fühlt und das macht es so unerträglich. Diese Gewissheit, mit der er sich seinem Schicksal stellt. Diese Sicherheit, dass er seit er Madoka kennt, seinem SChicksal nicht mal entrinnen kann, wenn er in ein anderes Land geht. Diese Ausweglosigkeit, dass nichts auf dieser Erde ihn schützen kann. DAss er diesen SChmerz erneut ertragen muss.

Und doch schaffst du es diesen kleinen Hoffnungsschimmer aufzubauen. Diesen Ausblick, den Kenshin und auch wir als Leser haben. Dass es dieses Mal vielleicht anders ist, weil Madoka anders ist. Dass er all das vielleicht hat ertragen müssen, um nicht Kaoru oder Tomoe zu liebe, sondern um sie alle in einer Person zu lieben. Vielleicht in Madoka. Es wäre jedenfalls möglich und man wünscht es sich und hofft darauf und denkt sich das SChicksal kann nicht so grausam sein.

Ich fand sehr schön, dass du Kenji mit ins Spiel gebracht hast. Die Perfektion die er erschaffen hat. Denn so fühlen Eltern doch in der REgel. Die Perfektion ihres Nachwuchses, das was sie unsterblich macht. Und das tröstet wohl wirklich irgendwie.

Tomoe, naja, man merkt, dass er sich damit abfindet, dass er vielleicht nie hätte verhindern können was geschehen ist, denn Tomoe hat einzig und allein aus eigenen Stücken gehandelt. Sicher, sein Kampf war dazu nötig gewesen, aber gehandelt hat letztendlich sie.

Kaoru dagegen ... Oh man, man möchte ihm diesen SChmerz nehmen, aber ich glaube jeder weiß, dass er Recht hat.Es gibt sie, diese Momente im Leben, die einen schwach machen, die einen zwingen zu handeln, wie man es eben getan hat. Wohlwissend, dass es falsch war. WAs Kaoru getan hat, war naiv und idiotisch aber irgendwie auch verständlich. Sie wollte ihm nahe sein, wenigstens ein Teil seines Leides mitfühlen können. Ein wenig hatte es auch etwas nobles, wenn auch auf kranke Art und Weise. Aber er selbst hat REcht. Die Liebe, die er fühlte, hätte ihn dazu bringen müssen, für sie beide stark zu sein. Sie vor dem zu schützen, was ihn umgebracht hätte. Auch wenn er ihr damit das Herz gebrochen hätte. Diese GEwissheit kann ihm keiner nehmen. Er kann sich nur daran halten, dass sie das gewollt hat und ihm damit ein Stück Frieden hat geben können. Mehr hat sie vermutlich nie gewollt. Wenn er sich dessen irgendwann bewusst ist, kann er sich vielleicht selbst vergeben.

Und Madoka ... Nun ja, ich fand die Überlegung von ihm interessant. Dass er sie liebt und sich deswegen von ihr fernhält, damit sie nicht sterben muss. Aus der Sicht von jemanden, der zu viele Gefühle hat, verständlich. Er übersieht dabei nur die TAtsache, dass wenn es wirklich Schicksal ist, ihres besiegelt war, als er sich in sie verliebte. Denn es ging nie darum, dass sie seine GEfühle erwiderten, es ging nur darum, was er fühlte und solange er etwas für sie fühlt, scheint das SChicksal seinen Lauf zu nehmen. Sie zu ignorieren würde nichts daran ändern, dass es ihn zerbricht, wenn sie stirbt. Richtig?
Von:  Earthking_Amaimon
2007-09-27T19:15:00+00:00 27.09.2007 21:15
Du schreibst echt total gut!Ich könnte so was nicht so gut.
Ich kann eher zeichnen,aber trotzdem Respekt. Bitte screib weiter!
Von:  Inuyasha22
2007-09-18T07:49:16+00:00 18.09.2007 09:49
Ich stimme allen bisher gemachten Kommentaren absolut zu X3 Hinzufügend möchte ich noch sagen, dass du gut und gerne damit dir ne goldene Nase verdienen könntest! Mit deiner Schreibkunst mein ich! =D *schleim und sich wahrscheinlich wiederhol*

Naja, die einen können's, die anderen nicht (du ja, ich nicht xD) Wie dem auch sei, freu mich schon auf die nächste Fortsetzung ;D
Von: abgemeldet
2007-09-17T13:29:20+00:00 17.09.2007 15:29
Ahhh ja, sehr tiefschürfend dieses Kapitel. So wie ich bei Mulder neulich, hast du nun bei dem armen Kenshin sämtliche Tiefen seiner trauer und seines Schmerzes ausgelotet. Manchmal kann man so gemein sein. ^^
Ein wenig mehr Licht ins Dunkel is auch gekommen, was die mysteriösen Umstände von seiner ewigen Wiederkehr anbelangt. Auch das hat mir sehr gefallen.
Ha! Und es ist ja wohl ganz sonnenklar, das Madoka das Ganze zum Guten wenden wird. *grins* Auch wenn ich jetzt wirklich mal gespannt bin, ob sie das mit dem Reden wollen durchzieht. *hände reib*
Von: abgemeldet
2007-09-17T12:11:51+00:00 17.09.2007 14:11
Wahnsinn... Jedes Mal, wenn ich hier lese, kommt mir dieses eine WOrt in den Sinn. Wahnsinn.
Du beschreibst die Gefühle immer so toll... Die Gefühle, tief im Inneren, die einem ganz allein gehören...
*kopf schüttel*
Wahnsinn? xD
Kenshin tut mir Leid... Für immer auf der Welt bleiben zu müssen... Nur in einem anderen Körper, aber mit denselben schmerzhaften Erinnerungen... Wer weiß, vielleicht bringt ihm Madoka das Glück wieder? Vielleicht findet er durch sie wieder seinen Frieden? Verhindern kann er das Kommende sowieso nicht. Trottel. xDD
Ich freu mich auf neue Kapitel... *___*
*knuff*
*kopf patt* ^^°°
Von:  Sariei
2007-09-16T15:51:00+00:00 16.09.2007 17:51
liebe liebste mado-chan du hast in dieser wunderbaren geschichte tatsächlcihe in kapitel weiter geschrieben !^^ ich freu mich aj so dermaßen ..Undd as leid eines Kenshin / TAkeo schildern is ja dei nhauptgebiet und das hast du ja zur meisterschaft gebracht !^^
ich freue mich scho nso über/ auf dne fortgang der geschichte
lg sari


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