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Die Akte Tanner

von

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Reine Routine

Zwei Monate später...
 

In letzter Zeit war es ziemlich ruhig. Es kamen kaum Kunden in den

Waffenladen "Gunsmith Cats". Auch die Kriminellen blieben brav hinter

Gittern. Rally Vincent, Ladeninhaberin und Teilzeit-Prämienjägerin,

langweilte sich also. Sie stand im Laden, auf ein Wunder hoffend, das ihr

etwas Abwechslung verschaffen würde.
 

Das Wunder kam in Form ihrer kleinwüchsigen Assistentin May. "Da ist ein

Fax für dich angekommen", sagte sie.

"Ein Auftrag?", fragte Rally hoffnungsvoll.

"Ja, aber der lohnt sich kaum. Er bringt gerade mal 2000 ein."

"Na egal, gib her. Irgendwas muss ich tun, sonst roste ich ein."

Rally sah sich das Fax an. Zunächst sah es wirklich nach nichts besonderem

aus. Ein kleiner Drogenhändler namens Arthur Cogan. Doch die Beschreibung

der Umstände der Festnahme hielt eine Überraschung bereit.

"Du, da steht, dass er zehn Kilo 'Kerosin' auf sich trug, als er geschnappt

wurde."

"Zehn Kilo?", echote May überrascht.

'Kerosin' war eine neuartige und sehr gefährliche Designerdroge, die von

Rallys Erzfeindin, der Drogenbaronin Gordi, entwickelt wurde. Nach Gordis

Rückkehr nach Italien waren die Preise ins Unermessliche gestiegen. Zehn

Kilo waren ein kleines Vermögen. Für Rally war der Fall damit jedenfalls

klar: Sie würde den Auftrag übernehmen. Sie war ohnehin nicht besonders gut

auf Drogen zu sprechen, aber Kerosin stand weit oben auf ihrer

Abschussliste.

"Also schön", sagte sie sich.

"Du nimmst an", meinte May, wenig überrascht.

"Ja", erwiderte Rally knapp. "Kannst du kurz den Laden übernehmen, während

ich telefoniere?"

"Ach, du meinst nur für den Fall, das ein Kunde kommen könnte?" kicherte

May.

Rally warf ihr einen finsteren Blick zu, sagte aber nichts. Sie ging zum

Telefon.
 

Rally bestätigte telefonisch, dass sie den Auftrag annehmen würde. Sie

würde anschliessend noch kurz vorbeifahren müssen, um den Vertrag zu

unterzeichnen. Aber vorher wollte sie noch Becky, ihre Informantin,

anrufen.

"Hallo?", klang Beckys Stimme aus dem Telefon.

"Hallo Becky. Ich bins, Rally."

"Oh, Hallo Rally. Hast du etwa auch noch einen Auftrag für mich?"

"Wie? Bist du etwa beschäftigt?"

"Und wie. Es ist auch ein ziemlich dicker Brocken dabei."

"Na toll, und ich sitz hier auf dem trockenen. Die Welt ist nicht gerecht.

Hast du trotzdem noch Platz für einen kleinen Auftrag?"

"Klar doch. Du bist doch eine alte Freundin. Da lässt sich immer was

machen."

"Danke Becky."

"Vorausgesetzt natürlich, es ist gut bezahlt."

Eine kurze Stille folgte diesen Worten.

"Wie bitte?", fragte Rally. "Also einen kleinen Anreiz musst du mir schon

geben, wenn ich für dich suchen soll. Immerhin muss ich dafür einen gut

bezahlten Job aufschieben. Und ausserdem..."

"Na gut, dann eben nicht", unterbrach Rally verärgert, und hängte den Hörer

ein.

"Jetzt sei doch nicht gleich sauer", sagte Becky, bekam aber als Antwort

nur noch das Freizeichen zu hören. "Mann."
 

Rally war aber sauer. Becky schien gelegentlich zu vergessen, was wichtiger

war: Geld oder die Freundschaft. Zwar hatte sie Rally auch schon aus

brenzligen Situationen geholfen. Hinterher hatte sie aber jeweils eine

gepfefferte Rechnung gestellt. Mit diesen Gedanken im Kopf ging Rally

zurück in den Verkaufsraum.

"May", sagte sie, "ich muss weg."

"Den Vertrag unterzeichnen, nehme ich an?"

"Nicht nur. Becky will derzeit keine Aufträge annehmen, wenn sie nicht gut

bezahlt sind. Ich muss also selbst nach unserem 'Kunden' suchen."

"Soll das heissen, du gedenkst mich den ganzen Tag im Laden allein zu

lassen?"

"Tut mir leid, May. Aber für so einen kleinen Fisch kann ich nicht den

Laden schliessen."

"Warum denn nicht? Mach doch einfach mal Betriebsferien."

"Wir können nicht einfach Betriebsferien beschliessen. Sonst verlieren wir

noch den Rest der Kundschaft."

"Dann gib den Laden doch auf, und werde hauptberuflich Prämienjägerin."

"Nein, May. Ich bin immer noch in erster Linie Büchsenmacherin."

May gab sich geschlagen: "Na schön. Aber ich werd mich hier wieder zu Tode

langweilen."

"Hör zu, May: Wenn ich Cogan gefunden habe, ruf ich dich an, und wir

schnappen ihn gemeinsam. Ist das ein Angebot?"

"Das klingt schon besser!"

"Also, einverstanden?"

"Klar. Aber vergiss es nicht. Sonst wär ich in Zukunft vorsichtiger beim

Drehen des Zündschlüssels", sagte May mit einem diabolischen Grinsen.

"Wag das ja nicht", erwiderte Rally. May hatte ihr schon einmal die

Motorhaube weg gesprengt. Rally wusste daher, wozu May fähig war.
 

Der Vertrag war schnell unterschrieben. Anschliessend fuhr Rally zum

Polizeipräsidium. Cogan war dort kein Unbekannter. Seine Akte war dick

genug, jemanden zu erschlagen. Schliesslich erhielt Rally, nicht ganz

legal, eine Liste mit häufigen Aufenthaltsorten. Es war eben von Vorteil,

mit der Polizei gut auszukommen. Die Liste war allerdings ziemlich lang,

und Rally war den ganzen Tag beschäftigt.
 

Gegen Abend, die Sonne stand schon tief, hatte sie endlich Glück: Es

handelte sich um eine kleine Hütte, etwas ausserhalb von Chicago. Der

Rollladen am Fenster war unten, aber ein Lichtschimmer verriet, dass die

Hütte bewohnt war. Rally lies den Wagen ohne Licht bis vor das Häuschen

rollen. Das Türschloss war anscheinend schon vor langer Zeit heraus-

gebrochen worden, so dass unterhalb der Türfalle ein Loch in der Tür

klaffte. Das erlaubte Rally, einen vorsichtigen Blick hinein zu werfen.

Kein Zweifel: Da sass Cogan hinter einem Tisch, und schien irgend etwas zu

studieren. Rally hätte ihn jetzt einfach festnehmen können, aber

schliesslich hatte sie May etwas Action versprochen. Also fuhr sie den

Wagen wieder vorsichtig in die Stadt zurück. Dort erst rief sie May an.
 

"Hallo May."

"Ah, es wird allmählich Zeit, das du anrufst. Es war den ganzen Tag lang

kein Kunde da. Du lässt mich hier einfach verrotten!"

"Oh, tut mir leid, dass dein Tag nicht so aufregend war, wie meiner",

meinte Rally mit vor Sarkasmus triefenden Stimme. "Aber ich hab eine gute

Nachricht für dich."

"Du hast ihn gefunden?"

"Ja."

"Und du hast ihn noch nicht geschnappt?"

"Nein."

"Bleib, wo du bist. Ich bin in fünf Minuten bei dir."

"Warte, warte. Soll ich dir nicht erst sagen, wo ich bin?"

Ob so viel Enthusiasmus musste Rally grinsen. Aber sie konnte May

verstehen: Es war in den letzten Tagen wirklich langweilig gewesen.
 

Es dauerte dann doch ganze zwanzig Minuten, bis May ankam. In dieser Zeit

hatte Rally ständig Cogans Hütte überwacht. Dabei war ihr etwas

aufgefallen: Cogan hob in unregelmässigen Abständen eine Lamelle an. Rally

vermutete, dass Cogan jedesmal, wenn er ein Geräusch hörte, nachschauen

ging, was los war. Er war also nervös. Rally gefiel das nicht, denn das

machte ihn unberechenbar.
 

Schliesslich bog ein kleiner, weisser Fiat um die Ecke. Daraus stieg eine

energiegeladene May, der es offensichtlich nicht früh genug los gehen

konnte. "Da bin ich!", rief sie fröhlich. "Ging doch schnell, oder?"

"Schnell?", fragte Rally. Sie schaute auf die Armbanduhr. "Na ja, für

deinen Wagen vielleicht."

"Na na. Immerhin ist mein Kleiner trotz seines Alters deutlich weniger in

der Werkstatt, als dein stolzer Cobra."

May berührte mit voller Absicht einen wunden Punkt. Die Reparaturkosten,

die für den Cobra so aufliefen, hätten Rally schon lange in den Ruin

getrieben, wäre da nicht ihr einträgliches 'Hobby'. Andererseits

resultierten die meisten Beschädigungen eben daraus... Jedenfalls hatte

Rally keine Lust, um diese Zeit irgendwo am Stadtrand einen Streit zu

beginnen. Also sagte sie nur: "Schon gut. Schnappen wir ihn uns, bevor die

Sonne untergeht."

"Wo steckt er denn?", fragte May.

Rally deutete über ihre Schulter zur Hütte. "Da drinn", sagte sie knapp.

"Echt? Ist ja nett von ihm, selbst in die Reuse zu latschen. Soll ich ihn

ausräuchern?"

"Geht nicht. Vor dem einzigen Fenster ist ein Rollladen. Ich denke, wir

machens wie damals, als wir Ken gesucht haben."

"Okay!"
 

Langsam liess Rally den Wagen vor anrollen. Der Plan sah vor, unerkannt zu

Tür zu kommen, eine Granate mit Betäubungsgas rein zu schmeissen, und Cogan

hinterher einfach aufzulesen. Als sie jedoch die halbe Strecke zur Hütte

hinter sich hatten, beschloss Cogan, aus welchem Grund auch immer, heraus

zu schauen. Vermutlich hatte er wieder irgend etwas gehört. "Scheisse,

jetzt hat er uns gesehen!", rief Rally. Sie drückte das Gaspedal durch. Der

Cobra freute sich lautstark über die plötzliche Benzinzufuhr. Die Räder

drehten durch, doch als sie auf der schlechten Strasse halt fanden, machte

der Wagen einen ordentlichen Satz nach vorne. Innert weniger Sekunden waren

Sie am Ziel. Rally bremste scharf. Sie sprang aus dem Wagen, und rannte zur

Hütte. May tat es ihr gleich. Sie postierten sich je auf einer anderen

Seite der Tür. May machte die Granate bereit. Als sie fertig war, trat

Rally einen Schritt zurück, um die Tür einzutreten. Doch sie kam nicht

dazu: Eine Kugel flog durch die geschlossene Tür, und verfehlte Rally nur

knapp. Rally drückte sich wieder gegen die Wand neben der Tür. Sie fluchte:

Genau darum hasste sie übernervöse Typen. Aber sie wusste auch genau, wie

es weitergehen würde: Cogan würde sein Magazin leer schiessen, und dann

versuchen, durch das Fenster zu flüchten. Sie musste nur schneller sein.

Ihre Vermutung schien sich zu bewahrheiten: Nachdem sechzehn weitere Kugeln

die Tür in ein Sieb verwandelt hatten, hörte die Schiesserei plötzlich auf.

Rally konnte noch das Geräusch des eiligst hochgezogenen Rollladens hören,

und beeilte sich daher. Doch als sie zum zweiten Mal versuchte, die Tür

einzutreten, zerschnitt ein scharfer Knall die kurze Stille. Rally starrte

erschrocken auf das Loch, das die Kugel in die Tür gerissen hatte. Der

Knall und die Form des Lochs liessen keinen Zweifel zu: Das war die Kugel

eines Sturmgewehrs.
 

Ein beherzter Tritt liess die Tür aufschwingen. Ein Loch im

gegenüberliegenden Fenster zeigt deutlich, woher die Kugel gekommen war.

Cogan lag davor auf dem Rücken, und machte keinen besonders gesunden

Eindruck. Geistesgegenwärtig holte May ihren Feldstecher aus dem Wagen.

Damit rannte sie zum Fenster, und suchte die Umgebung ab.

"Und?", fragte Rally, während sie sich über Cogan beugte.

May schaute angestrengt durch den Feldstecher. Schliesslich setzte sie ihn

ab, und schüttelte den Kopf. "Ich hab den Schützen ausgemacht. Aber die

Sonne blendet mich. Ich kann nichts erkennen." Sie seufzte, und wandte sich

Rally zu. "Das Gewehr hatte eine etwas seltsame Form. Ich denke, ich werde

es wiedererkennen."

"Das wird uns vermutlich nicht viel bringen", meinte Rally, "aber es ist

besser als nichts."

"Wie gehts den unserem Kunden?"

Rally grinste. "Besser, als er es verdient. Die Kugel hat nur seine

Schulter gestreift. Er ist glatt ohnmächtig geworden."

May griff sich an die Stirn. "Ach du meine Güte", sagte sie. Dann wanderte

ihr Blick auf den Tisch, an dem Cogan zuvor gesessen hatte. "Du Rally,

schau mal."
 

Langsam öffnete Cogan die Augen. "Ich... ich lebe ja noch", sagte er

langsam.

"Scharf erkannt", erwiderte Rally.

Cogan sah sich erschrocken um. Er lag auf einer Pritsche in einem Raum, der

ihn unangenehm an eine Gefängniszelle erinnerte. Die Tür stand offen, aber

Rally sass auf einem Stuhl genau davor. Cogan setzte sich auf. "Wer sind

Sie?", fragte er. "Wo bin ich hier? Was wollen Sie von mir?"

"Ein bisschen viele Fragen auf einmal", meinte Rally. "Also der Reihe nach:

Mein Name ist Rally Vincent. Ich bin Prämienjägerin. Und ich habe Sie

gerade festgenommen. Dies hier ist mein Spezialraum für besondere Gäste wie

Sie. Und punkto meiner weit..."

"Sie haben kein Recht, mich hier festzuhalten!", unterbrach Cogan. "Sie

sind nicht die Polizei. Das ist Freiheitsberaubung. Ich verlange, sofort

auf freien Fuss gesetzt zu werden."

"Ich habe das Recht, Sie so lange fest zu halten, bis ich Sie der Polizei

übergeben habe."

"Aber Sie müssen mich auf dem direkten Weg zur Polizei bringen. Das

hier..."

"Ja!", sagte Rally mit einer Schärfe, die Cogan Einhalt gebot. "Ehrlich

gesagt, ich bereue es bereits, Sie nicht direkt der Polizei übergeben zu

haben. Aber ich glaube nicht, dass dies in Ihrem Interesse liegen würde."

Cogan verstand nicht. "Wie?", fragte er.

"Wir haben auf Ihrem Schreibtisch ein paar Dinge gefunden. Eine Karte von

Chicago mit eingezeichneten Fluchtwegen, Karten von verschiedenen anderen

Städten, und diesen netten Brief hier." Rally hielt ein Stück Papier hoch.

Cogan erblasste. "Das... Das dürfen Sie nicht..."

Rally begann vor zu lesen: "Hallo Stevenson, Sie alter Aasgeier. Ich weiss

wo Ihr Drogenlabor ist. Wenn Sie nicht wollen, dass die Polizei es erfährt,

und so weiter, und so weiter." Rally faltete den Brief wieder zusammen.

"Ich nehme an, das hier ist eine Kopie. Das Original haben Sie bereits

verschickt, richtig?"

"Woher... woher wissen Sie...?"

"Ganz einfach Sie Idiot! Jemand hat auf Sie geschossen. Und das waren nicht

wir! Raten Sie mal, wer es gewesen sein könnte."

Das letzte bisschen Farbe wich aus Cogans Gesicht. Er wollte etwas sagen,

brachte aber keinen Ton über die Lippen.

"Sie sitzen ganz schön in der Scheisse, mein Lieber."



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Kommentare zu diesem Kapitel (2)

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Von: abgemeldet
2003-01-10T20:19:13+00:00 10.01.2003 21:19
Ich hab sie auch gerade erst gesehen und finde die Story klasse. Ich hoffe das sie auch noch vortgesetzt wird.
Von: abgemeldet
2002-08-26T21:44:50+00:00 26.08.2002 23:44
Oh welch Wunder! Endlich mal eine Fanfic über Gunsmith Cats, diese absolut geniale Serie.
*freufreu*
Habe sie mir gleich runtergeladen und werde sie gleich lesen, aber bin schon ganz gespannt. Rally und Minni May sind einfach klasse *hihi*


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