Zum Inhalt der Seite

Projekt M

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Rain in my life

In jungen Jahren hat Mirai das durchgemacht, was vielen in Jahrzehnten geschieht.

Mit 16 Jahren fand sie ihre große Liebe.

Als sie 18 Jahre alt wurde, nahm dieser Mann sie zur Frau.

Und im Alter von 19 Jahren wurde ihr die Liebe ihres Lebens genommen.

Jeder hat seine Methoden, um für sich selbst zu verkraften, was geschehen ist. Mirai hat sich Rache geschworen. Rache an dem Mörder ihres Mannes, den sie mehr als alles andere liebte, denn das ist das Einzige, was sie noch am Leben erhält.

Aus der Liebe, die früher ihr Herz erhellte ist nun Hass geworden. Hass an denen, die sie damals immer in ihrer Nähe wusste. Diejenigen, die ihren Geliebten töten ließen. Die Leute, die sich ‚Familie’ schimpften.

Doch am Meisten verabscheute sie ‚ihn’. Den, der ihn umbrachte. Den, der von ihrer Familie beauftragt wurde.

Den Mörder ihres Mannes.
 


 

Regen...

Es regnete. Mirai dachte, dass dieses Wetter ihrer Seele wohl am Besten entsprach. Sie litt höllische Qualen. Sie wollte schreien. Einfach alles ausschreien. Doch sie konnte nicht. Ihre Kehle war wie zugeschnürt.

Wie konnte es nur geschehen?

Wie konnte er nur sterben und sie alleine zurücklassen?

Langsam schritt Mirai den Sargträgern hinterher. Der Regen durchnässte ihre schwarze Kleidung. Ihr Gesicht verbarg sie unter einem verhüllendem Schleier. Ohne Miene sah sie auf den Sarg.

"Totoa", murmelte sie in Gedanken.

Sie wollte weinen, doch ihre Tränen waren längst versiegt.

Die Sargträger hielten vor einem tiefen Loch an und mit ihnen die kleine Gruppe Menschen, die ihnen gefolgt war.

Jemand hielt eine Rede, doch Mirai verstand kein Wort. Zu sehr war sie in Gedanken versunken. Sie träumte von der Zeit mit ihrem Totoa. Das Einzige, was sie vernahm war das Rauschen des Regens. Den Regen, den sie so sehr hasste.

Nach der Totemandacht wurde der Sarg in die Tiefen der Erde herabgelassen und die Menschen um Mirai verließen so langsam den Platz. Nur noch sie und Ryo standen vor seinem Grab. Mirai warf eine Rose in das Loch und murmelte "Lebwohl, Geliebter...", bevor auch sie allmählich davon schritt.

Das letzte, was sie noch vernahm war Ryos Stimme.

"Totoa, bitte verzeih mir. Ich wollte das wirklich nicht. Ich wollte das nicht tun. Es tut mir leid."

Sie drehte sich um, doch Ryo war fort. Und mit ihm auch der Friedhof. Nur noch der Regen ließ an die vorige Situation erinnern. Der Regen, der Mirai nie alleine ließ...
 


 

Sie schreckte aus ihrem unruhigen Schlaf auf. Mirai sah sich schweratmend in ihrem Zimmer um.

"Schon wieder dieser Traum..."

Sanft stützte sie ihren Kopf in ihren Händen ab.

"Schon wieder habe ich von deiner Beerdigung geträumt, Totoa. Von den Worten Ryos, die er zu dir sprach und welche ich immer noch nicht verstehe... Kannst du sie mir erklären? Vielleicht sollte ich ihm auch ein wenig helfen, seinen Schmerz zu überwinden. Er war schließlich dein bester Freund. Ihr ward wie Brüder. Doch nun bist du nicht mehr..."

Eine einzelne Träne lief über Mirais Wange.

"Warum nur hast du mich verlassen? Wie konnten sie dir das nur antun? Wieso haben sie das getan? Du gehörst doch zu ihrer Familie! Schließlich bist du doch ihr Schwiegersohn!!! Doch sie haben dich einfach umbringen lassen. Das werd ich ihnen nie verzeihen! Niemals!"

Mirai atmete tief ein und lächelte anschließend.

"Weißt du, was er gesagt hat, bevor ich ihn umbrachte? ‚Nicht Mirai! Ich bin doch dein Vater!’ Mein Vater? Das ich nicht lache! Er hat mich doch immer allein gelassen und war nie für mich da!!! Immer hat er mich belogen und betrogen, genauso wie er mich stets ausgenutzt hat. Doch jetzt kann er mich nicht mehr belügen. Ja, jetzt ist er endlich still. Endlich ist es ruhig..."

Die Augen schließend sprach Mirai weiter.

"Totoa... Warte bitte auf mich! Nur noch die Anderen und ich bin endlich wieder mit dir vereint. Nur noch der Rest meiner kranken Familie. Und dann muss ich deinen Mörder finden. Das Schwein, dass dich ermordet hat. Und schließlich werde ich zu dir kommen."

Mit einem Schwung warf sie die Bettdecke zurück und stand auf. Von einem Kleiderhaken neben dem Bett nahm Mirai einen Bademantel und zog ihn an. Sie schritt durch den Raum vor eine Wand mit Bildern. Auf jedem war eines ihrer Familienmitglieder zu erkennen.

"Sie sind so krank!"

Aus einer der Manteltaschen zog sie eine Pistole und richtete diese auf eines der Fotos. Auf diesem war ein älterer Mann zu erkennen. Mirai entsicherte die Pistole und hielt ihren Finger fest am Abzug.

"Ciao, Papi!"

Sie feuerte ab und betrachte grinsend ihr Werk. Auf dem Bild prangte nun genau dort, wo vorher der Kopf war, ein großes Einschussloch.

"Und als nächstes kommt mein großes Brüderchen. Ich freu mich schon richtig auf unser Wiedersehen..."

Mirai sah nun auf das Bild, neben dem ihres Vaters, mit einem jungen schwarzhaarigen Mann.
 


 

Am späten Nachmittag klingelte es an der Tür einer kleinen Wohnung am Stadtrand Tokios. Ein junger Mann sah von seiner Zeitung auf, die er gerade gelesen hatte. Seufzend legte er seine Zeitung beiseite und stand vom Küchentisch auf. Langsam ging er aus der Küche heraus, den Flur entlang und fragte sich innerlich schon wer es sein könnte. Normalerweise bekam er Sonntags nie Besuch. Vorsichtig blickte er durch den Türspion. Was oder viel mehr wen er da sah ließ ihn nicht schlecht staunen. Er öffnete die Tür und blickte in das Gesicht seiner kleinen Schwester.

"Eh! Was machst du hier?!"

"Hallo, Brüderchen! Ich hab dich so vermisst!!!", quiekte das Mädchen und warf sich ihm um den Hals.

"Mi-na? Oh, tut mir leid..."

"Was tut dir leid?", fragte das rothaarige Mädchen, während sie ihm hinterher ging und dabei noch die Tür hinter sich schloss.

"Als ich durch den Türspion gesehen hab, dachte ich tatsächlich zuerst du wärst Mirai. Dabei müsste ich euch, als euer Bruder, ziemlich gut auseinander halten können.", erklärte er schmunzelnd, während er vor ihr in die Küche ging.

"Ja, das könnte man meinen...", auch sie schmunzelte, als sie die Tür samt Schlüssel und Vorhängeschloss verriegelte und den Schlüssel dann ihrer Tasche verschwinden ließ. Danach ging sie ihrem großen Bruder hinterher.

"Was führt dich denn hier her, Mina?", fragte er, nachdem sie sich ihm gegenüber an den Tisch gesetzt hatte.

"Ich habe Angst..."

"Wieso hast du Angst? Wovor...?"

Das Mädchen schluckte. "Kitahara... Ich glaube Vater wurde von ‚ihm’ umgebracht."

"Von... wem?"

"Dem Mörder von Totoa!", sagte sie nun und sah betroffen zu Boden.

"Von... Das kann nicht sein! Nein, niemals!!!", meinte er nervös.

"Wieso nicht? Vielleicht wurde er ja von Mirai beauftragt."

Kitahara wollte gerade etwas erwidern, als er stockte.

"Wenn du wirklich Mina wärst, wüsstest du, dass Mirai ‚ihm’ nie einen Auftrag geben würde. Also hör auf, so zu tun, als wärst du Mina, Mirai!!!!"

Das Mädchen sah nach unten.

"Schade... Du hast mich ja doch erkannt, Brüderchen!" Mirai sah auf und grinste fies. "Warum würde ich ‚ihn’ nicht beauftragen? Sag es mir!", sprach sie zu ihm und kippelte leicht mit dem Stuhl.

Kitahara sah zur Seite. "Das werd ich dir nicht sagen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass du einen anderen Auftragskiller engagieren würdest!"

"Weißt du was, Kitahara? Du liegst total falsch!!!"

Er stutzte und sah sie verwirrt an. Nun lehnte sich Mirai nach vorne, stützte sich auf dem Tisch ab und sah ihrem Bruder direkt in die Augen.

Langsam begann der Regen gegen die Fensterscheibe zu prasseln. Mit der Zeit wurde er immer lauter und ein Gewitter erwachte zum Leben.

"Wa-was meinst du damit?", fragte Kitahara.

"Das ich niemanden beauftragt habe, der Vater umbringt."

Ein Blitz erhellte den Himmel. Im gleichen Moment wurde es in der Wohnung dunkel.

"ICH habe Vater umgebracht!"

Donner grollte und ließ die Szene bedrohlicher wirken.

"Das... stimmt doch gar nicht! Das könntest du nie!", meinte Kitahara mit zitternder Stimme.

"Du hast gar keine Ahnung, was ich kann oder nicht! Du weißt überhaupt nicht, zu was ein einsamer und verletzter Mensch fähig ist!!!", schrie sie nun schon fast. Mirai stand auf und schob den Stuhl langsam an den Tisch. Ihr Blick fixierte dabei die ganze Zeit ihren Bruder.

Kitahara sah dabei zu, wie sie den Stuhl heranschob und bemerkte, dass sie Handschuhe trug.

"Mirai, was hast du vor?!" Kitahara zitterte am ganzen Körper. Er hatte Angst. Das erste Mal in seinem Leben hatte er vor seiner kleinen Schwester Angst.

"Was ich vorhabe? Genau dasselbe, was ihr auch mit Totoa getan habt! Ich werde dich töten! Genauso, wie ich Vater getötet habe! Genauso, wie es auch mit Mutter und Mina geschehen wird. Und genauso, wie mit ‚ihm’!!!"

"Du bist verrückt, Mirai!"

"Ich? Das ich nicht lache. Wer hat denn meinen Mann umgebracht?"

Kitahara schluckte. "Er... war ein... schlechter Einfluss für dich."

"HÖR AUF!", brüllte sie und schlug dabei auf den Tisch. "Vater hat genau denselben Müll gelabert! Doch ihr liegt total falsch. IHR seit der schlechte Einfluss. Ihr und eure bekloppte Familie. Die Familie hat doch eh nie wirklich existiert. Schon immer haben wir getrennt gelebt. Noch nie konnte man das ‚Familie’ nennen! Wenn ich einen schlechten Einfluss hatte, dann wart es ja wohl ihr, die mich stets allein gelassen habt! Ich war immer einsam und verlassen. Doch als ich endlich jemanden gefunden hatte, habt ihr ihn mir auch noch weggenommen!!! ALSO HÖRT ENDLICH AUF ZU SAGEN, TOTOA WÄRE SCHLECHT FÜR MICH GEWESEN!!!"

Mirai atmete schwer ein und aus. Ihr Blick fixierte immer noch ihren Bruder. "Hört endlich auf...", murmelte sie noch.

"Mirai..."

Schon wieder wurde der Raum durch einen gleißenden Blitz erhellt.

"Bald wirst du auch ruhig sein. So ruhig wie Vater jetzt ist. So schön ruhig..." Mirai lächelte süß, bei diesen Worten. Dann griff sie in ihre Jackentasche und zog eine Pistole hervor. "So schön ruhig..."

"Mi-Mirai..."

Sie richtete die Waffe auf ihn. "Einfach nur ruhig..."

"Nein! Tu das nicht!" Kitahara stand auf und warf dabei seinen Stuhl um. Rückwärts stolpernd verließ er die Küche und tastete sich in der Dunkelheit auf den Flur hinaus. Er fand schließlich die Tür und wollte sie öffnen, doch es ging nicht. Immer und immer wieder versuchte er sie rüttelnd zu öffnen, doch sie war verschlossen. Nun stieg Panik in ihm auf. Was sollte er nur tun? Er vernahm Schritte und drehte sich um.

Mirai schritt auf ihn zu. Immer noch hielt sie die Pistole in der Hand, die auf ihn gerichtet war.

"Einfach ruhig sein..." Sie blieb direkt vor ihm stehen und entsicherte die Waffe mit einem Klicken.

"Bitte... nein... verschone mich..." Bibbernd vor Angst kniete sich Kitahara auf den Boden. Er kauerte sich direkt vor Mirais Füße und flehte um Gnade. "Tu es nicht... Bitte... Mirai..."

"Ganz ruhig..."

Ein Schuss.

Donnergrollen.

Ruhe.

Angewidert sah Mirai auf Kitaharas leblosen Körper hinab.

"Warum sollte ich so etwas wie dich verschonen? Du bist es nicht wert! Ihr alle seit nichts wert. Ihr seit nur ein schlechter Einfluss für mich!" Mirai steckte ihre Pistole ein. Sie zog den Schlüssel aus ihrer Tasche, entriegelte die Tür und verließ die Wohnung. "Bye, bye, Brüderchen!" Sanft ließ sie die Tür ins Schloss fallen. Die Wohnung keines Blickes mehr würdigend ging Mirai die Treppe hinunter und schritt durch den Haupteingang des Hauses auf die Straße hinaus.

Noch immer regnete es in strömen und Mirais Kleidung wurde durchweicht.

"Regen... Schon wieder regnet es..."

Zornig sah Mirai auf die Regentropfen vor sich.

"Ich hasse dich, Regen! Lass mich endlich alleine!"

Wütend ging sie durch den Regen davon und ließ ihren Bruder, der einst ein Teil ihres Leben war, hinter sich.
 


 

"Nachdem vor einem Monat der berühmte Geschäftsmann und Firmenchef Azuma Aiusa ermordet in seiner Villa entdeckt wurde, hatte man gestern am frühen Morgen auch seinen Sohn, Kitahara Aiusa, tot in dessen Wohnung aufgefunden. Ob es sich bei ihm auch um Ermordung handelt, steht noch nicht 100%ig fest, doch ist man sich dessen trotzdem ziemlich sicher. Außerdem vermutet die Polizei, dass es sich hierbei um ein- und denselben Täter handelt. Beide wurden sofort durch gezielte Kopfschüsse getötet, was darauf schließen lässt, dass es sich bei dem Mörder um einen sehr geübten und trainierten Killer handelt. Des weiteren konnten an den Tatorten keine weiteren Spuren sichergestellt werden, mit denen man auf den Täter hätte schließen können. Aufruhr verbreitet sich nun unter den Fans, der als ‚Mirai Koko’ bekannten Popsängerin, Mirai Aiusa, die die Tochter des berühmten Azuma Aiusas ist. Da es sich bisher nur um Morde innerhalb der Familie Aiusa handelte, glaubt die Polizei, es könnte zu weiteren Ermordungen der Aiusas kommen. Mit in der Schussbahn befinden sich auch Kanoe Aiusa, die Tochter einer Adelsfamilie, wie auch ihre Tochter Mina Aiusa, die Mirais Zwillingsschwester ist. Wie dieses Szenario ausgeht weiß noch niemand. Doch wir werden sie weiterhin auf dem Laufenden halten.", sprach die Nachrichtensprecherin.

Mirai schaltete den Fernseher aus. Nun saß sie im Dunkeln ihres Zimmers.

"ICH weiß, wie es ausgeht." Langsam stand sie auf und ging zu der Wand mit den Fotos. "Alle werden sterben, bis es endlich ruhig ist!"

Mit ihrer Pistole schoss sie nun auch ihrem Bruder auf dem Foto den Kopf weg. Noch einmal betrachtete sie die Bilder mit den Einschusslöchern und wand sich dann dem Bild ihrer Mutter zu.

"Hallo, Mami. Lange nicht mehr gesehen." Mirai grinste böse, drehte sich schließlich um und verließ den Raum.

"Doch erst mal muss ich Ryo helfen...", murmelte sie noch.
 


 

Eines Abends in einem kleinen Appartement in einem etwas abgelegenem Stadtteil Tokios. Ryo stand am Fenster und sah wie so oft zum Sternenhimmel hinauf.

"Totoa..."

Er dachte an seinen verstorbenen Freund.

Plötzlich klingelte das Telefon, doch Ryo rührte sich kein bisschen. Es klingelte immer weiter. Dreimal, viermal, fünfmal... Der Anrufbeantworter sprang an.

"Hier ist der Anrufbeantworter von Ryo Tori. Leider bin ich zur Zeit nicht erreichbar. Ruf doch später noch mal an, wenn ich wieder da bin, oder hinterlass mir eine Nachricht nach dem Piepton... -PIEP-"

"Ähm... Ryo? Bist du vielleicht doch da? Ich bin’s, Mirai. Bitte nimm den Hörer ab!", sprach nun ein Mädchen auf das Band.

Verwundert sah Ryo nun zu seinem Anrufbeantworter.

"Mi-Mirai?!" Kurz überlegte er noch, ging dann jedoch auf das Telefon zu und wollte gerade den Hörer abnehmen, als...

"Nein! Stop... Lass es bitte doch lieber. Nimm nicht ab!!"

Der junge Mann hielt inne. Er war verwirrt.

"Tut mir leid, aber ich glaub, ich wüsste nicht, was ich sagen sollte, wenn du abnimmst. Lass mich lieber so zu dir sprechen. Wenn du da bist, hör mir bitte zu." Kurz stoppte das Mädchen um tief Luft zu holen. "Es ist nicht deine Schuld! Was auch immer zwischen dir und Totoa vorgefallen ist, vor seinem Tod, es war nicht deine Schuld. Nicht du bist an seinem Tod Schuld!"

Ryo erschrak, als er diese Worte hörte. "Weiß sie es? Weiß sie etwa, was geschehen ist? Aber... woher?"

"Es ist nicht deine Schuld!", wiederholte sie noch einmal mit einem gewissen Nachdruck in der Stimme.

"Mirai..."

"Er wird euren Streit bestimmt verzeihen. Immerhin seit ihr Freunde! Ihr seit wie Brüder! Schon seit eurer Kindheit. Er wird es bestimmt verstehen und schon gar nicht mehr daran denken. Ihr seit Freunde und an genau das wird er jetzt denken. Also gib dir bitte nicht die Schuld!", sprach sie zu ihm.

Ryo musste bei diesen Worten lächeln. "Oh, Mirai. Nun tröstest du mich, obwohl ich dir helfen wollte."

"Auch wenn Totoa nicht mehr unter uns weilt, weiß ich, dass er immer in unserer Nähe sein wird. Trotzdem wirst du ihn vermissen... Und das verstehe ich auch..." Ein Schniefen war zu vernehmen.

"...?!" Er sah nun wieder verwundert auf den Apparat.

"Ich... ich vermisse ihn auch sehr..." Mirai begann leise zu schluchzen. "Ich... will... ihn auch... wieder bei mir... haben... Ich... Ich..."

Er konnte nicht mehr. Als er hörte, wie sie weinte, konnte er nicht anders und griff nach dem Telefonhörer. "Mirai! Bitte weine nicht!"

"..." Mit mal war es am anderen Ende ruhig.

"Es tut mir leid, Mirai, aber ich will nicht, dass du weinst. Und genau das ist es, was auch Totoa nicht wollte. Darauf wolltest du doch hinaus. Bitte verzeih mir, dass ich deine Rede nun unterbrochen habe, aber ich konnte nicht anders. Ich kann auch verstehen, wenn du jetzt auflegst, doch eins will ich dir noch sagen: Danke! Du hast mir mit deinen Worten sehr geholfen. Doch vergiss bitte nicht, dass ich auch für dich da bin, wenn du Hilfe benötigst." Kurz lauschte Ryo dem leisen Atem Mirais am anderen Ende der Leitung. "Danke...", sagte er noch.

Kurze Zeit später vernahm er ein Klicken und wusste, dass Mirai aufgelegt hatte. Er legte den Hörer zurück auf den Apparat und lächelte. Langsam ging er zurück ans Fenster und sah erneut auf in den Himmel.

"Danke, Mirai."
 


 

Zur selben Zeit am anderen Ende Tokios in Mirais Villa. Immer noch stand sie neben ihrem Telefon, die Hände fest um den Hörer gekrallt.

"Meine Güte! Hab ich mich erschrocken, als Ryo auf einmal mit mir gesprochen hat." Sanft legte sie den Hörer auf Apparat, sah jedoch immer noch nicht davon weg. "Ich hoffe, er hört jetzt auf sich die Schuld an allem zu geben. Trotzdem konnte ich ihn verstehen."

Nun wand sie ihren Blick ab und ging aus dem Zimmer hinaus in die große Eingangshalle.

"Wenn man sich mit einer Person streitet und dieser Person dann kurz darauf etwas geschieht, gibt man sich die Schuld daran, dass man im Streit auseinander gegangen ist. So etwas kann einen furchtbar quälen, auch wenn es nur eine Kleinigkeit war, weshalb man sich gestritten hatte... Ich hoffe, dass es Ryo jetzt besser geht. Ich bin froh ihm geholfen zu haben. Immerhin ist er die einzige Person, der ich trauen kann. Alle anderen haben mich schließlich hintergangen und verraten. Nur er war mir stets treu!"

Mirai seufzte.

"Nun muss ich aber zu meiner Mutter. Seit Kitaharas Tod sind nun schon 2 Monate vergangen, bis ich ihre derzeitige Adresse finden konnte. Ich sollte mich beeilen, damit ich so schnell wie möglich zu dir kann, Totoa."

An der Gardarobe nahm sie sich einen Schal, den sie sich umband und zog dann ihre Jacke an. Auch Handschuhe zog sie sich an.

"Hoffentlich kann mir wenigstens meine Mutter sagen, wer dich umgebracht hat.", meinte die junge Frau noch, bevor sie die große und leere Villa verließ.
 


 

Am späten Abend kam Mirai an einem Hochhaus im Zentrum Tokios an. Sie sah an ihm hinauf.

"Tss... Luxus pur! Typisch Frau Mama!!!"

Angewidert bemerkte sie, dass es vor ihr zu tropfen begann.

"Du schon wieder!"

Immer mehr Regentropfen fielen auf den Boden. Nach kurzer Zeit war der gesamte Boden durchnässt, auch Mirai. Ihre feuchten Haare klebten ihr im Gesicht. Während sie den Regen, der sich vor ihr in einer Pfütze sammelte, anstarrte, sprach sie weiter.

"Nie lässt du mich alleine. Ständig verfolgst du mich. Seit Totoas Tod. Seitdem ich seinen leblosen und kalten Körper gefunden habe. Seitdem bist du ständig bei mir! Hör auf!"

Nun war Mirai sauer. Sie wollte nicht mehr von ihm verfolgt werden. Wütend trat sie in die Pfütze vor sich.

"Geh! Lass mich allein! Ich will, dass du mich zu Frieden lässt! Immer bist du da, lässt mich nie in Ruhe! Du kotzt mich an! Ich hasse dich! Lass mich endlich in Ruhe an Totoa denken!!! Geh endlich!!!"

Mirai war völlig in Rage, als sie nun endlich die Tür des Hausblocks öffnete und hinein schritt.

"Scheiß Regen!"

Eilig hetzte sie die Treppen zu der Wohnung ihrer Mutter hoch und klingelte. Kurze Zeit später wurde die Tür von einer Frau mit langem schwarzem Haar geöffnet. Als diese Mirai erkannte erschrak sie.

"Was... was tust du hier?!"

"Ich suche Rache!!!" Ohne jedwede Emotion hielt sie ihrer Mutter ihre Pistole an den Kopf. "Und du bist nun als nächste dran!"

Langsam drängte Mirai ihre Mutter in die Wohnung und schloss dann hinter sich die Tür.

"Sag bloß, du bist erschrocken?", fragte Mirai trocken. "Ihr hättet euch von Anfang an denken können, dass ihr nicht einfach so davon kommt! Oder dachtest du das tatsächlich?!" Sie entsicherte die Pistole, die immer noch an die Stirn ihrer Mutter gepresst war. "Wer hat Totoa getötet? Wer war das?!"

"Ich... ich..." Ihre Mutter schluckte. "Ich kann es dir nicht sagen..."

"Was heißt hier, du kannst es nicht?!"

"Das ich es nicht will..."

"Können und wollen ist ein Unterschied! Denn auch wenn du nicht willst, werd ich dich dazu zwingen!" Mirai lächelte.

"Nein!" Ihre Mutter schüttelte den Kopf. "Lieber sterbe ich!"

"Ach, liebe Mutter. DAS wirst du so oder so!" Nun drückte Mirai ihre Mutter an die Wand. "Ich habe noch nie jemanden gefoltert, aber es soll ja ganz amüsant sein. Nur hoffe ich, dass du mir nicht zu schnell abkratzt, verehrte Frau Mama. Immerhin bist du ja mein erstes Folteropfer... Mein Versuchskaninchen!"

"Mirai, lass das! Ich werde es dir nicht verraten!"

"Warum eigentlich nicht? Es kann euch doch egal sein, ob er nun stirbt oder nicht." Mirai sah an ihrer Mutter hinab. "Wo schießen wir denn als erstes hin? Wie wär’s mit den Beinen?! Dann kannst du mir nicht mehr davon laufen..."

"Er tut mir aber leid..."

"Halts Maul!" Mirai schoss in das linke Bein ihrer Mutter. Diese fiel daraufhin schreiend zu Boden. "Wie kann dir der Mörder Totoas leid tun?! Wie kannst du es nur wagen?"

"Er wollte ihn nicht umbringen! Auf keinen Fall wollte er das...", stöhnte ihre Mutter vom Boden hinauf.

"Ach! Und warum ist Totoa nun tot? Ist er einfach so umgekippt? Nein, das ist er nicht. Er wurde ermordet! Und du bist Schuld!!!", schrie Mirai bevor sie ihrer Mutter auch ins andere Bein schoss. Diese schrie erneut auf. "Na? Sag schon! Kam auf einmal wie aus dem Nichts eine Kugel, die ihn umbrachte? Nein! Er ist durch die Hand dieses Mannes gestorben. Des Mannes, den ihr beauftragt habt!" Vor Wut schoss sie ihrer Mutter nun auch in den linken Arm.

Erneut ließ diese einen Schmerzensschrei von sich. Kurz verschnaufte sie und schluchzte dann: "Ich wollte nicht, dass er stirbt. Dein Vater hat das eingefädelt! Ich wollte es wirklich nicht."

Noch ein Schuss. Nun war auch ihr anderer Arm getroffen und die einst so starke und graziöse Frau kauerte nun gebrochen, schwach und kraftlos, wie ein Häufchen Elend am Boden.

Mirai hockte sich neben sie und zog ihren Kopf an ihren Haaren in die Höhe. Sie sah ihrer Mutter ins Gesicht.

"Aber etwas dagegen unternommen hast du auch nicht! Du bist genauso zum Kotzen, wie der Rest dieser Sippe!"

Ihre Mutter sah ihr direkt in die Augen. Die Augen, die Mirais gesamten Schmerz vereinten. Die Augen einer einsamen und liebenden Frau, die ihren Mann verloren hat.

"Es tut mir leid...", sagte Mirais Mutter noch mit einem traurigen Lächeln. Das war das letzte, was sie sagte, denn kurz darauf schoss Mirai ihrer Mutter in den Kopf. So wie bei den Anderen zuvor.

Sie stand auf und sah auf ihre tote Mutter hinab.

"Davon kann ich mir auch nichts kaufen!", murmelte Mirai. "Und Totoa wird davon auch nicht mehr lebendig..."

Traurig ließ Mirai den Kopf sinken.

Plötzlich vernahm sie ein Geräusch und drehte sich blitzschnell um, die Waffe dorthin gerichtet, woher das Geräusch kam. Genau da, wo ein Mädchen stand, welches Mirai am besten kannte. Ein Mädchen, das ihr wie aus dem Gesicht geschnitten war. Ihre Zwillingsschwester...

"Mina..."

"Mirai..." Mina zitterte am ganzen Leib und sah abwechselnd von ihrer Mutter zu Mirai und wieder zurück. "Wieso..."

"...habe ich sie umgebracht?", vervollständigte Mirai die Frage. "Weil sie auch Totoa hat umbringen lassen!"

"Aber sie wollte das nicht! Genauso wenig wie ich oder ‚er’..." Mina begann zu schluchzen.

"Verdammt! Sag mir wer es war!", schrie Mirai, lief auf Mina zu und presste sie gegen den Türrahmen.

"Er wollte es doch gar nicht!"

"Was heißt hier immer: ‚Er wollte es nicht!’? Killer haben keinen Willen! Kein Auftragskiller besitzt einen eigenen Willen!"

"Ein Killer vielleicht nicht..." Mina stiegen Tränen in die Augen und Mirai war überrascht. "Aber ein bester Freund schon..." Nun begann Mina genau vor Mirais Augen zu weinen. Vor Mirais Augen, die nun das pure Entsetzen widerspiegelten.

"Nein!" Mirai wollte ihren Worten nicht trauen. Das kann doch nicht sein. Nicht er! Nicht Ryo! Doch plötzlich wurde ihr einiges klar. Seine Worte. Die Worte an Totoas Grab. ‚Totoa, bitte verzeih mir. Ich wollte das wirklich nicht. Ich wollte das nicht tun. Es tut mir leid.’ Er war es wirklich. Er war es. "Ryo..." Und sie hatte ihn noch getröstet. Ihm gesagt, er hätte keine Schuld. Dabei hat er es getan. Er hat Totoa umgebracht.

Mirai ließ Mina los und tappte davon. Taumelnd verließ sie die Wohnung, ging die Treppe hinunter und schritt in den prasselnden Regen, indem sie schließlich auf die Knie fiel.

"Ryo... Nein, nicht Ryo..." Mirai begann zu weinen. Verzweiflung stieg in ihr auf. "Wieso nur?! Wieso Ryo?! Verdammt noch mal, du warst sein Freund!" Sie schlug vor Wut und Trauer auf den Boden ein.

"Ihr wart wie Geschwister... Und ich habe dir vertraut!"

Nun hockte Mirai ruhig am Boden.

Sie war allein...

Nun war sie ganz allein. Niemandem konnte sie mehr vertrauen. Und sie war ganz einsam.

Nein, es stimmte nicht ganz. Es gab noch jemanden. Jemand der immer bei ihr war. Der sie nie alleine ließ, wenn sie traurig oder einsam war. Jemand der sie trösten wollte...

Regen...

Ja, er war noch da...

Und langsam verstand sie. Sie verstand, dass sie ihn gar nicht hasste. Denn er war ihr einziger Freund.

Der Einzige, der noch für sie da war...

"Danke..." Mit Tränen in den Augen sah sie zum Himmel empor.

"Ich danke dir, mein Freund..."



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  JemoKohiri
2009-03-01T13:58:54+00:00 01.03.2009 14:58
Ehrlich gesagt möchte man Mirai nur noch in den Arm nehmen, sie ganz fest halten und ihren Schmerz wegwischen. Es ist grausam zu sehen was aus Hass alles entstehen kann und zu welchen Handlungen die Menschen dabei fähig sind. Ich für meinen Teil könnte mit sowas nicht leben bzw. möchte solchen Menschen nicht geben. Doch nun zum Kapitel selber, welches mich sehr beeindruckt hat und meine Liebe für diese Story gefestigt hat. Ihr werdet wirklich immer sicherer und versteht es Gegenwart und Zukunft miteinander zu verbinden. Ihr wechselt zwischen beiden öfters, aber achtet darauf es so zu schreiben, dass ich als Leser trotzdem hinterher komme. Glückwunsch an der Stelle auch mal zu der bezaubernden Stimmung, die ihr jedes mal erweckt.

So, damit wäre ich der Bitte nach Kommis endgültig nachgekommen. Ich habe eure Story zudem gleich zu meinen Favouriten gepackt, damit ich zukünftige Kapitel nicht verpasse.
Von:  Mirabelle
2007-05-07T18:33:16+00:00 07.05.2007 20:33
whoa, also... mirai is nich gestört! auf keinen fall.... sie tut mir voll leid ;__; ihr habts mal wieder echt super gemacht... *euch knuddel* allerdings is sie psychisch sehr angeschlagen, was ich verdammt gut verstehe...

schade, dass ihr keine kommis bekommt... aber wirklich, ich werde euch immer welche schreiben, auch wenns lang dauert >.<

zum kapi: ich finde jedes immer wieder besser wie das vorige und so wars diesmal eindeutig auch... wow!!

was mich ende der zweiten, anfang der dritten seite gestört hat... 1. kann sein es lag an mir, aber ich hatte nicht den eindruck, als wären an dem mord an kitahara 2 monate vergangen... (liegt bestimmt an mir^^) und 2. famd ich, das telefongespräch zwischen ryo und mirai war bis jetzt vonn allen dialogen (in dem fall eher monologen) am wenigsten gut geschrieben, mich hat es nich wirklich gepackt ._.

auf der anderen seite isses wie gesagt allg. besser als die anderen... mal wieder xD ich liebe an eurer ff besonders, dass sich immer neue fragen auftun, andere dafür geklärt werden^^

all in all ein super kap!! sehr bewegend *schluchz*
ich freu mich schon auf das nächste, haut rein^^


Zurück