Zum Inhalt der Seite

upside down

von

.
.
.
.
.
.
.
.
.
.

Seite 1 / 1   Schriftgröße:   [xx]   [xx]   [xx]

Kapitel 8 - "overdue avowal"

Kapitel 8 – ‚overdue avowal‘
 

Mit ausdruckslosem Blick betrachtete Andrea den bewusstlosen Jungen in Shateis Armen. "Er wird nicht lange ohne Bewusstsein bleiben. Schade für ihn." "Ich höre seinen Herzschlag auch. Spiel dich nicht so auf!" Shateis Blick bohrte sich hasserfühlt in den seines Gegenüber. Mit einer unbeeindruckten Handbewegung winkte Andrea ab. "Es kommt jetzt auf dich an. Ich hoffe für euch beide, dass du so weit bist..." Ein Tonfall, der Shatei in der Tat für einen Moment inne halten lies. Mitgefühl? Von Andrea?

Seit er zurückgekehrt war benahm sich der 'ehemalige' Schlossherr schon so merkwürdig. Diese Ruhe, die schon mehr Gleichgültigkeit glich, hatte einen seit jeher zur Weißglut treiben können, doch nun war diese Ruhe begleitet von geduldiger Fürsorge. Andrea verließ den Raum mit den Worten, sich um 'seinen' Schützling kümmern zu wollen.

Shatei war es egal, ob er damit nun Erique oder Alexander meinte. Hier und jetzt zählte nur Joèl. Joèl, der, wenn er diesen Schock zu überwinden in der Lage sein würde, nun vielleicht wirklich 'sein' sein konnte.

Behutsam legte er den jungen Mann auf der Couch ab und nahm selbst in einem Sessel, den er so drehte, dass er ihn besser betrachten konnte, platz.

Wie unzählige Male zuvor wanderte sein Blick über die Gesichtszüge des Studenten, prägte er sich jeden Milimeter genau ein. So vollkommen entspannt in seiner Ohnmacht lies nichts die Qualen, Wut und Trauer erahnen, die gleich, wenn er die Augen aufschlug wieder über ihn hereinbrechen würden. "Es tut mir so leid Joèl..." Ein leises Flüstern, eigentlich nur für sich selbst bestimmt und doch öffnete der angesprochene beim Klang seines Namens flackernd die Augen, antwortete ebenso flüsternd. "Gesetz den Fall, dass du dazu in der Lage bist, ändert es ja doch nichts."

Heiße Tränen fanden sofort ihren Weg über seine bleichen Wangen. Der 23-Jährige setzte sich ruckartig auf, verbarg mit einem gequälten Schluchzen das Gesicht in den Händen. In zähflüssiger Endlosigkeit dahinfließende Sekunden starrte Shatei den vom Weinen bebenden Körper an, unfähig etwas zu sagen oder zu tun. Nie zuvor - seit er seine Sterblichkeit verloren hatte- hatte er sich so hilflos gefühlt.

Ihm blieb nichts weiter, als geduldig abzuwarten, bis Joèl sich von alleine beruhigt hatte.
 

Es war gut so. Er gab sich dem Schmerz hin. Er verlieh ihm Ausdruck und schluckte ihn nicht herunter. Vielleicht würde es mit seiner Wut auch so verlaufen. Shatei würde es hinnehmen. Er musste.

Doch egal wie sehr er auf ihn einhieben würde, egal welche Beschimpfungen er ihm entgegenwarf, es würde nichts ändern.

Je länger Shatei den Jungen betrachtete, je länger er über ihn und die gegenwertige Situation nachdachte, desto schneller stieg sein Respekt vor ihm. Wie viel, fragte er sich, konnte der Verstand aushalten, bevor er unter der Last von Emotionen zusammenbrach? Der Last von Schicksalsschlägen und Verlusten?

Erst der Betrug seiner großen Liebe, dann die Erkenntnis dass alles woran man geglaubt, was das eigene Realitätsempfinden ausgemacht hat, falsch war. Die Angst vor dem was vor einem lag. Umgeben von Monstern in einem Spukschloss, dem Tod näher als der Chance auf Überleben. Wie hatte wohl der Kampf in Joèl ausgesehen, als er sich dagegen entschied, für sich selbst zu flehen und stattdessen für Erique und Rendall unter Einsatz seines Lebens, schlimmer noch: Seiner Freiheit, in einen Kampf zu ziehen? Hatte er diesen selbst überhaupt bewusst wahr genommen, oder schlichtweg in einem Moment gewusst, was er zu tun entschied?

Und nun der Verlust des Liebsten für den er dies alles getan hatte. Was mochte er gerade empfinden?

Wut auf Andrea, weil er Erqiue gebissen hatte?

Wut auf Shatei weil er es nicht verhindert hatte oder auch weil er Joèl mit ihrer irrsinnigen Wette von Erique entfernt hatte, sie daher nicht reden konnten? Weil Erique sich nur wegen dieser Wette dazu entschlossen hatte?

Vielleicht auch ein wenig Wut auf Erique?

Und Alexander, der sie überhaupt erst hierher gebracht hatte?

Schmerz über den Verlust Eriques? Verzweiflung, weil all die Nächte des Schauspielens und der Angst des Entdecktwerdens vergebens waren?

Hoffnungslosigkeit? Worin lag seine Hoffnung? Nur in der Rettung Eriques? Ein bitterer Geschmack stieg in Shatei hoch bei dem Gedanken, dass Joèl nun wohl mehr über seinen unschuldigen reinen Erique erfahren würde als gut für ihn war.
 

Minuten später beruhigte sich der Student. Das Beben wich einem stetigen, schwachen Zittern. Das Schluchzen verebbte vollends, nur die Tränen wollten nicht versiegen. Lautlos rannen sie über die bereits benässten Wangen, gerötete Augen blickten verschleiert in Shateis Richtung.

Fragen, Vorwürfe, Bitten um Hilfe. Diese Augen bombadierten den Vampir so unbarmherzig, das ihm zu schwindeln drohte.

"Warum?" Seine Stimme klang belegt und schwach. Dieses eine Wort, diese kurze Frage, drückte so unendlich viel aus.

"Bedauerlicherweise kann ich dir nur zur Antwort geben, was Andrea mir sagte. Er habe es zu deinem Wohle getan, was immer das in seinen Augen sein mag." Auch er bemühte sich um einen ruhigen doch sicheren Ton.

"Zu meinem Wohl? Andrea hat all meine Ängste der letzten Tage damit noch übertroffen. Hast du Erqiue gesehen? Hast du seine Augen gesehen?" Unaufhaltsam rannen wieder mehr und mehr Tränen über das, durch Erschöpfung zu keiner Regung mehr fähige Gesicht. Die Stimme immer wieder wegbrechend.

Jahrzehnte lang hatte sich Shatei nicht mehr so unwohl in seiner Haut gefühlt. Er schüttelte nur benommen den Kopf. Nein, er hatte Erqiue noch nicht gesehen, doch er konnte sich das Ergebnis der Verwandlung nur zu gut vorstellen.

Ein neugeborener Vampir, beherrscht von Blutdurst hätte Joèl schockiert, ihn vor Entrüstung rasen lassen, ihn auch verletzt, doch so vollkommen zerschmettern konnte ihn gewiss nur das, was Shatei von vornherein gewusst hatte. Seit Shatei Andrea kannte, hatte kein Verstand es vermocht die Wirkung seines Blutes zu verarbeiten. Sie waren alle unmittelbar nach der Verwandlung dem Wahnsinn verfallen. Manche mehr manche weniger, doch Wahn blieb Wahn.
 

Andrea fand Alexander wie üblich in seinem (nun alleinigen) Zimmer, in einem Sessel, den Blick in die Leere gerichtet. Drei Nächte waren nun seit dieser furchtbaren Offenbarung vergangen. Oder waren es vier gewesen?

Wenn er ihn so sah, machte der Professor ihm wirklich Sorgen, doch kaum hatte er die Tür hörbar zugezogen, zuckte der 39-Jährige zusammen und wandte ihm seinen Blick mit der üblichen Mischung aus ängstlichem Respekt und schwer gezügelter Neugier zu. Wobei dort seit jener Nacht Erleichterung über Gesellschaft und eine tiefe Traurigkeit begraben unter einem falschen Lächeln mit schimmerten.

"Wohl der Nacht, Alexander." Mit einem Kopfnicken erwiderte er den Gruß. "Du siehst besser aus, hast du endlich etwas Schlaf finden können?" Geschmeidig lies sich Andrea in den zweiten Sessel gleiten.

"Das Schlafmittel, dass du mir hast bringen lassen, hat mir gute Dienste erwiesen, aber ich bin wohl noch weit davon entfernt, wirklich wieder auf dem Damm zu sein." Zwei Herzschläge vergingen in Schweigen. "Du willst das Thema immer noch meiden?" Andrea betonte es zwar, wie eine Frage, doch es war, was es zu sein hatte: Eine Feststellung dessen, was er aus Alexanders Geist wusste.

"Unterhalte dich mit mir über Geschichte, Politik, Philosophie und Religion, doch bitte gestatte mir, noch ein wenig Kraft zu sammeln, bevor ich mich dem Unweigerlichen stelle." Ein sanftes Lächeln brachte ein wenig Lebendigkeit in die marmornen Züge des Vampirs. Alexander wäre ein solch vortrefflicher Kandidat für die Unsterblichkeit. So aufgeschlossen, interessiert, sein Wissensdurst schien unstillbar.
 

Die Stärke, die er hier an den Tag legte war unfassbar. Doch der Damm würde brechen. Andrea wusste nur zu genau, wie es im Innern seines Gesprächspartners wirklich aussah. Der tobende Strudel aus Trauer und Wut wurde derzeit nur von einer starken Schutzmauer aus Verstand in seinem Innern gehalten. Denn wenn sich der Professor einer Sache gewiss war, dann der, dass er wohl nicht noch einmal 'wach' werden würde, würde er sich derzeit wieder in seinen Emotionen verlieren.

Wie ein Bibliothekar inmitten einer von einem Erdbeben zerrütteten und durcheinandergebrachten Bücherei mit der Aufgabe ein neues Register zu erstellen, versuchte er mit Logik die ersten 'Gefühlsfetzen' zu analysieren und zu verarbeiten, bevor er sich an den komplizierten Stoff heranwagte.
 

Nein, Andrea erkannte in diesem Moment ein furchtbar gravierendes Argument dafür, dass Alexander sich absolut nicht zu einem Untoten eignete: Sein unerschütterlicher Lebenswille. Egal wie oft ihm die Fragen 'Was ist denn noch Lebenswert?', 'Hast du nicht schon alles verloren?', 'Warum beendest du es nicht, wo das doch so viel einfacher ist?' und 'Was hält dich noch hier?' durch den Kopf schossen, er lies nicht zu, dass der Damm brach. Drängte all die Dämonen beiseite und suchte verbissen weiter nach einem Lichtblick.

Allmählich durchschaute er Alexs Taktik und Denkweise. Bevor der Sterbliche nicht etwas gefunden hatte, von dem er wusste, dass es ihn bei Verstand halten, oder ihm zumindest den Weg zurück zu seinem Verstand leuchten würde, gab es kein Gespräch über oder gar mit Erique. So viele Jahre hatte Andrea kein Mitgefühl mehr verspürt und nun wurde ihm mulmig bei dem Verlangen Alexanders unterbewusstes Rätzeln zu beenden.

Rätzeln darüber, was aus seinem 'Engel' geworden war. Die Vorstellungen des 39-Jährigen schwankten und variierten ganz massiv über alle Nuancen zwischen den Extremen. Einem engelsgleichen Geschöpf, wie er Andrea sah, anmutig, kühl, unerreichbar, über Vampire wie Riccardo, freundlich, beinahe natürlich, wenn auch gefährlich, bis hin zu den 'Monstern' nur bestimmt von ihrem Blutdurst und dem Drang nach Zerstörung und Leid Anderer.

Er wusste, Alexander würde nicht gefallen, was die Realität bereithielt, doch zumindest würde dann diese verdammte Ungewissheit ein Ende haben. Er musste sich von Erique los sagen, der auch ohne Verwandlung mehr Gift als Heilmittel für die beiden ihn so sehr Liebenden war.
 

Alex hatte ihm diese Frage noch nicht gestellt, Joèl würde dies im ersten Moment in dem sich ihm die Gelegenheit bieten würde tun. 'Warum?'

Wollte er ihnen die Antwort geben? Er entschied sich dagegen. Sie würden es selbst herausfinden. Ganz gewiss. Dies war zwar die unangenehmere und langwierigere Methode, jedoch aber die wirksamste. Seine Aufgabe nach diesem 'Vergehen' saß ihm hier gegenüber. Er würde Alexander nicht aufgeben lassen, sich aber nur dann einmischen, wenn es unvermeidbar war.
 

Jahrzehnte als Sterblicher unter Bluttrinkern und nie zuvor hatte Felix um sein Leben gefürchtet. Bis jetzt. Dieser ‚Neugeborene‘ war unberechenbar und selbst die drei Vampire, die sich mit ihm im Raum befanden, mit Seitenblicken darauf achtend, dass Erique Felix nicht zu nahe kam, konnten ihn nicht wirklich beruhigen.

Möglichst schnell verrichtete er seine Arbeiten, hielt dann jedoch jäh inne und begann ganz im Gegensatz dazu nun besonders langsam und gründlich vorzugehen.

Hatte er aus seinen Gedanken erlauscht, dieser kleine Teufel mit dem Engelsgesicht, dass er den Raum und damit ihn baldmöglichst verlassen wollte, oder warum scharwenzelte er jetzt so heimtückisch und bar jeder ersichtlichen Logik vor der Tür herum?

Der ältere Herr warf um Hilfe ersuchende Blicke zu seinen drei Beschützern, doch diese schienen zutiefst konzentriert auf ihre eigenen Beschäftigungen. War dies Tarnung für den Jungvampir oder hatte Felix sich zu sehr in seinem Wunschdenken von Schutz verirrt?

Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und atmete bewusst und tief durch. Sein Herzschlag war für die Bewohner dieses Schlosses gewiss noch in den Etagen über und unter ihm dröhnend dahingaloppierend hörbar. Er hatte Shatei so viele Jahre gedient, war schon Teil des Schlosses als Andrea sich noch nicht zurückgezogen hatte. Der strahlende Schlossherr, der nun zurückgekehrt war… der diesen Wahnsinnigen erschaffen hatte.

Shatei würde ihn nicht sterben lassen, nicht wahr? Er würde nie zulassen, dass Erique ihm etwas antat! Doch scherte Erique das? Wie viel war von diesem freundlichen Jungen noch übrig?
 

Felix schaute auf, als er ein Kichern vernahm. Die Drei glucksten verhalten während Erique ihn mit schiefgelegtem Kopf ansah und dann laut lachte. ‚Jaja, meine Gedanken sind der Renner, was?‘

Ein Zwinkern des sich bereits wieder beruhigenden 21-Jähringen bevor dieser auf Riccardo zu schlenderte.

Felix zog sich tiefer in den Raum zurück. Er konnte nicht verstehen, was Erique sagte, dafür sprach er viel zu leise, doch es blieb kein Zweifel daran, dass Riccardo und auch die anderen Beiden ihn hörten und dass ihnen keinesfalls gefiel, was der Frischling zu erzählen hatte.

Spannung lag plötzlich in der Luft. Dieses Kind versuchte doch allen Ernstes sie zu provozieren!

Wenige Schritte vor der Gruppe blieb Erique stehen, kichernd, ein diabolisches Grinsen auf den Lippen. Riccardo bleckte die Zähne. Das würde Ärger geben. Ganz gewaltigen Ärger. Felix blick wanderte immer wieder zur Tür. ‚Verschwinde Felix!‘ Der Hausmeister zuckte zusammen, als er Riccardos Stimme in seinem Kopf vernahm. ‚Keine Angst, wir sind schneller und stärker als dieser Welpe. Aber du stehst kurz vor einer Herzattacke, also sieh zu, dass du hier verschwindest.‘ Der ältere Herr schluckte schwer und bewegte sich dann mit bleiernen Schritten auf den rettenden Flur zu. Erst an der Tür angelangt beschleunigte er seine Schritte, wagte erst jetzt, den Blick von den vier Vampiren abzuwenden. Augenblicklich hörte er hinter sich Fauchen und Knurren, dann ein kurzes schmerzhaftes Aufschreien. Er drehte sich nicht noch einmal um.
 

Joèl lag entkräftet auf der Couch. Getrocknete Tränen klebten an seinen Wangen, fahrig rieb er sich die brennenden Augen. „Was willst du nun tun Joèl?“ Eigentlich hatte Shatei sich vorgenommen, ihm mehr Zeit zu geben. Doch die Sorge trieb ihm diese Frage immer wieder zu, bis sie nun aus ihm herausgebrochen war. Er würde ihn nicht gehen lassen können. Doch welche Möglichkeit bliebe ihm, wenn er bleiben würde? Shatei zuckte überrascht zusammen, als er wider erwarten tatsächliche ein Antwort erhielt. Der Student war so voller Überraschungen, seit Ewigkeiten war Shatei nicht mehr zusammengefahren.

„Ich will hier heraus. Lebend. Sterblich. Nenn es wie du willst.“ Seine Stimme klang so unglaublich schwach und heiser. Sie erinnerte bald an die von Andrea. Als habe er sie zu lange nicht benutzt, doch war hier das Gegenteil der Fall. Sein Toben, Schluchzen und Schreien hatten seine Stimmbänder strapaziert. „Die Wette läuft weiter. Die Semesterferien enden in vier Tagen. Wenn ich bis dahin weiter alle in dem Glauben lassen kann, ich sei ein Vampir, lässt du mich und Rendall gehen.“

Shatei seufzte. Er wollte ihm widersprechen. Ihm sagen, dass Andrea doch schon lange bescheid wusste. Die Wette verloren war. Aber letztlich hatte auch Shatei durch Andreas auftauchen seinen Teil der Wettbedingungen nicht einhalten können. Er musste ihm also entgegenkommen. Andrea musste als Faktor für Ihre Wette ignoriert werden.

„Du bist bewundernswert, Joèl.“ Mehr sagte Shatei dazu nicht und es dauerte noch eine ganze Weile, bis Joèl sich aufsetzte, sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht wischte. „Ich will zu ihm. Du kannst doch sicherlich schnell herausfinden, wo in diesem riesigen Steingrab ich ihn finde.“ Der Vampir schluckte, kannte er Joèl doch gut genug dass seine Wortwahl eine Spitze sein sollte. „Hälst du das wirklich für eine gute Idee?“ Ein feuriger Blick traf die dunklen Augen. Die roten Ränder unter dem Goldbraun, diese Aggression, die unausgesprochene Warnung in seinem Blick von unten herauf, den Kopf leicht geneigt. So stellte man sich einen Vampir vor, kurz bevor er sein Opfer anfällt. „Wenn ich durch die Begegnung mit ihm eine Dummheit mache oder unachtsam werde gereicht dir das nur zum Vorteil. Also halt dich raus!“

Oh er würde ihm gehören. Niemals, niemals würde er ihn gehen lassen. Er wollte ihn viel zu sehr. Und er hatte immer bekommen was er wollte, Mitgefühl für ihn hin oder her. Er würde ja Jahrzehnte Zeit haben, ihm zu verzeihen.
 

Glucksend und Kichernd saß Erique auf einer Fensterbank in einem dunklen selten begangenen Korridor und sah zu, wie die letzten blauen Flecke und blutenden Schnitte von seiner weißen Haut verschwanden. Wohlwissend von der rasanten Heilkraft eines Neugeborenen hatten die drei Vampire ihn über zugerichtet. Ja, sie waren stärker als er, in der Tat. Aber was sollte es? Er hatte sie in Rage gebracht, sie beinahe zur Weißglut getrieben. Er musste ihnen nicht schaden, musste nicht der sein, der am Ende die Oberhand behielt. Er reichte ihm, ihnen ein Dorn im Auge zu sein. Diesen arroganten, engelsgleichen Wesen, die glaubten, ihm seinen Joèl wegnehmen zu können.

Ruckartig hob er den Kopf und schnupperte in der Luft. Er witterte Joèl… und Shatei! Doch Shatei entfernte sich wieder. Joèl kam zu ihm. Sein Joèl kam zu ihm!

Mit einem breiten Grinsen erwartete er den Studenten, der die Augen leicht zusammenkniff, um in dem schwachen Licht etwas erkennen zu können. „Nettes kleines Versteck hast du dir hier ausgesucht…. Komm mit.“ Er war sich nicht ganz sicher, ob es eine gute Idee war, ihm den Rücken zuzudrehen, atmete bewusst und konzentriert um seinen Herzschlag ein wenig zu beruhigen. Das war die ultimative Prüfung.

Er ging den Flur einige Meter hinab und öffnete dann eine Tür hinter der sich ein kleiner Raum mit Kamin und Sitzgruppe befand. Mit langsamen Bewegungen, um das Zittern seine Hände zu verhindern, zündete er die Kerzen, der an der Wand befindlichen Kandelaber an. Auf Erique mussten diese Bewegung wirken, als konzentriere sich Joèl darauf, seine Tätigkeiten in einer menschlichen Geschwindigkeit zu halten.

Kaum hatte er das letzte Streichholz gelöscht und war im Begriff, die Streichholzschachtel auf den niedrigen Couchtisch abzulegen von dem er sie genommen hatte, da prallte Eriques eisiger Körper schon gegen ihn. Starke Arme wollten sich um seinen Nacken schlingen, doch Joèl riss instinktiv die Arme hoch und war nicht wenig überrascht, als er feststellte, dass er Erique tatsächlich hatte von sich stoßen können. Dieser schaute ihn einen Moment verdutzt an. Diese Augen. Diese verdammten Augen! „Was soll das? Was hast du?!“ Aggression? Nein, Erique würde ihm nie etwas antun, nicht wahr? Und schon lachte er wieder. Drehte sich im Kreis, die Arme weit von sich gestreckt. „Sieh mich doch an, Joèl. Ist das nicht großartig?“ „Nein, das ist es nicht.“ Joèls ernster und fester Tonfall, lies den Jungen inne halten und ihn fragend betrachten. „Das hättest du nicht tun sollen. Du hättest mit mir reden können, Erique. Du sagst, du hast das für mich getan, aber warum schmeißt du dein Leben für mich weg, wenn du mir nicht einmal mehr genug vertraut hast, mit mir zu reden? Ich wusste, deine Naivität würde einmal fatal werden. Schon als du…“ „Naivität?!“ Ein lautes schallendes Lachen schnitt Joèl das Wort ab. „Wovon sprichst du Liebster? Von den Autorennen? Von Alan. Reden? Zuhören? Beherzige deinen eigenen Rat, mein Schatz, bevor du Anderen Ratschläge erteilst!“

Mit zittrigen Beinen lies Joèl sich in einen Sessel sinken. Diese Nacht war so schon unglaublich anstrengend gewesen, doch hier würde er seine Grenzen überschreiten müssen, dass wurde ihm von Sekunde zu Sekunde deutlicher.

„Wie meinst du das?“ Er war müde. So unglaublich müde. Doch auf den Andren musste sein Tonfall wohl wirklich gefasst, ja beinahe gefühllos oder gleichgültig klingen, denn sein Blick warf ihm Entrüstung entgegen. „Nein, mein Herz, du hast ein falsches Bild von mir. Hör auf damit. Du weißt, ich bin dein Erique. Du kennst mich. Schau mich nicht so prüfend an.“ Er wich zurück, die Hände in seine Haare gekrallt, den Kopf schüttelnd. „Kenne ich dich wirklich? Kennst du dich wirklich, Erique? Du hast dich nie auch nur an die kleinste Begebenheit vor unserem Kennenlernen erinnert.“ Woher kam diese Kälte? Joèl war verwundert über sich selbst. Er wollte schreien und weinen, wollte vor Erique zusammenbrechen, ihn an sich drücken und wenn es denn sein sollte, durch seinen Biss sterben. Doch irgendetwas in ihm hielt ihn aufrecht. Drängte ihn weiter.

„Das habe ich für dich getan! Alles! Alles habe ich immer für dich getan. Hör auf mich so abzuweisen!“ Was war das? Alles für ihn getan? Sprach er jetzt schon wieder von seiner Verwandlung? Joèl lehnte sich leicht nach vorn, stützte die Unterarme auf seine Oberschenkel. „Was hast du für mich getan, Erique?“ Er widerstand dem Drang, ihm die Affäre mit Rendall an den Kopf zu werfen. Meinte er auch das für ihn getan zu haben? Warum meinte alle etwas für ihn tun zu müssen, was ihm dann nur weh tat?

„Du hättest mich nie geliebt! Du hättest mir keine Chance gegeben, so wie ich war! Ich wollte es dir ja sagen, aber als ich sah, wie du auf Alan reagierst….“ Es wurde Joèl zu bunt. Er sprang aus seinem Sessel auf und packte Erique, der sich schon bis an die andere Wand des Raumes zurückgezogen hatte, so als wäre er der Sterbliche und Joèl das Monster in diesem Zimmer, an den Schultern. „Was hat Alan schon wieder damit zu tun?!“ Von jetzt auf gleich schlug der Blick der blauen Augen wieder in Wut um. Ein Fauchen, die Reißzähne bleckend, stieß er Joèl von sich und brachte wieder Abstand zwischen sie. Seine leichte gebückte Haltung, die Zähen immer noch gebleckt, warnten den jungen Mann, ihm nicht noch mal zu nahe zu kommen. „Glaubst du wirklich, er hat mich überreden müssen bei diesen Rennen mit zu machen? Ich habe noch viel mehr getan als ohne Fahrlizenz mit über 200 Sachen über Landstraßen zu heizen! Wer ist hier naiv Joèl? Hm? Glaubst du, Alexander hätte mich verführt? Ein 39-jähriger, von allen als verrückt abgestempelter Professor? Es war der Reiz, erwischt zu werden! Du kennst mich nicht! Du weißt gar nichts!!“

Jetzt war es Joèl der zurückwich. War das möglich? Nein. Nein! Es war das Blut, dass Erique diese Dinge vorgaukelte. Das entsprach nicht der Wahrheit. Er konnte ihm nicht drei Jahre lang etwas vorgespielt haben. Tränen begannen sich wieder in seinen Augen zu sammeln, verschleierten seinen Blick. Er hörte noch, wie Eriques verzerrte Stimme ihm „Jetzt weißt du es, und wenn du mich nicht lieben kannst, wirst du nie wieder jemanden lieben,“ entgegentrug, sah die verschwommene Gestalt auf ihn zu springen und fand sich im nächsten Moment in dem Sessel wieder in dem er zuvor gesessen hatte. Erschrocken wischte er die Tränen aus seinem Gesicht und starrte auf das Bild von Shatei, der Erqiue am Kragen gepackt hielt. Beide mit gebleckten Zähnen. „Rühr ihn noch einmal an, denke auch nur einmal noch daran, ihm ein Leid zuzufügen, und ich werde dich endgültig vom Angesicht der Erde wischen!“

Er schleuderte den Jungvampir in Richtung Tür, wo dieser einer Katze gleich landete und nach einem letzten Fauchen verschwand.

„Es tut mir so unendlich leid, Joèl.“ Sein Blick verschwamm. Nein… nein, nicht schon wieder. Wie lächerlich klischeehaft wäre es, jetzt schon wieder das Bewusstsein zu verlieren. Doch dann spürte er eine kühle Hand auf der Stirn. „Hey Joèl, bist du noch bei mir?“ Er schluckte trocken, nickte dann.

„Ist das wahr? Du weißt es doch, oder? Hat er mich all die Jahre…?“ „Hat er. Erique hatte mehr als einen Grund, zu behaupten, er könne sich an sein vorheriges Leben nicht mehr erinnern. Ich gebe ungerne zu, du warst einer davon. Seine Gefühle waren – oder sind – echt. Aber das ändert wahrscheinlich nichts?“ Joèl lachte müde. „Wahrscheinlich? Du willst wohl sagen ‚hoffentlich‘! Aber, nein, das ändert nichts.“ Seine Arme legten sich wie von allein um Shateis Schultern. „Lass mich heute Nacht nicht mehr allein. Nimm mich mit zur Jagd wenn es sein muss, aber bleib in meiner Nähe.“ Er wusste, er würde Shatei am Ende verlassen. Doch im Augenblick brauchte er ihn. Im Augenblick…
 

------------------------------------
 

wieder muss ich mich für die lange Wartezeit entschuldigen. Ich habe derzeit ein wenig Probleme, die Reihenfolge festzulegen. Es gibt noch eine ganze Menge näher zu beleuchten und ich kann mich so schwer entscheiden bei wem ich anfange.
 

Wenn also jemand einen Wunsch hat, über wen er als erstes mehr erfahren würde, oder welche Charaktere er gerne in einem Gespräch miteinander lesen würde, nur heraus damit ^^
 

Nur eines steht fest: Es wird nur noch zwei Kapitel geben von daher wird wohl nicht restlos alles aufgedeckt. Würde mich freuen, wenn ihr mir bei der Entscheidung helfen würdet.
 

Viele liebe Grüße und tiefsten Dank, dass ihr bis hierher gelesen habt.



Fanfic-Anzeigeoptionen

Kommentare zu diesem Kapitel (2)

Kommentar schreiben
Bitte keine Beleidigungen oder Flames! Falls Ihr Kritik habt, formuliert sie bitte konstruktiv.
Von:  Toastviech
2009-04-05T19:56:23+00:00 05.04.2009 21:56
Enrique wird auch mir immer unsympatischer, auch wenn seien Gefühle echt sind.
Joel sollte Enrique nicht so reizen, es wundert mich das keiner rafft, selbst ein Neugeborener nicht, dass Joel NOCH ein Mensch ist.

lg Toasty
Von:  ReinaDoreen
2009-04-05T19:42:53+00:00 05.04.2009 21:42
Ich mag Enrique nicht. Und jetzt ist er ja geradezu bessen davon, das Joel ihm gehören soll oder gar niemanden.
Joel sollte, wenn möglich, Enrique aus dem Weg gehen.
Reni


Zurück